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Archiv "Spanien: Mit Don Quijote zu Pedro Almodóvar" (15.06.2001)

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S

chnurstracks führt die Au- tobahn von Madrid in den Süden. Es ist glühend heiß, auch jetzt schon im Früh- ling. Sobald der Königsweg zu den andalusischen Stränden außer Sichtweite gerät, hört der Verkehr schlagartig auf.

Unendliche Weite, ab und zu einmal von einer Burg unter- brochen, Getreidefelder, hin und wieder wie Soldaten in Reih und Glied stehende Oli- venbäume, von der Sonne nie- dergeduckte Rebstöcke. Wir sind mitten in der Mancha kurz vor Consuegra – Don- Quijote-Land.

Plötzlich geraten elf Wind- mühlen auf einem Hügel ne- ben einer Burgruine ins Blick- feld. Wir erreichen den unter- halb des Bergrückens gelege- nen blitzsauberen Ort. „Se vende – zu verkaufen“, steht an jedem dritten Haus. Fast alle Gebäude sind weiß ge- tüncht und haben rote Ton- ziegeldächer. Kein Mensch ist auf der Straße. Es sieht nicht so aus, als ob in letzter Zeit je- mand gekauft hätte. Wir fol- gen einem Schild zu den eben- falls frisch geweißten Mühlen.

Vor „El Sancho“ verkauft ei- ne Frau Honig und Gewür- ze. Wie an einer Perlenkette aufgereiht, stehen die Wind- mühlen von Consuegro hin- tereinander. Ein erhabenes Bild, um sich den ungeheuerli- chen Kampf vorzustellen, den Don Quijote je auszufechten hatte.

Don Quijote:

Träumer und Idealist

„Denn dort siehst du, Freund Sancho Panza, wie dreißig Riesen oder etliche mehr zum Vorschein kommen; mit de- nen gedenke ich einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen. Es ge- schieht Gott ein großer Dienst damit, solch übles Ge- zücht vom Angesicht der Er- de zu vertilgen.“ „Bedenket doch, Euer Gnaden“, entgeg- nete Sancho, „die dort sich zeigen, sind keine Riesen, sondern Windmühlen.“

„Wohl ist,

s ersichtlich“, er- widerte Don Quijote, „dass du in Abenteuerdingen nicht

sonderlich bewandert bist; es sind Riesen, und wenn du Furcht hast, mach,

dich fort und verrichte dein Gebet, während ich zu einem grim- migen und ungleichen Kampf mit ihnen schreite.“

Übel zugerichtet landet der große Träumer und Idea- list im Graben. Es ist der An- fang einer Serie von Nieder- lagen des Träumers gegen die raue Wirklichkeit, mit der sich Don Quijote die Herzen seiner Leser erobert hat.

Am südwestlichen Rand der Mancha liegt Almagro.

Die verschlafene Kleinstadt mit ihren zahlreichen Palä- sten ist nach ihrem berühmte- sten Sohn benannt. Diego de

Almagro war einer der ganz Großen der spanischen Con- quista und gilt als der Ent- decker von Chile. Das un- übersehbare Denkmal vor der Plaza zeigt einen Mann „von edler Gesinnung und vorneh- mem Denken, aber von so niedriger Herkunft, dass mit ihm sein Geschlecht begann und endigte“. Schon bei der Gefangennahme des Inkaherr- schers Atahualpa stellte er die gepriesenen Charakterei-

genschaften unter Beweis, in- dem er seinen gefallenen Partner Francisco Pizarro da- von abhielt, den Indios wei- terhin hinterherzureiten und ihnen die Hände abzuhacken, die man doch zu eigenem Nutzen noch wirken lassen könne. 1538 kehrte er einäu- gig, halbverhungert, verbit- tert und ohne Gold aus der schrecklichen Wüste Ataca- ma zurück und entschloss sich zum Kampf um die peruani- sche Beute gegen Pizarro.

Doch in der Entscheidungs- schlacht verliert Almagro sei- nen Kopf. Francisco Pizarros Kopf hingegen ziert seit 1992 die spanischen 1 000-Peseten- Scheine.

Eine glücklichere Hand mit dem Geld und einen kla- reren Kopf, dieses zu vermeh- ren, hatte Jakob Fugger der Reiche. Almagro verdankt seinen vergangenen Wohl- stand den Fuggern und diese wiederum einen Teil ihres Reichtums dem ständig über dem spanischen Imperium drohenden Staatsbankrott.

Alles Gold und Silber aus Mexiko und Peru reichte nicht aus, um die Ausgaben

zu decken. Die reichste Nati- on ihrer Zeit musste sich stän- dig Geld ausleihen. Die Fug- ger erhielten als Gegenlei- stung die Schürfrechte an den Quecksilber- und Zinnminen in der Umgebung von Alma- gro sowie umfangreiche Han- delskonzessionen mit der Neuen Welt. Sie bauten die Stadt zu ihrer Handelsmetro- pole mit Übersee aus.

Plaza Mayor:

Flämisch geprägt

Wenn man durch die engen Gassen der Kleinstadt schlen- dert, kommt man bald am La- gerhaus und dem kleinen, aber feinen Palacio der „Fu- cares“ vorbei, wie die Augs- burger in Spanien bezeichnet werden. Das Wort gilt noch immer als Synonym für reiche Leute. Am beeindruckend- sten ist jedoch die flämisch ge- prägte Plaza Mayor, die gar nicht in die Mancha passen will. Mit seinen zweigeschos- sigen grünen Fachwerkgaleri- en über den Arkaden wirkt der lang gezogene, rechtecki- ge Platz wie ein überdimen- sionaler und dennoch gemüt- licher Innenhof – der ideale Ort, um auf den Stühlen vor der Bar einen Aperitivo zu sich zu nehmen und dem gemächlichen Treiben zuzu- schauen. Die Kneipe heißt

„Don Quichote“. In den schat- tigen Laubengängen klöppeln Frauen vor sich hin.

Gegenüber der Bar „Don Quichote“ liegt der Eingang zum Corral de Comedias. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts werden in dem unter Denk- malschutz stehenden Gebäu- de Aufführungen geboten.

Der Staat subventioniert das einzige noch erhaltene spani- sche Renaissance-Theater.

Baumlose Hügel, karstige Steppen begleiten uns auf dem Weg nach Calzada de Calatrava. Hebt man den Blick, flimmert die Land- schaft unwirklich leblos in der trockenen Luft. Kaum Auto- verkehr. Ein entgegenkom- mender Lastwagen hupt aus Langeweile. Öde, staubig und leer liegt das Land vor unse- ren Augen. Roland Motz V A R I A

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 24½½½½15. Juni 2001 AA1631

Spanien

Mit Don Quijote zu Pedro Almodóvar

Reise

Don-Quijote-Land: Windmühlen, wie an einer Perlenschnur aufgereiht Foto:

Roland Motz

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