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Archiv "Konstitutiv aktivierende Mutationen des TSH-Rezeptors als Hyperthyreoseursache" (06.10.1995)

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Konstitutiv aktivierende

Mutationen des TSH-Rezeptors

Ralf Paschke als Hyperthyreoseursache

Patho3hysiologische unc ciagnostische Bedeutung

Mutationen in Membranrezeptoren, welche in Abwesenheit des Liganden zu einer Aktivierung des Rezeptors führen, werden konstitutiv aktivierende Mutationen genannt.

Das autonome Schilddrüsenadenom zeichnet sich durch Thyreotropin-(TSH-)unabhängige Überfunktion und TSH- unabhängiges Wachstum der Schilddrüsenepithelzellen aus. Konstitutiv aktivierende Mutationen des TSH-Rezep-

tors wurden jüngst als die Ursache autonomer Schilddrü- senadenome identifiziert. Diese konstitutiv aktivierenden Mutationen des TSH-Rezeptors führen zur TSH-unabhängi- gen, autonomen Überfunktion und Proliferation der Schilddrüsenepithelzellen in den autonomen Schilddrü- senadenomen. Zudem sind derartige TSH-Rezeptormuta- tionen die Ursache von zwei neuen Hyperthyreoseformen.

D

ie funktionelle Autonomie ist in Deutschland in bis zu etwa 60 Prozent der Fälle die Ursa- che der Hyperthyreose. Man unterscheidet insbesondere die unifo- kale Autonomie (autonomes Ade- nom) und die häufige multifokale Au- tonomie. Ist die Aktivität oder Größe der Knoten gering, entgehen sie der szintigraphischen Diagnostik. Autora- diographisch lassen sich experimentell bereits frühzeitig funktionell autono- me Thyreozyten nachweisen (26), aus denen sich im Laufe von Jahren kli- nisch faßbare Adenome entwickeln können. In euthyreoten Strumen ei- ner Jodmangelregion in Deutschland lassen sich szintigraphisch in 25 Pro- zent fokale und in 49 Prozent multifo- kale Anreicherungen identifizieren (3). Zudem ist die Inzidenz autono- mer Adenome in Ländern mit ausrei- chender Jodversorgung deutlich ge- ringer als in Ländern mit Jodmangel wie zum Beispiel Deutschland (21).

Der Jodmangel scheint daher die Ent- stehung szintigraphisch autonomer Bezirke in der Schilddrüse zu fördern.

Klinik und

Pathophysiologie der Schilddrüsenautonomie

Für die Schilddrüsenautonomie ist typisch, daß die szintigraphisch

„heißen Knoten" nicht mehr dem hy-

pophysären Regelkreis über das TSH unterliegen, sondern sowohl in ihrer Funktion (Hyperthyreose) als auch in ihrem Wachstum (Knoten) autonom sind. Trotz des bei der Hyperthyreose supprimierten TSH, das in physiolo- gischer Weise Thyreozyten funktio- nell stimuliert, kommt es bei der Schilddrüsenautonomie ungeregelt zu einer vermehrten Schilddrüsen- hormonproduktion und zum Knoten- wachstum. Der klinische Verlauf ist bei der Schilddrüsenautonomie sehr unterschiedlich. Häufig besteht über viele Jahre eine euthyreote Stoff- wechsellage mit normalem basalem TSH, nicht selten eine subklinische Hyperthyreose mit lediglich suppri- miertem TSH. Dieser Verlauf kann durch das Jodangebot beeinflußt werden. Floride Hyperthyreosen tre- ten insbesondere nach akuter Exposi- tion mit hohen Jodiddosen (Röntgen- kontrastmittel, jodhaltige Medika- mente und anderes) auf. Unbehan- delt kommt es bei Patienten mit rele- vanter Autonomie, bei etwa 4 Pro- zent der Patienten pro Jahr zur hy- perthyreoten Dekompensation. Dies kann zehn Jahre und länger nach Diagnosestellung dauern (23).

Sowohl die Stimulation des Wachstums (Proliferation) als auch Service de Gönötique Mödicale (Direktor Prof. Dr. G. Vassart), Facult6 de Mödecine, Universit6 Libre de Bruxelles

die Stimulation der endokrinen Funktion (Schilddrüsenhormonpro- duktion) der Schilddrüsenepithelzel- le werden durch die Signaltransduk- tionskaskade des zyklischen Adeno- sinmonophosphats (cAMP) übermit- telt. Dies konnte durch Induktion von Schilddrüsenhyperplasie und Hyperthyreose in transgenen Mäu- sen mit in der Schilddrüse exprimier- tem A2-Adenosinrezeptor gezeigt werden (13), da bei diesen Tieren ei- ne chronische Stimulation der cAMP-Signaltransduktionskasdade in der Schilddrüse induziert wird.

Der TSH-Rezeptor ist über das G- Protein-G-alpha-s überwiegend an diese cAMP-Kaskade gekoppelt (2) (Grafik 1), und TSH übt seine Funk- tionen überwiegend über diese Si- gnaltransduktionskaskade aus (4, 7).

Im Gegensatz zur akzeptierten funktionellen Stimulation der Schild- drüse durch TSH wurde zur wachs- tumsstimulierenden Wirkung des TSH auf die Schilddrüsenepithelzel- len über zahlreiche widersprüchliche Ergebnisse berichtet (6, 9).

Diese Ergebnisse sind aufgrund der sehr unterschiedlichen angewen- deten In-vitro-Systeme stark metho-. denabhängig. Wichtiger als die Fra- ge, durch welche Agenzien der TSH- Rezeptor stimulierbar ist, ist im Hin- blick auf die Pathogenese der auto- nomen Adenome jedoch die Wirk- weise der dem TSH-Rezeptor nach-

(2)

G alpha S

Signaltransduktionskaskade des zyklischen Adenosinmonophosphats

Funktion

Hyperthyreose

Proliferation

Schilddrüsenadenom

Der TSH-Rezeptor ist mittels des G-Proteins-alpha-s überwiegend an die Si- gnaltransduktionskaskade des zyklischen Adenosinmonophosphats gekop- pelt. Über diese Signaltransduktionskaskade wird sowohl die Funktion als auch die Proliferation der Schilddrüsenepithelzelle kontrolliert. Auf die Be- deutung weiterer Signaltransduktionskaskaden wird im Text eingegangen.

711■11r

Grafik 2 DA

Adenom umgebendes Gewebe

Sequenzgel des TSH-Rezeptorgens, welches mittels der PCR von der DNA eines autonomen Adenoms amplifi- ziert wurde. Die DNA des Schilddrüsenadenoms weist zwei verschiedene Allele für das TSH-Rezeptorgen auf.

Die Antisenssequenz CTA kodiert für Asparaginsäure im normalen Allel des TSH-Rezeptorgens, während die An- tisenssequenz CCA für Glycin im mutierten Allel des TSH-Rezeptorgens kodiert.

A T

A C T G

C T A

MEDIZIN

geschalteten cAMP-Signaltransduk- tionskaskade. Über die cAMP Sig- naltransduktionskaskade ist in der Schilddrüsenepithelzelle die gleich- zeitige Stimulation

des Schilddrüsen- wachstums und der Schilddrüsenfunktion möglich (13).

Insbesondere die klinische Beobach- tung der TSH-unab- hängigen Über- funktion, verbunden mit dem gleichzeiti- gen TSH-unabhängi- gen Wachstum der autonomen Adeno- me legte daher bei der Suche nach einer unikausalen Er- klärung beider Phä- nomene nahe, daß ein Baustein der cAMP- Signaltransduktions- kaskade unabhängig von der TSH-Wir- kung aktiviert ist.

Dieser aktivierte Baustein sollte so-

wohl das klinisch zu beobachtende, TSH-unabhängige Wachstum als auch die TSH-unabhängige Über- funktion der autonomen Adenome verursachen. Für diese TSH-unab- hängige Aktivierung kommen theo- retisch alle Glieder der cAMP-Si- gnaltransduktionskaskade, beginnend mit dem TSH-Rezeptor, in Betracht.

AKTUELL

Die zusätzliche Koppelung des TSH-Rezeptors an die Phosphatidyli- nositol 4, 5 bisphosphat- (PiP 2) Si- gnaltransduktionskaskade kommt

TSH-Rezeptor

normalerweise erst bei Stimulation des TSH-Rezeptors durch 100fach höhere TSH-Konzentrationen zu- stande, als zur Aktivierung der cAMP-Kaskade über den TSH-Re- zeptor erforderlich sind. Zudem sti- muliert eine Reihe von parakrinen und autokrinen Wachstumsfaktoren wie EGF, FGF, IGF-1, IGF-2, Insulin

und Zytokine die Proliferation von Schilddrüsenepithelzellen.

Dies geschieht in der Mehrzahl der Fälle über die Tyrosinkinase-Si- gnaltransduktionkaskade. Diese Fak- toren haben jedoch neben ihrer wachstumsstimulierenden Wirkung keine funktionell stimulierende Wir- kung auf die Schilddrüsenepithelzel- len. Zudem führen die Aktivierung der PiP2-Signaltransduktionskaskade und auch die Aktivierung der Tyros- inkinase-Signaltransduktionskaskade in Schilddrüsenepithelzellen neben der Proliferationsstimulation auch zur Dedifferenzierung der Schilddrü- senepithelzellen (5, 6).

Molekularbiologische Voruntersuchungen

Mutationen, welche ohne Akti- vierung des vorgeschalteten Rezep- tors durch seinen Liganden ein G- Protein (G alpha s) und damit die ge- samte nachgeschaltete Signaltrans- duktionskaskade des zyklischen Adenosinmonophosphates konstitu- tiv aktivieren, wurden bereits 1989 als die Ursache der Akromegalie, das heißt von wachstumshormonprodu- zierenden Hypophysenadenomen be- schrieben (12). Bei autonomen Schilddrüsenadenomen konnte je- doch nur in einer Minorität der Fälle eine derartige konstitutiv aktivieren- de Mutation eines G-Proteins gefun- den werden (14).

Daher mußte ein anderes Glied in der cAMP-Signaltransduktions- kaskade für die TSH-unabhängige Überfunktion und das TSH-unab- hängige Wachstum der Mehrzahl der autonomen Schilddrüsenadenome verantwortlich sein. Bei der weite- ren Suche war es insbesondere die folgende Beobachtung, welche die Aufmerksamkeit auf den TSH-Re- zeptor lenkte.

Die Arbeitsgruppe von R. Lew- kowitz berichtete 1991, daß die durch molekularbiologische Techniken in- duzierte Veränderung (site directed mutagenesis) einer einzigen Ami- nosäure im betaadrenergen Rezep- tor zu einer konstitutiven Aktivie- rung des Rezeptors führt (Anschal- tung des Rezeptors in Abwesenheit seines Liganden, in diesem Fall Kate-

Grafik 1 DA

A-2650 (64) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

(3)

Grafik 3 DA

Chromosom 14q31 ATG

1 327 72 75 75 75 78 69 78 189 >1412 Mut

inammumm Mut

STOP

Schematische Darstellung der Klonierung und funktionellen Charakterisierung der konstitutiv aktivierenden TSH-Rezeptormutationen. Nach Amplifizierung der TSH-Rezeptormutation aus dem Knotengewebe wird die Mutation in den normalen TSH-Rezeptor eingesetzt (kloniert), welcher sich in einem Expressionsvektor befin- det. Mittels dieses Expressionsvektors wird der mutierte TSH-Rezeptor dann in einer geeigneten Zellinie expri- miert, um das zyklische Adenosinmonophosphat und andere Parameter bestimmen zu können.

cholamine) (1). Obwohl diese im La- bor hergestellten Mutationen mit keiner Erkrankung einhergingen, war diese Beobachtung von großer grundsätzlicher Bedeutung, da der betaadrenerge Rezeptor zu einer großen Familie von ähnlichen Re- zeptoren (G-Protein-gekoppelte Re- zeptoren) gehört, welche sich durch Übereinstimmungen in ihrer Primär- struktur (Aminosäurensequenz) aus- zeichnen. Auch der TSH-Rezeptor gehört zu dieser Familie. Diese weist insbesondere im Bereich der den be- taadrenergen Rezeptor konstitutiv aktivierenden Mutationen große Übereinstimmungen in der Ami- nosäurensequenz mit dem betaad- renergen Rezeptor auf. Derartige Übereinstimmungen in der Amino- säurensequenz deuten häufig auf ei- ne ähnliche Funktion dieses Protein- abschnitts hin. Aufgrund dieser Be- obachtungen war daher der TSH-Re- zeptor ein naheliegender Kandidat für die Suche nach konstitutiv akti- vierenden Mutationen in der cAMP- Signaltransduktionskade bei autono- men Schilddrüsenadenomen.

Somatische TSH-

Rezeptormutationen als Ursache autonomer Schilddrüsenadenome

Die durch Sequenzierung des TSH-Rezeptorgens in autonomen Adenomen durchgeführte Suche nach derartigen TSH-Rezeptormuta- tionen führte zur Identifizierung von unterschiedlichen Punktmutationen (15, 17). Diese Mutationen lassen sich im Knotengewebe, jedoch nicht im umgebenden, gesunden Gewebe nachweisen (Grafik 2). Somit handelt es sich um somatische Mutationen.

Somatische Mutationen entstehen zunächst in einer Körperzelle. Für ih- re Manifestation ist eine Vermehrung (Proliferation) der veränderten Kör- perzelle erforderlich. Die veränderte Körperzelle muß hierfür durch die Mutation einen Wachstumsvorteil ge- genüber den umgebenden Zellen er- langen.

Für den Nachweis, daß diese so- matischen Mutationen tatsächlich für die Manifestation der autonomen

Schilddrüsenadenome verantwortlich sind, war die funktionelle Charakteri- sierung dieser TSH-Rezeptormuta- tionen erforderlich.

Zu diesem Zweck wurden die identifizierten Mutationen durch Po- lymerase Kettenreaktion (PCR) aus dem Knotengewebe amplifiziert.

Die veränderte Region wurde in einem Expressionsvektor, der den normalen TSH-Rezeptor enthält, ersetzt.

Dieser mutierte TSH-Rezeptor wurde dann zur funktionellen Cha- rakterisierung der Mutation in einer Zellinie exprimiert (Grafik 3).

Durch die Messung des zykli- schen Adenosinmonophosphats in der Zellkultur wurde festgestellt, daß die identifizierten Mutationen bereits in Abwesenheit von TSH zu einer er- heblichen (konstitutiven) Stimulation des TSH-Rezeptors führen. Diese konstitutive Anschaltung des TSH- Rezeptors kann sowohl die Knoten- bildung als auch die autonome Schild- drüsenhormonproduktion (Hyper- thyreose) der autonomen Schilddrü- senadenome erklären (Grafik 1). Die Stimulation von Funktion und Wachs- tum (Wachstumsvorteil) ist zudem die Voraussetzung für die Manifestation

dieser somatischen TSH-Rezeptor- mutationen. Die konstitutiven TSH- Rezeptormutationen sind somit in den identifizierten Fällen die moleku- lare Ursache der autonomen Schild- drüsenadenome.

Bisher wurde nur für die initial untersuchte kleine Gruppe von auto- nomen Schilddrüsenadenomen der gesamte transmembranäre TSH-Re- zeptorteil sequenziert, in welchem vermutlich derartige konstitutiv akti- vierende TSH-Rezeptormutationen lokalisiert sind. In dieser Gruppe von elf weitgehend untersuchten Schild- drüsenadenomen wurde mittlerweile

in neun (etwa 80 Prozent) Schilddrü- senadenomen eine konstitutiv akti- vierende TSH-Rezeptormutation ge- funden (15, 17, 18). Konstitutiv akti- vierende TSH-Rezeptormutationen sind daher wahrscheinlich für die Mehrzahl der autonomen Schilddrü- senadenome verantwortlich. Weitere Untersuchungen müssen klären, ob die Inzidenz der TSH-Rezeptormuta- tionen in autonomen Adenomen aus Jodmangelregionen und aus Regio- nen mit ausreichender Jodversorgung unterschiedlich ist und ob autonome Adenome der Schilddrüse neben den seltenen G-alpha-s-Mutationen und

(4)

6) tis iss Sf,

Grafik 5 DA

Basale und TSH stimulierte cAMP-Werte des transient exprimierten normalen und mutierten cAMP pmol/Kultur TSH-Rezeptors

1.400

pSVL

• •

1 mU TSH/ml

10 100

0,1 1.200 -

1.000

800

600

400

200 V- 0

Basale (in Abwesenheit von TSH) und durch ansteigende TSH-Konzentrationen sti- mulierte cAMP-Spiegel für drei konstitutiv aktivierende TSH-Rezeptormutationen, welche Adenosin in Position 623 durch Valin (geschlossene Dreiecke), Threonin in Position 632 durch Isoleucin (offene Vierecke) und Adenosin in Position 623 durch Isoleucin (geschlossene Vierecke) ersetzen, sowie für den normalen TSH-Rezeptor (offene Dreiecke) und den Vektor alleine (geschlossene Punkte).

MEDIZIN AKTUELL

DA

Position Substitution Erkrankung

He 486 --> Met Adenom

- Phe Adenom

Ser 505 Arg heriditär

Val 509 Ala heriditär

Asp 619 --> GIy Adenom Abo 623 --> lie Adenom

- Vol Adenom

Phe 631 Leu Adenom

Thr 632 —> lie Adenom sporadisch

Asp 633 Gly Adenom

- Tyr Adenom

Cys 672 --s• Tyr hereditär

Lokalisation von neun der zwölf bisher indentifizierten, konstitutiv aktivierenden TSH-Rezeptormutationen in einem Modell der Transmembronregion des TSH-Rezeptors den TSH-Rezeptormutationen noch

durch andere Mutationen in der cAMP-Signaltransduktionskaskade verusacht werden können. Grund- sätzlich kann davon ausgegangen werden, daß die durch Jodmangel in- duzierte Zellproliferation in Strumen die Wahrscheinlichkeit für die Entste- hung von Mutationen erhöht.

Keimbahnmutationen des TSH-Rezeptorgens als Hyperthyreoseursache

Keimbahnmutationen können vererbbare Erkrankungen verursa- chen. Anders als somatische Mutatio- nen sind sie in allen Körperzellen zu finden. Sie können vererbt werden oder aber neu entstehen (Neumutati- on). Von dominanten Keimbahnmu- tationen des TSH-Rezeptors mit ei- ner konstitutiven Aktivität sollte da- her erwartet werden, daß sie eine fa- miliäre Hyperthyreose zusammen mit einer Schilddrüsenhyperplasie oder aber im Falle einer sporadischen Mu- tation (Neumutation) eine kongenita- le Hyperthyreose mit Schilddrüsen- hyperplasie verursachen.

Durch Untersuchung von zwei großen französischen Familien mit familiären nicht autoimmunen Hyper- thyreosen konnten Keimbahnmutatio-

nen des TSH-Rezeptorgens mit kon- stitutiver Aktivität identifiziert wer- den (19). Mittlerweile wurden weitere Familien mit derartigen TSH-Rezep- tormutationen identifiziert. Nachdem für den Morbus Basedow seit langem

eine familiäre Disposition bekannt ist, wurde durch diese Ergebnisse eine autosomal dominante nicht autoim- mune Form der Hyperthyreose als neue Hyperthyreoseform identifiziert und in ihrer Pathophysiologie weitge- hend aufgeklärt. Das Manifestationsalter dieser Hyperthyreo- seform ist unter- schiedlich. Eine spo- radische Keimbahn- neumutation wurde bei einem isolierten Fall einer kongenita- len nicht autoimmu- nen Hyperthyreose mit Schilddrüsenhy- perplasie identifiziert (20). Beide Eltern des Neugeborenen wie- sen keine TSH-Re- zeptormutation auf.

Die in diesem Fall identifizierte TSH- Rezeptorneumutati- on führte zu der glei- chen Aminosäure- substitution, welche auch bei drei autono- men Adenomen be- obachtet wurde. Die Häufigkeit dieser bei- den neuen Hyperthy- reoseformen muß A-2652 (68) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

(5)

durch die Suche nach konstitutiv akti- vierenden TSH-Rezeptormutationen bei entsprechendem klinischen Ver- dacht durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

Daher sollten familiäre nicht au- toimmune Hyperthyreosen und spo- radische kongenitale Hyperthyreosen mit Schilddrüsenhyperplasie ohne eindeutigen Anhalt für eine autoim- mune Ätiologie einer molekularbio- logischen Diagnostik zur Suche nach konstitutiv aktivierenden TSH-Re- zeptormutationen zugeführt werden.

Die eindeutige molekularbiologische Diagnose erlaubt durch die Kenntnis der molekularbiologischen Ursache adäquate Therapieentscheidungen und gegebenenfalls auch eine präsym- ptomatische Diagnosestellung. So sollte geklärt werden, ob diese Hyper- thyreoseform initial besser mit einer kompletten Schilddrüsenresektion behandelt werden sollte, um die Rezi- divgefahr zu vermindern.

Funktionelle Unterschiede der konstitutiv aktivierenden TSH-Rezeptormutationen

Bisher wurden insgesamt zwölf verschiedene konstitutiv aktivierende TSH-Rezeptormutationen identifi- ziert. Alle befinden sich im sogenann- ten Transmembranbereich des TSH- Rezeptors. Dies ist der Teil des TSH- Rezeptors, welcher die Zellmembran siebenmal durchquert (Grafik 4). Be- reits die erste funktionelle Charakte- risierung der verschiedenen konstitu- tiv aktivierenden TSH-Rezeptormu- tationen zeigt ein unterschiedliches funktionelles Verhalten der verschie- denen Mutationen. Sie variieren zum Teil erheblich im Ausmaß ihrer kon- stitutiven Aktivität, und selbst unter- schiedliche Aminosäuresubstitutio- nen an der gleichen Position (623) führen zu einem unterschiedlichen funktionellen Verhalten (Grafik 5, [16]). Weitere Untersuchungen müs- sen zeigen, ob das funktionell unter- schiedliche Verhalten der verschiede- nen TSH-Rezeptormutationen den sehr unterschiedlichen klinischen Spontanverlauf der im euthyreoten Stadium diagnostizierten autonomen Schilddrüsenadenome erklären kann.

Die Diagnostik der unterschiedli-

chen konstitutiv aktivierenden TSH- Rezeptormutationen ist aus einer üb- lichen Feinnadelaspirationszytologie des Knotens möglich (19).

Konstitutiv aktivierte Re- zeptoren als neues patho- physiologisches Prinzip

Der TSH-Rezeptor ist nicht das einzige Beispiel für pathophysiolo- gisch relevante, konstitutiv aktivie- rende Mutationen in G-Protein-ge- koppelten Rezeptoren. Konstitutiv aktivierende Mutationen des LH- Rezeptors wurden als die Ursache der familiären männlichen Pubertas präcox identifiziert (25,11). Mutatio- nen im Gen des Photorezeptors Rho- dopsin verursachen Retinitis Pig- mentosa oder kongenitale Nacht- blindheit. Ein Teil dieser Rhodopsin- mutationen führt zur konstitutiven Aktivierung des Rhodopsins (20).

Konstitutiv aktivierende Mutationen des PTH-Rezeptors sind die Ursache der Chondrodysplasie Typ Jansen, einer seltenen Form von Zwerg- wuchs (24). Schließlich werden be- stimmte Fellfarben der Maus durch konstitutiv aktivierende Mutationen des MSH-Rezeptors determiniert (22). Konstitutiv aktivierende Muta- tionen in G-Protein-gekoppelten Re- zeptoren sind daher ein neues und weit verbreitetes pathophysiologi- sches Prinzip

Fazit

für die

Praxis

Nicht nur bei der immunogenen Form der Hyperthyreose (Morbus Basedow) muß bei der Famili- enanamnese an eine familiäre Dispo- sition gedacht werden. Die autoso- mal dominante nicht autoimmune Hyperthyreose ist eine neue familiä- re Hyperthyreoseform.

Ein ähnliches klinisches Bild, je- doch mit isolierter, nicht vererbter Hyperthyreose und Schilddrüsenhy- perplasie kann durch sporadische Mutationen (Neomutationen) im TSH-Rezeptorgen entstehen.

Durch molekularbiologische Techniken ist eine eindeutige Diagno- stik dieser beiden neuen Hyperthy- reoseformen möglich.

Diese Arbeit wurde durch ein Heisenberg Stipendium der Deutschen Forschungsge- meinschaft (Pa 423/2-1) gefördert.

Herrn Professor Dr. K. Mann, Sprecher der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesell- schaft für Endokrihologie, danke ich für die kri- tische Durchsicht des Manuskripts.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärzteb11995; 92: A-2648-2654 [Heft 40]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Ralf Paschke

Medizinische Klinik und Poliklinik III Universitätsklinikum Leipzig Philipp-Rosenthal-Straße 27 04103 Leipzig

Glutaraldehyd-Colitis

Gelegentlich sieht man anläßlich einer endoskopischen Untersuchung entzündliche Veränderungen, die of- fensichtlich durch den Reinigungsein- lauf hervorgerufen wurden.

Auf eine andere Möglichkeit wei- sen die Autoren aus den USA hin. Bei unzureichend durchgespülten Gerä- ten können aus den Instrumentier- kanälen geringe Mengen zweiprozen- tige Glutaraldehyd-Desinfektionslö- sung in den Darm austreten und dort zu einer akuten toxischen Schleim- hautschädigung führen.

Der makroskopische Aspekt er- innert an die ischämische Colitis.

An die Möglichkeit einer Gluta- raldehyd-Colitis sollte insbesondere dann gedacht werden, wenn inner- halb von 24 Stunden nach einer primär unauffälligen Koloskopie sich akute blutigschleimige Durchfälle einstellen.

West AB, Kuan SF, Bennick M, Lagarde S: Glutaraldehyde Colitis Following En- doscopy: Clinical and Pathological Fea- tures and Investigation of an Outbreak.

Gastroenterology 1995; 108: 1250-1255.

Departments of Pathology and Internal Medicine, Yale University, New Haven, Connecticut 06520-8023, USA

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