• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Neue ärztliche Approbationsordnung und Notengebung beim Zweiten Staatsexamen" (19.07.2010)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Neue ärztliche Approbationsordnung und Notengebung beim Zweiten Staatsexamen" (19.07.2010)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ORIGINALARBEIT

Neue ärztliche Approbationsordnung und Notengebung beim Zweiten Staatsexamen

Eine Untersuchung an zwei bayerischen medizinischen Fakultäten

Melchior Seyfarth, Martin Reincke, Julia Seyfarth, Johannes Ring, Martin R. Fischer

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Im Rahmen der Novellierung der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) 2002 erfolgte eine Neuord- nung der Staatsexamina. Im neuen Zweiten Staatsexamen wurde der mündliche Prüfungsteil um einen praktischen Prüfungsteil ergänzt und von einem auf zwei Prüfungstage ausgeweitet. Ziel dieser Untersuchung war es, die Noten- gebung im schriftlichen und mündlich-praktischen Zwei- ten Staatsexamen nach alter und neuer ÄAppO kritisch zu analysieren.

Methoden: Evaluiert wurden die mündlichen und schriftli- chen Prüfungsergebnisse des Zweiten Staatsexamens nach alter (M2a) und neuer Prüfungsordnung (M2n) von insgesamt 2 056 Studierenden der TU München und der LMU München. Der Beobachtungszeitraum umfasste die Prüfungen von Frühjahr 2004 bis Frühjahr 2008. Analysiert wurde neben der schriftlichen und der mündlichen Prü- fungsnote der Grad der Übereinstimmung zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Teil vor und nach Novel- lierung der ÄAppO.

Ergebnisse: Die schriftlichen Prüfungsnoten vor und nach Änderung der ÄAppO unterschieden sich nicht wesentlich (TUM: M2a: 2,91 ± 0,92; M2n: 2,91 ± 0,87; LMU: M2a:

2,94 ± 0,85; M2n: 2,78 ± 0,873). Dagegen veränderten sich die mündlichen Prüfungsergebnisse erheblich (TUM: M2a: 1,89 ± 0,81; M2n: 2,22 ± 0,96; p < 0,001;

LMU: 1,94 ± 0,86; M2n: 2,09 ± 0,93; p < 0,001).

Schlussfolgerung: Eine zusätzliche Analyse der individuel- len Prüfungsnoten zeigte, dass es nach Änderung der ÄAppO zu einer signifikanten Zunahme der individuellen Übereinstimmung in der mündlichen und schriftlichen Prü- fungsnote gekommen ist.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(28–29): 500–4 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0500

A

m 27. Juni 2002 trat die Novellierung der Ärztli- chen Approbationsordnung (ÄAppO) in Kraft, die unter anderem den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung (M2) neu regelte. Eine wesentliche Änderung betraf den Zeitpunkt und den Umfang der schriftlich durchgeführten Prüfung: Der erste und der schriftliche Teil des zweiten Abschnittes der ärztlichen Prüfung („Erstes Staatsexamen“ nach dem 3. Studienjahr;

„Zweites Staatsexamen“ vor Beginn des Praktischen Jahres) entfielen zugunsten einer schriftlichen Prüfung nach Beendigung des Praktischen Jahres (PJ). Entspre- chend umfasst der Gegenstandskatalog des zweiten Ab- schnitts des neuen Staatsexamens (M2n), das sogenann- te „Hammerexamen“, die Inhalte des gesamten klini- schen Studienabschnitts nach dem ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung („Physikum“) einschließlich des Praktischen Jahres (PJ), wie in Grafik 1 dargestellt.

Das Format der mündlichen Prüfungsanteile wurde ebenfalls verändert. Zu dem von der alten Approbati- onsordnung übernommenen und unveränderten münd- lichen Prüfungstag kommt ein zweiter Prüfungstag hin- zu, an dem eine praktische Prüfung mit Patientenvor- stellung erfolgt (§ 30 Abs. 1 ÄAppO) (1). Dabei schreibt die ÄAppO vor: „In der Prüfung hat der Prüf- ling fallbezogen zu zeigen, dass er während des Studi- ums erworbene Kenntnisse in der Praxis anzuwenden weiß und über die für den Arzt erforderlichen fächer- übergreifenden Grundkenntnisse und die notwendigen Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügt“ (§ 28 Abs. 2 ÄAppO) (1). Dieser zusätzliche Prüfungstag soll im Sinne der neuen ÄAppO genutzt werden, um das in § 1 formulierte ergebnisorientierte Ziel zu überprüfen: der

„wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausge- bildete Arzt, der zur eigenverantwortlichen und selbst- ständigen ärztlichen Berufsausübung befähigt ist“. Die am Krankenbett durchgeführte Prüfung ermöglicht ei- ne über kognitiv-theoretische Lerninhalte hinausge- hende Evaluation, welche zusätzlich klinisch-prakti- sche Fähigkeiten und Fertigkeiten der angehenden Ärzte unter Berücksichtigung des oben genannten Aus- bildungszieles umfasst. Dabei werden ärztliches Ver- halten gegenüber dem Patienten, die Fähigkeiten des angehenden Arztes zu einer strukturierten Patienten- vorstellung und praktische Fähigkeiten wie Untersu- chungsabläufe beurteilt (2). Allerdings gibt die ÄAppO

Technische Universität München, Deutsches Herzzentrum: Prof. Dr. med. Sey- farth; Klinik für Kinder- und Jugendmedizin: Dr. med. Seyfarth; Klinik für Der- matologie und Allergologie: Prof. Dr. med. Dr. phil. Ring

Ludwig-Maximilians-Universität, Medizinische Klinik-Innenstadt, München:

Prof. Dr. med. Reincke

Universität Witten-Herdecke, Institut für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen: Dr. med. Fischer

(2)

keinen standardisierten Ablauf für die mündlich-prakti- sche Prüfung vor, so dass die Notenvergabe in der mündlich-praktischen Prüfung weniger objektiv und reliabel als die Bewertung der schriftlichen Prüfungs- leistung ist (3). Allgemein zugängliche Daten des Insti- tuts für medizinische und pharmazeutische Prüfungs- fragen (IMPP) zur Korrelation der schriftlichen und mündlichen Staatsexamensergebnisse liegen nicht vor.

Um die von der ÄAppO gewünschte klinische Kompe- tenz bei angehenden Ärzten sinnvoll, verlässlich und objektiv überprüfen zu können, bedarf es allerdings standardisierter Testverfahren mit klinisch orientierten Prüfungsmodalitäten (4).

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine explorative Studie zur Beschreibung der Kon- vergenz, beziehungsweise Divergenz mündlicher und schriftlicher Teilnoten der medizinischen Prüfung nach Änderung der ÄAppO im Jahre 2002, um eine Basis für die Weiterentwicklung der Prüfungsmodalitäten im Sinne einer besser standardisierten mündlich-prakti- schen Prüfung zu erreichen.

Methode

Evaluiert wurden die Prüfungsnoten von 810 Studieren- den der Technischen Universität München (TUM) und von 1 246 Studierenden der Ludwig-Maximilians-Uni- versität München (LMU), die in den Jahren von 2004 bis 2008 den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung ab- solvierten.

An beiden Fakultäten wurde keine Prüferschulung oder fakultätsinterne Strukturierung zur Durchführung des mündlichen beziehungsweise des mündlich-prakti- schen Teils des Zweiten Staatsexamens unternommen.

Die klinischen Studienabschnitte beider Fakultäten un- terscheiden sich bezüglich der Lehrmethoden, des Inte- grationsgrades der Fächer und der fakultären Prüfungen.

Die Prüfungsnoten aller Studierenden, die den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung vom Frühjahr 2004 bis zum Frühjahr 2005 abgelegt haben (drei Examina mit insgesamt 1 176 Prüflingen), dienten als Grundlage zur Evaluation des M2a (alte ÄAppO) und die Prüfungsnoten vom Herbst 2006 bis zum Frühjahr 2008 (vier Examina mit insgesamt 880 Prüflingen) als Grundlage zur Beurtei- lung des M2n (neue ÄAppO). Die Examina des Herbstes 2005 und des Frühjahres 2006 wurden ausgeschlossen, da es sich dabei um das letzte Examen vor und das erste Examen nach dem Wechsel auf die neue Prüfungsord- nung handelte. So sollten Verzerrungseffekte, die sich durch Studierende, die das Examen vorgezogen bezie- hungsweise verschoben haben, verringert werden.

Die Prüfungsnote des mündlich-praktischen Teils wird aus zwei Teilnoten berechnet: Die erste Teilnote be- schreibt die Leistung im klinisch-praktischen Anteil der Prüfung am Krankenbett am ersten Tag, die zweite Teil- note die der mündlichen Prüfung am zweiten Tag. Im Ge- gensatz zur Prüfungsnote des schriftlichen Teils, die den Prüfern in der Regel nicht vorab bekannt war, werden die Einzelnoten für die beiden Tage des mündlich-prakti- schen Teils gemeinsam vergeben, so dass eine getrennte Evaluation dieser Teilnoten nicht sinnvoll erscheint. Im

Weiteren bezieht sich deshalb der Ausdruck „mündliche Note“ auf die Gesamtnote des mündlich-praktischen Teils. Alle Einzelnoten stellte das Prüfungsamt zur Durchführung der Prüfungen nach der Approbationsord- nung für Ärzte im Auftrag der Regierung von Oberbay- ern in anonymisierter Form den Autoren zur Verfügung.

Berechnet wurden die mittleren Prüfungsnoten des schriftlichen Teils und des mündlichen Teils des M2a und M2n sowie die mittlere Differenz der schriftlichen und mündlichen Note des M2a und M2n für beide Uni- versitäten getrennt (TUM und LMU). Auch nahmen die Autoren eine getrennte Auswertung für die beiden Uni- versitäten vor, um statistische Zufälligkeiten zu erken-

GRAFIK 1 Darstellung der

Prüfungsabschnitte vor und nach der Novellierung der ÄAppO 2002;

*M2n beinhaltet das sogenannte

„Hammerexamen“

und eine mündlich- praktische Prüfung im neuen Format.

GRAFIK 2

Schriftliche und mündliche Teilnoten im zweiten Abschnitt des Staatsexamens vor und nach der Novellierung der ÄAppO 2002.

(3)

nen, die sich durch fakultätsspezifische Besonderheiten ergeben könnten. Des Weiteren wurde berechnet, wel- cher Anteil der Prüflinge vor und nach Änderung der ÄAppO die gleiche Note im schriftlichen und mündli- chen Teil des zweiten Abschnitts erhielt, und zwar in Ab- hängigkeit von der schriftlichen Note.

Die Autoren verglichen statistisch jeweils die Prü- fungsergebnisse vor und nach Änderung der ÄAppO (M2a versus M2n). Dabei legten sie für die Prüfungsno- ten eine Intervallskala zugrunde, um eine vereinfachte Darstellung der mittleren Noten und der Differenz der Noten als Mittelwert ± Standardabweichung zu ermögli- chen, obwohl man Prüfungsnoten streng genommen eher als ordinal skaliert betrachten kann. Unterschiede wur- den zwischen den Prüfungsgruppen mittels ANOVA und post-hoc-Testung (Bonferroni) auf statistische Signi - fikanz überprüft, wobei nur die p-Werte angegeben wer- den, die den Vergleich vor und nach Änderung der ÄAppO beschreiben (M2a versus M2n).

Ergebnisse

An der TUM veränderten sich die mittleren schriftlichen Noten nach Einführung der neuen Prüfungsordnung nicht (M2a: 2,91 ± 0,92; M2n: 2,91 ± 0,87; p = 1,000, während es an der LMU zu einer leichten Verbesserung der schrift- lichen Prüfungsnote kam (M2a: 2,94 ± 0,85; M2n: 2,78 ± 0,84; p = 0,005). Deutlicher veränderten sich die mündli- chen Prüfungsnoten an beiden Universitäten. An der TUM veränderte sich die mündliche Prüfungsnote von 1,89 ± 0,81 auf 2,22 ± 0,96 (p < 0,001) und an der LMU von 1,94 ± 0,86 auf 2,09 ± 0,93 (p = 0,018) (Grafik 2).

Dabei fällt auf, dass die mittlere individuelle Differenz der schriftlichen und der mündlichen Note an beiden Uni- versitäten durch die Einführung der neuen Prüfungsord- nung in gleichem Maße abnahm. Während im M2a noch eine mittlere Differenz der schriftlichen und der mündli- chen Note von 1,02 ± 0,94 (TUM) und 1,01 ± 0,92

(LMU) festgestellt werden konnte, kam es unter der neu- en Prüfungsordnung nur noch zu einer mittleren Diffe- renz von 0,70 ± 0,89 (TUM) und 0,69 ± 0,90 (LMU) (p <

0,001 für beide Universitäten) (Grafik 3).

In einem zweiten Schritt verglichen die Autoren die individuellen mündlichen Prüfungsnoten mit den ent- sprechenden schriftlichen Prüfungsnoten, um zu klären, ob es bei der Abnahme der mittleren Differenz der schriftlichen und der mündlichen Note durch die neue Prüfungsordnung nur zu einer Annäherung der Mittel- werte oder zu einer veränderten Notenverteilung mit grö- ßerer oder gegebenenfalls kleinerer Übereinstimmung der individuellen Noten gekommen war. Nimmt man da- für als Maß den Anteil der Studierenden, die eine Noten- gleichheit im schriftlichen und mündlichen Teil erziel- ten, so stieg tatsächlich dieser Anteil an beiden Universi- täten von 25 auf 35 Prozent (TUM), beziehungsweise von 22 auf 35 Prozent (LMU) deutlich an. Interessant ist dabei die Frage, bei welchen Studierenden eine größere Übereinstimmung zu verzeichnen war. Grafik 4 zeigt den Anteil der Studierenden mit Notengleichheit im schriftlichen und mündlichen Teil in Abhängigkeit von der schriftlichen Note. In der Gruppe der Studierenden mit einer „guten“ schriftlichen Note veränderte sich der Anteil der Prüflinge mit Notengleichheit an beiden Uni- versitäten kaum (TUM–M2a: 45 Prozent; TUM–M2n:

44 Prozent; LMU–M2a: 43 Prozent; LMU–M2n:

46 Prozent). Bei der Gruppe der Studierenden mit „be- friedigender“ oder „ausreichender“ Note im schriftlichen Teil verdoppelte sich der Anteil der Prüflinge mit Noten- gleichheit an beiden Universitäten (Abbildung 4).

In der kleinen Gruppe der Studierenden, die den schriftlichen Teil nicht bestanden hatten (TUM–M2a:

3,4 Prozent; M2n: 4,5 Prozent; LMU–M2a: 2,8 Prozent;

M2n: 2,6 Prozent), zeigte sich ein ähnlicher Trend zu ei- ner größeren Übereinstimmung der mündlich-prakti- schen Note mit der schriftlichen Note nach Änderung der ÄAppO. Vor Änderung der ÄAppO erhielten nur 14 Pro- zent der im schriftlichen Teil durchgefallenen Studieren- den auch in der mündlichen Prüfung eine nicht ausrei- chende Note, während dieser Anteil nach Änderung der ÄAppO auf 36 Prozent anstieg.

Diskussion

Die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung hat Format, Umfang und Zeitpunkt der medizinischen Staatsprüfungen verändert. Die schriftliche Prüfung des zweiten Abschnitts (M2) umfasst nun den gesamten Stoff des klinischen Abschnitts einschließlich der Lern- inhalte des praktischen Jahres (PJ). Außerdem wurde die gesamte Prüfung, also sowohl der schriftliche wie der er- weiterte mündlich-praktische Teil, an das Ende des Stu- diums nach Absolvierung des PJ gelegt. Über die Belas- tungen und möglichen Folgen dieser bei den Studieren- den als „Hammerexamen“ bekannten Prüfung wurde erst kürzlich berichtet (5). Während die Änderungen des schriftlichen Teils das Format, den Umfang und den Zeitpunkt der Prüfung betrafen, wurde der mündliche Prüfungsteil auch von der Modalität grundsätzlich geän- dert, da nun im Gegensatz zur alten ÄAppO am ersten GRAFIK 3

Differenz der mündlichen und schriftlichen Teil -

note im zweiten Abschnitt des Staatsexamens vor und nach der Novellierung der ÄAppO 2002.

(4)

Tag eine klinisch-praktische Prüfung durchzuführen ist, die laut ÄAppO „fallbezogen die während des Studiums erworbenen Kenntnisse in der Praxis“ überprüfen soll (1, 2). Die dabei zu beurteilenden praktischen Fertigkeiten und Fähigkeiten des angehenden Arztes sind anders als theoretisches Wissen zumindest aufwändiger zu über- prüfen. Ohne strukturiertes und standardisiertes Prü- fungsverfahren ist eine solch mündlich-praktische Prü- fung im Gegensatz zu schriftlichen Prüfungen weniger objektiv, reliabel und damit weniger valide (3). So konn- te zum Beispiel zwischen den Ergebnissen im schriftli- chen und mündlichen Teil der ärztlichen Vorprüfung nur ein geringer Zusammenhang festgestellt werden (6).

Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit eine schriftlich geprüfte Wissensbasis die Voraussetzung für einen Prüfungserfolg im klinisch-praktischen Prüfungs- anteil ist oder inwieweit die beiden Prüfungsanteile von- einander unabhängige Aspekte ärztlicher Kompetenz er- fassen. Nimmt man an, dass der schriftliche und kli- nisch-praktische Prüfungsanteil unterschiedliche Fähig- keiten der Studierenden testet, würde man eine stärkere Divergenz der Teilnoten erwarten. So bietet der neue Teil des zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung die Mög- lichkeit, ärztliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu über- prüfen, die nach der alten ÄAppO in der Prüfung nicht zur Geltung kamen. Die vorliegende Arbeit hat sich des- halb die Aufgabe gestellt, die Notengebung vor und nach Novellierung der ÄAppO zu vergleichen. Besonders in- teressierte die Frage, ob es nach der Novellierung der ÄAppO zu einer schwächeren oder stärkeren Notendi- vergenz zwischen schriftlicher und mündlich-praktischer Teilnote gekommen ist.

Dabei wurden die Noten von insgesamt 2 056 Studie- renden an zwei bayerischen Hochschulen (TUM und LMU) vor und nach Novellierung der ÄAppO unter- sucht. Während sich die mittlere Note des schriftlichen Teils nach Einführung der neuen ÄAppO nicht oder nur geringfügig veränderte, konnte an beiden Hochschulen eine deutlich höhere Übereinstimmung der Prüfungsno- ten im mündlichen und schriftlichen Teil beobachtet werden. Diese höhere Übereinstimmung von schriftli- cher und mündlicher Teilnote zeigte sich vor allem bei Prüflingen mit unterdurchschnittlicher Leistung und er- gab sich durch eine individuell strengere Benotung der Studierenden im mündlich-praktischen Teil des M2n.

Es gibt mehrere Erklärungsansätze, die die strengere Benotung im mündlich-praktischen Teil im M2n und die damit einhergehende größere Übereinstimmung der Teil- noten erklären könnten. Erstens könnten die Prüfer in der mündlich-praktischen Prüfung nach Novellierung der ÄAppO höhere Ansprüche gestellt haben, da es sich nun um eine Abschlussprüfung handelt, bei der gerade auch Fähigkeiten geprüft werden, die im PJ erlernt worden sein sollten. Zweitens könnte es den Prüflingen nach der No- vellierung der ÄAppO schwerer gefallen sein, sich auf das neue Format und den Inhalt der mündlich-praktischen Prüfung vorzubereiten (fehlende Prüfungsprotokolle, un- bekanntes Prüfungsformat), wodurch sich insbesondere der Unterschied bei Studierenden mit unterdurchschnittli- cher Leistung erklären ließe. Befürchtungen, dass das

„Hammerexamen“ zu einer Verschlechterung der schrift- lichen Teilnote führt, haben sich allerdings nicht bestätigt.

Mit der Novellierung der ÄAppO haben sich neben den Prüfungsmodalitäten weitere Faktoren geändert, die Einfluss auf das Ergebnis der medizinischen Prüfung ha- ben können. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Approbation das Kompetenzniveau einer weiterbil- dungsfähigen Ärztin oder eines Arztes sicherstellt, ergibt sich daraus die Forderung valider Prüfungen für alle an- gestrebten Kompetenzen, die neben Wissen auch eine Reihe von praktischen Fertigkeiten umfassen (7). Ein na- tionaler Kompetenz-basierter Lernzielkatalog, der all diese Kompetenzen operationalisiert und über den Ge- genstandskatalog 2 hinausgeht, fehlt in Deutschland im Gegensatz zu einer Reihe europäischer Länder bisher (8, 9). Ein solcher nationaler Lernzielkatalog ist die Voraus- setzung, um die Prüfungsziele des mündlichen und kli- nisch-praktischen Anteils des M2n zu operationalisieren (10). Durch eine stärkere Strukturierung und höhere An- zahl unabhängiger Beobachtungen dieses Prüfungsantei- les, zum Beispiel nach dem Vorbild der USA (11), ergibt sich zukünftig die Möglichkeit, diesen Anteil der Prü- fung zuverlässiger und aussagekräftiger als bisher zu ge- stalten, ohne dass sich damit die zeitliche Belastung der einzelnen Prüfer an den Fakultäten erhöht (12). Dafür ist aber andererseits eine aufwändige Erstellung standardi- sierter Prüfungsmaterialien und Bewertungskriterien er- forderlich, die eine überfakultäre Koordination zur Öko- nomisierung dieses Prozesses nahe legt.

Limitationen der Studie: Es handelt sich um eine Un- tersuchung an nur zwei deutschen Universitäten. Eine deutschlandweite Erhebung unter Einschluss aller Uni-

GRAFIK 4 Anteil der

Studierenden mit Notengleichheit in Abhängigkeit von der Note im schriftlichen Teil vor und nach der Novellierung der ÄAppO 2002.

(5)

versitäten ist erstrebenswert und kann in Kooperation mit den Landesprüfungsämtern und dem IMPP durchge- führt werden. Eine weitere Limitation betrifft die ver- schiedenen Faktoren, die auf die Prüfungsnoten nach Änderung der ÄAppO unterschiedlich eingewirkt haben können und die durch die vorliegende Studie nicht unab- hängig voneinander beurteilt werden können. Eine dritte Limitation ist die unstrukturierte Prüfungssituation in der mündlich-praktischen Prüfung. Erst eine strukturierte Prüfungssituation würde einen qualifizierten Vergleich zwischen Universitäten über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglichen, so wie es für das Jahr 2011 in der Schweiz mit der landesweiten Einführung einer struktu- rierten mündlichen Prüfung geplant ist (13, 14).

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 5. 6. 2009, revidierte Fassung angenommen: 3. 12. 2009

LITERATUR

1. Ärztliche Approbationsordnung (ÄAppO) in der Fassung vom 27. 6.

2002. Bundesgesetzblatt 2002.

2. Hinweise für die Vorbereitung und Durchführung des mündlich- praktischen Teils des zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nach der Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 (ÄAppO). Regierung von Oberbayern 2007: 1–7.

3. Möltner A, Schellberg D, Jünger J: Grundlegende quantitative Ana- lysen medizinischer Prüfungen. GMS Z Med Ausbild 2006; 23:

Doc53.

4. Howley LD: Performance assessment in medical education: Where we've been and where we're going. Eval Health Prof 2004; 27:

285–303.

5. Meißner M: Zwei Jahre „Hammerexamen“: Ruhe nach dem Sturm.

Dtsch Arztebl 2009; 106(4): A128.

6. Bussche Hvd, Wegscheider K, Zimmermann T: Der Ausbildungserfolg im Vergleich (III). Dtsch Arztebl 2006; 103: A 3170–6.

7. Schuwirth LWT, Vleuten CPMvd: Changing education, changing as- sessment, changing research? Medical Education 2004; 38: 805–12.

8. The Scottish Doctor Project.www.scottishdoctor.org

9. Bürgi H, Rindlisbacher B, Bader C, et al.: Swiss Catalogue of Learning Objectives for Undergraduate Medical Training – June 2008 Working Group under a Mandate of the Joint Commission of the Swiss Medical Schools 2008. www.sclo.smifk.ch

10. Schuwirth L: The need for national licensing examinations. Medical Education 2007; 41: 1022–3.

11. Papadakis MA: The step 2 clinical-skills examination. N Engl J Med 2004; 350: 1703–5.

12. Wass V, Wakeford R, Neighbour R, Vleuten CVd. Achieving acceptable reliability in oral examinations: an analysis of the Royal College of Ge- neral Practitioners membership examination's oral component. Medi- cal Education 2003; 37: 126–31.

13. Hottinger U, Krebs R, Hofer R, Feller S, Bloch R: Strukturierte mündli- che Prüfung für die ärztliche Schlussprüfung – Entwicklung und Er- probung im Rahmen eines Pilotprojekts. Analysebericht des Instituts für Medizinische Lehre, Universität Bern, Schweiz, 2004.

14. Vu N, Baroffio A, Huber P, Layat C, Gerbase M, Nendaz M: Assessing clinical competence. A pilot project to evaluate the feasibility of a stan- dardised patient-based practical examination as a component of the Swiss certification process. Swiss Med Wkly 2006; 136: 392–9.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Melchior Seyfarth

Technische Universität München, Deutsches Herzzentrum München Lazarettstraße 36, 80636 München

E-Mail: seyfarth@dhm.mhn.de

SUMMARY

Grades on the Second Medical Licensing Examination in Germany Before and After the Licensing Reform of 2002: A Study in Two Medical Schools in Bavaria

Background: When the German national medical licensing regulations were changed in 2002, the second part of the medical licensing exam- ination was supplemented with a practical component and expanded from one day to two. The aim of this study was to assess the written and oral-practical examination grades before and after the licensing reform.

Methods: We compared the results that were obtained on the oral and written components of the second part of the national medical licensing examination under the old and new regulations (M2o and M2n, re- spectively) by a total of 2056 students at the Technical University (TUM) and Ludwig-Maximilian University (LMU) medical schools, both in Mu- nich, from the spring of 2004 to the spring of 2008. We assessed the grades themselves as well as the correlation between the grades on the oral and written components before and after the reform.

Results: Grades on the written component of the examination did not differ to any statistically significant extent before and after the reform (TUM: M2o 2.91±0.92, M2n 2.91±0.87. LMU: M2o 2.94±0.85, M2n 2.78±0.873). There was, however, a significant change in the oral examination grades (TUM: M2o 1.89±0.81, M2n 2.22±0.96;

p<0.001. LMU: M2o 1.94±0.86, M2n 2.09±0.93, p<0.001).

Conclusion: Additional analysis of the grades obtained before and after the reform reveals a significantly increased concordance between grades on the oral and written components of the examination.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(28–29): 500–4 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0500

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de KERNAUSSAGEN

Die neue Ärztliche Approbationsordnung aus dem Jahre 2002 hatte gravierende Veränderungen des Formats der ärztlichen Prüfung (Staatsexamen) zur Folge. Unter anderem wurde ein weiterer Prüfungstag mit klinischer Prüfung am Krankenbett eingeführt.

Gegenüber der Prüfungssituation vor der Novellierung ergab der schriftliche Teil der ärztlichen Prüfung trotz wesentlich größerer Stoffmenge keine Verschlechterung der Prüfungsnoten.

Im Gegensatz zu den schriftlichen Teilnoten veränder- ten sich die mündlichen Teilnoten erheblich.

In der Prüfungssituation nach der Novellierung der Ärzt- lichen Approbationsordnung konnten die Autoren eine signifikant größere Übereinstimmung der schriftlichen und mündlichen Teilnoten feststellen.

Um landesweit vergleichbare Prüfungssituationen zu er- reichen, sollte man in Zukunft standardisierte Prüfungs- methoden (zum Beispiel OSCE) und landesweite Lern- zielkataloge definieren.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die bundesweite Kapazität zur Betreuung von Studierenden im praktischen Jahr (Anzahl der PJ- Praxen multipliziert mit der Anzahl der Tertiale, in denen das Wahlfach

Die Entscheidung über die Reform der ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) verzögert sich.. Wann der Bundesrat über die Neuregelung abstimmen wird, steht noch nicht

Il est en outre réjouissant que les étudiants et les étudiantes provenant d’autres cantons soient de plus en plus nombreux.. Dies zeigt, dass die Qualität und die Form des

Elle a ainsi développé avec la Commission de l’évaluation et du développement de la qualité des instruments pour évaluer l’enseignement, discuté avec

Le nouveau programme d’études de master (minor) en études genre, lancé conjointement avec la Faculté des sciences humaines et en collaboration avec le Centre

Im Februar 1996 hatte sich ein Außerordentlicher Medizinischer Fa- kultätentag (MFT) in einer Resoluti- on gegen den vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegten Entwurf

April 2002 auch der Bundesrat die Approbations- ordnung für Ärzte verabschiedet hat, soll das Medizinstudium mit Be- ginn des Wintersemesters 2003/2004 (1. Oktober) nach der

Die ersten Studenten haben im Herbst 1977 ihr Studium nach der neuen Approbationsordnung (AOÄ) vom 28. Oktober 1970 beendet; im Frühjahr 1978 fand bereits die erste Novellierung