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Archiv "Jodversorgung in Deutschland: Probleme und erforderliche Maßnahmen - Update 2002" (27.09.2002)

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(1)

J

odmangel ist ein weltweites Problem.

Das „International Council for Con- trol of Iodine Deficiency Disorders (ICCIDD)“ teilte 1999 mit, dass in 130 von den 191 Staaten der Erde Jodmangel nachgewiesen ist. In 105 Ländern gibt es Jodkommissionen und in 98 Ländern be- stehen gesetzliche Rahmenbedingungen für die Anwendung von Jodsalz. Pionier- leistungen wurden in der Schweiz (1922/24), in den USA (1923), in Schwe- den (1930), Finnland und Österreich (1948) sowie der ehemaligen Tschecho- slowakei (1949) geleistet (24). Deutsch- land hatte den Anschluss verpasst.

Deutschland ist ein Jodmangelland, das Strumavorkommen ist endemisch (8, 11, 17, 20, 22, 24) (Tabelle 1). Prophy- laktische Maßnahmen sind zwingend erforderlich.

Die Jodausscheidung im Urin reflek- tiert gut die Jodversorgung. Die Jodurie wird in µg/g Kreatinin oder in µg/dL an- gegeben (24, 32). Liegt der Medianwert der renalen Jodexkretion in einer Bevöl- kerungsgruppe bei 100 µg/g Kreatinin, so liegt kein Jodmangel vor. Werte von 50

bis 100 µg/g Kreatinin entsprechen einem Jodmangel Grad I, 25 bis 50 µg/g Kreati- nin einem Jodmangel Grad II und Werte

< 25 µg/g Kreatinin einem Jodmangel Grad III (24). Für epidemiologische Untersuchungen kann auch die Jodkon- zentration im Urin ausreichende Aus- sagen liefern (32).Bei einem Medianwert von 10,0 bis 20,0 µg/dL liegt eine nor- male Jodversorgung vor. Dabei muss aber gleichzeitig auf die Verteilung der Werte geachtet werden.In 50 Prozent der Urinproben muss die Jodkonzentration 10,0 µg/dL und in 80 Prozent 5,0 µg/dL betragen. Ein milder Jodmangel liegt bei Werten von 5,0 bis 9,9 µg/dL, ein moderater bei 2,0 bis 4,9 µg/dL und ein schwerer Jodmangel bei einer medianen Konzentration von < 2,0 µg/dL vor (24, 32). Die vergrößerte Schilddrüse wird

durch den Tastbefund oder durch eine so- nographische Volumenbestimmung be- legt. Die maximale Größe bei Frauen ist 18 mL, bei Männern 25 mL. Kinder ha- ben altersabhängige Grenzwerte (33).

Die Schweregrade einer Strumaendemie ergeben sich aus der Häufigkeit von Stru- men und werden nach Empfehlungen der WHO bei 6- bis 12-jährigen Kindern ermittelt (24, 32). Findet sich in weniger als 5 Prozent eine vergrößerte Schilddrü- se, dann spricht das für eine ausreichende Jodversorgung. Bei einer Strumapräva- lenz von 5,0 bis 19,9 Prozent liegt eine milde, bei 20,0 bis 29,9 Prozent eine mo- derate und bei einer Strumahäufigkeit von > 30 Prozent eine schwere Struma- endemie vor (20, 24, 32).

Was wurde veranlasst?

In Deutschland wurden erst seit An- fang der 80er-Jahre prophylaktische Maßnahmen schrittweise eingeleitet.

Die eingeschlagenen Wege waren zu- nächst in Ostdeutschland und in West-

Jodversorgung in Deutschland

Probleme und erforderliche Maßnahmen: Update 2002

Zusammenfassung

Deutschland ist ein Jodmangelland, die Struma ist endemisch. Propylaktische Maßnahmen wurden aber erst seit den 80er-Jahren schritt- weise eingeführt. Das Jodsalz enthält 20 mg Jod (32 mg Kaliumjodat) pro kg Salz. Mit 5 g Jodsalz können 100 µg Jod zugeführt werden.

Diese Menge Jodsalz muss in die Gesamtnah- rung eingebracht werden. Im Dezember 1993 wurden neue Vorschriften über die Verwen- dung von Jodsalz (so genannte „2. Verord- nung“) wirksam. Die damit verbundene Locke- rung der Deklarationspflicht trug wesentlich dazu bei, dass die Verwendung von Jodsalz be- sonders bei der Nahrungsmittelherstellung deutlich gestiegen ist. Die Verbesserung der Jodversorgung ist an einem deutlichen Anstieg der renalen Jodexkretion erkennbar. Etwa 70 Prozent der Probanden zeigen eine normale Jodversorgung, und 30 Prozent weisen noch ei- nen milden bis moderaten Jodmangel auf. Die verbesserte Jodzufuhr bewirkte einen deutli- chen Rückgang der Prävalenz vergrößerter

Schilddrüsen bei Kindern und Jugendlichen.

Regional entsprechen die Schilddrüsenvolu- men den von der WHO angegebenen Norm- werten. Damit ist der Jodmangel in Deutsch- land weitgehend überwunden, die Optimal- werte sind aber noch nicht erreicht. Insbeson- dere in der Pubertät, Schwangerschaft und Stillperiode sind noch zusätzliche prophylakti- sche Jodgaben erforderlich. Zurzeit kommt es darauf an, die Jodversorgung zu optimieren und zu stabilisieren. Ein bundesweites Jodmo- nitoring entsprechend den Empfehlungen der WHO ist erforderlich.

Schlüsselwörter: Jodmangel, Strumaprophyla- xe, Jodsalz, Jodversorgung, Prophylaxe

Summary

Iodine Supply in Germany. Problems and Required Measures: Update 2002

Germany is a region of iodine deficiency where goitre is endemic. Prophylactic measures have

been gradually introduced since the beginning of the 1980s. Iodized salt contains 32 mg KIO3/kg salt (20 mg iodine/kg = 100 µg/5 g salt). Especially the „second decree“ (1993) has brought about significant progress in the use of iodized salt. The iodine intake in Germany has markedly increased over the last years.

However, the studies presented have mostly only a regional character and do not stand up to epidemiological criteria. Prospective studies oriented according to the recommendations of WHO, UNICEF and ICCIDD are required. The higher iodine consumption coincides with a decrease of the prevalence of enlarged thyroids in adolescents. The threshold of adequate supply has in part been reached. The renal iodine excretion is within the normal range in about 70 per cent of the population.

Risk groups for iodine deficiency are pregnant women, breast feeding mothers and to some degree adolescents.

Key words: iodine deficiency, goitre prophyla- xis, iodized salt, iodine supply, prophylaxis

1Endokrinologische Abteilung (Leiter: Prof. Dr. med. Wie- land Meng), Klinik für Innere Medizin, Ernst-Moritz- Arndt-Universität Greifswald

2Medizinische Klinik (Kommissarischer Direktor: Prof.

Dr. med. Detlef Schlöndorff) der Universität München- Innenstadt

Wieland Meng

1

Peter C. Scriba

2

(2)

deutschland unterschiedlich (17, 18, 20, 22). In den neuen Bundesländern wurde 1983 die generelle Jodpro- phylaxe (Jodsalz; jodhaltige Mineral- stoffmischungen bei Nutztieren seit 1986) eingeführt. Die interdisziplinä- ren Maßnahmen waren wirksam, hat- ten aber bis 1989 nicht zu einer Besei- tigung des Jodmangels geführt. Der Effekt ging nach der Wiedervereini- gung zunächst verloren (17, 18) (Text- kasten 1).

Das zur Verfügung stehende Jodsalz enthält 32 mg Kaliumjodat/kg. Das entspricht 20 mg Jod pro kg Salz. Da- mit werden mit 5 g Salz 100 µg Jod zu- geführt. Das Jodsalz soll nicht durch

„Zusalzen“ zusätzlich aufgenommen werden und nicht zu einer erhöhten Kochsalzaufnahme führen, sondern die 5 g Jodsalz pro Tag sollen in der Gesamtnahrung enthalten sein. Die Jodsalzprophylaxe erfordert Kontroll- maßnahmen. Kriterien für eine ausrei- chende Jodversorgung wurden von der WHO festgelegt (24, 32, 33) (Ta- belle 2).

Resultate der

prophylaktischen Maßnahmen

Im Jahr 2001 betrug der Jodsalzanteil am Paketsalz 73,8 Prozent, 50,7 Prozent davon war Jodsalz mit Fluorid (Grafik 1). Der Anteil von Jodsalz bei Groß- gebinden (mit Pökelsalz) betrug 35,6 Prozent. Der Anstieg war seit 1994 als Folge der so genannten „zweiten Ver- ordnung“ zügig. Leider stagniert diese Entwicklung seit 1996. Die Akzeptanz von Jodsalz in Haushalten beträgt zur- zeit etwa 80 Prozent. 70 bis 75 Prozent der Bäcker und Metzger verwenden Jodsalz, aber der Einsatz von Jodsalz in der Nahrungsmittelindustrie beläuft sich nur auf etwa 40 Prozent. In der Gemeinschaftsverpflegung wird Jod- salz in etwa 80 Prozent der Einrichtun- gen verwendet und die Gastronomie nutzt in 65 bis 70 Prozent Jodsalz. Die hohe Akzeptanz bei Bäckern und Metzgern ist von großer praktischer Bedeutung, da allein 30 bis 40 Prozent des täglichen Jodbedarfs über den Ver- zehr von Backwaren gedeckt werden

kann, wenn diese mit Jodsalz herge- stellt worden sind (1, 15, 19–22).

Der Jodgehalt von Nahrungsmitteln stieg durch die Verwendung von Jod- salz deutlich an (1, 4, 5). Auch die Kuh- milch kann zur Verbesserung der Jod- versorgung beitragen. Der Jodgehalt liegt bei etwa 100 bis 130 µg/L (1, 19, 20).

Monitoring

Das bundesweite Jodmonitoring im Auftrag des BMG (6, 15, 16) ergab 1996 bei Rekruten eine Jodkonzentra- tion im Urin von 8,3 µg/dL und bei Se- Tabelle 1C´

Übersicht über Prävalenz vergrößerter Schilddrüsen, Jodurie, Jodkonzentration in der Muttermilch und Rückrufraten im TSH-Hypothyreose-Screening vor Einführung prophylaktischer Maßnahmen in Deutschland*1

Erstautor Kropfprävalenz Jodurie

(%) (µg/g Kreatinin)

Rekruten Horster 1975 15 –

Meng 1978/81 12 28

Erwachsene Habermann 1975 – 27

Bauch 1982 34 (m)–59 (w) 25

Schwangere Krabbe 1985 – 35,5/22,3*2

Bauch 1986 60 23,6/14,4*2

Kinder und Habermann 1975 53 25

Jugendliche Hesse 1978 47 14

Gutekunst 1985 30–86 68,1

Neugeborene Martius 1961; Teller 1975 3–9 (max. 21) –

Kellner 1981 6–12 (max. 24) –

Heidemann 1984 – 12–29 µg/L

Hesse 1988 – 10,6 µg/L

Muttermilch Anke 1985, Hesse 1985 18–25 µg/L

Rückrufrate Streckenbach et al. 1985 0,3–0,7*3

*1Modifiziert nach Meng W, Schindler A: Epidemiologie und Prophylaxe des Jodmangels in Deutschland. In: Reiners Chr, Weinheimer B, eds.: Jod und Schilddrüse. Berlin, New York: de Gruyter 1998; 8–21.

*21. Trimester/2. Trimester

*3Prävalenz erhöhter TSH-Werte am 5. Tag postpartal m = Männer, w = Frauen

Wichtige Maßnahmen in den

alten Bundesländern und im vereinigten Deutschland (2, 19–24):

>1981 Neufassung der Diätverordnung – Warnhinweis „nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel“ entfällt.

– 20 mg Jod/kg Salz, Wechsel vom Kaliumjodid zum stabileren Kaliumjodat (32 mg/kg), Jodsalz nur als Paketware, Freiwilligkeitsprinzip

>1984 Gründung des Arbeitskreises Jodmangel

>1989 Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz (BGB Teil I, Nr.28, vom 19.6.1989)

– Jodsalz wird aus der Diätverordnung in die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung überführt – Jodsalz kann in Großküchen und zur Lebens- mittelherstellung eingesetzt werden (Deklarie- rungspflicht, Freiwilligkeit)

>1990/91 Anreicherung der Säuglingsnahrung mit Kaliumjodat (60 µg/L)

>1991 Jodiertes Nitritpökelsalz wird erlaubt (BGB Teil I, Nr.63, vom 29.11.1991)

>1993 Zweite Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz (BGB Teil I, Nr.68, vom 22.12.1993)

– bei lose verkauften Lebensmitteln sowie in Gemeinschaftsverpflegungen ist eine Deklarie- rung nicht mehr notwendig, freiwillige Anga- ben sind erlaubt

– bei abgepackten Lebensmitteln reicht ein Hinweis im Zutatenverzeichnis aus – neben dem Begriff „jodiertes Salz“ kann auch der Begriff „Jodsalz“ verwendet werden

>1996 Im Zutatenverzeichnis reicht „jodiertes Speisesalz“ oder „jodiertes Nitritpökelsalz“, die zusätzliche Angabe des Zusatzstoffes Kali- um kann entfallen (BGB Teil I, Nr.15, vom 19.3.1996)

>1996 Einführung des „Jodsiegels“ (Gütesiegel)

>1996 Erstes bundesweites Jodmonitoring des BMG

Textkasten 1

(3)

nioren von 9,4 µg/dL. Die Jodurie bei Neugeborenen war mit 5,6 µg/dL sehr niedrig und auch stillende Mütter wie- sen mit 74 µg eine täglich Jodausschei- dung auf, die noch deutlich unter den geforderten Zielwerten lag. Anke et al. konnten in Thüringen 1995/96 bei Schwangeren und Stillenden eine täg- liche Jodzufuhr von 146 bis 160 µg er- mitteln und der Jodgehalt der Mutter- milch stieg auf etwa 95 µg Jod/L (Ziel- bereich >50 µg/L). Das kalkulierte De- fizit lag somit in der Schwangerschaft und Stillperiode noch bei etwa 100 µg/Tag (1). In Berlin fand sich bei Neu- geborenen ein Anstieg der Jodurie von 3,6 bis 4,4 µg/dL 1991/93 auf 7,3 µg/dL 2001 (2, 11). In Göttingen lagen die Werte 1998 allerdings nur bei 4,3 µg/dL (28). Die Daten sprechen dafür, dass die Jodversorgung während der Schwangerschaft und Stillperiode noch unzureichend ist.

Studien aus verschiedenen Regio- nen bestätigen aber, dass sich die Jod- versorgung verbessert hat und zum Teil ein Jodmangel nicht mehr nachge- wiesen werden kann (Medianwerte).

Die Studien tragen allerdings über- wiegend regionalen Charakter und spiegeln nur begrenzt die Jodversor- gung in Deutschland wider. Untersu- chungen in Mecklenburg-Vorpom- mern und Thüringen („Greifswalder Studie“) (21, 24, 29) (Grafik 2) zeigten bei 11- bis 17-jährigen Schülern einen Anstieg der Jodurie (Medianwerte) von 60,1 µg/g Kreatinin 1994 auf 105,5 µg/g Kreatinin 1998 und 122 µg/g

Kreatinin 2000 beziehungsweise der Jodkonzentration im Urin von 6,0 µg/dL auf 9,9 µg/dL und 12,0 µg/dL.

Bei 65,0 Prozent der Probanden lag die renale Jodausscheidung im Norm- bereich. 25,5 Prozent der Jodwerte la- gen im Bereich eines milden und 9,0 Prozent im Bereich eines moderaten Jodmangels und nur bei 0,5 Prozent fand sich ein schwerer Jodmangel (20, 21, 24, 29) (Tabelle 2).

Franke et al. fanden in Sachsen (Unteruchungszeitraum 1996) 97,1 µg/g Kreatinin (Frauen) beziehungs- weise 117,0 µg/g Kreatinin (Männer), Liesenkötter et al. in Berlin (1996) 116 µg/g Kreatinin, Zabransky et al. im Saarland (1997) 123,8 µg/g Kreatinin, Willgerodt in Leipzig (1998) 126,9 µg/g Kreatinin beziehungsweise 12,7 µg/dL, Jahreis et al. in Jena (1998) 90 µg/g Kreatinin und Rendl et al. in Würzburg (1998) 20,0 µg/dL. Hampel et al. führten eine bundesweite Studie durch und konnten im Untersuchungs- zeitraum 1999 eine mediane Jodurie von 14,8 µg/dL feststellen. 73 Prozent der Urinproben wiesen Jodkonzentra- tionen von 10,0 µg/dL auf. 20 Pro- zent der Proben lagen im Bereich ei- nes milden, 6 Prozent im Bereich eines moderaten und 1 Prozent im Bereich eines schweren Jodmangels (10).

An der deutlichen Verbesserung der Jodversorgung besteht kein Zwei- fel. Der Optimalbereich der Jodver- sorgung wird jedoch nicht in allen Re- gionen erreicht. Man kann aber kon- statieren, dass bei etwa 70 Prozent der

Bevölkerung eine ausreichende Jod- versorgung besteht, dass allerdings bei etwa 30 Prozent noch ein milder bis moderater Jodmangel vorliegt.

Als ein frühes Resultat der Jodpro- phylaxe konnte die Reduktion der Schilddrüsenvolumen bei Neugebore- nen beobachtet werden. Der Jodman- gelkropf Neugeborener und die damit oft verbundene transitorische Hypo- thyreose sind sehr selten geworden (3, 11, 17, 20, 22). Zu dieser Entwicklung hat allerdings auch die prophylakti- sche Verordnung von Jodtabletten während der Schwangerschaft beige- tragen. Die Schilddrüsenvolumen von Neugeborenen (Zielwert 1 mL) san- ken in Sachsen auf 0,9 mL und in Ber- lin auf 1,18 mL (3, 11, 21, 22).

Die sonographische Bestimmung des Schilddrüsenvolumens bei 11- bis 17-jährigen Schülern („Greifswalder Studie“) (24, 29) (Grafik 3) ergab ei- nen Rückgang der Kropfprävalenz von 36 Prozent im Jahre 1992 auf 9 Prozent im Jahre 2000. Bei 7- bis 10- Jährigen fand sich 2000 nur noch in 4,0 Prozent eine Schilddrüsenvergröße- rung. Das spricht für eine normale Jodversorgung in dieser Altersgruppe (Tabelle 2). Die Medianwerte der Schilddrüsenvolumen lagen bei 7- bis 13-jährigen Schülern im Normbereich und überschreiten erst ab dem 14. Le- bensjahr die Richtgrenzen. Das belegt die verbesserte Jodversorgung, die aber in der Pubertät oft noch nicht ausreichend ist, um einen Kropf zu verhindern. Ähnliche Daten wurden Tabelle 2C´

Kriterien für eine effiziente Jodversorgung*1

Indikator Zielgruppe

Jodsalz Haushalte > 90 % Kropf-Grad > 0 Schüler < 5%

6–12 Jahre SD-Volumen Schüler < 5 % (> 97. Perzentile) 6–12 Jahre

Jodurie Schüler >_ 10 µg/dL (Median) > 50 % >_ 10 µg/dL

> 80 % >_ 5 µg/dL TSH > 5,0 mU/L Neugeborene < 3 %

*1WHO/UNICEF, ICCIDD 1993/94 (32)

Grafik 1

Jodsalz: Anteilsentwicklung 1975 bis 2001 (Arbeitskreis Jodmangel: www.jodmangel.de.)

(4)

von den Arbeitsgruppen Liesenkötter et al. aus Berlin, Hampel et al. aus Mecklenburg-Vorpommern, Willgerodt et al. aus Leipzig und Rendl et al. aus Würzburg mitgeteilt. In diesen Stu- dien erreichen die Schilddrüsenvolu- men die von der WHO empfohlenen Normwerte beziehungsweise lagen so- gar zum Teil unterhalb der für das je- weilige Lebensalter angegebenen Al- tersnorm (33). Neben der kritischen Interpretation der regional erhobe- nen Daten müssen allerdings

auch Zweifel an der Richtig- keit der von der WHO ange- gebenen Referenzvolumina geäußert werden. Von ver- schiedenen Autoren werden sie als zu hoch eingeschätzt (24, 27).

Was kann man

individuell gegen den Jodmangel tun?

Der Jodbedarf ist vom Le- bensalter abhängig (www.jod- mangel.de). Das aktuelle De- fizit zum Jodoptimum liegt noch zwischen 50 und 100 µg/Tag. Ein Jodmangel ist nur bei gesundheitsbewusster Ernährung vermeidbar (Text-

kasten 2). In der Schwangerschaft und Stillperiode ist eine ausreichende Jod- versorgung ohne die zusätzliche Gabe von Jodtabletten nicht sicher zu errei- chen (Standard: 100 µg Jod/Tag, gege- benenfalls 200 µg Jod/Tag) (1, 2, 6, 24, 28, 31). Die Jodgabe bei Kindern und besonders in der Pubertät sollte früh- zeitig, jedoch bei einem Kropf erst nach Ausschluss einer Autoimmunthyreoidi- tis erfolgen, da durch die deutlich rück- läufige Strumaprävalenz bei Kindern

und Jugendlichen mit einer Demaskie- rung von Strumen auf dem Boden einer Autoimmunthyreoiditis gerechnet wer- den muss (23, 24).

Die Zufuhr physiologischer Jod- mengen bringt kein Gesundheitsrisiko mit sich (4, 5, 24, 25, 30). Auch Patien- ten mit einer latenten oder manifesten Hyperthyreose müssen den Verzehr von Jodsalz nicht meiden. Die Schild- drüsenüberfunktion muss nach den geltenden Regeln behandelt werden, aber nicht durch Jodrestriktion, denn diese Behandlung ist pathophysio- logisch in keiner Weise sinnvoll und natürlich auch nicht wirksam. Ver- schiedene Studien zeigten, dass zur Prophylaxe und Therapie eingesetzte Jodmengen bis 200 µg/Tag keine rele- vanten Autoimmunreaktionen bewir- ken. Die Verwendung von Jodsalz ist auch in Familien mit einem gehäuf- ten Auftreten von Autoimmunerkran- kungen der Schilddrüse unbedenklich (23, 24).

Aktuelle Probleme

Eine stabile und regional gleichmäßi- ge Jodversorgung ist erst garantiert, wenn die Lebensmittelindustrie in ei- nem höheren Maße als bisher Jodsalz verwendet. Ursachen einer noch unzu- reichenden Verwendung sind unter anderem die unterschiedlichen recht- lichen Voraussetzungen für den Ein- satz von Jodsalz in den einzelnen Län- dern der Europäischen Union (EU).

Dies führt zu erheblichen Handelshin- dernissen.

Das veranlasst besonders Großbe- triebe, auf den Einsatz von Jodsalz zu verzichten. Hier liegt ein Hauptgrund für die Stagnation des Absatzes von Jodsalz in Großgebinden. Um zu ei- nem breiteren Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelindustrie und der Gemeinschaftsverpflegung zu kom- men, ist deshalb zu fordern, dass einheitliche Verordnungen zur Jod- salzverwendung auf EU-Ebene ge- schaffen werden, die Jodsalz und mit Jodsalz hergestellte Lebensmittel in allen EU-Ländern uneingeschränkt handelsfähig machen und bisherige Handelshemmnisse beseitigen. Dazu gehört auch die Zulassung von Jod- '91/92

(n = 744) '95/96

(n = 982) '98

(n = 760) '00 (n = 386)Jahr Grafik 3

„Greifswalder Studie“: Häufigkeit vergrößerter Schild- drüsen bei 11- bis 17-jährigen Schülern 1991 bis 2000 sowie bei 6- bis 10-jährigen 1998 und 2000.(Aus Meng W: Schilddrüsenerkrankungen. München, Jena: Urban

& Fischer, 4. Auflage 2002; mit freundlicher Genehmi- gung)

Grafik 2

„Greifswalder Studie“: Renale Jodausscheidung in Mecklenburg-Vorpommern 1978 bis 2000 (24). Die Jodurie stieg unter der Prophylaxe in der ehemaligen DDR von 1983 bis 1989 an und fiel nach dem Erliegen der Maßnahmen zunächst wieder ab. Besonders nach der so genann- ten „2. Verordnung“ kam es zu einem deutlichen Anstieg der Jodurie. (Aus Meng W: Schild- drüsenerkrankungen, München, Jena: Urban & Fischer, 4. Auflage 2002; mit freundlicher Ge- nehmigung)

(5)

salz als Kaliumjodid und Kaliumjodat in allen Ländern der Europäischen Union.

Ein weiteres aktuelles Problem be- steht darin, dass durch die Begrenzung der Arzneimittelausgaben durch die Krankenkassen die Versorgung der Schwangeren und Stillenden mit Jod- tabletten deutlich zurückgegangen ist.

Deshalb sollten rechtliche Grundla- gen im Rahmen der Schwangerenbe- treuung geschaffen werden, die Vorsor- gemaßnahmen zur Deckung des erhöh- ten Jodbedarfs während der Schwan- gerschaft und Stillzeit vorsehen. Zur- zeit müssen wir an die Schwangeren und Stillenden appellieren, sich Jod- tabletten auf eigene Kosten zu beschaf- fen.

Was bleibt zu tun?

Das Freiwilligkeitsprinzip erfordert kontinuierliche Aktivitäten und eine ständige Verbraucheraufklärung. Nach- lassen der Aktivitäten bedeutet Still- stand und birgt die Gefahr des Rück- falls in die Mangelversorgung. Die Er- fahrungen in der ehemaligen Deut- schen Demokratischen Republik nach der Wiedervereinigung (17, 18) und in den ehemals gut beziehungsweise über- versorgten Regionen Australiens (Syd- ney, Tasmanien: aktuell besteht wie- der Jodmangel) und den Vereinigten Staaten (drastischer Rückgang der Jod- urie von 32,0 µg/dL 1971/74 auf 14,5 µg/dL 1988/94) stehen dafür exempla- risch als Warnung (12, 24). Wesentliche Maßnahmen und Aufgabenbereiche sind:

>Stabilisierung und weiterer Ausbau der Jodsalzverwendung. Die breite Ein- bringung des Jodsalzes in die Nahrungs- kette ist eine entscheidende Zielstel- lung. Spezielle Zielgruppen sind deshalb Lebensmittelgewerbe und -industrie.

Die Propagierung des „Jodsiegels“ soll- te zur Steigerung der Aufmerksamkeit der Bevölkerung beitragen.

>Anhebung der Jodsalzverwendung in den Haushalten auf > 90 Prozent (Tabelle 2). Die Anwendung von Jod- salz in den Haushalten ist nach der Grundkonzeption der Jodprophylaxe in Deutschland zwar nicht die ent- scheidende Maßnahme, sie reflektiert

aber die hohe Akzeptanz von Jodsalz in der Bevölkerung. Weitere Maßnah- men sind:

>Förderung der Jodprophylaxe mit Jodtabletten in Phasen mit erhöhtem Jodbedarf (Pubertät, Schwangerschaft, Stillperiode).

>Motivierung von Organisationen und Institutionen einschließlich der Medien für das Thema „Jodprophyla- xe“. Positionierung des Themas „Jod“

als unentbehrlich für die Gesundheits- vorsorge.

>Information von Ärzten und an- deren Angehörigen von Heilberufen über Probleme der Jodprophylaxe.

>Abbau von Ängsten und Vorur- teilen sowie entschiedene Begegnung von Jodgegnern.

>Kontrolle der Jodversorgung durch ein vom Arbeitskreis Jodmangel ge- fordertes, vom BMG aber bisher nur einmal durchgeführtes bundesweiten Jodmonitoring (1996 - 6, 15, 16), das al- le fünf Jahre wiederholt werden muss.

Die zukünftigen Studien sollten ent- sprechend den Empfehlungen der WHO/UNICEF/ICCIDD Schulkinder einschließen und neben der Jodurie die sonographisch ermittelten Schild- drüsenvolumen berücksichtigen (32).

Die vielfältigen regionalen Initiativen sind von untergeordnetem Wert. Man sollte die Kräfte und Mittel bündeln und gezielte, epidemiologisch ein- wandfreie Studien unterstützen.

>Einbindung des Themas „Jod“ in geplante Präventivkonzepte.

Fazit

Der Jodmangel ist in Deutschland of- fenbar nahezu überwunden. Die Ver- besserung der Jodversorgung ist ein- drucksvoll und wird im deutlichen Rückgang der Schilddrüsenvolumen bei Kindern und Jugendlichen reflek- tiert. Eine optimale Jodversorgung ist jedoch noch nicht in allen Regionen und nicht in allen Lebensphasen gesi- chert. Das WHO-Ziel, bis zum Jahre 2000 die Voraussetzungen für eine Be- seitigung des Jodmangels zu schaffen, wurde von Deutschland nur zum Teil erreicht. Wir haben aber heute eine gute Ausgangsposition, durch Opti- mierung und Stabilisierung der Jod- versorgung das Jodmangelproblem in naher Zukunft endgültig zu lösen. In seiner Rede bei der Abschlussveran- staltung der Weltwirtschaftskonferenz am 4. Februar 2002 in New York plä- dierte UN-Generalsekretär Kofi An- nan mit Nachdruck für einen weltwei- ten Vertrag gegen Armut und Krank- heit. Als nachahmenswerten Beitrag für die Sicherung von Gesundheit nannte er die Wirksamkeit der Speise- salzjodierung (2). Für Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, sollten Mangelkrankheiten im 21. Jahr- hundert kein Thema mehr sein.

Manuskript eingereicht: 19. 3. 2002, revidierte Fassung angenommen: 14. 6. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2560–2564 [Heft 39]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Wieland Meng Endokrinologische Abteilung Klinik für Innere Medizin

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Straße 23

17489 Greifswald

E-Mail: meng@uni-greifswald.de Primäre Strumaprophylaxe

>>Jodhaltige Lebensmittel

Seefisch

Milch, Milchprodukte

>>Jodsalz

im Haushalt in Großküchen

in Brot- und Backwaren, in Fleisch- und Wurst- waren, in industriell gefertigten Lebensmitteln, in der Babynahrung

>>Jodtabletten (Beachtung besonders

kritischer Zeiträume) Pubertät

Schwangerschaft, Stillperiode

>>Aufklärung der Verbraucher

Bevölkerung

Nahrungsmittelhersteller Textkasten 2

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