Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 30|
30. Juli 2010 A 1439 Für Praxis-Chef Engeser und Weiter-bildungsassistent Freund ist klar:
Wenn die Rahmenbedingungen für die hausärztliche Arbeit nicht kalku- lierbar sind, dann muss man sich nicht wundern, wenn der Nach- wuchs abgeschreckt wird. Engeser fügt jedoch hinzu: „Wir dürfen auch nicht immer nur jammern. Hausarzt ist ein wunderschöner Beruf.“
Zumindest ein Hindernis finan- zieller Art ist bereits beseitigt – ebenfalls durch das Förderpro- gramm Allgemeinmedizin. Die Wei- terbildungsassistenten in den Praxen bekommen jetzt ein Gehalt von min- destens 3 500 Euro brutto monat- lich. Früher verdienten die angehen- den Hausärzte in der Praxisphase zum Teil nur die Hälfte von dem, was im Krankenhaus üblich war, be- richtet Assistenzarzt Freund. „Das wäre für mich nicht machbar gewe- sen“, sagt der junge Familienvater.
Geld ist aber nicht alles. „Die All- gemeinmedizin braucht vor allem ein besseres Image“, meint Freund.
Sonst werde man auch künftig nicht mehr Absolventen für das Fach ge- winnen. Für ihn spielt dabei die For- schung eine besondere Rolle. Das war im Übrigen für ihn ein Grund, sich für die Weiterbildung in Baden- Württemberg zu bewerben. Hier kann er tun, was er immer wollte:
Wissenschaft und Praxis verbinden.
Zurzeit hat er eine halbe Stelle in Pforzheim, die restliche Zeit forscht er in der allgemeinmedizinischen Abteilung in Heidelberg. Dass so et- was möglich sei, findet er optimal.
In Baden-Württemberg ist die Verbundweiterbildung Teil eines Ge-
samtkonzepts. Das Kompetenzzen- trum Allgemeinmedizin fördert ne- ben der Weiterbildung und For- schung auch die Lehre. Ein Anlie- gen ist es, die Allgemeinmedizin im akademischen Kontext aufzuwer- ten. Aktuell haben 21 der 36 Hoch- schulstandorte in Deutschland eine Professur für Allgemeinmedizin. An zwölf Fakultäten handelt es sich um eine C4/W3-Professur. „Ohne Lehr- stuhl wird ein Fach aber gar nicht ernst genommen“, betont Joos vom Kompetenzzentrum. Es sei uner- lässlich, dass die Allgemeinmedizin an den Universitäten kompetent ge- lehrt werde. Schließlich falle die Entscheidung, Hausarzt zu werden, oft nicht erst in der Weiterbildung, sondern im Studium. Das war auch
bei Freund so. Er kam durch eine Famulatur auf das Fach. Der Haus- arzt, bei dem er damals das Prakti- kum und später dann auch ein PJ- Tertial absolvierte, wurde für ihn ein Vorbild – fachlich und menschlich.
Wer etwas gegen den Hausärzte- mangel tun will, muss also an vie- len Punkten ansetzen – ob nun beim Studium, der Weiterbildung oder den Rahmenbedingungen insge- samt. „Ohne die Verbundweiterbil- dung wäre ich jetzt wahrscheinlich in England“, sagt Freund. Heute ist er froh, dass er geblieben ist. Sein Umfeld und die gute Weiterbildung haben ihn motiviert. Und für ihn steht fest: „Die Allgemeinmedizin
ist mein Fach.“ ■
Dr. med. Birgit Hibbeler
Chaotisch und schlecht bezahlt – die Weiterbil- dung zum Allgemeinmediziner hatte in der Ver- gangenheit nicht den besten Ruf. Doch es gibt zwei gute Nachrichten für Uni-Absolventen mit
dem Berufswunsch Hausarzt: Die Assistenzärzte in den Praxen verdienen heute mit 3 500 Euro brutto deutlich mehr als früher. Und: Vielerorts gibt es inzwischen Weiterbildungsverbünde. Sie organisieren eine nahtlose Rotation durch alle Ab- schnitte in Klinik und Praxis. Die Ärzte müssen sich also nicht mehr allein durchboxen.
Weiterbildungsverbünde sind ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Hausärztemangel.
Da sind sich alle einig. Deshalb sollen jetzt auf Landesebene Koordinierungsstellen eingerichtet werden, die neue und bestehende Verbünde för- dern. Eine richtige Entscheidung. Denn so wird ei- ne gute Idee institutionalisiert und gestärkt.
Leider ist es zum Stichtag 1. Juli nicht überall gelungen, eine Koordinierungsstelle zu gründen.
Außerdem werden die Regelungen wohl in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich aus - sehen. Und schließlich: Mancherorts gibt es noch Streit um die Zuständigkeiten. Das ist bedauer- lich. An der Lebenswelt junger Ärztinnen und Ärz- te geht so etwas nämlich völlig vorbei.
KOMMENTAR
Dr. med. Birgit Hibbeler, DÄ-Redakteurin
Wichtiger Baustein
So macht Weiter- bildung Spaß:
Peter Engeser und Tobias Freund sind in eine funktionie- rende Struktur ein- gebunden. Das mo- tiviert.