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Archiv "Schmerztherapie: Ein Qualitätsmerkmal für chirurgische Abteilungen" (30.01.2004)

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nter Umständen ist der Chirurg mit seiner Operation zufriedener als der Patient.“ Bezüglich des post- operativen Schmerzes beschreibt dieses 100 Jahre alte Zitat des Düsseldorfer Chirurgen Oscar Witzel heute noch klini- sche Realität. „Nach wie vor werden in zu vielen Kliniken Schmerzen nach dem Eingriff als unvermeidbar hingenom- men“, kritisierte Prof. Edmund Neu- gebauer (Universität Köln) bei einem Symposium der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) in Köln.

Als langjähriger Verfechter für ei- ne adäquate Schmerztherapie in der Chirurgie empfiehlt

er seinen Kollegen, sich ein stärkeres

„Schmerzbewusst- sein“ anzueignen, da die perioperative An- algesie auch dazu bei- trage, Folgeschäden zu verhindern. „Frisch- operierte, die unter Schmerzen leiden, ent- wickeln häufiger tie- fe Venenthrombosen, Lungenembolien und Pneumonien“, sagte Neugebauer.

Dass die postope- rative Schmerztherapie zum Qualitätssiegel für den Operateur wird, da- von ist auch der Ge- neralsekretär der Deut- schen Gesellschaft für Chirurgie, Prof. Hartwig

Bauer (Berlin), überzeugt: „Die Chir- urgen werden sich daran gewöhnen müssen, dass eine adäquate postope- rative Schmerztherapie ebenso wich- tig ist wie eine geringe Infektionsrate.“

Die Qualität der Schmerztherapie nach klar definierten Konzepten werde si- cherlich in die vergleichende Bewer- tung von Krankenhäusern im Rahmen von Zertifizierungsverfahren einbezo- gen werden.

Trotz vorhandener Defizite verzeich- net die gemeinsam von Chirurgen und Anästhesisten vor Jahren begonnene Qualitätsoffensive erste Erfolge: „Im- mer häufiger findet man in Krankenhäu- sern geschulte Akutschmerz-Teams, die – mit ganz unterschiedlichen Organisati- onsstrukturen – interdisziplinär zusam- menarbeiten. Zwei Dritteln aller Frisch- operierten wird inzwischen eine patien- tenkontrollierte Analge- sie angeboten“, erläuter- te Neugebauer.

„Große Sorge berei- ten uns heute Entwick- lungen, die außerhalb unseres Kompetenzbe- reiches liegen“, betonte Bauer. Der für eine sy- stematisierte Schmerz- therapie erforderliche Sach- und Personalko- stenaufwand finde in den Kalkulationen für das neue pauschalierte Entgeltsystem (DRG) zu wenig Berücksichti- gung. Ein drängendes Problem sei die hohe Arbeitsverdichtung für Ärzte und Pflegeper- sonal mit medizinfrem- den Aufgaben. „Die Folge ist, dass immer weniger Zeit bleibt für individuelle Zuwendung und das einfühlsame Ge- spräch, das für eine effektive Schmerz- therapie Frischoperierter unverzichtbar ist“, sagte Bauer.

Einen weiteren Grund für die Defizi- te in der Akutschmerztherapie sehen die Schmerztherapeuten in der mangel- haften Aus- und Weiterbildung von Ärzten. „Es hängt vom Engagement der einzelnen Universität ab, ob Studieren- de während ihres Medizinstudiums zu- mindest etwas über die Grundbegriffe der Schmerztherapie hören – garantiert ist das nicht, denn auch in der gerade verabschiedeten neuen Approbations- ordnung ist die Schmerztherapie nicht vertreten“, monierte DGSS-Präsident Prof. Michael Zenz (Ruhr-Universität Bochum).

Nicht viel besser sehe es bei der Facharztausbildung aus: „Während die Zahl der zu absolvierenden Opera- tionen genau festgelegt ist, werden – wenn überhaupt – in den Weiterbil- dungsordnungen nur Grundkenntnis- se der Schmerztherapie verlangt. „Im- mer noch ist es möglich, dass Ärzte nach einer fünfjährigen Facharztaus- bildung nicht einmal die Grundlagen der allgemeinen Schmerztherapie – also der Behandlung einfacher Schmerz- syndrome ihres Fachs – beherrschen“, so Zenz.

Perioperative Analgesie ist die Basis der „fast-track“-Chirurgie

Um derartige Defizite auszugleichen, beschreitet die DGSS neue Wege. Ihre Arbeitsgruppe „Akutschmerz“ hat ein 20-stündiges Curriculum entwickelt, um zunächst Chirurgen, später auch Ärzte anderer Fachrichtungen, in die wichtig- sten Aspekte der akuten Schmerzthera- pie einzuführen. Dieses Curriculum soll als eigene Veranstaltung, aber auch kon- gressbegleitend und flächendeckend in Deutschland angeboten werden.

M E D I Z I N R E P O R T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004 AA231

Schmerztherapie

Ein Qualitätsmerkmal für chirurgische Abteilungen

Defizite in der Akutschmerztherapie sind auch in der

mangelhaften Aus- und Weiterbildung von Ärzten begründet.

Auf 155 Seiten finden Chirurgen

„geballte“ Informationen rund um die perioperative Schmerz- therapie und ihre Organisation in einem Curriculum, das im UNI- MED-Verlag erschienen ist.

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Besondere Bedeutung kommt der pe- rioperativen Schmerzbekämpfung bei einer – für Deutschland – neuen Ent- wicklung bei abdominal-chirurgischen Eingriffen zu. Die Eckpfeiler dieses in Dänemark bereits seit Jahren etablier- ten „fast-track“-Konzeptes sind:

1. Die kombinierte rückenmarksna- he Schmerztherapie durch einen Peri- duralkatheter (Opioid-Lokalanästheti- ka-Mischung) während der Operation,

2. die forcierte Mobilisation der Pa- tienten bereits am Operationstag,

3. ein rascher postoperativer Kostauf- bau sowie

4. schmerzarme Zugangswege zum Operationsgebiet und eine möglichst opioidfreie systemische Analgesie.

„Dies ist ein grundlegender Wandel unserer bisherigen Vorgehensweise.Tra- ditionsgemäß sieht die perioperative Betreuung nach Koloneingriffen vor, dass zur Schmerzlinderung systemisch Opioide verabreicht werden; flüssige Nahrung gibt es ab dem zweiten Tag nach dem Eingriff, feste erst ab dem vierten Tag“, erläuterte Prof. Joachim Müller (Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie, Charité Berlin). Dennoch sei die Rate an Kom- plikationen – wie Pneumonie durch schmerzbedingt flache Atmung oder Harnwegsinfekte durch Katheter und Bewegungsmangel – mit mehr als 20 Prozent unverändert hoch. Dies wirkt sich auch auf die Verweildauer aus:

Durchschnittlich bleiben die Patienten zwischen zehn und 15 Tagen im Kran- kenhaus. „Da die Ursachen einer verzö- gerten Rekonvaleszenz nach Bauchope- rationen vielfältig sind, führt nur ein multimodales Therapiekonzept zu einer deutlichen Verbesserung des postopera- tiven Verlaufs“, betonte Müller.

Bei der „fast-track“-Kolonchirurgie beginnt dies präoperativ mit dem An- legen einer thorakalen Periduralan- ästhesie (tPDA), die nach Angaben von Müller die effektivste Form der Schmerztherapie nach abdominal-chir- urgischen Eingriffen darstellt: Neben ihrer analgetischen Wirkung verhindert sie die Entstehung sympathischer Re- flexe auf das Operationstrauma, modi- fiziert die hormonelle Stressantwort und erhält die Funktionen des Darmes aufrecht. „Mit der tPDA und ergänzen- der systemischer Analgesie mit Coxi- ben können die Patienten bereits am Abend der Operation schmerzfrei auf dem Stationsflur laufen und im Stuhl sitzen“, berichtete Müller. Auch norma- le Nahrung werde unter dem Schutz der Periduralanästhesie bereits am ersten postoperativen Tag vertragen. Nach zwei Tagen ist der Wundschmerz so weit ab- geklungen, dass der Periduralkatheter entfernt werden kann.

„Systemische Opioidgaben sind un- ter diesem Konzept zur Ausnahme ge- worden, sodass sich die Patienten we- sentlich schneller erholen“, resümiert Müller den Verlauf von 74 Patienten, die an der Charité nach dem „fast- track“-Konzept operiert worden sind.

Ihr Durchschnittsalter lag bei 67 Jah- ren, wobei der älteste Patient 87 Jahre alt war. Allgemeine Komplikationen traten nur in einem Fall auf, sodass die Patienten im Mittel am vierten postope- rativen Tag entlassen werden konnten.

Parallel zur klinischen Ausweitung der „fast-track“-Kolonchirurgie wur- den klinische Studien zur Cholezystek- tomie, Behandlung der Refluxerkran- kung, Appendektomie und Anus-prae- ter-Rückverlagerung initiiert. ,,Fast- track“-Konzepte für komplexe bauch- chirurgische Operationen wie Entfer- nungen des Magens, von Teilen der Bauchspeicheldrüse oder der Speise- röhre sowie Operationen an der Lunge oder an großen Blutgefäßen werden der- zeit erarbeitet. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn M E D I Z I N R E P O R T

A

A232 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004

Pilotprojekt „Schmerzfreies Krankenhaus“

Während die Schmerztherapie in der Geburtshilfe flächendeckend einen ho- hen Standard hat, bestehen nach wie vor deutliche Defizite in der postoperati- ven Schmerztherapie, in der Palliativmedizin, bei Tumorschmerzen und bei der Schmerzbehandlung von Kindern. In diesen Bereichen ließe sich nach Aussage von Prof. Dr. Christoph Maier (Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum) in 80 bis 90 Prozent der Fälle ebenfalls eine gute Analgesie erzielen. „Das Wis- sen ist verfügbar, aber es wird nicht umgesetzt“, erklärte Maier bei einer Fort- bildungsveranstaltung in Düsseldorf. Zwar sei in den letzten Jahren eine deut- liche Bewusstseinsänderung bei Ärzten und Pflegenden über die Notwendig- keit einer adäquaten Analgesie zu beobachten. Zeitmangel und unzureichende Organisationsstrukturen hätten dennoch zur Folge, dass viele Patienten im Krankenhaus unnötigerweise unter Schmerzen leiden.

„Dabei braucht man keineswegs Hightechmedizin, um Schmerzen zu lindern“, erläuterte Maier. Wichtig sei eine gute Information des Patienten sowie regelmäßige Schmerzmessung und -dokumentation. Speziell in der postoperativen Situation lasse sich allein durch veränderte Organisations- strukturen in aller Regel Schmerzfreiheit realisieren. Neben einer Basisanalge- sie empfiehlt Maier, für den Patienten Interventionsgrenzen festzulegen, bei deren Überschreiten fortgeschrittene Techniken der Schmerztherapie zum Einsatz kommen.

In Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Klini- sche Medizin und der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes hat die Firma Mundipharma das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ initiiert. In diesem Projekt wird in den teilnehmenden Kliniken (Voraussetzung: 400 bis 1 000 Betten und Zustimmung der Betriebsleitung) zunächst der aktuelle Stand der Schmerztherapie erfasst. Nach der Ist-Analyse stellt ein Experten- team Änderungsvorschläge für die Klinik zusammen mit dem Ziel, die Schmerztherapie mit möglichst wenig Aufwand und Kosten zu optimieren. In drei bis sechs Monaten sollen die notwendigen Schritte umgesetzt werden.

Gelingt dies, so erhält die Klinik ein entsprechendes Qualitätszertifikat. Das Pilotprojekt ist auf fünf Kliniken begrenzt. Auf Basis der erhobenen Daten soll eine Entwicklung zum „Schmerzfreien Krankenhaus“ mit entsprechender Zer- tifizierung flächendeckend angeboten werden , die den beteiligten Kliniken als

„Aushängeschild“ dienen können. Christine Vetter

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