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Mediensucht – Abhängigkeit von digitalen Medien erkennen und vorbeugen
Dr. Anja Joest
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Die Neuen Medien sind unverzichtbarer Teil unseres beruflichen, schulischen und privaten Alltags.
Sie bieten viele positive Kommunikations-, Lern-, Arbeits-, Unterhaltungs- und Informationsmög- lichkeiten, besitzen aber auch Gefährdungspotenzial. Immer mehr Jugendliche sind mediensüchtig.
Was kennzeichnet Sucht? Wo liegt die Grenze zwischen häufigem Gebrauch und Abhängigkeit? In dieser Einheit lernen die Schülerinnen und Schüler den Unterschied zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Süchten, zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit kennen. Sie er- örtern die Folgen exzessiven Medienkonsums. Abschließend reflektieren sie ihr eigenes Mediennut- zungsverhalten und diskutieren alternative Beschäftigungsmöglichkeiten.
KOMPETENZPROFIL
Klassenstufe: 7/8
Dauer: 7 Unterrichtsstunden
Kompetenzen: Merkmale von Sucht benennen; alternative Handlungsweisen zu exzessiver Mediennutzung aufzeigen; Suchtstoffe differenzieren; die damit verbundenen Gefahren benennen; das eigene Medienverhalten kritisch beleuchten; Ursachen von Sucht benennen und reflektieren Thematische Bereiche: Digitale Medien, Medienkompetenz, Mediensucht, Sucht, Social
Media, Computerspiele Medien: Texte, Bilder, Videos
Methoden: Experiment zur Mediennutzung
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Worum geht es?
Moderne, digitale Medien bestimmen mehr und mehr unseren Alltag. Vor allem Jugendliche, so- genannte Digital Natives, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind, können sich eine Welt ohne Smartphone und Tablet kaum mehr vorstellen. Das Smartphone ist zum stetigen Wegbegleiter ge- worden. In kurzen, regelmäßigen Abständen zieht es die Aufmerksamkeit des Besitzers auf sich. Der Computer eröffnet Zugang zu anderen Welten. Der schmale Grat zwischen exzessiver Nutzung und Sucht wird dabei nicht selten überschritten.
Im Fokus der vorliegenden Einheit steht das Phänomen der Mediensucht. Sie informiert über das Gefährdungspotenzial von Medien. Dabei geht es im ersten Schritt zunächst um eine generelle Aus- einandersetzung mit dem Thema „Sucht“. Süchte und Suchtmittel werden verglichen. Anschließend erfolgt eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema „Mediensucht“. Der Schwerpunkt liegt hier auf a) Social Media und b) Computerspielen. Abschließend reflektieren die Lernenden ihr eige- nes Medienverhalten. Im Rahmen eines Experiments beobachten sie ihr Medienverhalten und über- legen, wie sich dieses reduzieren lässt.
Was müssen Sie zum Thema wissen?
Mediensucht – einem Begriff auf der Spur
Der Begriff „Sucht“ geht zurück auf das Wort „siechen“. „Mediensucht“ bezeichnet eine süchtige, das heißt zum Siechtum führende Erlebens- und Verhaltensweise ohne Substanzkonsum. Sie resul- tiert aus einer exzessiven Nutzung vor allem moderner elektronischer Medien.
Der Begriff „substanzlose Sucht“ ist relativ neu. Als „substanzungebundene Abhängigkeit“ werden in der Psychologie und Psychotherapie Formen psychischer Zwänge und Abhängigkeiten bezeich- net, die nicht an die Einnahme von Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder andere Drogen gebunden sind. Kennzeichnend sind wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivation, die der Betroffene nicht kontrollieren kann. In der Regel schädigen diese die Interessen des Patienten oder anderer Menschen. Betroffene berichten von impulshaftem Verhalten. Abhängigkeit kann die Lebensfüh- rung beherrschen. Sie führt zum Verfall sozialer, beruflicher, materieller und familiärer Werte und Verpflichtungen.
Als substanzlose oder substanzungebundene Süchte gelten Sexsucht, Arbeitssucht, Kaufsucht, Sammelsucht („Messie-Syndrom“), exzessive Sportsucht, Internet-, Handy- oder Fernsehsucht. Al- lerdings ist nicht jedes exzessive Verhalten oder jede exzessive Nutzung gleich eine Sucht.
Sucht oder neue Lebenswirklichkeit? – Suchtfaktoren
Die Nutzung Neuer Medien wird dann zur Sucht, wenn eine Einengung der Verhaltensmuster zu beobachten ist. Versuchen Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, über die Nutzung von Medien Frust, Unsicherheiten und Ängste zu bewältigen, anstatt alternative Verarbeitungsstrategien zu entwickeln, benötigen sie Hilfe. Sind Entzugserscheinungen zu beobachten, die sich in Form von Depressivität und Antriebsmangel, Nervosität, Unruhe, Gereiztheit, Zittern oder Schwitzen bemerk- bar machen, ist ein Rückzug aus dem sozialen Leben zu beobachten, wird die Nahrungsaufnahme an den Computer verlagert, sind Müdigkeit, Schlafmangel oder ein verschobener Tag-und-Nacht- Rhythmus zu beobachten, so sollte jemand einschreiten.
DAK-Studie zur Social-Media-Sucht
Jugendliche nutzen vermehrt soziale Medien. Ganz vorne in ihrer Gunst steht WhatsApp. Dahinter folgen Instagram und Snapchat. Mädchen verbringen dabei im Schnitt mehr Zeit (über 3 Stunden
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Auf einen Blick
Was ist Sucht? – Eine Definition erarbeiten
M 1 Medien – Verbesserung, Erleichterung und Verschönerung des Alltags / (Moderne) Medien haben Vorzüge. Sie erleichtern uns das Leben und ermög- lichen einen schnellen Austausch. Was schätzen die Lernenden an Neuen Medien und welche nutzen sie? M 1 dient der Evaluation der Ausgangslage.
M 2 Bedeutet regelmäßiger Konsum schon Abhängigkeit? – Was uns süch- tig macht / Welche Süchte gibt es? Wo bestehen Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Fotos geben einen ersten Einblick und laden ein, genauer zu differenzieren. Die Lernenden formulieren eine erste Definition von „Sucht“.
M 3 Was bedeutet „Sucht“? – Eine Definition formulieren / Mittels zweier Definitionen und einer Mindmap wird das Verständnis von Sucht geschärft.
M 4 Stoffgebundene und stoffungebundene Süchte – wo liegt der Unter- schied? / Die Schülerinnen und Schüler lernen den Unterschied zwischen stoffgebundenen und stoffungebundenen Süchten kennen.
Wie entsteht eine Sucht? Und wie verläuft sie?
M 5a Instagram, Facebook und Co. – die Sucht nach Likes / Wo liegen die Ge- fahren von Social Media? Und wie kann man ihnen begegnen? Ein Zeitungs- artikel gibt Einblick.
M 5b Computerspiele – verdrängt die virtuelle Welt die reale? / Anhand eines Videos sowie eines Selbsttests erarbeiten die Schülerinnen und Schü- ler die Möglichkeit und Gefahr einer Computerspielsucht.
M 6 Warum wird man süchtig? – Das Suchtdreieck / Welche Rolle die Ge- sellschaft, die Persönlichkeit eines Betroffenen und das Suchtmittel selbst beim Entstehen einer Sucht spielen, erschließen sich die Lernenden aus einem Suchtdreieck.
Wie gut kannst du mit Medien umgehen? – Teste dich selbst!
M 7 Geht’s auch anders? – Alternativen zum Medienkonsum / Im Rahmen dieser Stunde reflektieren die Jugendlichen ihr Medienverhalten. Sie über- legen, wie sie ihre Zeit auch ohne Medien sinnvoll nutzen können.
M 8a Wie nutze ich Social-Media-Plattformen? – Ein Fragebogen zur Selbst- kontrolle / Der Fragebogen verrät viel über den persönlichen Umgang mit Social Media. Er dient den Lernenden dazu, das eigene Verhalten besser einzuschätzen.
M 8b Wie ist mein Computerspiel-Verhalten? – Ein Fragebogen zur Selbst- kontrolle / Mit diesem Fragebogen reflektieren die Schüler ihr Computer- spiel-Verhalten.
Stunde 1 und 2
Stunde 3 und 4
Stunde 5
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Drei Tage bewusste Medienreduktion – ein Experiment
M 9 Kann ich auf Medien verzichten? – Ein Experiment / Der Infobogen liefert den Lernenden alle für das Experiment notwendigen Informationen – von der Vorbereitung über die Dokumentation bis zur Auswertung. Ein Tagebuch erleichtert den Vergleich der medienfreien Tage mit dem „norma- len“ Alltag.
Hausaufgabe: Durchführung des Experiments.
Erklärung zu Differenzierungssymbolen
Finden Sie dieses Symbol in den Lehrerhinweisen und Schülermaterialien, so findet Differenzierung statt. Es gibt drei Niveaustufen. In der Regel befinden sich die Materialien auf mittlerem Niveau. Explizit ausgewiesen werden deshalb Abweichungen nach oben (anspruchsvolle Materialien) bzw.
unten (leichte Materialien bzw. Hilfestellungen für lern- schwächere Schülerinnen und Schüler).
einfaches Niveau mittleres Niveau schwieriges Niveau
Neigungsdifferenzierung
Dieses Symbol verwenden wir, wenn es verschiedene Mög- lichkeiten der Bearbeitung gibt. Diese Aufgaben eignen sich zur Differenzierung nach Neigung.
Tipps und Hilfestellungen
Dieses Symbol markiert Tipps und Tipp-Karten.
Stunde 6 und 7
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Medien – Verbesserung, Erleichterung und Verschönerung des Alltags
97 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland zwischen 12 und 19 Jahren nutzen mehrmals wö- chentlich bis täglich ihr Smartphone – so eine Umfrage aus dem Jahr 2018. Damit zählt das Smart- phone zu den meistgenutzten Medien. Aber auch andere Medien haben einen hohen Stellenwert bei Jugendlichen. Welche Medien sind ein fester Bestandteil deines Alltags und warum?
Aufgaben
1. Bildet Gruppen zu drei bis vier Personen. Ergänzt gemeinsam die Mindmap unten. Notiert Me- dien, die ihr nutzt. Überlegt dann, welche Vorzüge sie eurer Ansicht nach haben.
2. Sammelt eure Ergebnisse in der Klasse. Diskutiert dann gemeinsam folgende Fragen:
f
Welche Medien nutzt ihr?
f
Wie intensiv/häufig verwendet ihr die genannten Medien?
f
Worauf könntet ihr verzichten? Worauf nicht? Begründet eure Meinung.
Methodenkasten – Wie erstellt man eine Mindmap?
1. Notiere das zentrale Thema deiner Mindmap in der Mitte des leeren Blattes.
2. Sammle alle Wörter und Gedanken, die dir zu diesem Thema einfallen.
3. Sortiere die notierten Wörter und Gedanken. Fasse sie unter Oberbegriffen zusammen.
4. Verfeinere deine Mindmap. Gestalte sie übersichtlich und anschaulich.
Smartphones Social Media
Computerspiele
Medien und ihre Vorzüge
M 1
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Bedeutet regelmäßiger Konsum schon Abhängigkeit? – Was uns süchtig macht
Bin ich süchtig, wenn ich regelmäßig viel und gerne Schokolade esse? Was ist Sucht? Und wo liegt die Grenze zwischen exzessiver Nutzung und Abhängigkeit? Betrachtet die nachfolgenden Bilder und überlegt selbst.
Aufgaben
1. Betrachte die Bilder. Beschreibe, was du darauf erkennen kannst.
2. Woran denkst du, wenn du die Bilder siehst? Sammelt eure Eindrücke an der Tafel.
3. Was ist Sucht? Formuliert gemeinsam eine erste Definition.
4. Diskutiert, ob die Nutzung von Medien ebenso süchtig machen kann wie Alkoholkonsum.
M 2
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Unterschiede Bei stoffungebundenen Süchten wie Social-Media- oder Computerspiel- sucht sind die Betroffenen nicht von einer Substanz abhängig, sondern von einer bestimmten Verhaltensweise.
Im Vergleich zu anderen, stoffgebundenen Süchten besteht bei So- cial-Media- und Computerspielsucht in der Regel keine körperliche, sondern eine seelische Abhängigkeit.
Erwartungshorizont (M 5b)
2. Computerspiele laden uns ein, in Parallelwelten einzutauchen. Je öfter man gewinnt, desto grö- ßer ist die Anerkennung durch Mitspieler, aber auch die Belohnung durch das Spiel selbst. Dabei werden Regionen im Gehirn angesprochen, die mit Sucht in Verbindung gebracht werden. Das Gefühl, während des Spiels nicht alleine zu sein, führt oftmals dazu, sich von seiner Umwelt ab- zuschotten und sich verstärkt der virtuellen Welt hingibt.
4. Siehe M 5a, Aufgabe 4.
Erwartungshorizont (M 6)
1. Das Suchtdreieck ist ein Modell, welches hilft darzustellen, welche Faktoren zur Entwicklung einer Sucht führen bzw. geführt haben (könnten). Dahinter steckt die Annahme, dass es nie bloß ein einzelner Faktor ist, der zu einer Abhängigkeit führt, sondern immer ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren. Dabei werden vor allem die Persönlichkeit, die Droge selbst sowie die Ge- sellschaft betrachtet.
2.–4. Vorschlag für ein Tafelbild:
Faktoren bei einer Mediensucht (u. a. Social-Media- und Computerspielsucht) Persönlichkeit – Niedriges Selbstbewusstsein
– Hang zur Flucht aus der Realität – Aktuelle Phase der Trauer Droge – Medien sind leicht zugänglich
– Medien sind recht kostengünstig (bis hin zu kostenlos) – Medien erscheinen harmlos
Gesellschaft – Ein starker Medienkonsum wird von der Gesellschaft toleriert und manchmal auch gefördert
– Das soziale Umfeld ist einem gegenüber negativ eingestellt – Es werden kaum bis keine alternative Handlungsmöglichkeiten ge-
sehen
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Geht’s auch anders? – Alternativen zum Medienkonsum
Wie würdest du dich in den folgenden Situationen verhalten? Sei ehrlich und kreuze die zutreffende Antwort an!
Aufgaben
1. Lies die drei Texte unten. Versetze dich in die jeweilige Person.
2. Wie würdest du dich entscheiden? Kreuze die auf dich am ehesten zutreffende Aussage an oder notiere unter c, wie du dich stattdessen verhalten würdest.
3. Suche dir eine Arbeitspartnerin oder einen Arbeitspartner. Tauscht euch über eure Antworten aus.
4. Tragt eure Ergebnisse im Plenum an der Tafel zusammen.
Situation A: Es ist Samstag. Du hast den ganzen Vormittag am Computer gesessen, um ein Referat für Montag vorzubereiten.
Jetzt brummt dir der Schädel. Was tust du?
a) Du nimmst eine Kopfschmerztablette.
b) Du isst etwas Schokolade, startest dein Lieblings-Computerspiel und spielst eine Weile, bevor du weitermachst.
c) Du _____________________________.
Situation B: Endlich ist die Schule aus! Der Tag war anstrengend und die Lehrer haben dich genervt. Du möchtest einfach nur ab- schalten. Was tust du?
a) Du schnappst dir eine Tüte Chips und setzt dich vor den Fernseher.
b) Du teilst etwas in deiner Story auf Instag- ram und erklärst, wie ätzend dein Tag war.
c) Du _____________________________.
Situation C: Du hast Ferien. Endlich ist Zeit, neue Fotos auf Insta- gram hochzuladen. Da ruft ein Freund an und fragt, ob du mit ihm ins Schwimmbad gehen möchtest. Was tust du?
a) Du machst lieber mit den Fotos weiter. Schwimmbad ist dir heute echt zu anstrengend.
b) Du schlägst deinem Freund vor, zu dir zu kommen und gemeinsam die Fotos auszuwählen.
c) Du __________________________________________ .
M 7
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