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Inländische Erwerbsbevölkerung wächst dank Frauen | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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Die Volkswirtschaft  10 / 2016 25 FOKUS

auch Trade-offs zu anderen individuellen oder gesellschaftlichen Zielen an Bedeutung. Denn eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung geht immer mit einer entsprechenden Reduktion an frei ver- fügbarer Zeit einher. Mit anderen Worten: Die Opportunitätskosten steigen.

Andererseits ist eine hohe Erwerbsbeteiligung Ausdruck einer insgesamt hohen Beschäftigungs- dynamik und einer erfolgreichen Arbeitsmarkt- politik. Diese positive Arbeitsmarktdynamik ist die Grundvoraussetzung dafür, dass erwerbs- willige Personen einer Erwerbstätigkeit über- haupt nachgehen können beziehungsweise ihre Erwerbsaktivität bei einer Teilzeitarbeit allenfalls noch ausdehnen können. Hohe Löhne und gute Arbeitsbedingungen bieten ebenfalls positive Anreize zur Erwerbsbeteiligung.

Im Gegensatz zur Schweiz verzeichnen krisengeplagte Volkswirtschaften häufig hohe Anteile an arbeitslosen beziehungsweise nicht

D

ie Schweiz weist im internationalen Ver- gleich eine hohe Erwerbsbeteiligung auf, und die Erwerbslosenquote gehört OECD-weit zu den niedrigsten. Eine hohe Erwerbsbeteiligung dürfte zum einen bedeuten, dass eine weitere Er- höhung zunehmend kostspieliger wird. So sind für weitere Steigerungen grössere Anpassungen in den Rahmenbedingungen erforderlich, und bei einem höheren Wohlstandsniveau gewinnen

Inländische Erwerbsbevölkerung wächst dank Frauen

In der Schweiz ist in den letzten fünf Jahren die Erwerbsbevölkerung auch ohne Zuwande- rung gewachsen. Der Grund dafür ist in erster Linie eine stärkere Erwerbsbeteiligung der Frauen.  Bernhard Weber

Abstract    Angesichts der fortschreitenden demografischen Trends in ganz Europa, aber auch mit Blick auf die kritischere Haltung der Schweizer Bevölkerung gegenüber der Zuwanderung hat die Ausschöpfung inländischer Arbeitskräfte- potenziale über die letzten Jahre an Aktualität gewonnen. Wie kann die Arbeits- marktbeteiligung weiter gesteigert werden? Mit dieser Frage befasst sich die Fachkräfteinitiative von Bund, Kantonen und Sozialpartnern. Über die letzten fünf Jahre konnte das Arbeitskräfteangebot in der Schweiz allein durch eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung um rund 100 000 Vollzeit erwerbs tätige Personen erhöht werden. Verantwortlich dafür war in erster Linie eine stärkere Erwerbsbeteiligung der Frauen. Bei Fortsetzung der eingeschlagenen Politik zur Stärkung der Arbeits- anreize sollten weitere Steigerungen in ähnlichem Umfang möglich sein.

Erwerbsquote der 15- bis 64-Jährigen im internationalen Vergleich (2005 und 2015)

EUROSTAT / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Italien

Frankreich EU28

Spanien

Österreich

Grossbritannien

Deutschland

Norwegen

Dänemark Nieder

lande

Schweden

Schweiz 90 In %

85 80 75 70 65 60

  2005       2015

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26 Die Volkswirtschaft  10 / 2016 FACHKRÄFTE

erwerbsaktiven Personen. Jugendliche Fach- kräfte wandern in diesen Ländern oft aus. In einer solchen Situation ist der Ausbau der Er- werbsbeteiligung deutlich schwieriger.

Schweiz überflügelt EU-Staaten

Im Jahr 2015 lag die Erwerbsquote der 15- bis 64-jährigen Bevölkerung in der Schweiz bei 84,1 Prozent und damit fast 12 Prozentpunkte über dem Schnitt der EU-28-Staaten mit 72,5 Prozent.

Sowohl in der Schweiz (+3,2 Prozentpunkte) wie auch in der EU (+2,8 Prozentpunkte) konnte die Erwerbsbeteiligung über die letzten zehn Jahre gesteigert werden (siehe Abbildung).

Es gelang den EU-Staaten insgesamt nicht, den Abstand zur Schweiz zu verringern. Offen- sichtlich konnte die Schweiz über die letzten Jahre – trotz einem hohen Ausgangsniveau – ihr Arbeitskräftepotenzial also noch besser mobilisieren.

Stärkere Arbeitsmarktbeteiligung seit 2010

Die Erwerbsbevölkerung ist in der Schweiz zwischen 2010 und 2015 im Äquivalent von

insgesamt 281 000 Vollzeit erwerbstätigen Per- sonen gewachsen (siehe Tabelle). Ein Zuwachs von 102 000 war dabei auf eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung beziehungsweise des durchschnittlichen Beschäftigungsgrades zu- rückzuführen. Der Beitrag der Arbeitsmarkt- beteiligung zur gesamten Veränderung der Er- werbsbevölkerung wurde ermittelt, indem die Zunahme der vollzeitäquivalenten Erwerbsquo- te zwischen 2010 und 2015 pro Altersgruppe auf einen konstanten Bevölkerungsstand von 2010 umgerechnet wurde. Rund 60 Prozent der Zu- nahme gingen dabei auf die 25- bis 54-Jährigen und 40 Prozent auf die Bevölkerung ab 55 Jah- ren zurück.

Wie eine nach Geschlecht differenzierte Betrachtung zeigt, stieg die Arbeitsmarkt- beteiligung unter dem Strich ausschliesslich bei den Frauen. Neben einem gesteigerten Qualifikationsniveau dürften bei den 25- bis 54-jährigen Frauen Verbesserungen bei der Ver- einbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiger Treiber gewesen sein. Bei den Frauen ab 55 Jahren bewirkten sowohl ein gesteigertes Quali- fikationsniveau als auch höhere Anreize für einen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung.

123RF

Die Frauen in der Schweiz sind immer besser qualifiziert.

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Die Volkswirtschaft  10 / 2016 27 FOKUS

  …durch Veränderung der Arbeits-

marktbeteiligung …durch Bevölkerungswachstum Total Ständige Wohnbevölkerung ab

25 Jahren (insgesamt)  102 000  178 000  281 000

Männer –3000 116 000 113 000

Frauen 105 000 63 000 168 000

davon 25- bis 54-Jährige 62 000 124 000 186 000

Männer –10 000 78 000 69 000

Frauen 72 000 46 000 118 000

davon 55-Jährige und älter 40 000 54 000 94 000

Männer 7000 37 000 44 000

Frauen 33 000 17 000 50 000

Veränderung der Erwerbsbevölkerung in Vollzeitäquivalenten (2010 bis 2015) …

Die Zahlen sind auf 1000 gerundet, was im Total zu Rundungsdifferenzen führen kann.

BERECHNUNGEN WEBER, BFS/SAKE (2010 UND 2015, JEWEILS 2. QUARTAL) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Bei den Männern wirkte sich die Arbeits- marktbeteiligung insgesamt leicht negativ auf die Erwerbspersonenzahl aus (–3000). Dabei waren nach Altersklasse divergierende Trends massgeblich. Bei den Männern im Alter von 25 bis 54 Jahren führte eine etwas stärkere Ver- breitung der Teilzeitarbeit zu einem Rückgang um 10 000 vollzeitäquivalente Erwerbspersonen.

Bei den Männern ab 55 Jahren dagegen stieg die Erwerbsbeteiligung – unter anderem aufgrund eines Rückgangs bei Frühpensionierungen und einer vermehrten Weiterarbeit nach Erreichen des Pensionsalters – um insgesamt 7000 Vollzeit- äquivalente.

Zuwanderung als Treiber

Das Bevölkerungswachstum bewirkte über die letzten fünf Jahre einen Zuwachs der Erwerbsbe- völkerung um 178 000 Personen. Dahinter stand in erster Linie eine starke Zuwanderung, welche vorwiegend in der Bevölkerungsgruppe der 25- bis 54-Jährigen zum Ausdruck kommt. Die Zu- nahme der Bevölkerung ab 55 Jahren war dem- gegenüber dadurch zu erklären, dass zunehmend geburtenstarke Jahrgänge in diese Altersklasse hineinwuchsen.

Bei den Geschlechtern zeigt sich beim Be- völkerungswachstum ein anderes Bild als bei der Partizipation: Während die männliche Erwerbs- bevölkerung in den Jahren 2010 bis 2015 um 116 000 Vollzeitäquivalente wuchs, stieg sie bei den Frauen lediglich um 63 000. Der Grund dafür ist die insgesamt höhere Erwerbsbeteiligung der Männer. Im Jahr 2015 belief sich die vollzeitäqui- valente Erwerbsquote der 25- bis 64-jährigen Männern auf 92 Prozent; jene der Frauen betrug demgegenüber nur 61 Prozent.

Chancen für weiblich geprägte Branchen

Wie die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen der letzten fünf Jahre zeigt, lindert die höhere Arbeitsmarktpartizipation den Fachkräfte- mangel insgesamt vor allem in weiblich ge- prägten Berufsfeldern. Dies bietet beispielsweise im Bildungs- oder im Gesundheitswesen mit ihren ausgesprochen hohen Frauenanteilen ent- sprechende Chancen für die kommenden Jahre.

In stark männlich geprägten Berufsfeldern mit Fachkräftemangel wie dem Ingenieurwesen oder der Informatik stehen hingegen andere Wege – sei es über zusätzliche Ausbildung, Rekrutierung von

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Quereinsteigern oder Rekrutierung im Ausland – eher im Vordergrund. Hinsichtlich der Arbeits- marktpartizipation wurde in den letzten Jahren jedoch auch das Potenzial der Männer ab 55 Jahren noch stärker genutzt.1

Fachkräfteinitiative leistet Beitrag

Eine gezielte Ausrichtung von Massnahmen an der Fachkräftesituation in einem Beruf oder ei- ner Branche sind möglich, wenn diese von den betroffenen Unternehmen beziehungsweise den Berufs- und Branchenverbänden ergriffen wer- den. Sie verfügen in der Regel über die relevan- ten Informationen zur Fachkräftenachfrage und wissen am ehesten, durch welche Massnahmen in ihrem Bereich zusätzliche Fachkräfte zu ge- winnen sind. Zudem haben sie ein handfestes ökonomisches Interesse daran, einen allfälligen Fachkräftemangel zu lindern.

Der Staat kann – beispielsweise bei der ex- ternen Kinderbetreuung – durch geeignete Rahmenbedingungen und Anreize die Voraus- setzungen verbessern, dass sich Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Von diesem gesteigerten Angebot profitieren Berufe mit einer hohen Nachfrage nach Fachkräften be-

sonders, ohne dass eine aktive Selektion durch den Staat vorgenommen werden muss.

Wie die vorliegenden Betrachtungen zeigen, ist eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung in der Schweiz trotz bereits hohen Werten möglich.

Bei guter Wirtschaftsentwicklung dürfte eine weitere Steigerung in ähnlicher Grössenordnung über die kommenden Jahre realistisch sein, wenn ein Konsens darüber gefunden wird, wie die Grundbedingungen zur Stärkung der Erwerbs- anreize noch weiter verbessert werden könnten.

Mit den Aktivitäten im Rahmen der Fachkräfte- initiative sollen entsprechende Entwicklungen – ergänzend zu den grossen Stossrichtungen der Arbeitsmarkt-, der Bildungs- und der Wachstums- politik – punktuell gestärkt werden.

Bernhard Weber

Stv. Ressortleiter Arbeitsmarktanalyse und Sozialpolitik, Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Bern

123RF

1 Siehe Bernhard Weber (2015). Ältere im Arbeitsmarkt – wie gut sind sie integriert? In:

Die Volkswirtschaft, 7-2015.

Schweizer Väter kümmern sich ver- mehrt um die Kinder – ihre Arbeitsmarkt- beteiligung ist leicht gesunken.

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