A3138 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4616. November 2007 TRASYLOL
Sofortiges Ruhen der Zulassung angeordnet
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat das Ruhen der Zulassung für das aprotininhaltige Arzneimittel Tra- sylol® angeordnet. Die Infusions- lösung wurde zur Verminderung des Blutverlusts bei aortokoronaren Bypass-Operationen mit extrakorpo- raler Zirkulation eingesetzt. Die Ent- scheidung des BfArM basiert auf vorläufigen Ergebnissen der vom ka- nadischen Gesundheitsministerium geförderten BART*-Studie. Die Un- tersuchung mit 3 000 Patienten hatte zum Ziel, einen Vorteil von Trasylol gegenüber Konkurrenzmitteln zu be- legen. Die Zwischenanalyse ergab zwar, dass massive Blutungen in der Trasylol-Gruppe seltener auftraten,
jedoch wurde eine erhöhte 30-Tage- Sterblichkeit der mit Aprotinin be- handelten Patienten ermittelt.
Trasylol ist in den USA bereits seit 1993, in Deutschland seit 1999 auf dem Markt. Anfang letzten Jahres kamen erste Zweifel an der Sicher- heit des Medikaments auf, nachdem eine Beobachtungsstudie mit mehr als 4 300 Patienten auf ein (im Ver- gleich zu Tranexamsäure und Ami- nokapronsäure) erhöhtes Risiko von Nierenversagen, Herzinfarkten und Schlaganfällen hinwies (Mangano et al., NEJM 2006; 354: 353–65).
Auch eine Fall-Kontroll-Studie ergab ein (im Vergleich zu Tranexam- säure) erhöhtes Risiko von Nie- renfunktionsstörungen (Transfusion 2006; 46: 327–38). Da die Aussage- kraft dieser Beobachtungsstudien begrenzt war, wurde 2006 das An- wendungsgebiet für Trasylol einge- schränkt und die Produktinforma- tion um Warnhinweise ergänzt. Die Ergebnisse der seit 2001 laufenden BART-Studie sollten für eine ab- schließende Nutzen-Schaden-Be- wertung abgewartet werden.
Der Hersteller Bayer verwies zunächst auf frühere Studienergeb- nisse, in denen die Rate schwerer re- naler Toxizitäten und kardiovasku- lärer Ereignisse unter Aprotinin nicht erhöht gewesen sei. Im September 2006 wurden dann erste Ergebnisse
einer retrospektiven Analyse von 67 000 Krankenakten bekannt, die ebenfalls darauf hinwiesen, dass Aprotinin Nierenschäden, Herzinsuf- fizienz und Schlaganfälle begüns- tigen und die Mortalität erhöhen könnte. Diese i3-Drug-Safety-Studie hatte Bayer HealthCare in Auftrag gegeben, die Ergebnisse der Food and Drug Administration bei einer Anhörung zu Trasylol allerdings vor- enthalten. Die Behörde reagierte ver- ärgert, blieb aber bei der positiven Einstufung des Medikaments. Bayer bezeichnete sein Verhalten später als
„schwerwiegende Fehleinschätzung“.
Am 7. Februar 2007 schließlich wurden die weiterführenden Ergeb- nisse der Beobachtungsstudie von Mangano et al. veröffentlicht, die für mit Trasylol behandelte Patien- ten eine erhöhte Fünfjahresmorta- litätsrate (20,8 Prozent) im Ver- gleich zu den Konkurrenzsubstan- zen (JAMA 2007; 297: 471–9) er- gab. Das Nutzen-Schaden-Verhält- nis für Aprotinin wird aus Sicht des BfArM auf der Grundlage der vor- läufigen Ergebnisse der BART-Stu- die als ungünstig bewertet. Deshalb wurde nun das Ruhen der Zulassung von Trasylol mit sofortiger Wirkung angeordnet. Über das weitere Vor- gehen soll entschieden werden, wenn die endgültigen Ergebnisse der BART-Studie vorliegen. zyl
Immunsuppression: erhöhte Teratogenität
Daten aus Registern zu Schwangerschaften nach Organtransplantation belegen konkrete Risiken für Spontanaborte, Frühgeburten, Fehl- bildungen und Entwicklungsverzögerung bei einer Basisimmunsuppression mit Mycophe- nolatmofetil (MMF, CellCept®) und Sirolimus.
Das hat Prof. Dr. med. Dianne McKay (La Jolla) bei der Jahrestagung der American Society of Nephrology in San Francisco berichtet. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat deshalb die Sicherheitshinweise für MMF verschärft. Auch in Deutschland und Europa werden die Fachin- formationen in Kürze verändert. Ein Rote-Hand- Brief wird darüber informieren. Bis dato wurde ein Teratogenitätsrisiko für CellCept von der FDA nicht ausgeschlossen (Kategorie C). Jetzt erfolgt die Eingruppierung in eine höhere Risi- kostufe (Kategorie D); das bedeutet, dass es Hinweise auf Teratogenität bei der Anwendung
am Menschen gibt. Hintergrund sind neue Daten aus dem US-amerikanischen National Transplantation Pregnancy Registry. Von 33 Schwangerschaften während MMF-Therapie kam es bei 15 zum Spontanabort (45 Prozent).
18 Kinder kamen lebend zur Welt, von ihnen hatten vier Fehlbildungen (22 Prozent), vor al- lem im Kopfbereich (Mikrotie, Lippen-Gaumen- Spalte) und an den Fingern. Ein Kind starb postpartal mit mehreren Fehlbildungen.
MMF durch Azathioprin ersetzen Zwischen 1995 und 2007 sind firmeneigene Postmarketing-Daten von 77 Frauen erhoben worden, die unter systemischer MMF-Therapie schwanger geworden sind, heißt es in der neuen Fachinformation für den US-Markt. 25 Feten gingen verloren, 14 Kinder waren fehlgebildet, davon sechs im Kopfbereich. Die Daten geben
allerdings nicht die statistische Häufigkeit von Komplikationen während der Schwangerschaft unter MMF-Therapie wieder, da sie auf freiwilli- gen Berichten basieren. Zum Vergleich: In Euro- pa gibt es dafür das Register der European Dia- lysis and Transplant Association (EDTA).
Schwangerschaften nach Organtransplanta- tion sind häufig „und bei stabiler Transplantat- funktion und unter Berücksichtigung möglicher individueller Risken für viele Frauen vertretbar“, sagte McKay, wobei MMF durch Azathioprin ersetzt und Steroide möglichst niedrig dosiert werden sollten. Für Sirolimus gebe es zwar we- niger Daten, diese wiesen aber auf ein erhöhtes Risiko für Spontanaborte hin, vermutlich durch einen gestörten Transport von Nährstoffen durch die Placenta, sodass auch diese Substanz ver- mieden werden sollte, betonte McKay.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze (BART = Blood
conservation using antifibrinolytics:
A randomised trial in a cardiac surgery population)
A K T U E L L
Foto:dpa