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«50 plus» arbeiten mehr als früher – dank den Frauen | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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ARBEITSMARKT

12 Die Volkswirtschaft  3 / 2020

Für die Studie werteten wir umfangreiche Registerdaten der Alters- und Hinterlassenen- versicherung (AHV) der Jahre 1990 bis 2017 aus, die wir mit Daten der Volkszählungen des Bundesamts für Statistik (BFS) verknüpften.

Konkret verglichen wir drei Geburtskohorten, die im Zeitraum 1992 bis 2012 ihr 50. Altersjahr vollendeten: Kohorte 1 beinhaltet die Jahrgänge 1942 bis 1948, Kohorte 2 die Jahrgänge 1949 bis 1955 und Kohorte 3 die Jahrgänge 1956 bis 1962.

Wie sich zeigt, stieg die Erwerbsbeteiligung älterer Personen in allen Altersjahren. Diese Entwicklung geht auf das Konto der Frauen:

Beispielsweise erhöhte sich die Erwerbstätigen- quote der 55-jährigen Frauen von rund 65 Pro- zent in Kohorte 1 auf 75 Prozent in Kohorte 3 (siehe Abbildung 1). Bei den Männern sank die Quote hingegen von 90 Prozent auf 86 Prozent.

Gesellschaftlicher Wandel

Inwieweit lässt sich die bemerkenswerte Zu- nahme der Arbeitsmarktbeteiligung von älteren Frauen erklären?

Naheliegend ist die Vermutung, dass die Veränderung der Bevölkerungsstruktur über die Zeit eine wichtige Rolle gespielt hat, da sich

D

ie bevölkerungsstärksten Jahrgänge in der Schweiz sind heute 50 bis 55 Jahre alt und werden in 10 bis 15 Jahren das ordent- liche Rentenalter erreichen. Der Austritt dieser Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt dürfte die Knappheit des Arbeitsangebots erhöhen und den Fachkräftemangel weiter akzentuieren. Um die demografischen Auswirkungen im Arbeits- markt abzufedern, gilt es deshalb, das Erwerb- spotenzial der inländischen Arbeitskräfte besser auszuschöpfen. In diesem Zusammen- hang stehen die über 50-Jährigen verstärkt im Fokus: Obwohl bei ihnen die Arbeitslosenquote vergleichsweise tief ist, ist auch die Erwerbs- partizipation deutlich niedriger als in den jün- geren Altersgruppen.

Über die Dynamik von Erwerbsverläufen älterer Menschen in der Schweiz war bisher relativ wenig bekannt. Im Auftrag des Staats- sekretariats für Wirtschaft (Seco) haben wir daher empirisch untersucht, wie sich die Er- werbssituation und die Erwerbsverläufe der Altersgruppe «50 plus» seit den Neunziger- jahren verändert haben.1

«50 plus» arbeiten mehr als früher – dank den Frauen

Ältere Frauen sind im Vergleich zu den Neunzigerjahren öfter berufstätig. Erwerbs- potenzial besteht bei beiden Geschlechtern vor allem rund um das Rentenalter.  

Boris Kaiser, Michael Siegenthaler, Thomas Möhr

Abstract  Die Schweiz verfolgt das Ziel, das inländische Erwerbspoten- zial besser auszuschöpfen. Angesichts des demografischen Wandels rücken insbesondere die über 50-Jährigen in den Fokus. Da wenig über deren Erwerbsverläufe bekannt ist, haben BSS Volkswirtschaftliche Be- ratung und die KOF Konjunkturforschungsstelle im Auftrag des Staats- sekretariats für Wirtschaft (Seco) untersucht, wie sich die Erwerbs- verläufe und die Arbeitsmarktintegration von älteren Menschen in der Schweiz über einen längeren Zeitraum entwickelt haben. Ein zentrales Ergebnis ist, dass die Erwerbspartizipation der über 50-Jährigen seit den Neunzigerjahren gestiegen ist. Diese Zunahme ist ausschliesslich den Frauen zuzuschreiben. Weiter zeigt die Studie: Eine Arbeitslosigkeit im Alter ist einschneidend und wirkt sich teilweise bis zum ordentlichen Rentenalter auf die Erwerbsbeteiligung aus.

Ökonometrische Methode

Um die kausalen Effekte einer Arbeitslosigkeit auf die späteren Erwerbsverläufe zu schätzen, verwenden wir den Differenz- in- Differenzen-Ansatz kombiniert mit der sogenannten Pro- pensity-Score-Weighting-Methode. Dieser Ansatz erlaubt es, Arbeitslose mit einer adäquaten Kontrollgruppe von Erwerbs- tätigen zu vergleichen, die in der Vergangenheit im Durchschnitt identische Erwerbsbiografien (bezüglich Erwerbstätigkeit, Einkommen, Arbeitslosigkeitsrisiko, Arbeitslosigkeitsdauer) aufweist und die gleiche soziodemografische Struktur hat (z. B.

Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Herkunft).

1 Kaiser, Boris, Siegenthaler, Michael &

Möhr, Thomas (2020):

Erwerbsverläufe ab 50 Jahren in der Schweiz:

Arbeitsmarktinte- gration von älteren Erwerbstätigen. BSS Volkswirtschaftliche Beratung und KOF Konjunkturforschungs- stelle der ETH Zürich.

Im Auftrag des Seco.

(2)

FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2020 13 die Erwerbsbeteiligung je nach soziodemo-

grafischen Merkmalen unterscheidet. So stieg beispielsweise seit den Neunzigerjahren der An- teil der Personen mit einer tertiären Ausbildung, während der Anteil verheirateter Personen sank. Unsere ökonometrische Auswertung zeigt jedoch, dass solche soziodemografischen Ver- schiebungen lediglich ein Viertel der Zunahme der Erwerbstätigenquote erklären können.

Entscheidend dürften der gesellschaftliche Wandel und die damit verbundenen institutio- nellen Änderungen sein. Beispielsweise hat die Einführung des Mutterschaftsurlaubs die Ver- einbarkeit von Arbeit und Familie verbessert.

Arbeitslosigkeit als Zäsur

Anhand der Daten konnten wir aufzeigen, dass die Erwerbsbiografien von Personen, die im Alter von 50 Jahren entweder erwerbstätig oder arbeitslos waren, unterschiedlich verlaufen (siehe Abbildung 2a und 2b auf Seite 14). So arbeiteten 9 von 10 Personen, die in Kohorte 1 (1942–1948) mit 50 Jahren einer Erwerbstätigkeit

nachgingen, fünf Jahre später weiterhin. Mit 60 Jahren waren es noch 3 von 4. Rund 7 Prozent bezogen im Alter von 60 Jahren eine IV-Rente, wobei einige von ihnen nach wie vor erwerbs- tätig waren.

Betrachtet man hingegen jene Personen, die mit 50 Jahren arbeitslos waren, sind in derselben Altersphase deutlich mehr Erwerbsrücktritte zu Rund drei Viertel der

50- bis 60-jährigen Frauen in der Schweiz sind arbeitstätig.

Abb. 1: Erwerbstätigenquote nach Kohorte und Geschlecht

INDIVIDUELLE KONTI (IK) DER AHV, RENTENREGISTER AHV/IV, STATPOP; BERECHNUNGEN KAISER, SIEGENTHALER UND MÖHR / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

ALAMY

100 Anteil Erwerbstätige, in %

Alter 75

50

25

20

50 52 54 56 58 60 62 64 66 68

  Männer (Jg. 1942–1948)         Männer (Jg. 1949–1955)         Männer (Jg. 1956–1962)         Frauen (Jg. 1942–1948)         Frauen (Jg. 1949–1955)         Frauen (Jg. 1956–1962)

(3)

ARBEITSMARKT

14 Die Volkswirtschaft  3 / 2020

  Selbstständige          Arbeitnehmer          IV-Bezüger mit Erwerb          IV-Bezüger ohne Erwerb        ALV-Bezüger          übrige Nichterwerbstätige  

INDIVIDUELLE KONTI (IK) DER AHV, RENTENREGISTER AHV/IV, STATPOP, BERECHNUNGEN KAISER, SIEGENTHALER UND MÖHR / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Abb. 2a: Erwerbsstatus von Erwerbstätigen der Jahrgänge 1942–1948 (Kohorte 1)

  Selbstständige          Arbeitnehmer          IV-Bezüger mit Erwerb          IV-Bezüger ohne Erwerb        ALV-Bezüger          übrige Nichterwerbstätige  

Abb. 2b: Erwerbsstatus von ALV-Bezügern der Jahrgänge 1942–1948 (Kohorte 1)

INDIVIDUELLE KONTI (IK) DER AHV, RENTENREGISTER AHV/IV, STATPOP, BERECHNUNGEN KAISER, SIEGENTHALER UND MÖHR / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Dargestellt sind die relativen Anteile der Erwerbsstatus-Kategorien nach Alter. Erfasst sind alle Personen, die im 50. Alters- jahr im Dezember erwerbstätig waren (Abbildung 2a), bzw. Personen, die im 50. Altersjahr im Dezember ALV-Leistungen bezogen (Abbildung 2b). Zu den «übrigen Nichterwerbstätigen» zählen unter anderem AHV-Altersrentner ohne Erwerb, Frühpensionierte, Hausfrauen und Hausmänner, nicht erwerbstätige Sozialhilfebezüger sowie Erwerbslose ohne Anspruch auf ALV-Leistungen.

Alter 50 Alter 55 Alter 60 Alter 66

12,7%

87,3% 77%

11,8%

7,1%

64,2%

9,7%

1,6%

1,6%

5,0%

2,3%

17,2%

86,7%

9,4%

3,9%

Alter 50 Alter 55 Alter 60 Alter 66

100%

8,7%

55,5%

6,8%

7,5%

19,1%

2,5%

3,7%

22,2% 92,8%

16,4%

6,0%

45,2%

6,6% 5,7%

(4)

FOKUS

Die Volkswirtschaft  3 / 2020 15 verzeichnen: Nur die Hälfte von ihnen war mit

60 Jahren noch erwerbstätig; 7 Prozent waren wiederholt arbeitslos, und etwa jeder Fünfte be- zog eine IV-Rente.

Insgesamt deuten die Resultate darauf hin, dass sich ältere Personen, die arbeitslos wer- den, im Schnitt früher aus dem Erwerbsleben zurückziehen und häufiger von gesundheit- lichen Beeinträchtigungen betroffen sind. Im Durchschnitt hat eine Arbeitslosigkeit im Alter von 50 Jahren einen um rund ein halbes Jahr früheren Erwerbsrücktritt zur Folge.

Über die Zeit stabil

Um die langfristigen Auswirkungen einer Arbeitslosigkeit genauer zu analysieren, ver- glichen wir mittels ökonometrischer Methoden die Erwerbsverläufe von Arbeitslosen mit den- jenigen von Erwerbstätigen, die hinsichtlich der vergangenen Erwerbsbiografie sowie soziodemo- grafischer Merkmale identisch sind (siehe Kasten auf Seite 12). Die Ergebnisse zeigen: Eine Arbeits- losigkeit mit 50 Jahren senkt die Erwerbstätigkeit mittel- bis langfristig um 5 bis 7 Prozentpunkte.

Die Effekte einer Arbeitslosigkeit mit 50 Jah- ren haben sich seit den Neunzigerjahren kaum verändert. Wenn eine Arbeitslosigkeit aber später im Erwerbsleben auftritt, bekundet die jüngere Kohorte mehr Mühe als die ältere, zurück auf den Arbeitsmarkt zu finden. So senkt eine Arbeits- losigkeit mit 55 Jahren die Wahrscheinlichkeit, fünf Jahre später zu arbeiten, um 8 Prozent in Kohorte 1 (1942–1948). Demgegenüber beträgt der

Rückgang in Kohorte 3 (1956–1962) 14 Prozent.

Da die Teilnahme der älteren Frauen auf dem Arbeitsmarkt auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen dürfte, kann das Erwerb- spotenzial der Altersgruppe «50 plus» künftig stärker ausgeschöpft werden. Betrachtet man die einzelnen Altersphasen, so ist zusätz- liches Erwerbspotenzial vor allem ab 60 Jah- ren auszumachen, da sich die Abnahme der Erwerbstätigenquote ab diesem Alter spürbar beschleunigt. Entsprechend dürften ins- besondere jene Massnahmen, welche auf einen längeren Verbleib im Arbeitsmarkt ab 60 Jah- ren ausgerichtet sind, die Erwerbsbeteiligung positiv beeinflussen.

Zudem ist es zentral, ältere Arbeitslose rasch und effektiv wieder in den Arbeitsmarkt einzu- gliedern. Denn: Brüche in der Erwerbsbiografie wirken sich nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- bis langfristig auf die Arbeitsmarkt- beteiligung aus.

Boris Kaiser Dr. rer. oec., Ökono­

metriker, BSS Volkswirt­

schaftliche Beratung, Basel

Michael Siegenthaler Dr. sc. ETH Zürich, Leiter Sektion Schweizer Arbeitsmarkt, KOF Kon­

junkturforschungsstelle, ETH Zürich

Thomas Möhr Ökonom, BSS Volkswirt­

schaftliche Beratung, Basel

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