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Keimzelltumoren im Kindes- und Jugendalter

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B. Krefeld, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugend-medizin, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum Münster, G. Calaminus, Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Kinderheilkunde, Päd.

Hämatologie/ Onkologie.

29. September 2017

Keimzelltumoren im Kindes- und Jugendalter

Der Begriff germinaler Tumor oder Keimzelltumor (GCT) umfasst eine heterogene Gruppe von Tumoren, die sich von den unreifen, primordialen Keimzellen ableitet. Typische Lokalisationen sind die Gonaden oder Mittellinien-nahe, extragonadale Regionen wie Steißbein, Mediastinum, Vagina oder Mesenterialwurzel. Auch im Zentralnervensystem (ZNS) sind die Mittellinien-Regionen Pinealis und Hypophyse am häufigsten betroffen. GCT können in jedem Alter auftreten, wobei sich 2

Häufigkeitsgipfel im Säuglings-/Kleinkindalter und in der Adoleszenz manifestieren. Histologisch zeigen sich bei kleinen Kindern am häufigsten Teratome und Dottersacktumoren, während mit der Pubertät maligne seminomatöse GCT (Germinom, Dysgerminom, Seminom), maligne nicht-

seminomatöse GCT (Chorion- und Embryonales Karzinom) oder Mischformen auftreten. Die Therapie richtet sich nach Lokalisation, Histologie und Ausbreitungsstadium und umfasst Resektion, eine Platin- haltige Chemotherapie und/oder Strahlentherapie.

Keimzelltumoren treten in allen Altersgruppen von der Fetalperiode bis ins Erwachsenenalter auf. Das Verhältnis von Mädchen zu Jungen beträgt 1:0,8. Bei den Steißbein-Teratomen besteht eine deutliche Mädchenwendigkeit (4:1), bei den Tumoren des ZNS eine Knabenwendigkeit (2:1) (1).

Die jährliche Inzidenz beträgt etwa 0,5 Neuerkrankungen auf 100.000 Kinder bis 15 Jahren. Insgesamt machen die Keimzelltumoren im Deutschen Kinderkrebsregister etwa 4% aller Dia-gnosen aus, 18%

davon liegen im ZNS (2). Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit intrakraniellen Keimzelltumoren, die teilweise außerhalb der kinderonkologischen Therapie-optimierungsstudien behandelt werden, ist ebenso wie bei den Teratomen aufgrund fehlender Meldungen von einer Registrierungslücke

auszugehen, sodass wahrscheinlich von einer etwas höheren tatsächlichen Rate auszugehen ist.

Keimzelltumoren zeigen eine charakteristische Altersverteilung im Hinblick auf die Lokalisation. Bei Kindern sind die häufigsten Tumorlokalisationen für Keimzelltumoren der Hoden (25%), das Ovar (25%), der sacrococcygeale Bereich (20%) und das ZNS (20%); außerdem können sie auch im Kopf-Hals-Bereich, im Mediastinum, retroperitoneal und im Urogenitalsystem auftreten (10%) (3). Sacrococcygeale, vaginale

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und Kopf-Hals-Tumoren findet man überwiegend in der Neonatal-Periode und der frühen Kindheit.

Testikuläre Keimzelltumoren haben eine 2-phasige Altersverteilung mit einem Gipfel im Kleinkindalter und einem zweiten Häufigkeitsgipfel in der Pubertät und im Erwachsenenalter. Im Gegensatz dazu entwickeln sich ovarielle Keimzelltumoren oft erst nach dem Beginn der Pubertät und in der 2. (und 3.) Lebensdekade. Die intrakraniellen Keimzelltumoren treten ebenfalls typischerweise ab der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter auf (3).

Ebenso zeigt sich eine eindeutige Altersverteilung in Bezug auf die Histologie. Im Säuglings- und Kindesalter findet man fast ausnahmslos reife oder unreife Teratome, Dottersacktumoren (YST) oder Kombinationen von beiden histologischen Gruppen. Mit Beginn der Pubertät und im Erwachsenenalter überwiegen seminomatöse und nicht-seminomatöse Keimzelltumoren, die die Komponenten

embryonales Karzinom (EC), YST und Chorionkarzinom enthalten können. Oft findet man gemischte Histologien mit mehreren Komponenten (4).

Prädisponierende Faktoren

Bei Adoleszenten gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines testikulären Keimzell- tumors und einer Gonadendys-genesie. Keimzelltumoren sind ebenso assoziiert mit Veränderungen der Geschlechtschromosomen wie z.B. beim Klinefelter-Syndrom in Kombination mit einem nicht-

seminomatösen Keimzelltumor (5). Auch Frauen mit einer testikulären Feminisierung und Strang- Gonaden (häufig zusammen mit doppeltgeschlechtlicher Entwicklung; Swyer-Syndrom) haben ein

erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Keimzelltumors (6) genauso wie Frauen mit Turner-Syndrom (7).

Bei diesen Patientinnen können oft Fragmente von Y-Chromosomen gefunden werden, auch findet man Dysgerminome in Kombination mit Gonadoblastomen (8). Eine mütterliche Östrogen-Exposition kann das Auftreten von testikulären Keimzelltumoren bei jungen Männern beeinflussen. Diesen Zusammenhang findet man bei Keimzelltumoren im Kindesalter nicht (9).

Klinik

Die klinischen Symptome der Keimzell-tumoren werden in erster Linie durch die Lokalisation bestimmt (Abb. 1). Keimzelltumoren des Ovars manifestieren sich oft mit einer unklaren Zunahme des

Bauchumfangs und zum Teil großen tastbaren Raumforderungen. Auch abdominelle Schmerzen bis hin zum akuten Abdomen können ebenso wie eine ausbleibende oder vorzeitige Monatsblutung Symptome eines Keimzelltumors sein. Bei den Hodentumoren dominiert die zumeist schmerzlose Schwellung, welche mit oder ohne Hydrozele einhergehen kann und zum Teil eine erhebliche Größe erreicht, bevor die oft jugendlichen Patienten sich in ärztliche Behandlung begeben. Keimzelltumoren der Steißbein- Region werden, wenn sie exophytisch wachsen (60%), nicht selten bereits vor der Geburt diagnostiziert und können aufgrund der Größe ein Geburtshindernis darstellen und eine Frühgeburtlichkeit auslösen.

Endophytisch wachsende Tumoren (40%) können neben einer Schwellung im Gesäßbereich abdominelle Symptome wie z.B. Blasen- und Mastdarm-Störungen hervorrufen (10). Extrakranielle Tumoren anderer

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Lokalisationen verursachen ebenfalls Symptome entsprechend ihrer Ursprungslage. So können zum Beispiel auch mediastinale Tumoren eine erhebliche Größe erreichen und sich durch Atemnot oder Thoraxschmerzen bemerkbar machen (1).

Die Leitsymptome der meist in der Mittellinie (pineal und suprasellär) gelegenen intrakraniellen Keimzelltumoren ähneln oft denen anderer Hirntumoren. Erhöhter intrakranieller Druck mit

Kopfschmerzen, Übelkeit und Nüchtern-Erbrechen wird häufig bei Tumoren der Pinealis beschrieben.

Jedoch zeigt etwa ein Drittel der Patienten als alleiniges Symptom endokrinologische Ausfälle, am

häufigsten einen Diabetes insipidus (DI) (11, 12). Gerade bei den intrakraniellen Germinomen kann ein DI über einen langen Zeitraum bestehen, bevor es schließlich zum sichtbaren Tumorwachstum mit

Auffälligkeiten in der Bildgebung kommt. Typische Symptome neben einem DI sind weitere

endokrinologische Ausfälle der hypothalamisch-hypophysären Achse sowie Sehstörungen (Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle), sodass nicht wenige Patienten zunächst einen Endokrinologen oder Augenarzt aufsuchen (6).

 

Abb. 1: Keimzelltumor-Lokalisationen.

Datengrundlage: Studien MAKEI 96 und SIOP 96 (©Krefeld).

 

Diagnostik

Die Diagnose eines Keimzelltumors basiert auf Bildgebungsbefunden, Tumormarkern, bei intrakraniellen Tumoren der Liquorzytologie und der gewonnenen Histologie. Im Rahmen von Studien – wie z.B. der MAKEI-Studie für extrakranielle GCT und der SIOP CNS GCT II-Studie für intrakranielle GCT – stehen Referenzeinrichtungen für die Beurteilung von Bildgebungs- und Histologiebefunden zur

Qualitätssicherung und korrekten Diagnose und Stadieneinteilung der Patienten zur Verfügung, um diese dann den entsprechenden Therapie-Gruppen zuzuführen (13).

Diagnostik der extrakraniellen GCT

Bei Verdacht auf einen Keimzelltumor richtet sich die Diagnostik nach der Lokalisation des Tumors und dem Alter des Patienten. Bei ausnahmslos allen Patienten muss neben dem Routine-labor eine

Bestimmung der Tumormarker Alpha-1-Fetoprotein (AFP) und Humanes Choriongonadotropin (ß-HCG) erfolgen. Die physiologisch erhöhten Werte für AFP bei Kindern im Alter bis zu 2 Jahren sind bei der Bewertung zu berücksichtigen (14). Neben den Laboruntersuchungen sind Bildgebungsuntersuchungen

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der primären Tumorregion durch Sonographie und/oder CT/MRT notwendig. Eine CT-Thorax sollte zum Ausschluss pulmonaler Metastasen bei extrakranialem Tumorsitz erfolgen. Eine Skelett-Szintigraphie muss nicht regelhaft, sondern nur bei klinischem Verdacht auf Knochenmetastasen durchgeführt werden.

Bei allen Patienten mit nachgewiesenen Metastasen der Leber und der Knochen sollte außerdem eine MRT-Untersuchung des Schädels erfolgen (15). Etwa 20% der Patienten mit malignen Keimzelltumoren haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Organ-Metastasen gebildet, welche jedoch meist nicht klinisch, sondern lediglich im Staging auffallen und überwiegend in der Lunge, seltener auch in Leber oder Knochen/Knochenmark zu finden sind. Bei Patienten mit ausgedehnten Chorionkarzinomen werden vermehrt ZNS-Metastasen gefunden (3).

Diagnostik der intrakraniellen GCT

Wird aufgrund der klinischen Symptome ein intrakranieller Keimzelltumor vermutet, muss die Bestimmung der Tumormarker AFP und ß-HCG neben der Untersuchung im Serum auch im Liquor erfolgen, da negative Tumormarker im Serum eine Erhöhung im Liquor nicht ausschließen (13). Im Rahmen der Liquorpunktion ist dann auch eine Probe für eine Liquorzytologie zu entnehmen. Eine Bildgebung durch ein MRT des Schädels und der kompletten spinalen Achse vervollständigt das initiale Staging. Liegt eine Erhöhung der Tumormarker im Serum oder Liquor vor, kann die Diagnose eines Keimzelltumors klinisch bei zusätzlicher typischer Bildgebung gestellt werden und es ist keine Biopsie notwendig. Sind jedoch die Tumormarker-Werte in Serum und Liquor im Normbereich, ist immer eine dia- gnostische Biopsie bzw. Resektion des Tumors zur Gewinnung einer Histologie erforderlich. Einzige Ausnahme bildet hier das bifokale Geminom (pineal und suprasellär), welches bei typischer Bildgebung und Bestätigung durch das Referenzzentrum keine Bio-psie benötigt. Für die Biopsie werden heute vor allem wenig invasive Maßnahmen wie z.B. eine Stereotaktische Biopsie oder ein neuroendoskopischer Eingriff genutzt (16, 17).

Histologie und Biologie

Eine histopathologische Aufarbeitung von Biopsie- und Operationspräparaten ist auch bei klinisch eindeutigen serologischen Markern unbedingt erforderlich (Abb. 2). Die immunhistochemische Untersuchung eines repräsentativen Tumorabschnitts ist immer notwendig, um die verschiedenen Keimzelltumor-Komponenten sicher bestimmen und auch kleine Dottersacktumor-Herde erkennen zu können. Eine Referenz-histopathologische Untersuchung wird hierzu immer empfohlen. In der

histopathologischen Diagnose sollten alle enthaltenen Keimzelltumor-Komponenten angegeben werden (1).

 

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Abb. 2: Keimzelltumor-Histologien.

Datengrundlage: Studien MAKEI 96 und SIOP 96 (©Krefeld).

Folgende Histologien kommen (in abnehmender Malignität) als reiner Tumor oder Mischtumor vor: 1.

Chorionkarzinom, 2. embryonales Karzinom, 3. Dottersacktumor, 4. Seminom (Hoden) bzw. Dysgerminom (Ovar) bzw. Germinom (ZNS), 5. Teratom (immatur und matur).

Bei der histopathologischen Beurteilung der gonadalen Keimzelltumoren ist das anhängende nicht- tumoröse Gonadengewebe mitzubetrachten. So ist bei postpubertären Jungen und Männern auf die Anwesenheit einer testikulären intraepithelialen Neoplasie (TIN) zu achten, die durch die

immunohistochemische Untersuchung mit Stammzellmarker HPLAP (Humane Plazentare Alkalische Phosphatase) und OCT3-4 nachzuweisen ist. Bei ovarialen Tumoren sollten Strang-Gonaden sowie ein Gonadoblastom im Rahmen einer Gonadendysgenesie ausgeschlossen werden. Bei diesen

Veränderungen steigt das Risiko einer metachronen Zweiterkrankung in der kontralateralen Gonade (1).

Die Therapie erfolgt immer entsprechend der Komponente mit der höchsten Malignität. In seltenen Fällen können Keimzelltumoren auch maligne somatische Transformationen (z.B. Neuroblastom,

Nephroblastom, Primitive Neuroektodermale Tumoren (PNET) oder Karzinome) enthalten. In diesen Fällen wird nach den entsprechenden Protokollen der Histologie der Transformation mitbehandelt.

Die Stadieneinteilung der extra-kraniellen GCT erfolgt bei den extra-gonadalen Tumoren nach der aktuellen TNM-Klassifikation. Parallel wird für die Hodentumoren eine modifizierte TNM-Klassifikation (18) und für die Ovarial-tumoren die überarbeitete FIGO-Einteilung (19) angewendet.

Bei den intrakraniellen GCT besteht ein internationaler Konsens bezüglich der Stadien-Einteilung. Eine Metastasierung gilt als mikroskopisch, wenn Tumorzellen im Liquor vorhanden sind, oder als

makroskopisch, wenn in der Bildgebung (kranial/spinal) Tumorabsiedlungen diagnostiziert werden (20).

Etwa 15% der Patienten mit Germinom und 20% der Patienten mit Non-Germinomen sind bei Diagnose metastatisch. Tumoren, die parallel in der Pinealsregion und in der Hypophysenregion auftreten (etwa 20% der Patienten mit Germinomen), werden als bifokal bezeichnet und wie nicht-metastatische

Erkrankungen behandelt. Da eine niedrige Sekretion von Tumormarkern auch bei Germinomen (HCG, ß- HCG) vorkommen und auch AFP in Teratomen gering erhöht sein kann, wurde festgelegt, dass zur Diagnosestellung eines sezernierenden Keimzelltumors eine Erhöhung der Tumormarker mit einem AFP

> 25 ng/ml und ß-HCG > 50 IU/L (Serum/Liquor) bei typischer Bildgebung die klinische Diagnose eines sezerniernden Keimzelltumors (Serum/Liquor) zulässt (21).

 

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Der zellbiologische Ursprung von unreifen primordialen Keimzellen unterschiedlicher

Entwicklungsstadien aller histologischen Entitäten ist mittels Untersuchungen des genomischen

Imprinting nachgewiesen worden (22). Die DNA-Methylierungsmuster in Keimzelltumoren entsprechen dabei denen unreifer primordialer Keimzellen während der frühen Embryonalentwicklung.

Bei Teratomen der Kleinkinder und Säuglinge sind keine Aberrationen erkennbar. Sie können jedoch ähnliche epigenetische DNA-Methylierungsmuster und Genexpressionsmuster aufweisen, wie sie mitunter in malignen Tumoren zu finden sind (23).

Die Genexpressionsprofile der Keimzelltumoren bei Kleinkindern unterscheiden sich eindeutig von denen jugendlicher und erwachsener Patienten (24). Für die kleine Gruppe der Therapie-refraktären Tumoren bei Kleinkindern haben die bisher publizierten molekularbiologischen Studien noch keine prognostischen biologischen Marker ergeben. Bei malignen Nicht-Seminomen Erwachsener korreliert eine

Mikrosatelliteninstabilität mit einer ungünstigen Prognose (25).

Teratome haben in Abhängigkeit vom Alter ein unterschiedliches biologisches Verhalten: Bei Kindern, insbesondere bei präpubertalen testikulären Tumoren sowie in reiner reifer Form im Ovar bei jüngeren Frauen sind Teratome als gutartig anzusehen. Bei Adoleszenten und Erwachsenen können Teratome chromosomale Imbalanzen aufweisen, die im Muster denen bei malignen Keimzelltumoren entsprechen und können auch in reifer Form in Mischtumoren ein malignes Potential haben.

Maligne Keimzelltumoren zeigen hingegen charakteristische chromosomale Imbalanzen bei einem insgesamt aneuploiden Chromosomensatz. Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen bilaterale und familiäre Keimzelltumoren mit KIT-Mutationen assoziiert sein können, findet sich bei Kindern vor der Pubertät keine Häufung bilateraler oder familiärer Keimzelltumoren.

Chromosomale Aberrationen am langen und kurzen Arm von Chromosom 1, dem langen Arm von Chromosom 6 und am Chromosom 20 sowie Veränderungen der Geschlechtschromosomen sind bei Keimzelltumoren häufig. Hingegen ist für maligne Keimzelltumoren, die nach Pubertätseintritt manifest werden, ein Isochromosom 12p wie bei erwachsenen Patienten charakteristisch (1).

Prognostische und prädiktive Faktoren

Prognostische Faktoren der extrakraniellen Keimzelltumoren

Die lokale Tumorkontrolle hat sich bei den extragonadalen Keimzelltumoren als entscheidender

prognostischer Faktor erwiesen. Eine komplette Resektion ggf. auch nach präoperativer Chemotherapie sollte immer angestrebt werden, da eine inkomplette Entfernung mit einem erhöhten Rezidivrisiko und einer schlechteren Prognose einhergeht. Bei den metastasierten, nicht-gonadalen, malignen Tumoren hat sich zudem die Altersgruppe der > 10-Jährigen als Risikogruppe her-ausgestellt, welche in Zukunft schon

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primär bei Vorliegen von Metastasen einer intensivierten Therapie zugeführt werden sollen.

Prognostische Faktoren der intrakraniellen Keimzelltumoren

Bei den intrakraniellen GCT hat sich eine AFP-Erhöhung auf > 1.000 ng/ml in Serum oder Liquor bei Diagnose und ein Resttumor nach Ende der Chemotherapie als Risikofaktor herauskristallisiert. Patienten mit einem initialen AFP > 1.000 ng/ml erhalten deshalb eine frühe Therapie-Intensivierung mit Dosis-- intensivierten PEI-Kursen (Platin, Etoposid und Ifosfamid). Residuale Tumoren werden nach Ende der Chemotherapie vor Bestrahlung wenn möglich operativ entfernt, da sich gezeigt hat, dass die Hälfte der Kinder mit Resttumoren einen Rückfall erleidet (26).

Germinome können subependymal wachsen und sich innerhalb des Ventrikelraums ausbreiten, ohne dass dies in der Diagnostik nachweisbar ist. Deshalb ist die Einbeziehung der Ventrikel in die Bestrahlung von großer Bedeutung. Ein Tumorresiduum nach Ende der Bestrahlung bedarf bei Germinomen keiner raschen chirurgischen Entfernung. Die Hälfte dieser residualen Tumoren bildet sich im Verlauf zurück.

Nur bei Nicht-Ansprechen des Tumors auf die Therapie ist eine chirurgische Entfernung zu erwägen, da es sich dann mit großer Wahrscheinlichkeit um Teratom-Gewebe handelt, welches dann auch einer höheren Bestrahlung bedarf (13).

Kurative Therapie

Bis etwa zu Beginn der 1980er Jahre war die Prognose für Kinder mit Keimzelltumoren schlecht und wurde durch Alter, Lokalisation, Histologie und Stadium bestimmt (3). Als man Ende der 70er Jahre nach erfolgter Tumor-Resektion Cisplatin als wirksame Substanz für Hodentumoren in Kombination mit Vinblastin und Bleomycin einsetzte, zeigte sich eine gute Chemosensibilität und man konnte mit diesem Schema ein gutes Ansprechen und auch dauerhafte Remissionen erreichen. In den folgenden Jahren zeigte sich Etoposid wirksamer als Vinblastin. Die daraus resultierende Wirkstoffkombination von Cisplatin, Etoposid und Bleomycin war lange Standard bei erwachsenen Patienten mit Keimzelltumoren.

Zusätzlich zeigte sich eine Wirksamkeit von Ifosfamid, welches zunächst im Rezidiv eingesetzt wurde, später aber in die Firstline-Behandlung übernommen wurde (3). Auf diese Weise konnte man den Einsatz von Bleomycin, welches bei Kindern erhebliche pulmonale Nebenwirkungen zeigte, vermeiden. PEI ist bis heute die Standardtherapie bei kindlichen malignen Keimzelltumoren. Die Behandlungsprotokolle der beiden Entitäten der extra- und intrakraniellen GCT sehen jedoch unterschiedliche Therapiekonzepte vor.

Grundsätzlich sind bei Kindern und Jugendlichen die seltenen Keimzelltumoren im Rahmen der kooperativen Protokolle zu behandeln, sodass eine Risiko-adaptierte Therapie mit Qualitätskontrolle gegeben ist (1). In Deutschland stehen folgende Studien zur Verfügung: Extrakranielle Keimzelltumoren:

Studie MAKEI (Maligne Keimzelltumoren im Kindesalter), intrakranielle Keimzelltumoren: Protokoll SIOP CNS GCT II der Gesellschaft für pädiatrische Hämatologie und Onkologie (GPOH) sowie der

internationalen Fachgesellschaft Société Internationale d´Oncologie Pédiatrique (SIOP).

 

(8)

Therapie der extrakraniellen GCT

Bei Teratomen besteht die Behandlung der Wahl in der operativen Entfernung. Um Rezidive zu vermeiden, sollte eine komplette Resektion angestrebt werden. Bei etwa 10% der Steißbein-Teratome treten Rezidive als maligner Keimzelltumor auf. Daher ist eine komplette Entfernung inkl. Steißbein von besonderer Bedeutung. Diese Patienten werden nach erfolgter Operation einer engmaschigen Nachsorge zugeführt. Bei ovarialen Teratomen gilt als Besonderheit die peritoneale Absiedlung von glialem Gewebe (Gliomatosis peritonei). Die Biologie dieser Veränderungen ist letztlich nicht abschließend geklärt. Sie werden aber als reaktive Veränderungen bei Ovarial-Teratomen angesehen; eine klonale Zugehörigkeit zu dem Teratom konnte nicht belegt werden. Die Prognose dieser Veränderungen ist gut. Große Knoten sind operativ zu entfernen und verbleibende kleine Herde sind engmaschig nachzukontrollieren (27).

Sind die malignen, extrakraniellen GCT auf das Ursprungsorgan begrenzt, wird auch hier, wie bei den Teratomen, eine komplette Resektion angestrebt. Diese erfolgt jedoch nur dann, wenn trotz

onkologischer Radikalität eine Mutilierung vermieden werden kann. Gelingt eine komplette Resektion eines lokalisierten Tumors, werden auch diese Patienten direkt in eine engmaschige Nachsorge aufgenommen.

Bei fortgeschrittenen Tumor-marker-negativen Tumoren ist die Klärung der Diagnose durch eine Biopsie mit Gewinnung von Material für pathologische und molekularbiologische Diagnostik und eine verzögerte Resektion nach neoadjuvanter Chemotherapie erforderlich, soweit noch residualer Tumor nachweisbar ist (1). Die lokale Tumorkontrolle hat sich bei den extragonadalen Keimzelltumoren als entscheidender prognostischer Faktor erwiesen. Durch die präoperative Chemotherapie konnte die Rate kompletter Resektionen bei allen Organ-überschreitenden Tumoren verbessert werden. Diese

Kombinationschemotherapie besteht aus 4 Kursen PEI. Ist nach einer primären Tumorresektion eine chemotherapeutische Nachbehandlung erforderlich, z.B. bei inkompletter Resektion oder Metastasen, werden je nach Tumor-Stadium 2 oder 4 Kurse einer Kombinationschemotherapie als Zweimittel- Therapie (Cisplatin und Etoposid, PE) oder Dreimittel-Therapie (PEI) angeschlossen (1).

Eine chirurgische Entfernung von Metastasen ist nur bei persistierenden Läsionen nach vorangegangener Chemotherapie erforderlich. Germinome sind unabhängig von der Lokalisation strahlensensibel. Jedoch wird bei Kindern zum Erhalt der Fertilität und des Wachstums die Chemotherapie zur Behandlung von Organ-überschreitenden Tumoren bevorzugt.

Therapie der intrakraniellen GCT

Die intrakraniellen GCT werden in die 3 Gruppen Germinome, Non-Germinome und Teratome eingeteilt.

Teratome des ZNS werden meist bei Neugeborenen oder Säuglingen diagnostiziert. Eine komplette Entfernung ist häufig der wichtigste therapeutische Schritt. Bei unreifen (immaturen) Teratomen konnte

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bei einigen Patienten auch ein Ansprechen auf Chemotherapie beschrieben werden (28). Die Bedeutung einer additionalen Radiotherapie ist bisher noch nicht sys-tematisch evaluiert, zeigt aber entsprechend veröffentlichter Daten aus Einzelbeobachtungen einen positiven Effekt. Inkomplett resezierte Teratome haben ein 10%iges Rückfallrisiko bei maturem Teratom und 20% bei immaturem Teratom, unabhängig, ob eine adjuvante Chemotherapie erfolgt ist oder nicht (27, 29). Die Behandlungsergebnisse sind für die sehr seltenen reinen Teratome im Vergleich zu Germinomen und sezernierenden Keimzelltumoren ungünstiger (EFS ca. 50%).

Germinome sind gleichermaßen sensibel gegenüber einer Chemotherapie und einer Bestrahlung. In der aktuellen Studie SIOP CNS GCT II wird für die nicht-metastatischen Germinome ein multimodaler

Therapieansatz mit Platin-haltiger Chemotherapie und ventrikulärer Bestrahlung (24 Gy) (30) mit oder ohne Boost geprüft, da eine rein fokale Bestrahlung nach Chemotherapie zu Rückfällen im Bereich des Ventrikelsytems führte (31). Bei disseminierten Germinomen gilt die kraniospinale Bestrahlung weiterhin als Standardtherapie. Insgesamt liegt die Langzeitprognose der intrakraniellen Germinome bei etwa 90%

ereignisfreiem Überleben (32).

Bei den Non-Germinomen besteht die Therapie für Standard-Risiko-Patienten aus 4 Kursen PEI. Falls nach 3 Kursen Chemotherapie noch Resttumor nachweisbar ist, muss eine Resttumor-Resektion geprüft

werden. Patienten, die der Hochrisiko-Gruppe zugeordnet werden (Alter < 6 Jahre oder AFP > 1.000 ng/ml), erhalten 2 Kurse PEI und 2 Dosis-intensivierte Kurse PEI mit Stammzell-Support. Auch hier muss nach Abschluss der Chemotherapie bei noch vorhandenem Resttumor die Resektion geprüft werden.

Unabhängig von der Risikogruppe erhalten alle Patienten mit lokalisierter Erkrankung dann anschließend eine hochdosierte fokale Tumorbett-Bestrahlung mit 54 Gy. Bei metastatischer Erkrankung schließt sich eine kraniospinale Bestrahlung mit 30 Gy plus Boost auf den Primärherd sowie die metastatischen Absiedelungen bis 54 Gy an (33). Etwa 70% der Patienten erreichen eine langfristige Remission (26).

Rezidivtherapie

Für die Therapie rezidivierter Keimzell-tumoren gibt es bisher keinen internationalen Konsens. Bei lokoregionalen Rezidiven eines malignen extrakraniellen GCT besteht ein kurativer Behandlungsansatz mit lokaler Tiefenhyperthermie, welche mit einer Platin-basierten Chemotherapie gekoppelt wird (34). Da bei Kindern mit rezidivierten Keimzelltumoren die lokale Tumorkontrolle das Hauptproblem darstellt, haben rein chemotherapeutische Behandlungsregime oder gar Hochdosischemotherapie mit

Blutstammzelltransplantation bisher keinen langfristigen Behandlungserfolg gezeigt, wenn vorher keine Remission der Erkrankung erreicht wurde. Im Einzelfall kann auch eine ergänzende Strahlentherapie zur lokoregionalen Tumorkontrolle eingesetzt werden. Hoch dosierte Bestrahlungen mit Dosen über 45 Gy haben einen positiven Effekt nach einer inkompletten Resektion des Rezidivtumors gezeigt (1). Hier rückt der Einsatz der Protonentherapie immer mehr in den Vordergrund.

Etwa 15% der Patienten mit intrakraniellen Germinomen und 30% der Patienten mit malignen

intrakraniellen Non-Germinomen entwickeln einen Rückfall. Meist sprechen Rezidivtumoren auf eine

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erneute Chemotherapie gut an. Bei komplettem klinischen Ansprechen ist eine Hochdosischemotherapie als Konsolidierung zu erwägen. Ebenso spielt eine zusätzliche Bestrahlung, angepasst an die bereits erfolgte Radiotherapie in der Primärbehandlung, eine große Rolle (35). Die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Remission beträgt in dieser Rezidiv-Situation etwa 20%. Eine Rezidivtherapie sollte standardisiert, wenn möglich im Rahmen von Therapiestudien durchgeführt werden (13).

Zusammenfassung und Ausblick

Vor dem Hintergrund der mit den aktuellen Protokollen erzielten hohen Heilungsraten für Standardrisiko- Patienten, richtet sich die aktuelle Forschung aus auf eine Therapieintensivierung für Patienten mit erhöhtem Risiko sowie eine Therapie- und Toxizitätsreduktion für Patienten mit niedrigem Risiko. Da die lokale Tumorkontrolle der Primärlokalisation das Hauptproblem bei rezidivierten Tumoren darstellt, wird die zukünftige Verbesserung des Überlebens bei rezidivierten Keimzelltumoren auch von der

Verbesserung der Lokaltherapie abhängen.

Für Hochrisiko-Patienten werden aktuell neue Therapie-Ansätze entwickelt. Eine lokoregionale Tiefen- hyperthermie in Kombination mit einer Platin-haltigen Chemotherapie ist ein vielversprechender Ansatz für Patienten mit lokal rezidiviertem extrakraniellen Tumor. Eine Erweiterung der Standardtherapie um neue Strategien wie zielgerichtete Therapien ist in der Diskussion.

Auch die Rehabilitation und Lebensqualität der Überlebenden mit Keimzelltumoren ist ein wichtiger Bestandteil der langfristigen Therapieoptimierung. Ein Fortschritt auf dem Gebiet der Entwicklung neuer Therapiestrategien für Hochrisiko-Patienten oder die Auswahl von Patienten mit niedrigem Risiko für eine Therapiereduktion bedarf bei dieser sehr seltenen Tumorentität einer multinationalen Zusammenarbeit sowohl in biologischen wie auch in klinischen Studien.

(11)

 

Dr. med. Barbara Krefeld

Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Pädiatrische Hämatologie und Onkologie

Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1 48149 Münster

Tel.: 0251/83-58107 oder -47783 Fax: 0251/83-57874 oder -47941

E-Mail: Barbara.Krefeld@ukmuenster.de

 

Dr. med. Gabriele Calaminus

Universitätsklinikum Bonn

Zentrum für Kinderheilkunde Päd. Hämatologie/ Onkologie Studienleitung MAKEI und SIOP CNS GCT II

Konrad-Adenauer-Allee 119 53113 Bonn

Tel.: 0228/287-33305

E-Mail: Gabriele.Calaminus@ukb.uni-bonn.de

 

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ABSTRACT

B. Krefeld, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugend-medizin, Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum Münster, G. Calaminus, Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Kinderheilkunde, Päd.

Hämatologie/ Onkologie

 

Germ cell tumours (GCT) are a heterogenous group of tumours deriving from primordial germ cells which typically appear in the gonads or midline regions like coccyx, mediastinum, vagina or mesenterial root. In the central nervous system the midline regions pinealis and hypophysis are affected commonly.

GCTs can occur at all ages with two peaks in early infancy and after onset of puberty. Teratoma and yolk sac tumours are the most common histology in infancy while in adolescents malignant germinomas, embryonal carcinomas, chorion carcinomas or mixed malignant tumours with more than one

histologic subtype are predominant. Therapy depends on localization, histology and tumour stage and contains the elements surgery, platinum- containing chemotherapy and/or radiation.

 

Keywords: Germ cell tumours, teratoma, yolk sac tumours  

Lesen Sie auch unseren Artikel zu Fertilität und Spättoxizität bei Keimzelltumoren.

Zum Artikel „Keimzelltumoren im Kindes- und Jugendalter“ ist auch ein CME-Test verfügbar – hier kommen Sie direkt zur Teilnahme. (verfügbar bis zum 30. September 2018)

 

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