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Archiv "Gegendarstellung" (26.11.1987)

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Grundwertes der Selbstbestimmung mir meinen Spielraum des straffrei- en Tötens (auf Verlangen) erweitern wollen. Statt dessen wünsche ich mir von diesen beiden Seiten eher eine entgegengesetzte Hilfe: Von den Vertretern der Kirche erwarte ich, daß sie dem Grundwert der Selbst- bestimmung den anderen Grund- wert des Lebensschutzes entgegen- setzen, das Leben als Geschenk, als Pfand, als von Gott geliehen und des- halb nicht wegzuwerfen setzen — und wenn es nur wäre, daß ich etwa im Fal- le meines eigenen Suizids mich über diese Norm hinwegsetzen möchte.

Und von den Juristen erwarte ich, daß sie ihre Normen so setzen und beibe- halten, daß ich, wenn ich in meinem ärztlichen Handeln an die Grenze zwischen Leben und Tod komme, auch strafrechtlich belangbar und da- mit kontrollierbar bleibe.

Wo bleibt

der hippokratische Eid?

111M11■1111,

Das scheinen heutzutage schwer einlösbare Erwartungen zu sein, nachdem das ganze 20. Jahrhundert hindurch Wissenschaftler unerlaub- terweise aus ihrem Tun Glaubens- haltungen abgeleitet haben und nachdem die kirchlichen Vertreter des Glaubens unerlaubterweise sich an wissenschaftliche Aussagen ange- paßt haben. Und dennoch müssen wir uns entwirren, müssen anerken- nen, daß menschliches Leiden nicht wegzumachen ist, sondern mehr als alles andere den Menschen als Men- schen konstituiert (P. Sloterdijk:

Der Denker auf der Bühne, Frank- furt: Suhrkamp 1986). Und schließ- lich und vor allem müssen wir die Werte-Verschränkung wieder her- stellen, die das ältere Abendland einigermaßen im Gleichgewicht ge- halten hat — etwa nach dem eingangs erwähnten Satz: „Das Leben gehört mir, aber ich gehöre auch dem Le- ben." Dabei ist mir um den ersten Teil dieses Satzes nicht bange: Auf der Seite des Grundwertes der Selbstbestimmung, der auch mir wahrlich wichtig ist, stehen nach wie vor die stärkeren Bataillone. Wie aber machen wir die zweite Hälfte des Satzes, wonach auch ich dem Le-

ben angehöre, gleich stark und wahr? Für mich als Arzt habe ich einmal die Möglichkeit des hippo- kratischen Eides, obwohl dieser nicht mehr sehr mächtig zu sein scheint. Zumindest irritiert es, wie leicht der Eid in der gegenwärtigen Sterbehilfe-Diskussion auch von Ärzten beiseite gelassen wird. So- dann wäre zu überlegen, ob nicht der Grundwert der körperlichen Un- versehrtheit in unserem Grundge- setz in seinem Bedeutungsgehalt auch in der heutigen Euthanasie- Diskussion die Grenze ziehen kann, die wir brauchen, um uns nicht zu immer weitergehenden Grenzkor- rekturen zu Ungunsten des Lebens verführen zu lassen Immerhin ha- ben die Väter des Grundgesetzes die körperliche Unversehrtheit in den Grundrechtskatalog eingefügt, um all dem, was die Nationalsozialisten im Namen des Fortschritts gegen das Leben unternommen haben, einen keineswegs wertneutralen Riegel vorzuschieben.

Schließlich frage ich mich, ob nicht das in der Medizin immer schon wichtige ökologische Denken einen Grundwert beinhaltet, der dem Grundwert der Selbstbestim- mung gleichgewichtig ist. Immerhin entspricht der ökologische Ansatz des Denkens und Handelns einer Haltung, die dem aufgeklärt-libera- len Individualismus die Zugehörig- keit des Menschen zu seinem Oikos, zu seinem Haus, zu seinem mensch- lichen und materiellen Haushalt zur Seite stellt, die der Naturbeherr- schung den Naturschutz beigesellt, die der Verwertung des Lebens den Wert des Lebens gegenüberstellt und die dem Satz „Ich bin der Herr meines Lebens" etwas gegenüber- stellt, das in den letzten 100 Jahren für uns alle offenbar viel schwieri- ger, ungewohnter und unbeholfener auszusprechen ist, weshalb ich mir zu meinen Gedanken eine lebhafte Diskussion wünsche.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. phil.

Dr. med. Klaus Dörner Westfälisches

Landeskrankenhaus Hermann-Simon-Straße 7 4830 Gütersloh 1

Gegendarstellung

Im Deutschen Ärzteblatt Heft 18 vom 30. April 1987 ist ein Interview des Journalisten Kurt Gelsner mit dem Prä- sidenten der Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, unter der Überschrift:

„Die ‚Vergangenheitsbewältigung' darf nicht kollektiv die Ärzte diffamie- ren"

erschienen.

1. In diesem Beitrag nehmen so- wohl der Interviewer wie auch Dr. Vil- mar Stellung zu einem Referat von mir, das am 2. August 1986 in der wissen- schaftlichen Zeitung „The Lancet" er- schienen ist. In diesem Interview wird mir insbesondere auch deswegen „eine profunde Unkenntnis der neueren deutschen Geschichte" vorgeworfen, weil ich behauptet hätte, die „Reichs- ärztekammer" hätte die „Machtüber- nahme" 1933 begrüßt.

Diese Behauptung ist falsch.

Richtig ist vielmehr, daß ich in meinem Beitrag von der „German Chamber Of Physicians" gesprochen habe.

Unmittelbar über diesem Satz habe ich die Titelseite des Deutschen Ärzte- blattes vom 1. Juli 1933 abdrucken las- sen, auf der zu finden ist, es handele sich beim Deutschen Ärzteblatt um das

„Mitteilungsblatt der Vereinigung der deutschen Ärztekammern und des Ausschusses der deutschen Ärztekam- mern":

Diese „Vereinigung" bezeichnet der Begriff „Chamber of Physicians".

2. Der Interviewer hält mir vor, ich hätte „schlichtweg konstatiert, damals sei die ,ärztliche Elite' ausgeschaltet worden".

Im Lancet-Artikel dagegen steht, daß die Administration „begann, ein- zelne Kollegen als Bolschewiken oder Juden zu stigmatisieren und die medizi- nische Elite auszuschalten".

Dr. Hartmut M Hanauske-Abel

Wer sich für Hintergrund und Her- gang im einzelnen interessiert, kann den Wortlaut eines entsprechenden Aner- kenntnis-Urteils des Landgerichts Köln bei der Redaktion anfordern, die es ger-

ne zusenden wird.

A-3290 (28) Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987

Referenzen

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