Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Beschreibung des Systems
Das magnetische Verschlußsystem besteht aus einem magnetischen Ring und einem dazugehörigen magnetischen Deckel. Der magne- tische Ring ist in Palacos eingebet- tet, einem gewebeverträglichen Knochenzement. Der Ring wird um das Stoma in die Bauchwand im- plantiert.
Das magnetische Material ist Sa- marium-Kobalt. Wir nehmen dieses magnetische Material, da es sich unter den bisher bekannten Dauer- magneten durch größte magneti- sche Kraft und durch eine sehr hohe Koerzitivfeldstärke auszeich- net. Die gegenseitige Anziehungs- kraft der beiden Magnetsysteme wurde durch das Einbringen eines Magneten in den Mittelstöpsel des Deckels optimiert (Abbildung 1).
Durch diese Maßnahme ergibt sich im Abstandsbereich zwischen 10 und 30 Millimeter ein nahezu ho-
rizontaler Verlauf der Kraftkurve (Abbildung 2). Die gegenseitige An- ziehungskraft beträgt in diesem Ab- standsbereich 4 bis 5 Newton (400-500 Pond).
Bisherige Erfahrungen
Nach Erprobung im Hundeexperi- ment haben wir diese Methode in die Klinik eingeführt. Wir haben dieses Magnetsystem seit Oktober 1974 bei 100 Patienten implantiert.
Es handelte sich dabei überwie- gend um Patienten mit einem tief- sitzenden Rektumkarzinom, bei de- nen eine kontinenzerhaltende Re- sektion nicht möglich und eine ab- dominoperineale Rektumexstirpa- tion mit Anlage eines endständigen Anus praeter nötig war.
Bei 20 Patienten haben wir den Magnetring sekundär implantiert.
Bei diesen Kranken lag die Anlage des endständigen Anus praeter 1 bis 15 Jahre zurück.
Kongreß-Nachrichten
Ammoniakspiegel:
Senkung durch Laktulose
Der Effekt läuft über eine Produk- tionshemmung: Laktulose reduziert die Ammoniakbildung und senkt damit den Ammoniakspiegel, der bei Leberzirrhosen bekanntlich er- höht ist (Professor Dr. med. D. Mü- ting, Heinz-Kalk-Klinik für innere Medizin — Gastroenterologie, Bad Kissingen). Man muß Laktulose stets auf vollen Magen geben, sonst können die Nebenwirkungen (enorme Blähungen) unerträglich werden. Wenn Laktulose toleriert wird (die flüssige Form wird offen- bar besser vertragen; Privatdozent Dr. H. Lindner, DRK-Krankenhaus, Hamburg) hat man ein wirksames, leberfreundliches Präparat an der Hand, das auch bei chronisch-ag- gressiver Hepatitis indiziert ist. Der Ammoniakspiegel im Serum liegt bekanntlich auch bei diesen Kran- ken schon sehr häufig über der Norm, bevor das Leberzerfallkoma ausgeprägt ist.
(4. Internationales Kissinger Kolloquium, April 1976, Bad Kissingen)
Argon-Laser im Endoskop
Argon-Laser können im Fiberglas- faserendoskop weitergeleitet und ziemlich stark abgewinkelt werden.
Die Energie wird durch die Glas- beziehungsweise Kunststoffaser transportiert und auch um Ecken geleitet (Dr. P. Frühmorgen, Medi- zinische Universitätsklinik, Erlan- gen). Dabei erreichen immerhin noch 82 bis 86 Prozent der Energie das Ende. Zwecks Lichtkoagulation wird der Laserstrahl am Ende mit einem Winkel von 12 bis 15° etwas gestreut, damit die Koagulations- fläche größer wird. Der in der Chir- urgie übliche CO2-Laser kann da- gegen nicht durch Fiberglasopti- ken weitergeleitet werden. — Indi- kation: Alle endoskopisch erreich- baren Blutungen im Magen-Darm- Kanal. WP (IX. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie, März 1976, München)
ÜBERSICHTSAUFSATZ
Kontinente Kolostomie
durch Erlanger Magnetverschluß
Herbert Feustel, Gerhard Hennig und Dieter Filier
Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor Prof. Dr. Gerd Hegemann)
Mit dem Erlanger Magnetverschluß wurde ein kontinenter Kunstaf- terverschluß erzielt. Dabei behält der Darm seine Speicherfunktion, und Gase und Stuhl treten nur dann aus, wenn der Stomaträger es will. Als magnetisches Verschlußsystem wird ein in Palacos einge- gossener Magnetring verwendet, der in die Bauchwand eingenäht wird. Ein zugehöriger magnetischer Deckel dient zum Verschluß.
Die gegenseitige Anziehungskraft der beiden Magnetsysteme wird durch das Einbringen eines Magneten in den Mittelstöpsel des Dek- kels optimiert. Der Mittelstöpsel muß, um eine optimale Anzie- hungskraft zu erzielen, so lang sein, daß er den inneren Rand des implantierten Magnetringes erreicht.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 27 vom 1. Juli 19761813
Abbildung 1: Rechts der in Palacos eingegossene magnetische Ring, der in die Bauchwand implantiert wird. — Links der magnetische Deckel mit Mittel-.
stäpsel, der zum späteren magnetischen Verschluß dient
Kraft N 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Abstand
Abbildung 2: Anziehungskraft der beiden Magnetsysteme zueinander Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin
Erlanger Magnetverschluß
Bei acht Patienten mußten bisher die Magnetringe wieder entfernt werden. Es handelte sich dabei dreimal um Abszeßbildungen im Bereich des implantierten Magnet- ringes und einmal um eine ausge- dehnte Hämatombildung. Bei den vier anderen Patienten war auf Grund einer Nahtdehiszenz bereits nach vier Tagen der Magnet an der dehiszenten Stelle zwischen Haut und Schleimhaut zu sehen, so daß wir auch diese Ringe wieder ent- fernen mußten.
Bei allen anderen Patienten war nach sechs Wochen das Stoma reizlos verheilt (Abbildung 3). Wir haben dann den magnetischen Deckel, der mit einem mit Karaya- puder versehenen Gummiring un- terlegt wurde, auf das Stoma auf- gesetzt (Abbildung 4). Die magneti- sche Kraft war in allen Fällen aus- reichend und hielt den Deckel si- cher fest. Bei Hautunebenheiten oder Narbenbildungen im Bereich des Stomas haben wir, da der ge- normte Deckel plan ist, einen Dek- kel nach Gipsabdruck anfertigen lassen und den speziell angefertig- ten Deckel aufgesetzt. Dadurch wurde eine für Gase und Stuhl kontinente Kolostomie erreicht.
Der Anus-praeter-Träger kann je- weils nach Abnahme des Deckels willkürlich die Entleerung von Ga- sen und Stuhl erzielen. Der magne- tisch angezogene Deckel bereitet den Patienten keinerlei Schmerzen oder unangenehmes Druckgefühl.
Es traten bisher keine Hautreizun- gen auf. Drucknekrosen am Stoma haben wir bisher ebenfalls nicht beobachtet.
Chirurgische Technik
Die topografische Lage des im- plantierten Ringes ist auf Abbil- dung 5 zu sehen.
Vor der Implantation legen wir den gassterilisierten Magnetring in eine antibiotische Lösung (Kanamycin).
Der Ring wird dann mit dem Süd-
1814 Heft 27 vom 1.Juli 1976 DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT
Abbildung 3 (links und oben): Endständige Kolostomie sechs Wochen nach Rektumamputation
Abbildung 4 (links und unten): Kontinenter Kolostomieverschluß durch das Aufsetzen des magnetischen Deckels
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Erlanger Magnetverschluß
pol (Breitseite) nach außen zwi- schen Muskelfaszie und Fascia su- perficialis mit einem synthetischen, resorbierbaren Nahtmaterial einge- näht. Dabei ist es wichtig, daß der
Magnetring ringsum lückenlos vom Gewebe umgeben ist.
Durch diesen Ringmagneten wird der orale, kondomgeschützte Kolon-
stumpf herausgeleitet. Nach Ver- schluß der Laparotomiewunde wird dann das Kolon gekürzt und als endständige Kolostomie in der üb- lichen Technik eingenäht.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 27 vom 1. Juli 1976 1815
iga
KARAYA - RINGr
---- HAUT FASCIA SUPERFICIALIS MUSKELFASC IE
—MUSKEL PER ITONEUM
mill101111111ffime.
Abbildung 5: Querschnitt durch eine Kolostomie mit dem Erlanger Magnet- verschluß. Der mit dem Südpol zur Haut zeigende Magnetring ist zwischen der Fascia superficialis und der Muskelfaszie implantiert. Ein mit dem Nordpol zum Ring zeigender magnetischer Deckel verschließt den Anus praeter gas- und stuhldicht und kann vom Anus-praeter-Träger willkürlich abgenommen werden
1816 Heft 27 vom 1.Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Zur Fortbildung
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Bei der Sekundärimplantation wird das Stoma an der Haut-Schleim- haut-Grenze zunächst umschnitten und verschlossen. Anschließend wird das Gewebe bis zur Muskel- faszie freipräpariert. Die Muskel- faszie wird dann ringsum vom Sto- ma gelöst. Der Magnetring wird an- schließend mit dem Südpol nach außen über den kondomgeschütz- ten Kolonstumpf geführt und auf die Muskelfaszie gelegt. Es wird dann in der gleichen Technik wie bei der primären Implantation die Muskelfaszie mit der Fascia su- perficialis mit einem resorbierba- ren Nahtmaterial lückenlos einge- näht.
Anschließend wird das Stoma wie- der eröffnet oder gekürzt und in der üblichen Technik eingenäht.
Als antibiotischen Schutz geben wir für die ersten sechs postopera- tiven Tage prophylaktisch ein Anti- biotikum.
Bisherige Erfahrungen der Magnetverschlußträger
Mit dem von uns entwickelten Ma- gnetverschluß für die Kolostomie leben die ersten Patienten bereits seit Oktober 1974.
Zwei Drittel der Magnetverschluß- träger tragen Tag und Nacht den Deckel. Zur Entleerung des Dar- mes legen sie entweder für etwa 15 Minuten einen herkömmlichen Ko- lostomiebeutel an, oder sie beugen sich über die Toilette und entlee- ren den Darm so direkt ohne Auf- fangsystem.
Das restliche Drittel der Magnet- verschlußträger trägt tagsüber den magnetischen Deckel und legt nachts zur Entleerung des Darmes einen Kolostomiebeutel an. Hierbei handelt es sich vor allem um ältere Kranke, denen wir der Bequemlich- keit halber diese Methode empfoh- len haben.
Alle Magnetverschlußträger kom- men mit dem neuen System sehr gut zurecht und sind mit der Me- thode zufrieden.
Langjährige Stomaträger, bei de- nen der Magnetverschluß sekundär implantiert wurde, sind in der Beur- teilung des neuen Systems kritisch.
Sie sind aber alle mit dem Magnet- verschluß zufriedener als mit der herkömmlichen konventionellen Kolostomie und bezeichnen zum Teil ihren neuen Zustand als ein zweites wieder lebenswertes Le- ben.
Die guten Erfahrungen mit dem magnetischen Verschluß bei Kolo- stomien ermutigen uns dazu, die- ses Verschlußsystem in Zukunft auch bei der Ileostomie anzuwen- den, deren Versorgung seit jeher außerordentlich problemreich ist.
Hierbei verwenden wir ein System mit einem kleineren Ring und klei- nerem Deckel.
Zusammenfassung
Es wurde ein für Stuhl und Gas kontinenter Kolostomieverschluß entwickelt. Bei dieser Methode wird ein magnetischer Ring subku- tan zwischen Muskelfaszie und Fas- cia superficialis implantiert. Der Kolostomieverschluß erfolgt nach Einheilen des Stomas durch einen magnetischen Deckel.
Anschriften der Verfasser:
Privatdozent
Dr. med. Dr. med. habil. H. Feustel, Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Gießen
Klinikstraße 6300 Gießen
Professor Dr.-Ing. G. Hennig Ammerseestraße 28 1 /3 8035 Gauting
Dr. med. D. Filier
Chirurgische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg, Maximiliansplatz
8520 Erlangen