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Archiv "Eduard Seidler: Gegen das Vergessen" (14.05.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 19

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14. Mai 2010 A 941 EDUARD SEIDLER

Gegen das Vergessen

D

ie Naziherrschaft ist eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Für die Ärz- teschaft ist der Blick in diese Zeit mit einer schmerzhaften Einsicht verbunden: Auch Ärzte haben sich schuldig gemacht. Prof. Dr. med.

Eduard Seidler, langjähriger Ordi- narius für Geschichte der Medizin in Freiburg, hat maßgeblich dazu beigetragen, die Rolle der Medizin zu Zeiten des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Dabei beschäftigte er sich insbesondere mit dem Schicksal jüdischer Kinderärzte.

Mit seinem Einsatz gegen das Ver- gessen hat er als international aner- kannter Wissenschaftler das Anse- hen der deutschen Ärzte – und ganz Deutschlands – gestärkt.

Seidler wurde am 20. April 1929 in Mannheim als einziger Sohn des Kaufmanns Wilhelm Seidler gebo- ren. Im Zweiten Weltkrieg war er als Sanitäter der Hitlerjugend einge- setzt. Im Herbst 1944 nahm er am Hitlerjugendeinsatz an der West- front teil. Prägend waren für ihn die Emigration und Deportation vieler jüdischer Freunde seiner Eltern.

1947 legte er in Mainz – damals Teil der französischen Besatzungs- zone – das französische Zentralabi- tur ab. Im selben Jahr schrieb er sich für das Fach Humanmedizin an der Universität Mainz ein. Nach dem Physikum setzte er sein Studi- um in Paris fort. Als erster deut- scher Student nach dem Krieg wur-

de er an der dortigen Fakultät freundschaftlich aufgenommen. Zu- rück in Deutschland legte er 1953 in Heidelberg das Staatsexamen ab und wurde zum Dr. med. promo- viert. In seiner Dissertation befasste er sich mit einem gynäkologischen Thema.

Nach Stationen in Heidelberg und Hamburg, begann er 1955 seine pädiatrische Weiterbildung an der Universitätsklinik Heidelberg. 1961 legte er die Prüfung zum Facharzt für Kinderheilkunde ab. Seidler war aber auch noch von einem anderen Fach begeistert: von der Geschichte der Medizin. Dabei lag sein Interes-

se nicht auf der üblichen Geschichte des medizinischen Fortschritts, viel- mehr war ihm wichtig, welche Er- klärungsmodelle verschiedene Kul- turen und Epochen für die Phäno- mene Gesundheit, Kranksein und Heilung liefern.

Schon während seiner Weiter- bildung zum Kinderarzt verfasste er medizinhistorische Publikatio- nen. Ein Stipendium der Deut- schen Forschungsgemeinschaft er- möglichte ihm 1963 den Wechsel.

Mit einer Studie über die Heilkun- de des Mittelalters in Frankreich habilitierte er sich an der Heidel-

berger Universität. 1967 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Ge- schichte der Medizin an der Uni- versität Freiburg. Das dortige In- stitut leitete er bis zu seiner Emeri- tierung 1994 und entwickelte es zu einem modernen Ort der For- schung und Lehre.

Wissenschaftlich hatte er zahl - reiche Schwerpunkte. Zunehmend wandte er sich aber der Medizin im Dritten Reich zu. 1984 war er an der Gründung der Historischen Kom- mission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin be- teiligt. Im Auftrag dieser Fachge- sellschaft fertigte er eine Studie zum Schicksal jüdischer Pädiater in der NS-Zeit an. Mehr als 750 Einzelbiografien wurden auf- bereitet. In seinem Werk the- matisiert Seidler auch, wie sich die Fachgesellschaft schuldig machte, als sie – zwar auf Geheiß des Naziregimes, aber doch bereitwillig – ihre jüdischen Mitglieder aus- schloss. 2007 erschien eine erweiterte Neuauflage der Do- kumentation „Jüdische Kin- derärzte 1933–1945. Entrech- tet, Geflohen, Ermordet“.

Besonders eingesetzt hat sich Seidler darüber hinaus für die medizinische Ausbildung.

Zahlreiche Generationen von Studierenden sensibilisierte er für die humanwissenschaftlichen Aspekte der Medizin. Unter ande- rem war er Prorektor für Auslands- angelegenheiten der Freiburger Universität, von 1979 bis 1981 war er Prodekan und Dekan der Medizi- nischen Fakultät.

Neben der Geschichte der Medi- zin galt Seidlers Interesse medizin- ethischen Fragen. Von 1983 bis 1990 wirkte er als Vorsitzender der Ethikkommission der Landesärzte- kammer Baden-Württemberg. ■

Anschrift:

Bernhardstraße 1 79098 Freiburg

Prof. Dr. med. Eduard Seidler leitete viele Jahre das Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Er beschäf-

tigte sich intensiv mit der Rolle der Medizin in der NS-Zeit.

Foto: privat

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