Heben und Tragen im Rettungsdienst
… oder lieber Ziehen und Schieben?
- Herausforderung Patiententransport
Sicherheits-Forum Feuerwehr, C. Schiefer 19.09.2018
Inhalte
• Hintergrund zur Belastungssituation
• Überblick Transporthilfsmittel
• Studie zum Vergleich verschiedener Transporthilfen
• Erkenntnisse für die Praxis
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Ausgangspunkt der Untersuchung
(Zitate aus der Praxis)
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Situation im Rettungsdienst
• Schwere Lasten, Zeitdruck, beengte Transportwege, ungünstige Körperhaltungen
• Steigender Anteil schwergewichtiger Patientinnen und Patienten
• Höheres Einsatzaufkommen
• Gefahr von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und Verringerung der Leistungsfähigkeit
• Mögliche Berufsaufgabe
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Daten und Fakten
• Ca. 64.000 Beschäftigte im Rettungsdienst [Stat. Bundesamt 2016]
• Der Anteil der Frauen im Rettungsdienst beträgt ca. 30%
[Stat. Bundesamt 2016]
• Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind durchschnittlich nur 9 - 10 Jahre in ihrem Beruf tätig [Nadler,2008]
• Der Anteil der über Sechzigjährigen im Rettungsdienst beträgt ca. 6% [Stat. Bundesamt 2016]
• 69% der Befragten gaben an, unter Rückenschmerzen zu leiden [Klewer, J.; Dix, 2009]
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Daten und Fakten
• 57% gaben schweres Heben und Tragen als Hauptbelastung an [Mühlen et al., 2005]
• Muskel-Skelett-Erkrankungen sind die häufigste Erkrankungsart mit einem Anteil von 30 % im Rettungsdienst [BARMER, 2011]
• Bevölkerung: 21%
• 60% - 66% der Rettungsdienstbeschäftigten waren übergewichtig [Schuhmann 2012, Heringshausen 2010]
• Bevölkerung: 52% [Stat. Bundesamt 2013]
• „Die Bereitschaft und Möglichkeiten, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, sind begrenzt“
• „Die Ausstattung mit rückenentlastenden Transporthilfsmitteln ist unzureichend“
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Motivation zur Durchführung einer Studie
• Ermittlung objektiver Daten zur Rückenbe- und -entlastung der Einsatzkräfte
• Überzeugung der Einsatzkräfte
• Studie als Argumentationshilfe
• Verbesserung der Arbeitsbedingungen
• Sensibilisierung und Aufmerksamkeit für das Thema
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Studie zur Untersuchung physischer Belastung beim Patiententransport im Treppenhaus
•
Pilot-Studie 2015 im Auftrag der UK NRW
• Ermittlung relevanter Hilfsmittel
• Entwicklung und Vorbereitung Messaufbau und Studienprotokoll
• Erste Messphase 08/2015
•
Hauptstudie in 08/2016 durch UK NRW beauftragt
• Zweite Messphase 02-03/2017
• Ziel: Ableitung von Präventionsempfehlungen für die Praxis
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Transporthilfsmittel
• Transport zwischen Einsatzfahrzeug und Einsatzstelle und in Einrichtungen
• Roll-in-Fahrtrage Einführung: Ca. 1990
• Roll-in-Fahrtrage mit elektrohydraulischer Höheneinstellung
und Einzugsvorrichtung Einführung: 2012
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Transporthilfsmittel
Transport treppab
• Der Raupenstuhl (Evakuierungsstuhl)
• Einführung: Mitte der 90er Jahre
• Weiterentwicklung ca. 2005/2006
• Einsatz: In geräumigen Treppenhäusern
• Treppengleittuch
• Einführung: 2010
• Einsatz: Bei engen oder gewendelten Treppen möglich
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Transporthilfsmittel
Transport treppauf
• Raupenstuhl mit Elektroantrieb (Einführung: 2012)
• Einsatz: In geräumigen Treppenhäusern
• Krankentragestuhl mit der Befestigungsmöglichkeit eines elektrischen Raupenantriebs (Einführung: 2016)
• Einsatz: In geräumigen Treppenhäusern
• Treppensteiger mit Elektroantrieb für Krankentragestühle (Einführung: 2010)
• Einsatz: geringerer Bewegungsradius ermöglicht Kurvenfahrt
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Transporthilfsmittel
Transport ins Fahrzeug
• Liftsysteme (Einführung: 2015)
• Roll-in-Fahrtrage mit elektrohydraulischer
Höheneinstellung und Einzugsvorrichtung (Einführung: 2012)
Patiententransfer
• Rollboard (Einführung: Ca. 1995) Einsatz: Patiententransfer von z. B. einer Trage auf
eine Liege
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Physische Belastungen beim
Patiententransport in Treppenhäusern
C. Schiefer
1, F. Göbel
2, K. Brandt
1,3, M. Derakshani
2,
I. Hermanns
1, U. Koch
2, T. Reichert
2, D. Schuster
1,4, D. Ditchen
11Institut für Arbeitsschutz der DGUV, 2Unfallkasse Nordrhein-Westfalen,
3Karlsruher Institut für Technologie, 4Deutsche Sporthochschule Köln
Forschungsfragen der Studie
• Wie ist die Belastungssituation beim Treppentransport?
• Kann die Situation verbessert werden?
• … technisch?
• … organisatorisch?
• … persönlich?
• Können Präventionsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden?
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Vergleich verschiedener Transporthilfen im Labor
• Patiententransport (Dummy,75 kg) durch Treppenhaus
• Gesamtgewicht <100 kg
• Probanden (n=30) -> 15 Probanden-Paare
• Alter: 29 ± 3,3 Jahre
• Größe: 181 ± 6,0 cm
• Berufserfahrung: 5 ± 3,3 Jahre
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Mess- und Zielparameter
• Aktions- und Handaktionskräfte
• Körperhaltung und -bewegung
• Lumbal-Momente
• Bandscheiben-Kompressionskräfte
• Subjektives Belastungsempfinden
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Versuchsdesign
• CUELA-Inertial-System
• Orientierung im 3D-Raum
• Körperhaltung und –bewegung
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Versuchsdesign
• CUELA-Inertial-System
• Orientierung im 3D-Raum
• Körperhaltung und –bewegung
• Kraftmessgriffe
• 3D-Kraftvektor (Richtung und Stärke)
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Versuchsdesign
• CUELA-Inertial-System
• Orientierung im 3D-Raum
• Körperhaltung und –bewegung
• Kraftmessgriffe
• 3D-Kraftvektor (Richtung und Stärke)
• Fragebogen
• Subjektives Belastungsempfinden
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Tragetuch (TT)
• Flexibles, robustes Tuch
• Geringes Eigengewicht
• Patient wird liegend getragen
• 3-5 Träger möglich
• Einsetzbar in enger, unebener Umgebung
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Treppengleittuch (TGT)
• Flexibles, robustes Tuch mit Gleitkufen
• Geringes Eigengewicht
• Einsetzbar auf Ebene, Stufen und in enger Umgebung
• Patient wird liegend gezogen
muss nicht getragen werden
• Hintermann “bremst” durch Rückengurt
• Vordermann zieht auf der Ebene
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Tragestuhl (TS)
• Stuhl mit starrem Rahmen
• größeres Eigengewicht
• fahrbar auf ebenem Untergrund
• Patient wird sitzend getragen
• Zwei Träger
• Als Transportstuhl im Fahrzeug geeignet
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Raupenstuhl (RS)
• Klappstuhl mit Raupenantrieb
• Einsetzbar auf Ebene und Stufen
• Motor unterstützt Transport auf- und abwärts
• Patient wird sitzend gefahren
muss nicht getragen werden
• Hintermann bedient den Antrieb
• Vordermann hält Balance
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Handaktionskraft
24
* = signifikant (p<0,05)
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Handaktionskraft II
• TT – Kraftverteilung
• 3. Träger am Fußende ~12% Gesamtgewicht
• Tragegriffe neben Rumpf: je ~28% Gesamtgewicht
• Tragegriffe neben Kopf: je ~16% Gesamtgewicht
• TGT
• Hintermann: Kurzzeitige Kraftspitzen im Rückengurt bis 60% Gesamtgewicht.
• Vordermann: Einhändiges Ziehen war vorgegeben
• TS – Kraftverteilung ~ 45% zu 55%
25
* = signifikant (p<0,05)
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Winkel-Zeit-Anteile
26
*Ampel-Schema in Anlehnung an DIN EN 1005-4 und ISO 11226
Rumpf-Seitneigung Arm-Hebewinkel
Rücken-Torsion Rumpf-Vorneigung
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Charakteristik der Haltung und Bewegung
• Tragetuch
• Ungünstige Haltung, Verdrehung des Oberkörpers mit leichter Seitneigung
• Treppengleittuch
• Verdrehung des Oberkörpers für Vordermann
• Tragestuhl
• Ideale Haltung, Oberkörper aufrecht, Arme am Körper anliegend, Hände neben der Hüfte
• Raupenstuhl
• Vermehrte Rumpf-Vorneigung und Anheben der Arme
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Bandscheiben Druckkraft
• Tragetuch
• Ungünstige Haltung und hoher Kraftaufwand führen zu den höchsten Werten im Vergleich
• Treppengleittuch
• Deutliche Verringerung gegenüber TT
• Einhändige Handhabung -> Erhöhung für Vordermann
• Tragestuhl
• Trotz höchstem Kraftaufwand unerwartet gering durch ideale Haltung unter Versuchsbedingungen
• Achtung! Deutlicher Anstieg, wenn Haltung nicht ideal!
• Raupenstuhl
• Deutliche Verringerung gegenüber TT, TGT und TS
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Subjektives Belastungsempfinden
• Alternative Transportmittel werden weniger anstrengend empfunden
• Aktionskraft spiegelt sich im Belastungsempfinden wider
29
* = signifikant (p<0,05)
*
*
* *
*
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Fazit
30 Transport-hilfsmittel Positive Aspekte Kritische Aspekte Organisations- und Handlungs-
empfehlungen Tragetuch • geringes Eigengewicht
• für Transport in beengten Treppen-häusern geeignet
• Lastverteilung auf mehrere Träger möglich
• Tragen des Patienten erforderlich
• hoher Kraftaufwand notwendig
• ungünstige Körperhaltung
• hohe physische Belastung
• Verwendung mit mindestens drei, besser mehr Trägern
Treppengleittuch • geringes Eigengewicht
• für Transport in beengten Treppen-häusern geeignet
• kein Tragen erforderlich
• reduziert Kraftaufwand deutlich
• reduziert Belastung für den Rücken deutlich
• Ziehen in der Ebene für einzelnen Vordermann anspruchsvoll
• einhändiges Losreißen bewirkt hohe
Belastungsspitzen durch asymmetrische Kraft- wirkung auf den Körper
• Verwendung mit mehr als zwei Teampartnern (Unterstützung Vordermann)
• einhändiges Losreißen vermeiden
• ruckartiges Ziehen vermeiden
• bei hohem Patientengewicht zusätzliche Unterstützung für den Hintermann
notwendig („Bremsen“)
• Gleiteigenschaften des Bodenbelages und Steigungsverhältnis der Treppe beachten Sicherheits-Forum Feuerwehr, C. Schiefer, 19. September 2018
Fazit II
31 Transport-hilfsmittel Positive Aspekte Kritische Aspekte Organisations- und Handlungs-
empfehlungen Tragestuhl • Tragen in ergonomischer
Körperhaltung möglich
• Fahren in der Ebene möglich
• Verwendung als Transportstuhl durch Arretierung im Fahrzeug möglich
• Tragen des Patienten erforderlich
• hohes Eigengewicht
• hoher Kraftaufwand notwendig
• deutliche Erhöhung der Belastung bei ungünstiger Körperhaltung
• stärkeren Teampartner an hinterer Position einsetzen
• Blickrichtung des Patienten treppab
• ruckartiges Anheben vermeiden
• Kombination mit einem Raupenantrieb möglich
Raupenstuhl • kein Tragen erforderlich
• reduziert Kraftaufwand deutlich
• reduziert Belastung für den Rücken deutlich
• kann mit Motor-unterstützung treppauf fahren
• Fahren in der Ebene möglich
• hohes Eigengewicht
• benötigt Stauraum
• nicht für gewendelte Treppen geeignet
• Verwendung durch zweier Teams
• Vordermann muss auf rechtzeitiges Kippen des Stuhls vor der ersten Stufe achten (Absturzgefahr)
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Limitationen
• Treppentransport nur Teilstück der Transportkette
• Männliches Probanden-Kollektiv
• Laborbedingungen insgesamt optimal
• vorteilhaft für TS, nachteilig für TGT, neutral für TT und RS
• Gewichtsreduktion des Dummys bei den Stühlen wegen der Messtechnik
• Trainingseffekt für TGT und RS erwartet
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Alternative Transporthilfen können helfen, wenn …
• … sie beschafft und verfügbar gemacht werden können.
• … sie in der Situation anwendbar sind.
• … sie in der Situation auch angewendet werden.
• … sie in der richtigen Art und Weise angewendet werden.
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Zusammenfassung
• Potential zur Verringerung der physischen Belastung beim (Treppen)transport
• Technisch…!
• Organisatorisch…!
• Persönlich…!
• Präventionsempfehlungen für die Praxis können abgeleitet werden!
• IFA-Report berichtet im Detail über die Studie (Veröffentlichung folgt)
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Vielen Dank!
• … für Ihre Aufmerksamkeit!
• … den Probanden und ihren Arbeitgebern für die Studienteilnahme!
• … den Firmen Ferno und Schnitzler für die Unterstützung der Studie und die Bereitstellung der Hilfsmittel!
Kontakt:
Christoph.schiefer@dguv.de
Tel.: +49 30 13001-3040 https://www.dguv.de/ifa
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