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Archiv "Fortschritt heißt Wandel" (03.05.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 18

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3. Mai 2013 311

M E D I Z I N

EDITORIAL

Fortschritt heißt Wandel

Gedanken zu zwei Artikeln über Pleuraerkrankungen Tobias Welte

Editorial zu den Beiträgen:

„Behandlungs - konzepte der Pleurakarzinose

mit malignem Pleuraerguss“

von Ried und Hofman und

„Malignes Pleuramesotheliom

– Inzidenz, Ätiologie, Diagnostik, Therapie und Arbeitsmedizin“

von Neumann et al.

auf den folgenden Seiten.

dern eher stetig zu, weil die individuelle Entschei- dung eben nur im Gespräch zwischen dem über die therapeutischen Möglichkeiten informierten Arzt und dem seine Bedürfnisse äußernden Patienten ge- troffen werden kann. Ein zusätzliches Problem be- steht darin, dass heute jeder Patient über das Internet eine Vielzahl an Informationen über seine Krankheit bekommen kann, wobei der Wahrheitsgehalt der im Internet zu medizinischen Fragen veröffentlichten Themen häufig zweifelhaft ist und die Mehrzahl der Patienten den Wert dieser Mitteilungen im Hinblick auf die eigene Erkrankung nur schwer einschätzen kann.

Übertriebene Heilungserwartungen durch das Internet

Als Beispiel seien die Berichte und Diskussionsforen zur Lasertherapie bei Lungenmetastasen genannt, ei- ner Methode, die nur in ausgewählten Fällen an- wendbar ist, bei Pleurakarzinose jedoch keinen Stel- lenwert hat. Durch das Internet werden heute über- triebene Heilungserwartungen erzeugt, während frü- her die Unheilbarkeit einer Erkrankung im Gespräch zwischen Arzt und Patient früher und ausführlicher diskutiert wurde. Medizin ist im Ursprung zumindest in allen neueren Kulturen eine Praxis des Sorgens und Heilens gewesen, „care“ und „cure“, gleicher- maßen und ungeteilt (3). Es ist an der Zeit, den Wert des Sorgens und Begleitens wieder zu erkennen und diesen dem Diktat des Heilens, des technischen Fort- schritts zumindest gleichwertig gegenüberzustellen.

Lange Halbwertszeit wird vergessen

Es ist erfreulich, dass das Deutsche Ärzteblatt dem Pleuramesotheliom als wichtigste – wenn auch nicht einzige – asbestassoziierte Erkrankung einen Platz einräumt. Weil Asbest in Deutschland zumindest seit 25 Jahren (in den neuen Bundesländern, in den Übri- gen noch länger) verboten ist, scheinen uns die durch diesen Werkstoff ausgelösten Erkrankungen nicht mehr von wesentlicher Bedeutung. Dabei wird gerne die lange Halbwertszeit zwischen Schadstoffexposi- tion und Tumorentstehung vergessen, die allein noch einen Anstieg der Erkrankungszahlen in den nächs- ten Jahren möglich macht. Noch wesentlicher ist je- doch der Aspekt, dass dieselben Arbeitsschutzbedin- gungen, die in Deutschland gelten, bei Weitem nicht überall in der Welt angewendet werden. In vielen

D

iese Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts be- fasst sich zweimal mit malignen Erkrankun- gen der Pleura (1, 2). Michael Ried und Hans-Stefan Hofmann beschreiben in ihrem Beitrag den malignen Pleuraerguss als Folge einer Pleurakarzinose, einer Erkrankung, die zu den häufigsten Befunden bei ma- lignen Erkrankungen überhaupt gehört und die mit einem mittleren Überleben der Patienten von weni- ger als zwölf Monaten eine schlechte Prognose hat.

Jeder unklare, neu aufgetretene Pleuraerguss sollte punktiert und zytologisch untersucht werden. Eine Talkumpleurodese oder ein dauerhafter, getunnelter Pleurakatheter stehen als palliative Therapieoptionen zur Verfügung.

Der Artikel von Volker Neumann und Koautoren widmet sich dem malignen diffusen Pleuramesothe- liom, einer anzeigepflichtigen Berufskrankheit, die durch vergleichsweise geringfügige und kurze Asbe- stexpositionen induziert werden kann. Die Probenge- winnung durch CT-gesteuerte Biopsien oder offene chirurgische Eingriffe stellen die wesentlichen dia - gnostischen Methoden zur Sicherung des Mesothe- lioms dar. Es stehen multimodale Therapiekonzepte zur Verfügung, die in spezialisierten Zentren durch- geführt werden sollten.

Therapieziel:

Verbesserung der Lebensqualität

Für beide Erkrankungen gilt, dass es für die Mehr- zahl der Patienten keine Heilung gibt, es geht primär darum, Beschwerden zu lindern und eine möglichst gute Lebensqualität zu ermöglichen. Welche Thera- pie im Hinblick auf dieses Ziel am besten ist, kann im Einzelfall durchaus unterschiedlich sein, aus ei- ner Vielzahl von Möglichkeiten muss im Gespräch zwischen Arzt und Patient die Option gefunden wer- den, die eben diesem Patienten am meisten ent- spricht. Ein solches individuelles Therapiekonzept hat gerade bei nicht heilbaren Erkrankungen und ins- besondere unter palliativen Gesichtspunkten einen großen Stellenwert. Wissenschaftlicher Fortschritt, das zeigen beide Artikel aufs Deutlichste, führt zu neuen Behandlungsoptionen und erhöht damit die Zahl der therapeutischen Möglichkeiten. Mit der steigenden Zahl an Therapieoptionen erhöht sich je- doch auch der Gesprächsbedarf zwischen Arzt und Patient. Der Bedarf an spezifisch ärztlicher Tätigkeit nimmt durch technische Fortschritte nicht ab, son-

Klinik für Pneumologie, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH):

Prof. Dr. med. Welte

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M E D I Z I N

Ländern, durchaus auch in eine Reihe von Industrie- ländern wie beispielsweise Kanada, Russland und China, wird weiter in großem Stil mit Asbest gear- beitet. Menschen aus diesen Ländern sind nach der Ostöffnung der Grenzen nach Deutschland gekom- men oder werden es im Zuge der Globalisierung tun.

Das Pleuramesotheliom muss deshalb als eine we- sentliche Differenzialdiagnose des Pleuraergusses oder des chronischen Pleuraschmerzes bekannt blei- ben, um frühe Diagnosestellung und bessere Thera- piemöglichkeiten zu ermöglichen. Im Rahmen des Möglichen sollte die Diskussion über Asbest und sei- ne Gesundheitsfolgen durchaus auch in politische Verhandlungen einfließen, wenn Arbeitsbedingun- gen in anderen Ländern im Rahmen unserer wirt- schaftlichen Kooperationen Thema sind.

Lungen- und Bronchialerkrankungen auf dem Vormarsch

Es ist kein Zufall, dass in dieser Ausgabe des Ärzte- blatts gleich zwei pneumologische Erkrankungen vorgestellt werden. Lungen- und Bronchialerkran- kungen haben weltweit in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, nach Einschätzung der Welt- gesundheitsorganisation finden sich mit den obstruk- tiven Atemwegserkrankungen (Asthma/COPD), der Pneumonie, der Tuberkulose und dem Bronchialkar- zinom gleich vier pneumologische unter den zehn am häufigsten zum Tode führenden Erkrankungen (4). Da mit Ausnahme der Tuberkulose für alle diese Erkrankungen eine Zunahme mit steigendem Alter zu erwarten ist, wird sich der Zahl der Patienten mit diesen Erkrankungen in den nächsten Jahren weiter erhöhen. Lungenerkrankungen erweisen sich zudem als wesentliche Risikofaktoren für die Entstehung und den Verlauf anderer chronischer Erkrankungen wie beispielsweise des Herzinfarkts oder des Diabe- tes mellitus (5). Dem ist auf forschungspolitischer Seite mit der Schaffung des Deutschen Zentrums für Lungenheilkunde Rechnung getragen worden (6).

Die Fortschritte der Medizin haben unter anderem zu einer Verbesserung der Lebenserwartung geführt.

Tumorleiden mit all ihren Komplikation werden wei- ter an Bedeutung gewinnen. Dieser Herausforderung

können wir uns nur stellen, indem wir den Auf- und Ausbau interdisziplinärer Betreuungskonzepte för- dern. Beide hier beschriebenen Pleuraerkrankungen zeigen beispielhaft, wie therapeutischer Fortschritt auch bei nicht heilbaren Erkrankungen zu einer Ver- besserung der Lebensqualität von Patienten benutzt werden kann.

Interessenkonflikt

Prof. Welte erhielt Honorare für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien für Phase-III-Studien von Eli Lilly Pharma.

LITERATUR

1. Ried M, Hofmann HS: The treatment of pleural carcinosis with malignant pleural effusion. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(18): 313–8.

2. Neumann V, Löseke S, Nowak D, Herth FJF, Tannapfel A: Malignant pleural mesothelioma—incidence, etiology, diagnosis, treatment and occupational health. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(18): 319–26.

3. Pellegrino ED, Thomasma DC: Helping and Healing. Religious com- mitment in Health Care. Washington: Georgetown University Press, 1997, Caring and Curing pp 26–38.

4. Lopez AD, Murray CC: The global burden of disease, 1990–2020.

Nat Med. 1998; 4: 1241–3.

5. Barnes PJ, Celli BR: Systemic manifestations and comorbidities of COPD. Eur Respir J. 2009; 33: 1165–85.

6. Seeger W, Welte T, Eickelberg O et al.: The German centre for lung research—translational research for the prevention, diagnosis and treatment of respiratory diseases. Pneumologie. 2012; 66: 464–9.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Tobias Welte

Medizinische Hochschule Hannover (MHH) Klinik für Pneumologie

Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover

welte.tobias@mh-hannover.de

Englische Überschrift: Progress means change—reflections on two articles about pleural disease

Zitierweise

Welte T: Progress means change—reflections on two articles about pleural disease. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(18): 311–2.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0311

@

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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