Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 42|
21. Oktober 2011 A 2189 70. BAYERISCHER ÄRZTETAGMehr Kompetenzen für die Kammern
Die Delegierten sprachen sich in München für eine stärkere sozialrechtliche Verankerung und ein Stimmrecht der Bundesärztekammer im Gemeinsamen Bundesausschuss aus.
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s besteht dringender Nachbes- serungsbedarf.“ Damit meinte der Präsident der Bayerischen Lan- desärztekammer, Dr. med. Max Ka- plan, nicht den renovierten großen Sitzungssaal der Ärztekammer, der noch rechtzeitig zum 70. Bayeri- schen Ärztetag fertiggestellt wor- den war. Es ging um den Gesetzent- wurf zum Versorgungsstrukturgesetz, dessen entscheidende Beratungen nun bevorstehen. Noch gebe es die Möglichkeit, im Sinne der Ärzte- schaft auf die Beratungen einzuwir- ken, betonte Kaplan, „und deshalb sollten wir den Bayerischen Ärzte- tag nutzen, dazu noch entsprechen- de Anträge einzubringen“.Diese Vorstandsanträge, denen die Ärztetags-Delegierten mit gro- ßer Mehrheit zustimmten, haben es in sich, wenn man bedenkt, dass sie aus dem eher föderal gestimmten Bayern kommen – wird doch darin insbesondere eine stärkere Mitwir- kung der Bundesärztekammer (BÄK) in Bereichen gefordert, die bisher den GKV-Vertragspartnern in und außerhalb des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorbe- halten waren. „Wir sind der Mei- nung, gerade im Sinne der Quali- tätssicherung, dass hier die Kam- mer mit am Tisch sein soll“, sagte Kaplan, der gleichzeitig BÄK-Vi- zepräsident ist.
So soll zum Beispiel bei der Neuregelung der ambulanten spezi- alärztlichen Versorgung in § 116 b SGB V die Bundesärztekammer ebenso zwingend beteiligt werden wie die Landesärztekammern bei der Umsetzung vor Ort. Kaplan:
„Wir fordern eine Vertragslösung durch vierseitige Verträge. Wichtig sind einheitliche Qualitätsstandards im ambulanten und stationären Be- reich. Auf jeden Fall soll es eine Vertragslösung sein und keine Lö- sung durch den G-BA.“
Weiter sprach sich der Bayeri- sche Ärztetag dafür aus, dass der Bundesärztekammer die Definiti- onskompetenz übertragen wird
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bei bundesmantelvertraglichen Regelungen zwischen Kassenärztli- cher Bundesvereinigung und GKV- Spitzenverband über Qualifikatio- nen, die für die Erbringung beson- derer vertragsärztlicher Leistungen erforderlich sind (§ 135 Abs. 2),●
bei der Bestimmung von An- forderungen an die Qualifikationvon Ärzten bei neuen Untersu- chungs- und Behandlungsmethoden durch den G-BA (§ 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) sowie
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bei Richtlinien-Beschlüssen des G-BA zur Qualitätssicherung für die vertragsärztliche Versorgung und zugelassene Krankenhäuser (§ 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).Notwendig sei diese Verlage- rung, um ein einheitliches Qualifi- kationsniveau bestimmen zu kön- nen. Es müsse sichergestellt wer- den, dass mit der Facharztqualifika- tion auch die Voraussetzungen für die Erbringung der entsprechenden vertragsärztlichen Leistungen er- füllt sind; bei der Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungs- methoden soll so die berufsbeglei- tende Qualifikation einschließlich Übergangsbestimmungen gewähr- leistet werden.
Für diese neuen Wirkungsberei- che müsse eine Zuständigkeit der BÄK auf Bundesebene anerkannt werden. Logische Konsequenz des Ganzen: Dem Beschlussgremium des G-BA sollen nach den Vorstel-
lungen des Bayerischen Ärztetages künftig zwei von der Bundesärzte- kammer benannte Mitglieder ange- hören. Mit der derzeitigen Einbin- dung der BÄK in die Entschei- dungsfindung des G-BA könne man nicht zufrieden sein. „Wir werden zwar gehört, aber zu sagen haben wir nichts“, brachte es Kaplan auf den Punkt. Dabei leisteten die Ärz- tekammern und die BÄK auf Bun- desebene eine interessenneutrale Vertretung der Ärzteschaft, heißt es
in dem Vorstandsantrag.
Die Krankenkassen-Bank müsste aus Gründen der Pa- rität um zwei Mitglieder aufgestockt werden.
Als wäre dies noch nicht genug an Kompetenzzu- wachs, forderte Kaplan zu- dem, dass die BÄK künftig zu be- teiligen sei, wenn sich – wie im Entwurf zum Versorgungsstruktur- gesetz vorgesehen – die Partner des Bundesmantelvertrags auf einen Katalog delegierbarer Leistungen verständigen, die von Angehörigen medizinischer Fachberufe ambulant erbracht werden dürfen.
Auch in anderen Fragen sprach der 70. Bayerische Ärztetag Klar- text. So forderten die Delegierten die Abschaffung der Praxisgebühr, da diese keinerlei Steuerungsfunk- tion mehr in der ambulanten Medi- zin habe. Die Funktion des Haus- arztes als Lotse im Gesundheitswe- sen werde durch das nachträgliche Ausstellen von Überweisungsschei- nen umgangen. Die bei der elektro- nischen Gesundheitskarte geplan- ten Erweiterungen sollten unter kei- nen Umständen eingeführt werden.
Sowohl der Online-Datenabgleich wie auch die zentrale Speicherung von Krankheitsdaten der Patienten würden erhebliche Sicherheitsrisi-
ken bergen.
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Thomas Gerst
„ Wir werden im G-BA zwar gehört, aber zu sagen haben wir nichts. “
Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer