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Archiv "Operationszeitpunkt bei Hodenhochstand" (26.09.2014)

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(1)

ORIGINALARBEIT

Operationszeitpunkt bei Hodenhochstand

Retrospektive multizentrische Auswertung

Georg Hrivatakis, Wolfgang Astfalk, Andreas Schmidt, Andreas Hartwig,

Thomas Kugler, Thomas Heim, Axel Clausner, Albrecht Frunder, Harduin Weber, Steffan Loff, Joerg Fuchs, Verena Ellerkamp

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Bei Hodenhochstand wird aufgrund möglicher Fertilitätsstörungen und eines erhöhten Hodenkarzinomrisikos in Deutschland eine Operation zwi- schen dem 6. bis 12. Lebensmonat empfohlen. Obwohl die entsprechenden Leitlinien diesen Operationszeitpunkt bereits seit 2007 empfehlen, scheint im- mer noch häufig in höherem Lebensalter operiert zu werden.

Methode: Aus sieben kinderchirurgischen Therapieeinheiten in Baden-Würt- temberg wurden retrospektiv die Daten aller Jungen analysiert, die von 2009 bis 2012 eine Orchidopexie erhielten. Bezüglich des Operationszeitpunktes er- folgte eine Zuordnung zu den Altersgruppen I (OP vor Abschluss 1. Lebensjahr), II (OP zwischen 1. und 2. Lebensjahr) und III (OP nach Vollenden des 2. Lebens- jahres). Darüber hinaus wurde die Durchführung einer präoperativen Hormon- therapie untersucht. Es wurde zwischen Patienten mit sekundärem und primä- rem Hodenhochstand unterschieden.

Ergebnisse: Von 2 213 orchidopexierten Jungen hatten 1 850 einen primären und 363 einen sekundären Hodenhochstand. Von den Patienten mit primärem Hodenhochstand fielen 18,7 % (95-%-Konfidenzintervall [95-%-KI]: 17–20,6 %) der Gruppe I, 24,4 % (95-%-KI: 22,5–26,5 %) der Gruppe II und 57 % (95-%-KI:

54,6–59,2 %) der Gruppe III zu. Ein geringer Teil aller drei Altersgruppen erhielt zusätzlich eine präoperative Hormontherapie. Es bestand im zeitlichen Verlauf ein Trend zu früherer Orchidopexie. Im Jahr 2012 wurden 28 Jungen (14,2 %, 95-%-KI: 9,7–20,0 %) in Praxen und 68 Jungen in Kliniken (40,7 %, 95-%-KI:

33,2–48,6 %) innerhalb der ersten zwölf Lebensmonate operiert.

Schlussfolgerung: Im untersuchten Kollektiv wurde in den meisten Fällen spä- ter als empfohlen operiert. Im internationalen Vergleich ist die leitliniengerech- te Behandlung bei Hodenhochstand vergleichsweise gut. Vergleichbare interna- tionale Studien zeigen ähnlich schlechte bis schlechtere Ergebnisse.

►Zitierweise

Hrivatakis G, Astfalk W, Schmidt A, Hartwig A, Kugler T, Heim T, Clausner A, Frunder A, Weber H, Loff S, Fuchs J, Ellerkamp V: The timing of surgery for undescended testis—a retrospective multicenter analysis.

Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 649–57. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0649

B

ei Geburt besteht bei 1,8 bis 8,4 % aller Jungen ein primärer Hodenhochstand (1, e1–e9), bei Frühge- borenen bei bis zu 30 % (2, e10). Bis zum dritten Lebens- monat sinkt diese Rate auf 0,8 bis 1,3 % (e11). Danach ist ein spontaner Descensus testis unwahrscheinlich (e10, e12). Eine fragliche Inzidenzsteigerung seit den 1950er Jahren wird kontrovers beurteilt (1, e3, e5).

Vom primären ist der sekundäre Hodenhochstand abzugrenzen. Bei letzterem sind die Hoden primär ana- tomisch korrekt intraskotal positioniert und ascendie- ren aufgrund eines inadäquaten Längenwachstums, re- tinierender fibröser Anteile des Funiculus spermaticus oder anderer Faktoren (e13).

Eine viel diskutierte Spätfolge bei primärem Hoden- hochstand sind mögliche Alteration der Fertilität im Er- wachsenenalter: Physiologische skrotale Temperaturen um 33 °C bedingen durch hormonelle Veränderungen eine Reifung der Gonozyten zu adulten Spermatogo- nien (Ad Spermatogonien) – den Pool für die spätere Spermatogenese (3, e14, e15). Besteht eine Fehllage des Hodens, kommt es zu einer Persistenz von Gonozy- ten und Ausreifungsstörungen der Spermatogonien (4).

Ähnliche, qualitativ schwächer ausgeprägte histologi- sche Veränderungen wurden auch am kontralateralen, orthotopen Hoden nachgewiesen (e16). Als Resultat dieser morphologischen Entwicklungsstörung werden in etlichen Studien verschiedene Parameter einer mög- lichen Fertilitätsalteration beschrieben:

reduziertes Hodenvolumen oder -wachstum (e17–e19),

veränderte histomorphologische Aspekte (5, e14, e20–e22),

veränderte Samenqualität (e23–e27).

In einer Metaanalyse wurde übereinstimmend ein positiver Einfluss eines frühen Operationszeitpunktes auf die erfassten Fertilitätsparameter beschrieben (6).

Relativierend sollte hier aufgeführt werden, dass in ei- ner Cochrane Analyse nur bei Männern nach bilatera- lem Hodenhochstand die Paternität – als direktes Zei- chen der Fertilität – im Vergleich zur Normalbevölke- rung deutlich eingeschränkt war. Bei unilateralem Ho- denhochstand wurde dies jedoch nicht nachgewiesen (7). Bereits 1975 wurde ein günstiger Einfluss einer frühen Orchidopexie auf die Fertilität bei Jungen mit einseitigem Hodenhochstand vor dem 2. Geburtstag be- schrieben (e24). Jüngere Studien konnten diesbezüg-

Gemeinschaftspraxis für Kinderchirurgie, Stuttgart: Hrivatakis, Dr. med. Heim Chirurgische Gemeinschaftspraxis, Reutlingen: Dr. med. Astfalk

Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie, Uniklinikum Tübingen: Dr. med. Schmidt, Prof. Dr. med. Fuchs, Dr. med. Ellerkamp

Praxis für Kinderchirurgie, Stuttgart: Dr. Andreas Hartwig Kinderchirurgische Praxis Ulm: Dr. med. Kugler Lorettoklinik, Tübingen: Dr. med. Clausner, Dr. med. Frunder

Abteilung für Kinderchirurgie, Olga Hospital, Stuttgart: Dr. med. Weber, Prof. Dr. med. Loff

(2)

lich einen Vorteil einer Orchidopexie im Alter von neun Monaten versus drei Jahren belegen (8, e28, e29). Eine einzige Studie, die keinen Vorteil einer frühen Operati- on zeigte, ist durch eine geringe Fallzahl limitiert (e30).

Neben der Orchidopexie wird von einigen Autoren eine zusätzliche präoperative Hormontherapie mit „go- nadotropin-realising-hormone“ (GnRH) (intranasal) und/oder humanem Choriongonadotropin (hCG, intra-

muskulär) favorisiert (9). Die Therapie mit GnRH- Analoga verbessert einigen Arbeiten zufolge den Fer - tilitätsindex, während hCG in einigen Fällen einen weiteren testikulären Descensus auch nach dem 6. Le- bensmonat induziere und sich günstig auf die histomor- phologischen Veränderungen der Hoden auswirke (9, 10; e31). Aufgrund möglicher Nebenwirkungen mit eventuellen nachhaltigen Schäden am Hodengewebe TABELLE 1

Ergebnisse der Multicenterstudie

95-%-KI, 95-%-Konfidenzintervall; hCG, humanes Choriongonadotropin; GnRH, Gonadotropin-Releasing-Hormon Primärer Hodenhochstand

2009–2012 n = 1 850 2009 n = 601 hCG i.m.

GnRH nasal hCG + GnRH 2010 n = 522 hCG i.m.

GnRH nasal hCG + GnRH 2011 n = 363 hCG i.m.

GnRH nasal hCG + GnRH 2012 n = 364 hCG i.m.

GnRH nasal hCG + GnRH Praxen

2009 n = 397 2010 n = 341 2011 n = 215 2012 n = 197 Kliniken

2009 n = 204 2010 n = 181 2011 n = 148 2012 n = 167

Sekundärer Hodenhochstand 2009–2012 n = 363 2009 n = 36

2010 n = 132 2011 n = 84 2012 n = 111

0–12 Monate n

346 80 13 7 16 103 8 8 22 67 5 5 12 96 1 9 13

36 48 27 28

44 55 40 68

2 3 2 1

%

18,7 13,3 2,2 1,6 2,7 19,7 1,5 1,5 4,2 18,5 1,4 1,4 3,3 26,4 0,3 2,5 3,6

9,1 14,1 12,6 14,2

21,6 30,4 27,0 40,7

5,6 2,3 2,4 0,9

95-%-KI

17,0–20,6 10,7–16,3 1,2–3,7 0,5–2,4 1,5–4,3 16,4–23,4

0,7–3,0 0,7–3,0 2,7–6,3 14,6–22,8

0,5–3,2 0,5–3,2 1,7–5,7 21,9–31,2

0,0–1,5 1,1–4,6 1,9–6,0

6,4–12,3 10,6–18,2

8,4–17,7 9,7–20,0

16,1–27,9 23,8–37,7 20,1–34,9 33,2–48,6

0,7–18,7 0,5–6,5 0,3–8,3 0,0–4,9

12–24 Monate n

452 154 41 14 18 108 17 3 25 101 4 3 17 88 7 4 13

95 60 58 40

59 48 43 48

11 7 3 4

%

24,4 25,6 6,8 2,3 2,99 21,0 3,3 0,6 4,8 27,8 1,1 0,8 4,7 24,2 1,9 1,1 3,6

23,9 17,6 27,0 20,3

28,9 26,5 29,1 28,7

30,6 5,3 3,6 3,6

95-%-KI

22,5–26,5 22,2–29,3

4,9–9,1 1,3–3,9 1,8–4,7 17,3–24,4

1,9–5,2 0,1–1,7 3,1–7,0 23,3–32,7

0,3–2,8 0,2–2,4 2,8–7,4 19,9–28,9

0,8–3,9 0,3–2,8 1,9–6,0

19,8–28,4 13,7–22,1 21,2–33,4 14,9–26,6

22,8–35,7 20,3–33,6 21,9–37,1 22,0–36,2

16,6–48,1 2,2–10,6 0,7–10,1 1,0–9,0

> 24 Monate n

1 053 367 26 24 9 311 18 11 10 195 4 7 5 180 8 9 5

266 233 130 129

101 78 65 51

23 122 79 106

%

57,0 61,1 4,3 4,0 1,5 59,6 3,5 2,1 1,9 53,7 1,1 1,9 1,4 49,5 2,2 2,5 1,4

67,0 68,3 60,5 65,5

49,5 43,1 43,9 30,5

63,9 92,4 94,1 95,5

95-%-KI

54,6–59,2 57,0–65,0 2,9–6,3 2,6–5,9 0,7–2,8 55,2–63,8

2,1–5,4 1,1–3,7 0,9–3,4 48,4–58,9

0,3–2,8 0,8–3,9 0,5–3,2 44,2–54,7

1,0–4,3 1,1–4,6 0,5–3,2

62,4–71,6 63,1–73,2 53,6–67,1 58,4–72,1

42,5–56,6 35,8–50,7 35,8–52,3 23,6–38,1

46,2–80,2 86,5–96,3 86,7–98,0 90,0–99,0

(3)

(11, 12, e32) und der Gefahr eines weiteren zeitlichen Aufschiebens der erforderlichen Operation wird die Hormontherapie nicht mehr generell empfohlen (13).

Neben möglichen Fertilitätseinschränkungen existie- ren etliche Studien zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Hodenkarzinoms: Mögliche Ursa- che sind persistierende Gonozyten mit pluripotenten Stammzelleigenschaften, die das Entstehen eines Car- cinoma in situ (CIS) bedingen könnten (e33). Die Inzi- denz des Hodenkarzinoms wird für westliche Popula- tionen mit 3,8 bis 7,8 pro 100 000 Männer beziffert (e34). Damit macht dieser seltene Tumor nur circa 1 % aller malignen Neoplasien aus (e35). Allerdings ist das Hodenkarzinom die häufigste maligne Erkrankung bei jungen Männern im Alter von 15 bis 34 Jahren (e36). In der Zusammenschau relevanter Studien hatten Männer mit einem Hodenhochstand in der Anamnese ein 1,5- bis 7,5-faches Risiko für ein Hodenkarzinom im Ver- gleich zur Normalbevölkerung (6). Bei Orchidopexie nach dem 10. Lebensjahr steigt dieses Risiko auf das 2,9- bis 32-fache (6, 14). Eine Kontroverse besteht bei der Frage, ob eine Orchidopexie vor dem 10. Lebens- jahr dieses zusätzliche Risiko komplett eliminiert oder lediglich auf das maximal 2,6-fache der Normalbevöl- kerung verringern kann (6, 15, 40, e37). Sicher ist je- doch die bessere Früherkennung eines Hodentumors bei skrotaler Lage und der Möglichkeit zur Selbstunter- suchung (40).

Anhand dieser wachsenden Erkenntnisse bezüglich möglicher Spätfolgen nach Hodenhochstand sind natio- nale und internationale Therapieempfehlungen hin- sichtlich des idealen Operationszeitpunktes stets aktua- lisiert worden. Ein Cochrane Review ist in Arbeit (e38).

In Deutschland gilt seit 2009 die Empfehlung der AWMF-Leitlinie, die operative Therapie bis zum Ab- schluss des ersten Lebensjahres durchzuführen (e39).

In der vorliegenden Arbeit wurde im Rahmen einer re- trospektiven Multicenterstudie von kinderchirurgi- schen Therapieeinheiten in Baden-Württemberg die Umsetzung der AWMF-Leitlinie nachvollzogen. Darü- ber hinaus erfolgte ein Vergleich mit verfügbaren Daten aus anderen Nationen.

Material und Methoden

Fünf kinderchirurgische Praxen (Reutlingen, Stuttgart, Tübingen, Ulm) mit jeweils ambulanter OP-Einheit so- wie zwei kinderchirurgische Klinikabteilungen (Stutt- gart, Tübingen) werteten retrospektiv die Daten aller operierten Jungen mit Hodenhochstand von 2009 bis 2012 aus (spezifischer Diagnosecode eines nicht des- zendierten Hodens, definiert anhand der Internationa- len statistischen Klassifikation von Krankheiten, 10.

Revision, Deutsche Modifikation ICD-10-G, sowie spezifischer Operationen- und Prozedurenschlüssel [OPS] für eine chirurgische Behandlung für Hoden- hochstand). Erfasst wurden das Vorliegen eines primä- ren oder sekundären Hodenhochstandes, die betroffene Seite sowie die Durchführung einer präoperativen Hor- montherapie (beta-hCG, GnRH-Analoga oder Kom - bination aus beiden). Angelehnt an bestehende Leitlini-

en mit einer Empfehlung für eine OP im Alter von < 12 beziehungsweise < 24 Monaten erfolgte eine Zuord- nung nach Alter bei Orchidopexie in eine der folgenden drei Gruppen: < 12 Monate, 12–24 Monate, > 24 Mo- nate. Ein Ethikvotum von der Ärztekammer Baden- Württemberg für diese Studie liegt vor. Die statistische Auswertung erfolgte mit JMP 10.0.2. Die Gruppen - größen wurden in Prozent mit Konfidenzintervall (95-%-KI) angegeben. Trends wurden mittels Chi-Qua-

GRAFIK 1

Unterschiede zwischen a) Praxis und b) Klinik in Bezug auf den Anteil der Orchidopexien pro Altersgruppe

80

70

60

50

40

30

20

10

0 Prozent

a) Praxen (n = 1 150)

0–12 Monate 13–24 Monate

> 24 Monate

2009 (n = 397) 2010 (n = 341) 2011 (n = 215) 2012 (n = 197)

80

70

60

50

40

30

20

10

0 Prozent

b) Kliniken (n = 700)

0–12 Monate 13–24 Montate

> 24 Monate

2009 (n = 204) 2010 (n = 181) 2011 (n = 148) 2012 (n = 167)

(4)

TABELLE 2 Alter bei Orchidopexie: internationaler Vergleich Quelle Studien auf Grundlage nationaler Datenbanken McCabe JE, 2008 (22) Kokorowski PJ, 2010 (20) Capello SA, 2006 (17) Springer A, 2013 (25) Pettersson A, 2007 (15) Jensen MS, 2011 (19) Yiee JH, 2012 (28) Chen YF, 2013 (18)

Land GB USA USA A S DK USA CN

Anzahl der Orchido- pexien 36 847 28 204 26 575 19 998 16 983 5 473 1 365 547

Differenzierung primärer/ sekundärer Hodenhochstand ja/nein (indirekte Zeichen) nein (2. peak 8.–10. LJ) nein nein nein (2. peak 7.–11. LJ) nein nein nein (Ausschluss von Pa- tienten > 5 Jahre) nein

Zeit- raum 1997– 2005 1999– 2008 1984– 2002 1993– 2009 1964– 1999 1995– 2009 2002– 2007 1997– 2009

Mittelwert des Alters bei Erstdiagnose in Monate Trend: 1995–1997, 40 1998–2000, 37 2001–2003, 35 8,2 12

Mittelwert

des Alters bei OP (Monate) 52,8 62,4 103,2 44,7

< 12 Monate (%) (x/n) 18 (5 031/28 204) 2,7 (539/19 998) 20,08 (110/547)

< 24 Monate (%) (x/n) 23.8 (8 770/ 34 847) 43 (12 165/28 204) 22,89 (4 573/19 998) 4,2 87 (< 18 Monate)

Variablen: frühere OP OP durch Kinderchirurg ethnische Herkunft: nichtlateinamerikani- sche Weiße; Private Versicherung Versorgung im Bundesland Tirol private Krankenversi- cherung, häufige Vor- sorgeuntersuchungen, Überweisung durch Pädiater, Vergbarkeit einer Laparoskopie- einheit frühe Diagnose, höhe- re Urbanisierung

Variablen: spätere OP OP durch Allgemeinchirurg/ Urologe ethnische Herkunft: Lateinamerikaner, Schwarze; öffentliche Versicherung häufige ärztliche Kon- sultationen, jüngerer diagnosestellender Arzt, älterer Chirurg

Trend zu früheren OP (1: Jahr, MW Alter bei OP [Monate]) (2: Jahr, Anteil [%] nger als x [Monate]) Trend (deskriptiv): 2: 1997, 16 < 24 2: 2005, 29 < 24 kein Trend 2: 1999, 40 < 24 2: 2003, 44 < 24 2: 2008, 42 < 24 Trend (deskriptiv): 2: 1984–88, 20 < 24 2: 1998–93, 28 < 24 2: 1994–98, 32 < 24 2: 1999–02, 38 < 24 Trend (signifikant): 1: 1993, 72,0 1: 2004, 51,6 2: 1993, 15,2 < 24 2: 2004, 26 < 24 Trend (deskriptiv): 2: 1964–69, 27 > 156 2: 1970–74, 15 > 156 2: 1975–79, 11 > 156 2: 1980–84, 7 > 156 2: 1985–89, 5 > 156 Trend (signifikant): 1: 1995–1997, 46 1: 1998–2000, 43 1: 2001–2003, 40 kein Trend

(5)

MW, Mittelwert; Lj, Lebensjahr GB, Großbritannien; USA, vereinigte Staaten von Amerika; A, Österreich; S, Schweden; DK, Dänemark; CN, Volksrepublik China; SGP, Singapur; NZ, Neuseeland; RIL, Irland; I, Italien; D, Deutschland

Quelle Singelcenterstudien Bayne AP, 2011 (16) Nah SA, 2014 (24) Upadhyay V, 2001 (27) Moslemi MK, 2013 (23) ller G, 2005 (29) Lim KT, 2003 (30) Multicenterstudien Marchetti F, 2012 (21) Steckler RE, 1995 (26) Bruijnen CJP, 2008 (31) Eigene Daten 2014

Land USA SGP NZ IR D IRL I USA NZ D

Anzahl der Orchido- pexien 677 513 325 252 127 97 88 329 788 1 850

Differenzierung primärer/ sekundärer Hodenhochstand ja/nein (indirekte Zeichen) nein ja (2. peak 7. LJ) nein nein ja nein nein nein nein ja

Zeit- raum 2002– 2009 2007– 2011 1996– 1998 2005– 2009 2002– 2004 1996– 1999 2002– 2004 1991– 1993 1997– 2007 2009– 2012

Mittelwert des Alters bei Erstdiagnose in Monate 45,2 (13,2 Median) 45,2 80,4 54,3

Mittelwert

des Alters bei OP (Monate) 50,4 (19,2 Median) 52,2 53,3 67,2 22,8 51,6

< 12 Monate (%) (x/n) 23 (120/513) 13 (12/88) 17 (56/329) 18,6 (346/1 850)

< 24 Monate (%) (x/n) 58 (297/513) 17 13,4 28,9 (28/97) 64 (56/88) 44 (145/329) 42,5 (335/788) 43 (797/1 850)

Variablen: frühere OP frühere OP bei Genitalanomalie oder Bauchhoden Assoziation mit uroge- nitalen Malformationen OP in Klinik d. Maxi- malversorgung

Variablen: spätere OP OP in kinderchirurgi- scher Praxiseinheit

Trend zu früheren OP (1: Jahr, MW Alter bei OP [Monate]) (2: Jahr, Anteil [%] nger als x [Monate]) kein Trend: 2: 1990–94, 17 < 24 2: 1995–99, 20 < 24 2: 2000–04, 13 < 24 kein Trend Trend: 2: 2009, 13 < 12 2: 2010, 20 < 12 2: 2011, 18 < 12 2: 2012, 26 < 12

(6)

drat-Test nach Pearson (Signifikanzniveau α = 5 %) be- rechnet. Es erfolgte eine logistische Regressionsanaly- se zu den Variablen Operationsjahr und Therapie in Klinik oder Praxis. Die Ergebnisse wurden verglichen mit Daten aus anderen nationalen Erfassungen zu Or- chidopexiezeitpunkten. Dazu erfolgte eine gezielte Li- teraturrecherche in PubMed, World of Science (WoS), Cochrane Library zu englisch- und deutschsprachigen Veröffentlichungen (Stichworte: „orchidopexy“ und

„cryptorchidism“ und/oder „undescended testis“ und

„age“ oder „timing“). Dabei wurden sämtliche Studien berücksichtigt, die Patientenkohorten (mindestens 80 Patienten) über eine definierte zeitliche Periode mit Jahrgängen ab 1990 und Daten zum Alter bei Orchido- pexie angaben.

Ergebnisse Eigene Daten

Eine Übersicht über die erhobenen Daten bietet Tabel- le 1. Über die untersuchten Jahre erfolgten signifikant weniger Orchidopexien bei primärem Hodenhoch - stand (p ≤ 0,001) und mehr bei sekundärem Hoden- hochstand (p ≤ 0,001). Insgesamt zeigt sich ein Trend zu frü heren Orchidopexien (p ≤ 0,001). In den Kliniken (p = 0,0026) war dies im Vergleich zu den Praxen (p = 0,05) signifikant im Chi-Quadrat-Test (Grafik 1).

Im Vergleich der Kliniken mit den Praxen bestand hin- sichtlich einer Hormontherapie kein signifikanter Un- terschied. Die logistische Regressionsanalyse zum Ein- fluss des fortlaufenden Jahres (2009–2012) sowie der Therapie in Klinik oder Praxis ergab einen positiven Effekt auf die rechtzeitige Operation durch die Parame- ter Jahr (2012 > 2011 > 2010 > 2009, p = 0,0002) und Behandlung in einer Klinik (p ≤ 0,0001). Von den Jungen mit sekundärem Hodenhochstand (n = 363) erhielten 44 (12 %, 95-%-KI: 9–15,9 %) Kinder eine präoperative Hormontherapie.

Literaturrecherche

Eine Übersicht der vorliegenden Daten aus insgesamt 17 Studien zeigt Tabelle 2 (15–31). Folgende Parameter zur Therapie bei Hodenhochstand wurden aufgeführt:

mittleres Alter bei Erstvorstellung mit Hoden- hochstand (n = 4) (16, 19, 27, 28)

mittleres Alter bei Orchidopexie (n = 11) (15, 16, 18, 20, 23, 25–27, 30, 31)

Angaben zu Trends zu früherem Operieren (n = 9) (15, 17–20, 22, 25, 29, 31)

prozentuale Anteile der Patienten, die vor dem ersten (n = 6) beziehungsweise dem zweiten Le- bensjahr (n = 12) operiert wurden (15, 20–26, 28–31)

Korrelation mit Variablen, die eine frühere oder spätere Operation zu bedingen scheinen (n = 7) (16, 18, 20, 22, 24, 25, 28)

prozentuale Anteile der Patienten, die eine Hor- montherapie erhielten (n = 2) (21, 29)

In 14 Studien wurde nicht zwischen primärem und sekundärem Hodenhochstand unterschieden. Ver- mehrte Orchidopexien um das etwa 7. bis 11. Le-

bensjahr wurden in drei Studien beschrieben (22, 24, 25). Eine Studie schloss Fälle von sekundärem Ho- denhochstand indirekt aus, indem sie Orchidopexien bei Kindern über fünf Jahren nicht einbezog (28). Ei- ne Studie gab bei Orchidopexiealter und dem Alter bei Erstvorstellung nur den Median an, und wurde bei der Auswertung nur eingeschränkt berücksichtigt (24).

Das mittlere Alter bei Orchidopexie (Grafik 2a) liegt bei den meisten Studien zwischen 42 und 67 Mo- naten (16, 18–20, 23, 25–27, 30, 31), deutlich bessere Ergebnisse berichtet eine Arbeit aus Italien (21). Be- zogen auf das mittlere Alter bei Erstvorstellung wird in drei von vier Studien ein sehr spätes Durchschnitts- alter berichtet (16, 19, 27, 28). Im Vergleich der ver- fügbaren Studien zum Anteil der Orchidopexien unter 24 Monate und unter 12 Monate (Grafik 2c und d) ist ein Trend zu früheren Operation abzusehen.

Eine Hormontherapie wurde in 31 % (40 von 127 Patienten) (21) beziehungsweise in 27,5 % (35 von 127 Patienten) (29), in der eigenen Studie in 21,0 % (95-%-KI: 19,3–22,8) durchgeführt; das Durchschnitts- alter zu Beginn der Hormontherapie lag dabei deutlich über zwölf Monaten. Die möglichen Variablen, die mit einer früheren oder späteren Operation korrelieren, sind in Tabelle 2 aufgeführt.

Diskussion

Während der letzten Dekaden wurde in sämtlichen medizinischen Empfehlungen das Orchidopexiealter heruntergesetzt. So vertrat 1975 die American Aca- demy of Pediatrics (AAP) noch die Ansicht, die Ope- ration bei primärem Hodenhochstand im Alter von vier bis sechs Jahren vorzunehmen (32). Nachdem evident wurde, dass die histologischen Veränderun- gen am Hodengewebe nicht angeboren sind, sondern sich erst nach dem 6. Lebensmonat entwickeln (33), favorisierte die AAP 1996 die Orchidopexie „um das erste Lebensjahr“ (34). Verglichen mit der amerika- nischen Leitlinie vollzog sich dieser Wandel in Europa und Skandinavien erst später: 1999 empfahl die erste deutsche AWMF-Leitlinie eine Orchidope- xie bis zum Abschluss des 2. Lebensjahres (e40).

2001 folgte diesem Vorbild die European Associa tion of Urologists (35). 2007 wurden die Empfehlungen des Nordic Consensus aktualisiert mit Favorisierung eines frühzeitigen Operationszeitpunktes zwischen dem 6. bis 12. Lebensmonat (36). Die LL der AWMF wurde entsprechend ab 2007 angeglichen, erste Ver- weise auf eine Befürwortung einer frühzeitigen Ope- ration beziehen sich auf eine wohl inoffizielle Vorab- version der LL von 2008 (e44); die offizielle Verab- schiedung durch die deutschen Fachgesellschaften und Publikation erfolgte dann 2009 (e39).

In Deutschland erschienen bereits 2005 mehrere Ar- beiten zu dem Thema, die sich an den Empfehlungen der AAP von 1996 orientierten (2, e41–e43). Darüber hinaus erschienen im Deutschen Ärzteblatt wie auch in regiona- len Ärzteblättern weitere Veröffentlichungen, um das Be- wusstsein für eine rechtzeitige Therapie in sämtlichen be- troffenen Fachdisziplinen zu schärfen (29, e24, e44–e55).

(7)

Die tatsächliche Umsetzung dieser Empfehlungen wurde weltweit in Studien analysiert. Die bisher ver- fügbaren deutschen Daten einer retrospektiven Single - centerstudie von 2002 bis 2004 ergaben, dass mehr als 80 % der Fälle jenseits des zweiten Lebensjahres ope- riert wurden (29). Aufgrund der geringen Fallzahl wur- de die Repräsentativität der Studie jedoch angezweifelt (e54).Im Vergleich zu den Daten von 2002 bis 2004 zeigen die aktuellen Daten der Autoren von 2009 bis 2012 etwas bessere Verhältnisse: 18,7 % (95-%-KI:

17–20,6) wurden leitliniengerecht vor dem ersten Le- bensjahr orchidopexiert, jenseits des zweiten Lebens- jahres wurden noch 57 % (1 053 von 1 850 Patienten, 95-%-KI: 54,6–59,2) operiert. Eine positive Einfluss- größe für frühere Orchidopexien war die Behandlung in einer Klinik. Möglicher und sinnvoller Grund hierfür kann eine bevorzugte Überweisung besonders junger

Kinder in Kliniken mit entsprechend besserer kinderan- ästhesiologischer Infrastruktur sein.

Im internationalen Vergleich mit verfügbaren Daten zeigt sich ein deutlicher Anstieg der Orchi - dopexien unter 24 und auch unter 12 Monaten (Grafik 2c, d). Die erhobenen Daten der eigenen Studie sind dabei führend bezüglich des Anteils derjenigen, die unter 12 Monaten operiert werden, möglicherweise auch, weil hier zwischen primärem und sekundärem Hodenhochstand unterschieden wurde. Allerdings sind die Anteile der unter 12 Monate alten Operierten insgesamt in allen Studien sehr niedrig.

Im Vergleich des durchschnittlichen Alters bei Or- chidopexie berichten acht Studien aus vergleichba- ren Zeiträumen über Durchschnittsalter zwischen 45 bis 62 Monaten (16, 18–20, 23, 25–27). Nur eine Studie vermerkt ein vergleichsweise niedrigeres GRAFIK 2

Internationaler Vergleich im Bezug auf durchschnittliches Alter bei Orchidopexie (a), durchschnittliches Alter bei Erstvorstellung (b) sowie Anteile der Orchidopexien unter 12 (c) und unter 24 (d) Monate.

GB, Großbritannien; USA, Vereinigte Staaten von Amerika; A, Österreich; S, Schweden; DK, Dänemark; CN, Volksrepublik China; SGP, Singapur;

NZ, Neuseeland; RIL, Irland; I, Italien; D, Deutschland Steckler (26), USA, 1991–1993

Pettersson (15), S, 1993–2002 Springer (25), A, 1993–2009 Jensen (19), DK, 1995–1997 Lim (30), IR, 1996–1999 Upadhyay (27), NZ, 1996–1998 Chen (18), CN, 1997–2009 Bruijnen (31), NZ, 1997–2007 Jensen (19), DK, 1998–2000 Kokorowski (20), USA, 1999–2008 Jensen (19), DK, 2001–2003 Marchetti (21), I, 2002–2004 Bayne (16), USA, 2002–2009 Moslemi (23), IR, 2005–2009

0 20 40 60 80 100 120

a) Mittleres Alter bei Orchidopexie (Monate)

Upadhyay (27), NZ, 1996–1998 Bayne (16), USA, 2002–2009 Jensen (19), DK, 1995–1997 Jensen (19), DK, 1998–2000 Jensen (19), DK, 2001–2003 Yiee (28), USA, 2002–2007

0 20 40 60

b) Mittleres Alter bei Erstvorstellung (Monate)

Eigene Daten, D, 2009–2012 Nah (24), SGP, 2007–2011 Chen (18), CD, 1997–2009 Kokorowski (20), USA, 1999–2008 Steckler (26), USA, 1991–1993 Marchetti (21), I, 2002–2004 Springer (25), A, 1993–2009

0 25 50

c) Anteil Orchidopexien < 12. Lebensmonat (Prozent)

Eigene Daten, D, 2012 Eigene Daten, D, 2011 Eigene Daten, D, 2010 Eigene Daten, D, 2009 Kokorowski (20), USA, 2008 McCabe (22), GB, 2005 Springer (25), A, 2004 McCabe (22), GB, 2003 Kokorowski (20), USA, 2003 McCabe (22), GB, 1999 Kokorowski (20), USA, 1999 McCabe (22), GB, 1997 Springer (25), A, 1993

0 20 40 60 80 100

d) Anteil Orchidopexien < 24. Lebensmonat (Prozent)

(8)

Durchschnittsalter von 22,8 Monaten (21). Eine denkbare Erklärung dafür ist ein möglicher Bias auf- grund der Erhebung der Daten: Diese erfolgte mittels freiwillig auszufüllender Online-Fragebögen an nie- dergelassene Pädiater und nicht als Auswertung ei- ner repräsentativen Gesamtkohorte eines Zeitraums.

Eine weitere Arbeit liefert ebenfalls überdurch- schnittlich gute Ergebnisse mit 87 % (1 192 von 1 365 Patienten) der Orchidopexien bei unter 18 Mo- nate alten Jungen. Basis dieser Untersuchung waren die Daten einer privaten Krankenversicherung. Aus der Studie ausgeschlossen wurden unter anderem Pa- tienten mit niedrigem Geburtsgewicht, Frühgeburt- lichkeit und Orchidopexien nach dem fünften Le- bensjahr, so dass auch hier keine repräsentative Gesamtkohorte ausgewertet wurde (28). Verschiede- ne Variablen, die eine frühere Operation begünstigen (Tabelle 2) sind insgesamt inkongruent. Eine Verbes- serung der Versorgung ist in erster Linie durch die behandelnden Ärzte zu erreichen.

Die Durchführung einer Hormontherapie wurde nur in zwei Studien erfasst. Ähnlich wie in den eigenen Er- gebnissen erhielt ein relevanter Anteil der Kinder diese erst nach dem ersten Lebensjahr oder postoperativ (21, 29). Dies spiegelt den niedrigen Stellenwert der Hor- montherapie in der praktischen Anwendung wider. Wäh- rend im Nordic Consensus (36), den Schweizer Leitlini- en (e56) und anderen internationalen Empfehlungen (37, e60) eine präoperative Hormontherapie keinen Stellen- wert mehr besitzt, wurde sie in der European Associa - tion of Urologists (2001) und in den AWMF-Leitlinien von 1999 und 2007 als Ergänzung zur Orchidopexie empfohlen (35, e39, e40). In der aktuellen Version von 2013 wird sie als Option neben der Operation beschrie- ben. Von einer Hormontherapie nach Abschluss des ers- ten Lebensjahres wird jedoch explizit abgeraten (38).

Die Problematik, dass die Kenntnis einer medizini- schen Leitlinie nicht immer zu der empfohlenen Be- handlung führt, ist bekannt (39, e57). Krankheitsspezifi- sche Vorbehalte in Bezug auf die Therapie bei Hoden- hochstand können anhand der eigenen Daten nur vermu- tet werden. Bezüglich befürchteter chirurgischer Risiken sollte bewusst gemacht werden, dass Komplikationen durch Orchidopexien im ersten Lebensjahr (Narkose- zwischenfälle, Blutung, Wundinfektion, Rezidivhoden- hochstand, Hodenatrophie, Samenleiterverletzung) in kinderchirurgisch/kinderurologisch erfahrenen Abtei- lungen nicht häufiger sind als bei älteren Kindern (5, e58). Mögliche individuelle Einzelfallbeobachtungen eines spontanen Descensus bei primärem Hodenhoch- stand nach dem sechsten Lebensmonat rechtfertigen kein generelles Zuwarten. Diese Beobachtungen beru- hen am ehesten auf einer differenzialdiagnostischen Un- sicherheit bei der Unterscheidung zwischen Pendelho- den und Hodenhochstand (e59).

Limitationen

Eine Limitation der vorliegenden Studie besteht in der Beschränkung auf relativ nah beieinanderliegende kin- derchirurgische Therapieeinheiten nur eines Bundeslan-

des. Derzeit liegen keine vergleichbaren Daten für die anderen 15 Bundesländer oder weitere Therapieeinhei- ten vor. Es besteht jedoch eine gute Vergleichbarkeit mit den internationalen Daten.

Die Arbeit verfügt über keine Daten zu Orchidope- xien, die durch Urologen oder Allgemeinchirurgen durchgeführt werden. Interessanterweise wurde in einer britischen Studie nachgewiesen, dass die von Kinderchi- rurgen operierten Jungen signifikant jünger waren als die Operierten von Allgemeinchirurgen oder Urologen (22).

Eine weitere Limitation der vorliegenden Studie ist, dass das Alter der Patienten bei Erstvorstellung nicht erfasst wurde. In vier von fünf Studien, die hierzu eine Aussage machen, liegt das durchschnittliche Alter bei Erstvorstellung zwischen 35 und 45 Monate (16, 19, 27). Das heißt, 57,6 % (310 von 547 Patienten) sind bei der Erstvorstellung bereits älter als 12 Monate (18) (Grafik 2b). Eine Verzögerung aufseiten der chirurgi- schen Versorgung nach Erstvorstellung kann aber im Bezug auf die vorliegenden Daten nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist die Studie limitiert durch die retrospektive Erfassung.

Resümee

Trotz vielfältiger nationaler und internationaler Pu- blikationen zum idealen Zeitpunkt der Orchidopexie bei primärem Hodenhochstand und der AWMF-Leit- linienempfehlung zur Operation zwischen dem 6. bis 12. Lebensmonat seit 2009 zeigen die erhobenen Daten nur in 18,7 % der Fälle eine zeitgerechte Ope- ration. Ähnliche Erhebungen aus anderen Ländern berichten eine vergleichbare Umsetzung der Emp- fehlungen.

Eine bessere und nachhaltigere Verbreitung und Anwendung der Leitlinie „Hodenhochstand“ sind of- fensichtlich erforderlich.

KERNAUSSAGEN

Die AWMF-Leitlinie empfiehlt, bei primärem Hodenhochstand die Orchidopexie zwischen dem 6. bis 12. Lebensmonat durchzuführen. Dies ist deckungsgleich mit der Leitlinie der American Academy of Pediatrics (AAP) und dem Nordic Consensus.

Nur 18,7 % der in dieser Studie erfassten Jungen werden leitliniengerecht zwischen dem 6. bis 12.

Lebensmonat orchidopexiert.

Vergleichbare Daten ähnlicher Erhebungen aus anderen Nationen zeigen ebenso schlechte Ergeb- nisse.

Die Hormontherapie nimmt in der Behandlungspraxis insgesamt einen niedrigen Stellenwert ein.

Eine bessere Implementierung der AWMF-Leitlinie ist erforderlich.

(9)

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 20. 12. 2013, revidierte Fassung angenommen: 16. 6. 2014

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Verena Ellerkamp

Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie Uniklinik Tübingen

Hoppe-Seyler-Straße 3, 72076 Tübingen verena.ellerkamp@med.uni-tuebingen.de

Zitierweise

Hrivatakis G, Astfalk W, Schmidt A, Hartwig A, Kugler T, Heim T, Clausner A, Frunder A, Weber H, Loff S, Fuchs J, Ellerkamp V: The timing of surgery for undescended testis—a retrospective multicenter analysis.

Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 649–57. DOI: 10.3238/arztebl.2014.0649

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

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