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Wie von Brennesseln gestochen

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130 DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2016 | www.diepta.de

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ie Nesselsucht (Urtika- ria, von lateinisch Ur- tica, Brennnessel) ist eine meist ungefährli- che, aber sehr unangenehme Verän- derung der Haut, die sowohl akut auftreten als auch chronisch werden kann. Bei der akuten Form bilden

sich die Quaddeln an der betroffenen Körperstelle meist innerhalb eines Tages wieder zurück; der Prozess kann aber auch bis zu sechs Wochen in Anspruch nehmen. Die akute Nesselsucht kann immer wieder auf- treten, wenn der Körper mit dem Auslöser in Kontakt kommt. Lebens-

bedrohlich kann die Urtikaria dann werden, wenn Schwellungen am Kehlkopf zu Atemnot führen. In Deutschland sind etwa 800 000 Men- schen von Urtikaria betroffen, dar- unter mehr Frauen als Männer.

Meist tritt die Erkrankung im mittle- ren Lebensabschnitt auf.

Quälender Juckreiz Bei einer Ur- tikaria entstehen auf der Haut stark juckende Stellen, die aussehen, als habe man sich an einer Brennnessel gestochen, daher auch der Name

„Nesselsucht“. Die Quaddeln haben einen Durchmesser von wenigen Millimetern bis hin zur Größe eines Handtellers. Sie können nur an einer Stelle auftreten, aber auch über den Körper wandern. Die Nesselsucht kann zudem „streuen“ und dann den Großteil des Körpers bedecken (dis- seminierte Urtikaria). Für die Betrof- fenen ist das kaum auszuhalten, denn neben dem unerträglichen Ju- cken ist die Haut durch die Quad- deln geschwollen und bei groß- flächigem Befall daher stark und schmerzhaft gespannt. Im schlimms- ten Fall kann die Haut einreißen, wodurch beim Kratzen Bakterien eindringen und Infektionen verursa- chen können.

Reaktion wie bei einer Allergie Der Grund für die Quaddeln ist ein

Wie von Brenn-

nesseln gestochen

Juckende Quaddeln überall – wenn die Haut so reagiert, handelt es sich um eine Urtikaria. Die Ursachen sind vielfältig, und es kann lange dauern, den Auslöser zu finden. Manchmal gelingt das nie.

© Jevtic / iStock / Thinkstock

PRAXIS URTIKARIA

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | November 2016 | www.diepta.de

Überschuss des Neurotransmitters Histamin aus den Mastzellen der Im- munabwehr. Dies geschieht als Re- aktion auf ein Allergen, sobald IgE- Antikörper auf den Mastzellen damit in Kontakt kommen. Durch das His- tamin wird eine Entzündungsreak- tion ausgelöst, wobei das Hormon die Durchlässigkeit der kleinen Blut- gefäße in der Lederhaut erhöht, so- dass sie Wasser einlagert, was zur Gewebsschwellung und damit zu den juckenden Quaddeln führt. Gleich- zeitig stimuliert das Histamin aber auch Nervenfasern in der Haut, wo- durch Neuropeptide ausgeschüttet werden, die ebenfalls einen Juckreiz auslösen. Diese Neuropeptide stimu- lieren ihrerseits wieder die Mastzel- len – ein Juckreiz-Teufelskreis be- ginnt.

Meist ist tatsächlich ein Allergen der Auslöser der Nesselsucht, seien es bestimmte Stoffe in Nahrungsmit- teln oder Medikamenten wie Acetyl- salicylsäure. Urtikaria kann aber auch durch eine Pseudoallergie aus- gelöst werden, das bedeutet, durch äußere Reize wie Kälte, Hitze oder Druck. Diese, unter dem Begriff

„physikalische Urtikaria“ zusam- mengefassten Nesselsuchtformen, lassen sich leicht erkennen, da die Quaddeln sehr schnell auftauchen, nachdem die Haut dem Reiz aus- gesetzt wurde. Dann hilft es, den Reiz zu meiden, um die Urtikaria in den Griff zu bekommen. Wesentlich schwieriger ist es, wenn die Nessel- sucht substanzinduziert ist. Dann heißt es, in aufwändigen Verfahren durch Allergietests den Auslöser zu finden. Bei den unzähligen Substan- zen, die prinzipiell als Verursacher in Frage kommen, verwundert es nicht, dass der Auslöser häufig nicht gefunden wird. Man spricht dann von einer idiopathischen Urtikaria, also einer Nesselsucht ohne be- stimmbare Ursache.

Erste Hilfe gegen den Juckreiz Ist beim ersten Auftreten der Urtika- ria die Zahl der Quaddeln relativ ge- ring und der Juckreiz nicht zu stark, bedarf die Nesselsucht eigentlich

keiner Behandlung. Kühlung, zum Beispiel durch einen feuchten Lap- pen, kann Linderung bringen. Bei stärkerem Juckreiz können Anti- histaminika helfen, die entweder to- pisch als Salbe oder systemisch in Tablettenform verabreicht werden können. Kortikoidhaltige, syste- misch wirkende Medikamente wer- den nicht mehr empfohlen, da ihre Wirkdauer zu kurz ist und außer- dem nicht kontrolliert werden kann, ob sich die Quaddeln von selbst zurückbilden. Salben mit Menthol, Polidocanol oder Harnstoff können ebenfalls Linderung bringen.

Wenn das Jucken chronisch wird Hält die Urtikaria länger als sechs Wochen an, spricht man von einer chronischen Nesselsucht. Hier liegt meist eine Grunderkrankung vor, wie etwa ein unentdeckter Ent- zündungsherd im Körper, der zu einer dauerhaften Histamin-Über- produktion führt. Es kann jedoch auch eine Histaminintoleranz sein.

Bei dieser Störung ist der Körper nicht in der Lage, mit der Nahrung aufgenommenes Histamin ausrei- chend zu metabolisieren, sei es durch einen Mangel an Histamin-abbau- enden Enzymen oder eine Dysba- lance zwischen Histaminzufuhr und -abbau. Die Histaminintoleranz ist nicht angeboren und betrifft meist Frauen. Therapierbar ist sie mit ei- ner streng histaminarmen Diät, im schlimmsten Fall mit der Kartof- fel-Reis-Diät, in der über einen gewissen Zeitraum nur Kartoffeln, Reis, Zucker, Salz und Wasser zuge- führt werden. Vitamin B6 kann den körpereigenen Histamin-Stoffwech- sel unterstützen. Ist eine histamin- arme Diät nicht möglich, kann auch das histaminabbauende Enzym Dia- minoxidase (DAO) zu den Mahlzei- ten eingenommen werden.

Ein Befall mit Helicobacter pylori ist als Ursache für Nesselsucht ebenfalls nachgewiesen. Daher sollte man bei einer ständig wiederkehrenden oder gar chronischen Nesselsucht immer auch auf dieses Magenbakterium tes- ten. Andere Ursachen der chroni-

schen Nesselsucht können Störungen der Funktion der Nebennierenrinde oder der Schilddrüse, wie zum Bei- spiel die Hashimoto-Thyreoiditis sein, durch die die Botenstoffe aus dem Gleichgewicht geraten. Manch- mal ist auch eine Autoimmuner- krankung der Auslöser für die Nes- selsucht, die dann allerdings nur eines von vielen meist schwerer wie- genden Symptomen ist. Da Autoim- munerkrankungen lediglich symp- tomatisch zu behandeln sind, wird man in einem solchen Fall die Quad- deln mit Antihistaminika bekämp- fen. Einige Patienten mit chronischer idiopathischer Urtikaria sprechen allerdings nicht auf diese Wirkstoffe an, selbst wenn sie hochdosiert ver- abreicht werden. Wie eine im März 2013 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie zeig- te, kann ihnen mit dem Asthmamit- tel Omalizumab geholfen werden.

Hierbei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der die IgE-Antikörper im Körper neutrali- siert. Sie sind dann nicht mehr fähig an Mastzellen zu binden und sie zur Histaminausschüttung anzuregen.

In den vergangenen Jahren haben sich in an der Charité Berlin und der Universitätsklinik Mainz Urtikaria- Forschungszentren entwickelt, die immer wieder Teilnehmer für lau- fende Studien suchen. Zurzeit wird eine Salbe gegen Kälteurtikaria ge- testet, sie soll einen Rezeptor hem- men, der den Juckreiz auslöst. Beide Forschungszentren bieten auch Urti- karia-Sprechstunden an. ■

Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist

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