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Archiv "Maldescensus testis — Kinderchirurgische Gesichtspunkte" (14.07.1977)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Maldescensus testis —

Kinderchirurgische Gesichtspunkte

Waldemar Christian Hecker, Wolfgang Mengel, Norbert Bockreiss, Gerhard Homann

Aus der Kinderchirurgischen Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Waldemar Christian Hecker) der Universitäts-Kinderklinik München

im Dr.-von-Haunerschen Kinderspital

Den Patienten mit Maldescen- sus testis droht Infertilität, die abhängig ist von der Zahl der vorhandenen Spermatogo- nien. Ab dem 3. Lebensjahr ist histologisch Zerfall und Ab- nahme der Spermatogonien zu erkennen. Die Behandlung des Maldescensus testis muß vor Beginn des Einsetzens pa- thologischer Veränderungen am Hoden stattfinden, näm- lich zwischen dem 3. bis 18.

Lebensmonat. Die pathologi- schen Veränderungen sind bei rechtzeitiger Therapie re- versibel.

Das Hauptziel aller therapeutischen Bemühungen beim Maldescensus testis gilt der Erhaltung der Fertilität und hier steht heute im Mittelpunkt die Forderung nach der Frühbe- handlung. Die Richtigkeit dieses Verlangens konnte aufgrund klini- scher sowie auch experimenteller Untersuchungen erbracht werden.

Studien von Hedinger, Zürich, Had- ziselimovic und Herzog aus Basel, Jendricke, Schäfer, Tonutti, Flach und Bierich aus Tübingen und Ulm, Städtler und Werner aus Hamburg und Bremen sowie der eigenen Ar- beitsgruppe, kamen zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:

gl)

Die retinierte Keimdrüse läßt mi- kroskopisch vom zweiten Geburts- tag an einen signifikanten Schwund der Spermatogonien erkennen.

(;) Die Tubuli nehmen nach dem zweiten Geburtstag von etwa 50 bis 60 [1, auf 40 !,t, ab und verbleiben in dieser Größenordnung, ohne die sonst übliche lineare Entwicklung bis etwa 180 bis 200 it in der Puber- tät durchzumachen.

• Im lnterstitium des Hodens ist ab dem zweiten Geburtstag elektronen- mikroskopisch eine starke Verbrei- terung und Kollagenisierung festzu- stellen.

Experimentell kamen Weissbach und Müller in Bonn aufgrund histo- morphologischer und enzym-histo- chemischer Untersuchungen zu dem gleichen Resultat.

Der morphologisch klar zu erken- nende Schaden am germinativen Epithel sowie die Veränderungen im Interstitium sind sekundär. Den Be- weis hierfür erbrachten experimen- tell Shirai, Weissbach sowie Mengel und Moritz aus der eigenen Arbeits- gruppe.

Das klinische Beispiel hierfür konn- ten wir in Zusammenarbeit mit Hienz erbringen, in dem wir histologisch die Veränderungen bei der soge- nannten sekundären Retentio testis studierten, also bei jenen Fällen, bei denen während einer Leistenbruch- operation durch fehlerhafte Mani- pulation der normal deszendierte Hoden während der Operation in den Leistenkanal gezogen wurde und dort dann weiter liegenblieb.

Wir fanden hier histologisch die gleichen Resultate wie bei dem so- genannten kongenitalen Malde- scensus testis.

Bedeutsam ist die Tatsache, daß in einem Prozentsatz, der um 70 vom Hundert liegt, beim einseitigen Mal- descensus testis auch die normal deszendierte Keimdrüse geschädigt wird.

Man findet hier histologisch die glei- chen Veränderungen wie bei der re- tinierten Keimdrüse. Eigene biopti- sche Untersuchungen haben ge- zeigt, daß nur bei 32,6 Prozent an der normal deszendierten Keimdrü- se beim einseitigen Maldescensus testis eine ausreichende Anzahl von Spermatogonien gefunden werden.

Daß hier das schädigende Agens von der retinierten Keimdrüse aus- geht, wissen wir aus experimentel- len Untersuchungen von Shirai und Weissbach, die Menge! und Moritz aus unserem Arbeitskreis bestätigen konnten. Diese Zahl von 32,6 Pro- zent deckt sich mit der Zahl von 30 Prozent Fertilität, die wir in einer Sammelstatistik mehrerer Autoren berechneten, die spermiologische Untersuchungen bei Patienten mit einem einseitigen Maldescensus te- stis vorgenommen hatten.

Als optimales Behandlungsalter empfehlen wir jetzt die Zeit zwi- schen dem dritten und 18. Lebens- monat. In jedem Fall ist eine konser- vative HCG-Therapie indiziert, wenn es sich nicht um eine Hodenektopie oder einen Maldescensus testis in Kombination mit einer Leistenhernie oder um einen narbig fixierten Ho- den nach Leistenbruchoperation handelt. Führt die Hormonbehand- lung nicht zum Ziel oder bestehen für die konservative Therapie die ge- nannten Kontraindikationen, muß operiert werden.

Durch operative und konservative Therapie ist es heute möglich, die beim Maldescensus testis gestoppte Hodenentwicklung wieder in Gang zu setzen, eine Reifung des germi- nativen Epithels zu erreichen und Fertilität zu erlangen. Das beweisen experimentelle Untersuchungen von

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 28 vom 14. Juli 1977 1803

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Maldescensus testis

Shirai sowie klinisch histologische Studien unserer Arbeitsgruppe, fer- ner Studien von Kiesewetter aus Pittsburgh und spermiologische Be- funde von Potempa, außerdem auch jüngst von Knorr. Besonders die Knorrschen Befunde sind von be- sonderer Wichtigkeit, weil er hier erstmals zeigen konnte, daß auch die HCG-Therapie Fertilität erlangen läßt, und zwar beim unilateralen Maldescensus in 63 Prozent und beim bilateralen Hodenhochstand in 45 Prozent. In dem Gesamtkollektiv von Knorr, das heißt konservative und operative Fälle zusammen, wa- ren aber auch 28 Prozent spermiolo- gische Befunde, die einer Infertilität entsprachen. Mit unserer Forderung nach der Frühtherapie erwarten wir, daß dieser Wert von 28 Prozent In- fertilität markant gesenkt werden kann.

In einer Studie über das kinderchir- urgische Krankengut in der eigenen Klinik von 1969 bis 1973 fanden wir in 52 Prozent eine Retentio testis inguinalis, in 32 Prozent Hodenekto- pien, in 10 Prozent Rezidive oder narbig fixierte Hoden nach Leisten- bruchoperationen und 2 Prozent Aplasien. Der Kinderchirurg sieht ein ausgesuchtes Krankengut. Von 960 Patienten erhielten 79 Prozent vor der Operation eine HCG-Be- handlung, in 21 Prozent erfolgte keine hormonelle Therapie. Interes- sant ist die Feststellung, daß in un- serem Krankengut von Patienten mit Retentio testis inguinalis in Kombi- nation mit einer Leistenhernie 70 Prozent vor der Operation HCG er- hielten, Patienten mit einer Hoden- ektopie und einer Leistenhernie be- kamen in 72 Prozent Hormone inji- ziert. Eine Ektopie und eine Leisten- hernie stellen eine Kontraindikation zur Hormonbehandlung dar. Wir können aus diesen Zahlen also die Forderung ableiten, die kleinen Pa- tienten sorgfältig zu untersuchen, denn in den meisten Fällen läßt sich die Hernie feststellen, und eine Ek- topie, auch eine suprafasziale Ekto- pie, ist in jedem Fall zu erkennen.

In unserem analysierten Krankengut von 983 Operationen wurde einmal eine Nachblutung registriert, die zur

Reoperation führte, in drei Fällen wurde der Ductus deferens durch- trennt und unter Hilfe des Opera- tionsmikroskopes reanastomosiert.

In fünf Fällen sahen wir Sekundär- heilungen. Bei der Nachuntersu- chung konnte in 96,5 Prozent unter 833 Fällen der Hoden im Skrotum gefunden werden, in 1,5 Prozent lag der Hoden vor dem Skrotaleingang, hier mußte eine Nachoperation durchgeführt werden, und in 2 Pro- zent lag eine Hodenatrophie vor.

Diese Hodenatrophie ist bei Rezidiv- operationen deutlich höher, in 70 Fällen registrierten wir sie bei sechs Prozent.

Seit 1972 fordern wir die Frühopera- tion. Es war nun interessant zu un- tersuchen, wie hier die Resonanz bei den einweisenden Ärzten war. Wäh- rend wir in den Jahren 1969 bis 1973 Patienten zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr nur in 1,5 Pro- zent eingewiesen bekamen, lag hier die Quote im Jahre 1976 bereits bei 10 Prozent. 0-3jährige Kinder sahen wir 1969 bis 1973 in fünf Prozent und im Jahre 1976 bei 19 Prozent. Wir können also registrieren, daß die Forderung nach Frühbehandlung zwar eine Resonanz unter den Ärz- ten gefunden hat, die aber noch völ- lig unzureichend ist! In acht Prozent der Fälle 1976 waren die Kinder be- reits zehn Jahre alt, in sechs Prozent 11 Jahre, in sieben Prozent zwölf und in zwei Prozent sogar 13 und 14 Jahre alt. Vielleicht trägt diese Ver- öffentlichung mit dazu bei, daß in den nächsten Jahren durch die Vor- sorgeuntersuchungen alle Knaben mit Maldescensus testis innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zur Be- handlung kommen!

Zusammenfassend wollen wir 7 The- sen zum Kryptorchismusproblem aufstellen:

O Dem Patienten mit Maldescensus testis droht Infertilität.

Q Die Fertilität ist abhängig von der Existenz der Spermatogonien; der Grad der Fertilität läuft parallel zur Anzahl der Spermatogonien.

Die Spermatogonien werden durch die dystope Lage bis zu ihrem völligen Untergang geschädigt.

Die ersten Anzeichen von patho- logischen Veränderungen im Hoden beim Maldescensus testis werden im 3. Lebensjahr beobachtet durch Zer- fall und Abnahme der Zahl von Sper- matogonien, Rückgang des Tubu- lusdurchmessers und Verbreiterung sowie Kollagenisierung des Intersti- tiums.

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Die Behandlung des Maldescen- sus testis muß vor Beginn des Ein- setzens pathologischer Veränderun- gen am Hoden stattfinden, nämlich zwischen dem 3. und 18. Lebens- monat.

• Die pathologischen Veränderun- gen sind bei rechtzeitiger Therapie reversibel.

O Nach rechtzeitiger Therapie des Maldescensus testis schreitet die gestoppte Entwicklung der Tubuli, die sonst das Stadium der Reife nie erreichen, wieder voran.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Waldemar Christian Hecker Dr. med. Wolfgang Menget cand. med. Norbert Bockreiss Dr. med. Gerhard Homann Kinderchirurgische Klinik der Universitäts-Kinderklinik München

Lindwurmstraße 4 8000 München 2

1804 Heft 28 vom 14. Juli 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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