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Nachruf für Dr. med. Helmut Born

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Personalia

Ärzteblatt Sachsen 12 / 2014 519

Nachruf für Dr. med.

Helmut Born

Der Zentaur, am Rande der Dresdner Heide, hat mich immer geheimnisvoll angesprochen. Ich denke, jetzt beginne ich zu begreifen; nach 95 Jahren in dieser Welt, die ich nicht überwunden habe, aber vor der ich in Bewunderung und Ehrfurcht schaudernd stehe. Diese Symbolfigur besagt: Erkenne dich selbst – so wirst du Teil dieser Welt und ihrer Geschöpfe! Du bist nichts Besseres als die anderen, und doch schon ein Stückchen auf dem Weg zu einem anderen Neuen; aber eben ein Stück, eng verbunden mit dem Tierischen.

Du beginnst einen Menschenkopf zu erheben, aber nicht in Hochmut, sondern in Hoffnung.

Am 16. Dezember 2013 starb Hel- mut Born. Der 31. Dezember 2014 wäre sein 100. Geburtstag gewor- den – Anlass zu einer Würdigung.

Nachdem der Krieg die ersten Jahre seines Arztseins gefordert hatte, wählte er die Innere Medizin und sah sich sogleich vom hohen Anteil psy- chogener Symptome seiner Patien- ten angesprochen. Entschieden for- mulierte er in einer ersten Veröffent- lichung (Arzt und Weltbild 1949):

„Diese Situation ist nicht einfach damit abzutun, dass man eben den

‚seelischen’ Faktor ‚berücksichtigen’

müsse, wie man, seit es Mode und salonfähig geworden ist, bis zum Überdruss hören oder lesen kann.

Zum Überdruss, weil man sofort die stehende Formel, die leere Redensart herausfühlt – der ‚Faktor’ wird eben nur konstatiert, viel seltener auch

‚berücksichtigt’, noch seltener wird er aber wirklich gründlich erfasst und praktisch für die Behandlung in Anspruch genommen.“

Wie er, geschult von praktischen Erfahrungen, den Anregungen über Austausch, Literatur und Tagungsteil- nahme, diesen Ansatz verwirklichte, schildert er zehn Jahre später (Psy- chopathologische Aspekte in der Inneren Medizin 1959). Je nach pathogenetischer Aktualität ordnete sich sein Vorgehen in drei Stufen:

Die „Be handlung durch intensive Aufklärung“ suchte der „übertriebe- nen Krankheitsfurcht“ beizukom- men. Die „Behandlung durch Ent- spannungsübungen“ sei dem Grund- satz gefolgt: „Entspannung entzieht der aus dem Ich-Krampf lebenden Neurose den Boden. Als Übung mil- dert sie, zur Haltung vertieft wandelt sie (gegebenenfalls auch ohne analy- tische Klärung)“. Und in der „Be - handlung durch Aussprache“ habe er das Benennen seinerzeit überfor- dernder seelischer Belastungen be - gleitet und so im Wiedererleben korrigierendes Durcharbeiten ange- strebt.

Für diese Einheit von Aufklärung, Ermunterung und Ertüchtigung zu seelisch-körperlicher Mitarbeit und schließlich gezielt-ärztlichem Eingrei- fen konnte er 1963 das in Dresden –

„Weißer Hirsch“ den Beschäftigten im Uranbergbau errichtete Nachtsa- natorium nach Ende des Erzschür- fens zu einer städtischen Klinik für Innere Medizin wandeln. Vielfältige Möglichkeiten für Psychotherapie, Bewegungs-, Ausdrucks- und Musik- therapie sowie Physiotherapie halfen nun, seine ganzheitlichen Vorstellun- gen ärztlichen Tuns der Bedarfslage der Inneren Medizin angemessen zu verwirklichen. Die Klinik gedieh.

1969 erlangte die psychotherapeuti- sche Abteilung fachliche, später räumliche Eigenständigkeit; die Lücke füllte ab 1974 eine psychosomati- sche Station der Inneren Klinik. So blieb der Internist Helmut Born bis zum Wechsel in den Ruhestand 1980 stets auch Psychotherapeut.

Seine Fähigkeit, im persönlichen Gespräch immer auch die rationalen Beweggründe beim Gegenüber zu

achten, erreichte manchmal Erstaun- liches: Verständnis, Entgegenkom- men, zumindest die Toleranz gegen- über dem Andersdenkenden. Nur so konnte es gelingen, bei den Trägern der Stadt und den gesundheitspoli- tisch Verantwortlichen im Bezirk Dresden die nötige Unterstützung zu erhalten, beide Fachgebiete über dieses Zusammenwirken weiter zu entwickeln und damit gleichzeitig die Psychotherapie in der DDR zu befördern. Diese Haltung, sein Wesen, das auch seine Klinikleitung ohne jeden autoritären Anspruch auszeichnete, beherrschen die Erin- nerungen. Leben mit der Natur, gern in ausgedehnten Wanderungen mit den Mitarbeitern gesucht, schufen ebenso wie Klinikfeste und Nähe zu Künsten und Künstlern bleibende Eindrücke. Er hinterließ ein bemer- kenswertes Behandlungsmodell, des- sen salutogenetisch-emanzipatori- sche Kraft sich von gängigen Kosten- Nutzen-Erwägungen leider nur unzu- reichend fassen lässt.

Ein Internist stößt häufig auf psycho- gene Symptome. Doch es bedurfte besonderer Aufgeschlossenheit, dies als Aufgabe zu sehen und sie meis- tern zu wollen. Darauf angesprochen ließ er erkennen, dass nach dem frü- hen Tod des Vaters es auch „Väter“

waren, die ihn hier prägten: Sein fördernder Stiefvater, ein verehrter Gymnasiallehrer und seit der Studi- enzeit ein Bergführer in den Alpen, der ihm mit christlicher Glaubens- stärke, tiefer Naturverbundenheit und aufrechter Menschlichkeit die Welt erschloss und zum Freund wurde. Er vor allem habe es ver- mocht, ihm die Augen für die

„unsichtbaren Bereiche“ zu öffnen.

Ein Wunsch sei gewachsen, das dadurch mitgeformte Verständnis von Krankheit und Gesundheit, einem Bergführer gleich, anleitend, beispielgebend und ermutigend sowohl seinen Patienten als auch sei- nen Mitarbeitern zu vermitteln.

In den vorangestellten Zeilen aus sei- nem Rückblick zum Lebensende erkennt er sich mit leisem Stolz auf dem rechten Weg.

Dr. med. Gottfried Lobeck, Dresden

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