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Archiv "Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit: Reha als wichtiger Baustein" (23.03.2012)

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A 582 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 12

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23. März 2012

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rhalt und Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkei- ten sind eine der wichtigsten ge- sellschaftlichen und sozialmedizi- nischen Herausforderungen. Das gilt besonders im Hinblick auf das steigende Renteneinstiegsalter und alternde Belegschaften. Außerdem ist eine Vielzahl Arbeitsloser we- gen Arbeitsunfähigkeit nicht ver- mittelbar, würde aber im ersten Ar- beitsmarkt dringend gebraucht.

Kontrovers wird diskutiert, ob die Adressaten des neunten Sozial- gesetzbuches (SGB IX) ausschließ- lich Behinderte sind. Die betriebli- che Praxis und das Verständnis der Arbeitsgerichte zeigt: nein. Ist die Beschäftigungsfähigkeit von Ar- beitnehmern bedroht, dann ist der Unternehmer in der Pflicht. In die- sem Sinne ist auch die von der

Bundesregierung 2009 ratifizierte UN-Konvention über die Rechte Behinderter (UN-BRK) umzuset- zen. Der Begriff Behinderung wird in der Konvention als „fehlende Teilhabe- oder Inklusionsmöglich- keit“ definiert, wenn diese mehr als sechs Monate andauert. Dies schließt Arbeit und Beschäftigung ein.

Individuelle Möglichkeiten erkennen und nutzen

Die Ford-Werke GmbH haben be- reits seit dem Jahr 2000 ein be - triebliches Wiedereingliederungsma - nage ment entwickelt. Dies geschah im Vorfeld gesetzlicher Regelun- gen – ausgelöst durch betriebswirt- schaftliche Zwänge. Bei Ford ist wie in vielen Bereichen der Indus- trie seit langem eine Alterung der

Belegschaft zu verzeichnen, schon bevor erste Auswirkungen des demografischen Wandels spürbar wurden. Das Wiedereingliederungs - management entstand im Konsens mit den Sozialpartnern. Die Philo- sophie der Maßnahmen orientiert sich nicht an den Belangen einer bestimmten Alters- oder Diagnose- gruppe. Vielmehr sollen fähigkeits- orientiert individuelle Möglichkei- ten erkannt und genutzt werden.

Dieses Vorgehen ist diagnoseunab- hängig und entspricht der Interna- tional Classification of Function - ing, Disability and Health, wie es auch die UN-BRK fordert. Im Vor- dergrund steht dabei die Abkehr von einer Defizitbetrachtung. Es handelt sich um einen Para - digmenwechsel, der unterstreicht:

Man darf sich in der Rehabilitation ERHALT DER BESCHÄFTIGUNGSFÄHIGKEIT

Reha als wichtiger Baustein

Wie hält man Mitarbeiter trotz gesundheitlicher Einschränkungen im Arbeitsleben? Ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement kann dabei helfen. Das zeigen die Erfahrungen der Ford-Werke.

Die Ford-Werke in Köln sind vorbildlich, was die Wieder - eingliederung von Mit arbeitern angeht.

Fotos: dpa

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23. März 2012 A 583 und Reintegrationsarbeit durch die

Diagnose nicht paralysieren lassen.

Bei Ford gibt es keine speziellen Abteilungen für Behinderte oder ältere Arbeitnehmer. Das Unter- nehmen gewährleistet Inklusion, indem es ergonomisch optimierte Arbeitsplätze geschaffen hat, deren Anforderungen mit den Fähigkei- ten betroffener Mitarbeiter vergli- chen werden. Zur Anwendung kommt seit mehr als zehn Jahren das Profilvergleichssystem „Inte- gration von behinderten Menschen in die Arbeitswelt“ (IMBA). Es hat sich sowohl in der betrieblichen Praxis bewährt als auch in der Kommunikation mit einer orthopä- dischen Rehaklinik.

Wie im SGB IX und in der UN- BRK gefordert, sind alle Belange der Betroffenen für die Beschäfti- gungsfähigkeit zu beachten. Dafür geeignete multidisziplinäre Teams berücksichtigen die relevanten Faktoren. Bei Ford existieren 19 Integrationsteams. Sie stehen in der Verantwortung der betrieblichen Vorgesetzten. Unter strikter Einhal- tung von ärztlicher Schweige- pflicht und Datenschutz nimmt der Arbeitsmediziner in den Teams ei- ne fachliche und unverzichtbare Führungsrolle ein.

Der tätigkeitsorientierten Reha- bilitation kommt in dem Konzept eine herausragende Bedeutung zu.

Es geht darum, die Ursachen für die Gefährdung der Beschäfti- gungsfähigkeit anzugehen – ge- meinsam mit den Betroffenen. In Zusammenarbeit mit der Deut- schen Rentenversicherung (DRV) Rheinland und der Ärztekammer Nordrhein wurde das Verfahren

„WeB-Reha“ entwickelt (Werks- und Betriebsärzte in Kooperation

mit der DRV Rheinland in Rehabi- litationsangelegenheiten). Dabei ist der Betriebsarzt als Initiator, Koor- dinator und Ansprechpartner invol- viert. Er erkennt den Rehabilitati- onsbedarf im Rahmen seiner Tätig- keit nicht nur als Akteur des be- trieblichen Eingliederungsmanage- ments (BEM). Vielmehr sind die Arbeitsmediziner in den betriebli- chen Alltag integriert.

Gründe und Anlässe, ein WeB- Reha-Verfahren einzuleiten, sind folgende:

Beschäftigte klagen über zu- nehmende Probleme der Leistungs- erbringung.

Maßnahme zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit gemäß

§ 84 SGB IX

„Nachholen” verpasster Indi- kation im Rahmen von BEM

Versuch der Wiederherstel- lung der Beschäftigungsfähigkeit während Arbeitsunfähigkeit

Leistungen nach § 51 SGB IX; Anregung meist vom Medizini- schen Dienst der Krankenkassen oder der gesetzlichen Krankenver- sicherung, um Zahlung von Über- gangsgeld zu vermeiden

Anregung niedergelassener Ärzte.

Dem Betriebsarzt kommt ein be- sonderer Stellenwert zu: Er hat das Vertrauen der betroffenen Mitar- beiter, denn er ist nicht Arbeitge- ber. Anders als externe Ärzte kennt er die Arbeitsplatzanforderungen

und betrieblichen Möglichkeiten genau. Der Arbeitsmediziner ist auch derjenige, der erste Anzeichen für eine eingeschränkte Leistungs- fähigkeit erkennt – zum Beispiel durch Informationen aus der ar- beitsmedizinischen Sprechstunde, auch im Zusammenhang mit Vor- sorgeuntersuchungen (§ 84 SGB IX). Der Betriebsarzt ist ein Binde- glied: Er ist einerseits Ansprech- partner für Mitarbeiter und Füh- rungskräfte, andererseits für Reha- kliniken und niedergelassene Ärz- te. Nur er kann die Fähigkeiten der Mitarbeiter vor und nach Reha mit den Arbeitsanforderungen verglei- chen. Darüber hinaus kennt er die betrieblichen Sozialleistungen und Teilhabemöglichkeiten. Der Ar-

beitsmediziner begleitet und doku- mentiert die Wiedereingliederung nach Reha.

In der engen Zusammenarbeit zwischen Betrieb, Arbeitsmedizin und Reha-Klinik liegt enormes Po- tenzial. Das demonstrieren die Zahlen, die seit 2008 im arbeitsme- dizinischen Dienst der Ford-Werke erhoben wurden. Als entscheiden- des Kriterium wird dabei die Wie- dereingliederung und deren Dauer nach einer Reha-Maßnahme ange- sehen. Dokumentiert sind zwischen Januar 2008 und Oktober 2011 1 061 Reha-Anträge. Davon wur- den 933 genehmigt und durchge- führt. Verglichen wurden Altersver- teilung, Indikationen (Diagnosen),

TABELLE 1

Betroffene Fachgebiete aus den Reha-Anträgen (ohne Langzeitentwöhnungen bei Suchterkrankungen)

externe

WeB-Reha

insgesamt 525

441

Orthopädie

227 43 %

264 60 %

Psychiatrie

98 19 %

86 20 %

Kardiologie

75 14 %

12 3 %

Neurologie

20 4 %

5 1 %

Onkologie

44 8 %

7 1 %

Gastro- enterologie

19 4 %

30 7 %

Sonstige

42 8 %

37 8 %

Der Betriebsarzt ist ein Bindeglied: Er ist einerseits Ansprechpartner für Mitarbeiter und Führungskräfte, andererseits für Rehakliniken und niedergelassene Ärzte.

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23. März 2012 Wiedereingliederungsquoten und

die Zeit zwischen Reha-Ende und Arbeitsaufnahme. Gegenübergestellt wurden die Ergebnisse aus dem WeB-Reha-Verfahren und aus Ver- fahren, die im niedergelassenen Bereich beantragt wurden, ein- schließlich Anschlussrehabilitatio- nen (AHB).

Schnelle Rückkehr in das Arbeitsleben

Als besonders erfolgreich erweist sich dabei die Zusammenarbeit mit der orthopädischen Lahntalklinik in Bad Ems. Die Einrichtung orien- tiert sich bei den Reha-Maßnahmen an den elektronisch übermittelten Anforderungsprofilen. Die Klinik vergleicht die individuellen Fähig- keiten vor und nach Antritt des Aufenthalts und formuliert reali- tätsnahe sozialmedizinische Emp- fehlungen. Resultat sind besonders hohe Wiedereingliederungsraten mit extrem kurzer Zeit zwischen Reha- Ende und dem ersten vollschichti- gen Arbeitstag.

Zur Erklärung der unterschiedli- chen Ergebnisse wurde ein Diagno- senvergleich beider Kollektive durchgeführt (Tabelle 1). Die Al- tersverteilung beider Gruppen ist identisch. Eine Sonderrolle spielen Langzeitentwöhnungen bei Alko- hol- und Drogenabhängigkeiten, die über die betriebliche Sucht- krankenhilfe eingeleitet werden.

Sie werden zwar betrieblich veran- lasst, zählen aber nicht zu den WeB-Reha-Verfahren. Ordnet man sie den F-Diagnosen zu, ergibt sich bei den betrieblich veranlassten Rehabilitationen ein Anteil von 32 Prozent. Diese Zahl entspricht dem beunruhigenden Trend der extre- men Zunahme psychischer Diag- nosen.

Vergleicht man die Wiederein- gliederungsquoten der extern bean- tragten Rehabilitationen mit denen nach WeB-Reha, ergeben sich Un- terschiede. Besonders deutlich sind sie in Bezug auf die Zeit zwischen Reha-Ende und erstem vollschich- tigen Arbeitstag (Tabelle 2). Die beiden Kollektive unterscheiden sich bezüglich der Diagnosen. Un- terschiede gibt es insbesondere beim Anteil kardiologischer und onkologischer Diagnosen. Das er- klärt jedoch nicht die große Diffe- renz bei den Eingliederungsdaten.

Ebenso wenig wie Unterschiede beim AHB-Anteil.

Im WeB-Reha-Verfahren sind die Rehabilitanden von Beginn an über die Reha-Ziele informiert.

Das Unternehmen veranlasst die

Maßnahme. Ziel ist die Beschäfti- gungsfähigkeit für das bestehende Arbeitsverhältnis. Reha-Mediziner und Betriebsarzt kommunizieren über die berufliche Wiedereinglie- derung. Dies dürften die wichtigs- ten Gründe für die schnelle Wie- dereingliederung und die hohe Quote sein. Das zeigt ein Vergleich innerhalb der Gruppe orthopä - discher WeB-Reha-Maßnahmen.

Ärzte und Therapeuten der Lahn- talklinik in Bad Ems pflegen einen sehr engen Informationsaustausch über die Anforderungen am Ar- beitsplatz mit Hilfe des Profilver- gleichssystems IMBA. Der Be- triebsarzt übermittelt das Arbeits- platzprofil am Aufnahmetag in die Rehaklinik. Es ist Grundlage für die berufliche Orientierung wäh- rend der Maßnahme und wird am Entlassungstag mit den Fähigkei- ten verglichen. Die Wiedereinglie- derungen aus der Lahntalklinik er- folgen durchschnittlich nach elf Ta- gen, während die Rehabilitanden anderer orthopädischer Einrichtun- gen im Schnitt nach erst 17 Tagen wieder an ihrem Arbeitsplatz voll- schichtig arbeiten.

Auch die Kosten müssen berücksichtigt werden

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit spielt nicht nur eine Rolle, wenn es um Selbstvertrauen und Wiederein- gliederungschancen geht. Auch fi- nanzielle Aspekte müssen betrach- tet werden. Ein Mitarbeiter kostet die Ford-Werke GmbH im Schnitt 283 Euro pro Tag. Multipliziert man diesen Wert mit den Arbeits- unfähigkeitstagen nach einer Reha- bilitation, so fallen pro Fall bei ex- tern beantragter Reha 16 697 Euro, bei WeB-Reha 4 872 Euro und nach Entlassung aus der Lahntal- klinik 3 146 Euro an.

Das WeB-Reha-Verfahren ist ein erfolgversprechendes Modell. Es kann aber noch bezüglich der Nach - haltigkeit weiterentwickelt werden.

Hier bietet sich unter anderem eine engere Verknüpfung mit betriebsna- hen Präventionsprogrammen an.

Dr. med. Erich Knülle ehemaliger Betriebsarzt bei der Ford-Werke GmbH (Disability Management and Occupational Health Systems), erich-knuelle@t-online.de TABELLE 2

Wiedereingliederung ins Arbeitsleben: Quoten und Zeiten

WeB-Reha Externe Reha Langzeit entwöhnung

Reha-Fälle

345 517 90

davon wieder integriert

309 419 73

Integrationsquote

90 % 81 % 81 %

Zeit Reha-Ende bis zum 1.

vollschichtigen Arbeitstag 17 Tage 59 Tage 10 Tage Genaue Kenntnisse

des Arbeitsplatzes ermöglichen eine gezielte Rehabilitation.

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