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Archiv "Don Quijote: Der große Träumer" (08.08.2005)

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s mochte um die Stunde des anbrechenden Tages sein, als Don Quijote die Schenke verließ, so frischen Mutes und überglücklich, dass ihm die Freude aus allen Poren brach und ihm fast die Rüstung gesprengt hätte.“ – So wohl gelaunt machte sich der berühmteste aller Reisen- den vor 400 Jahren auf den Weg, der für ihn immer wich- tiger war als das Ziel. Cervan- tes hat den ersten Roman der Neuzeit geschrieben. „Don Quijote“ ist nach der Bibel das meistgedruckte Buch der Weltliteratur, für Nabokov das einzig wahre, für Sigmund Freud der Grund, Spanisch zu lernen, für Thomas Mann das

„Weltbuch“. Die Liste der Lobeshymnen ließe sich end- los fortführen.

Wo anfangen, wo aufhören, gibt doch Cervantes selbst schon im ersten Satz des berühmtesten spanischen Ro- mans das bis heute ungelöste Rätsel auf, das jedes spanische Kind rezitieren kann: „An ei- nem Orte der Mancha, an des- sen Namen ich mich nicht er- innern will. . . .“ Bereits nach wenigen Seiten gewinnt der vom ständigen Lesen aller Ritterromane verrückt ge-

wordene Don Quijote seinen kongenialen Partner Sancho Pansa als Schildknappen und zieht mit ihm in die öde, stau- bige und leere Mancha.

Die Dialoge zwischen dem ungleichen Paar bilden das Rückgrat des gesamten Bu- ches. Sie kommentieren jedes Abenteuer, so auch den unge- heuerlichsten Kampf, den Don Quijote je auszufechten hatte. „Denn dort siehst du, Freund Pansa, wie dreißig Riesen oder etliche mehr zum Vorschein kommen; mit de- nen gedenke ich einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen. San- chos Einwand, „die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern Windmühlen“, fruch- tet nichts. „Wohl ist’s ersicht- lich“, versetzte Don Quijote,

„dass du in Abenteuerdingen nicht sonderlich bewandert bist; es sind Riesen, und wenn du Furcht hast, mach dich fort und verrichte dein Gebet, während ich zu einem grim- migen und ungleichen Kampf mit ihnen schreite.“ Der Aus-

gang ist bekannt. Übel zuge- richtet landet der große Träu- mer im Graben. Übellaunig hilft ihm Sancho: „Hab’ ich es denn Euer Gnaden nicht ge- sagt, es seien Windmühlen, und das könne nur der ver- kennen, der selber welche im Kopf habe.“

Es ist der Anfang einer Se- rie von Niederlagen des Träu- mers gegen die raue Wirklich- keit, mit der sich Don Quijote die Herzen seiner Leser für immer eroberte. Was küm- mert mich mein Scheitern, so- lange ich meinen Traum be- wahre und an meine Ideale glaube, so könnte man den Roman lesen. Oder als einen Spiegel interpretieren, durch den die Narrheiten der Welt sichtbar gemacht werden.

Ein einziger Sieg

Kaum hat ein gerissener Wirt, der in Toledos Kneipen

„nebst verschiedenen ande- ren Gegenden, viel Unrechtes getan, viele Witwen in Versu- chung geführt und manche Jungfrau zu Fall gebracht“ ha- ben will, Don Quijote zum Ritter geschlagen, folgt be- reits der Händel mit einem Maultiertreiber. Er gibt ihm einen Schlag auf den Kopf, dass „wenn er mit einem zwei- ten gefolgt wäre, der Mann keines kundigen Meisters zu

seiner Heilung bedurft hätte“.

– Don Quijotes einziger Sieg auf 1 300 Seiten, für den Sancho und er gleich bitter bezahlen müssen. Schlag auf Schlag, immer zwischen Wahn- sinn und Vernunft pendelnd, bewegt sich der große Anti- held von Niederlage zu Nie- derlage, ohne wirklich besiegt zu werden. An seine Angebe- tete lässt er von Sancho einen Brief überbringen, den dieser verlor. Er beginnt mit den Worten: „Allherrschende, er- habene Herrin, der von der Schwertspitze der Trennung Durchbohrte, der im Inner- sten des Herzens Wundge- schlagene, wünscht dir, süße- ste Dulcinea von Toboso, das Heil, das er nicht hat.“

El Toboso ist einer der we- nigen Orte, die mit Namen ge- nannt werden, ansonsten hält sich Cervantes mit Ortsanga- ben sehr bedeckt, „damit alle Marktflecken und Ortschaf- ten der Mancha miteinander in Wettstreit treten könnten, um ihn zu ihrem Sohn zu ma- chen, wie einst die sieben Städte Griechenlands sich um Homer gestritten haben“, lässt er uns nach Don Quijo- tes Tod auf der letzten Seite wissen. Roland Motz V A R I A

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 31–32⏐⏐8. August 2005 AA2183

Der große Träumer

Auf zahllosen Veranstaltungen wird 2005 in ganz Spanien der 400. Jahrestag der Erstveröffentlichung von „Don Quijote“ gefeiert.

Feuilleton

Ausführlicher Veranstaltungskalender – nur in Spanisch

und Englisch – unter www.donquijotelamancha2005.de.

Don Quijote Don Quijote

Foto: Roland Motz

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