A
uf Zypern, der sonnen- reichsten Ägäis-Insel, zeichnet sich ein neuer Ferien-Trend ab, der immer mehr Anhänger findet: Er führt von den großen Strand- resorts Limassol, Larnaca, Aya Napa und Paphos direkt ins grüne Herz von Zypern.Paphos verfügt über einen ei- genen Flughafen, der von Cy- prus Airways ab Deutschland nonstop angeflogen wird.
Auf gut ausgeschilderten Pfaden werden Wanderer zum Hobby-Botaniker: auf der von Legenden umwobe- nen Akamas-Halbinsel und rund um den 1951 Meter ho- hen Troodos-Gipfel. Aber nicht nur wilde Orchideen, Steinrosen und seltene Wolfs- milchgewächse locken zu Entdeckertouren auf Schu- sters Rappen. Es warten an der Akamas-Küste ebenso versteckte Badeplätze und an den grünen Hängen des Troo- dos-Gebirges „Krasochoria“, malerische Weindörfer, und Jahrhunderte alte byzantini- sche Klöster und Kirchen.
Im Rucksack ist neben Bi- kini und Wasserflasche noch Platz für saftige, direkt vom Baum gepflückte Orangen.
Maroula heißt die rotbäckige Bäuerin, bei der wir kaufen.
Sie stammt aus dem nahen Dörfchen Latchi. Hier wird Tourismus mit Pensionen und Appartements noch kleinge- schrieben, ebenso im Nach- bardorf Polis, das in der Anti- ke wichtigster Erz-Ausfuhr- hafen (Kupfer) namens Mari- on war. Maroula hat sich mit ihrem selbstgebastelten Oran- genstand geschickt an der Abzweigung postiert. Nagel- neu sind die exklusiven Fünf- sternesuiten „Anassa“ bei Neo Chorion. Geradeaus führt der Weg auf den „Ado- nis-Wanderkurs“ und linker Hand zu den „Bädern der Aphrodite“. Die gelben Senf- blüten am Wegesrand sind mächtig ins Kraut geschos- sen, ein Kontrast zu den sil- brig-grünen Blättern knor- riger Olivenbäume und zu den dunkelgrünen Blätterdä- chern der Johannisbrotbäu- me. Endlich ist die sanft plät- schernde Quelle erreicht, die sich aus dem Dickicht in ei- nen kleinen Ba- desee ergießt.
Miriam, unse- re legenden- kundige Wan- derführerin, weiß natürlich warum: „Hier“, so erzählt sie,
„traf sich einst die Göttin mit Adonis, ihrem schönen Lieb- haber. Aber auf der Jagd wurde er von einem Eber getötet und in der Unterwelt mit Persepho- ne verheiratet.
Aphrodites tie- fe Trauer rühr- te Göttervater Zeus endlich so sehr, daß Adonis nur die vier Winter-
monate bei der Herrin des Hades bleiben mußte. Den sonnigen Sommer durfte er mit seiner geliebten Aphrodi- te verbringen.“ Eine sehr in- dividuelle Werbung aus Göt-
termund für den gut acht Mo- nate langen Badesommer auf Zypern.
Wanderwege der Natur
Die Insel, die von Afrika, Europa und Asien regelrecht umarmt wird, bringt beson- ders viele Pflanzenarten her- vor: Dank Lage und Klima 530 allein im Naturschutzpark der Akamas-Halbinsel – und 33 davon sind endemisch.
Deshalb hat man die beiden Wanderbüchlein „Wanderwe- ge der Natur in Akamas sowie auf Troodos“ (erhältlich beim Zypriotischen Fremdenver- kehrsamt, Kaiserstraße 50, 60329 Frankfurt) botanisch aufgebaut: Die interessante- sten Pflanzen von der Troo- dos-Katzenminze über Jo- hanniskraut, viele Orchideen- Arten, Wacholder und wilden Quittenbaum bis zur schwar- zen Pinie sind unter ei- nem Nummernschlüssel auf- geführt, der sich unterwegs auf den Schildern entspre-
chend wiederholt. Jetzt im Frühling duften zarte Mac- chia-Röschen, Oregano, Sal- bei und Thymian wild durch- einander. Die Sonne scheint so kräftig, daß jeder beim Aufstieg auf die Berge ent- lang der Küste ins Schwitzen kommt und immer länger und öfter die Aussicht auf die tin- tenblaue Ägäis genießt oder im Schatten breitkroniger Aleppo-Kiefern rastet und sich darauf freut, in der blau- en Bucht von Chrysochou in
die Fluten zu springen, dort, wo schon Aphrodite mit Vor- liebe schwamm.
Oder der Badestopp ist erst am kieseligen Strand von Latchi angesagt. Das macht noch mehr Appetit auf die köstliche Fisch-Meze mit Bauernwein, die der Wirt Ne- stor in seiner traditionsrei- chen „Porto Latchi-Taverne“
zubereitet (Portion mit circa 20 verschiedenen Fischge- richten und Wein rund 30 DM). Das Haus aus robusten Natursteinen diente vorher jahrhundertelang als Lager- haus für Johannisbrotfrüchte.
Kerne dieser Früchte wurden in der Antike sogar als Gold- waage benutzt: ein Kern gleich ein Karat Gold.
Oben auf dem Chioni- stra-Gipfel, dem Schneeberg, wie die Einheimischen ih- ren höchsten Troodos-Berg (1 951 m) nennen, schloß der Ski-Club von Zypern diesmal schon Mitte März seine Pforte wegen Schneemangels für die vier Liftstrecken hinunter ins Sun Valley. Der Weg zum Ka- A-1116 (64) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 18, 1. Mai 1998
V A R I A REISE
Zypern
Willkommen auf der Insel der Aphrodite
Die St. George-Kathedrale in Paphos/Zypern grüßt maje- stätisch hoch über dem Felsplateau.
Zypriotische Gestade: Wo einst Aphrodite badete
ledonian-Wasserfall entlang dem Kyros Potamos, dem kal- ten Fluß, über Steinformatio- nen, groß wie Findlinge zwi- schen Baumriesen, die von Efeu und bizarren Moosar- ten umschlungen werden, ist schon so weit abgetrocknet, daß er gut begehbar ist. Nur die Nachtigallen singen noch nicht. Sie kommen erst später, wie die meisten Gäste. Im Troodos ist selbst im Hoch- sommer noch Wanderzeit im Schatten der dichten Pinien- wälder. Dann geht es lebhaft zu in Platres, dem größten Troodos-Dorf auf circa 1 550 Metern Höhe mit so gemütli- chen Dreisternehotels wie dem Pendeli, das im Winter über Dampfheizung und im Sommer über ein Schwimm- bad im Freien verfügt.
Ausgerechnet in Platres wurde der beliebte „Brandy sour“ erfunden vom ehemali- gen Promi-Gast König Faruk.
Der Herrscher von Ägypten ließ sich als Muselmane seine Zitronenlimonade ganz dis- kret mit einem kräftigen Schuß mildem zypriotischen Brandy aufbessern. Den
„sauren Brandy“ fanden auch andere Gäste lecker – er machte weltweit Karriere.
Wir steuern Trooditissa, das Kloster der Madonna von Troodos, an. Doch das Glück ist uns nicht hold. Schon von weitem hören wir die Mönche singen: Sie sind bei ihrer Nachmittagsandacht und ha- ben keine Zeit, uns zu emp- fangen, um uns den Frucht-
barkeitsgürtel zu zeigen, der in einem eigenen Schrein ver- wahrt wird. Einheimische Frauen mit Nachwuchspro- blemen wallfahrten hierher, um sich den juwelenge- schmückten Gürtel der Mut- ter Gottes umlegen zu lassen.
Er verfehlt wohl seine Wir- kung nicht – das zeigen die vielen kostbaren Votivgaben der glücklichen Mütter.
Troodos-Hänge Zu den schönsten und größten „Krasochoria“, Wein- dörfern, zählt an den Troo- dos-Hängen Omodhos. Am Ende des Dorfplatzes mit sei- nen Kafeneions und Souve- nirläden steht ein ehrwürdi- ges Kloster, das dem Hei- ligen Kreuz geweiht ist. In schmalen Gassen schmiegen sich kleine Häuschen eng an- einander. Hier hat der neue Agros-Tourismus schon Ein- zug gehalten. Bäuerliche An- wesen, die ein paar Fremden- zimmer mit Dusche/WC- Komfort und Familienkon- takt anbieten möchten, um ihr schmales Einkommen aufzubessern, werden von ei- ner eigenen Organisation der EU finanziell unterstützt.
Beim Stichwort Wein darf der als „König der Klosterweine“ apostrophier- te Mönch Dyonisios aus dem Kloster „Unserer lieben Frau vom goldenen Granat- apfel“ (Chrysoroyiatissa) mit seiner erfolgreichen Kellerei nicht fehlen. Er produziert
den Weiß- wein Aghios Andronikos und den roten Elias-Wein. Der alte Herr ist voller Taten- drang. Neben- her restauriert er mit viel Ge- schmack alte Ikonen. In den sanfthügeligen, stillen Gebirgs- ausläufern, nur fünfzehn Kilo- meter von der Strandmetro- pole Paphos entfernt, eröff- nete 1994 der erste zyprioti- sche 18-Loch- Golfclub. Auf 550 Meter Höhe liegt der von Donald Steel gestal- tete 72-Par- Platz, gesäumt von Mandel-
und Pfirsich-Plantagen und von Weinfeldern. Stelios Pat- salides, der deutschsprechen- de Leiter der Anlage, freut sich über deutsche Golfgäste.
Ein Handicap müssen sie al- lerdings vorweisen (greenfee 70 DM pro Tag). Urlauber wohnen am liebsten in den Komfort-Hotels am Strand, die für ihre am Golfspiel in- teressierten Gäste entspre- chende Pakete anbieten (zum Beispiel Jahn-Reisen). Auch im Tsada Golf Club hat die
Kirche die Hand mit im Spiel.
Der Grund gehört zum Klo- ster Stavrositis Mithis, das mitten auf dem Golfplatz liegt. Viele Golfer legen am Loch 9 eine Pause ein, um mit dem freundlichen Padre Bar- nabas zu plaudern. Der Mönch versorgt sich und sei- ne Klosterkirche ganz allein.
Er beschäftigt sich am lieb- sten mit seinem Gemüsegar- ten, den Blumenbeeten und seinem Hühnerhof.
Erika Amann
A-1117 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 18, 1. Mai 1998 (65)
V A R I A REISE
Dicht hinter dem üppig grünen Golfplatz von Tsada duckt sich das altehrwürdige Kloster: Touristen auf du und du mit Mönch Barnabas. Fotos: Erika Amann, München