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Todesursache dicke Luft

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PRAXIS

DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2020 | www.diepta.de

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mmer mehr Stick- und Schwe- feloxide, Feinstaub, Kohlen- monoxid, Schwermetalle und andere Schadstoffe verpesten unsere Luft. Doch das stellt keines- wegs nur einen Angriff auf die Atem- wege und Lungen dar. Welche fata- len Folgen die Belastung der Umwelt und der Luft für die gesamte Weltbe- völkerung hat, haben uns kürzlich Wissenschaftler des Max-Planck- Instituts für Chemie und der Uni- versitätsmedizin Mainz drastisch vor Augen geführt: Sie errechneten, wie stark sich die Luftverschmutzung – auch im Vergleich zu anderen ge- sundheitlichen Gefahren – auf die Lebenserwartung auswirkt. Noch nie zuvor waren solche Daten erhoben worden. Die Mainzer Forscher haben mithin Pionierarbeit geleistet.

Bedrohlicher als AIDS und Rau- chen Wie sich anhand der Unter- suchungen zeigte, verursachte Luft- verschmutzung im Jahr 2015 welt- weit 8,8 Millionen vorzeitige Todes- fälle. Das entspricht im globalen Durchschnitt einer Verkürzung der Pro-Kopf-Lebenserwartung von 2,9 Jahren. AIDS raubt den Betroffenen hingegen, auch bereits schlimm ge- nug, gerade einmal 0,7 Jahre ihres Lebens. Infektionskrankheiten wie Malaria senken die Lebenserwartung durchschnittlich um 0,6 Jahre. Selbst Rauchen entpuppte sich im Vergleich

LUFTVERSCHMUTZUNG

Die zunehmende Verschmutzung der Luft setzt die Lebenserwartung weltweit um knapp drei Jahre herab. Diese verfrühte Sterbewahrscheinlichkeit ist vor allem auf den Anstieg an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen.

Todesursache dicke Luft

© VanderWolf-Images / iStock / Getty Images

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2020 | www.diepta.de

als weniger schädlich: Durch das Qualmen wird die Lebenserwartung im Durchschnitt um 2,2 Jahre re- duziert.

Verschmutzte Luft stellt also die weitaus größte Bedrohung für unsere Gesundheit dar.

Wie der Schmutz ans Herz geht Was die frühere Sterbewahrschein- lichkeit verursacht, sind laut Profes- sor Dr. Thomas Münzel, Direktor am Zentrum für Kardiologie der Uni- versitätsmedizin Mainz und Leiter der Studie, insbesondere Herz-Kreis- lauf-Erkrankungen: „Die meisten Todesfälle treten in deren Folge auf “.

Was aber macht Luftverschmutzung so gefährlich für Herz und Gefäße?

Mit der eingeatmeten Luft gelangen die gasförmigen Schadstoffe und kleinste Partikel wie Feinstaub über die Atemwege zunächst bis in die Lungenbläschen. Gleich danach ge- hen sie in die Blutbahn und von dort an die Gefäßwände über. Hier ange- kommen, lösen Feinstaub & Co. ver- mittelt über die sogenannten Fress- zellen des Immunsystems entzünd- liche Reaktionen aus. Diese führen zu Gefäßschäden und ebnen damit der Entstehung von Arteriosklerose den Weg. So kann es bei Menschen, die dauerhaft verschmutzter Luft ausgesetzt sind, zum Ausbruch von schweren Herz-Kreislauf-Erkran- kungen kommen.

KHK-Patienten sind besonders gefährdet Koronare Herzkrankhei- ten, kurz KHK, wie Herzschwäche und Angina pectoris sind die häu- figsten Erkrankungen des Herzens.

Wer darunter leidet, den bedroht die Luftverschmutzung noch stärker:

„Bei diesen Patienten kann bereits ein nur kurzfristiger Kontakt mit stark verschmutzter Luft die Ge- fährdung für das Herz erhöhen“, so Münzel.

Der Grund dafür ist, dass Abgase des Straßenverkehrs, insbesondere von Dieseltreibstoff, die Blutplättchen von KHK-Patienten aktivieren kön- nen. Das erhöht deren Neigung, mit- einander zu verklumpen. Damit ver-

schlechtert sich nachweislich die Pumpfunktion des Herzens, der Blutdruck steigt und der Prozess der Arteriosklerose wird deutlich be- schleunigt. „All das zusammen ge- nommen befördert die Entstehung eines Herzinfarkts“.

Feinstaub ist der größte Übel- täter Gemeinsam mit wissenschaft- lichen Kollegen aus England und den USA hatte Münzel im Jahr 2018 genauer unter die Lupe genom- men, welche Bestandteile in der ver- schmutzten Luft besonders gesund- heitsschädlich sind. Auch die dahin- terliegenden Mechanismen analy- sierten die Forscher. Im Zentrum ihrer Untersuchungen standen Stick- stoff- und Schwefeldioxid, Kohlen- monoxid und Feinstaub. Letzterer wird hauptsächlich in der Atmos- phäre über chemische Reaktionen aus den Emissionen von Verkehr, In- dustrie und Landwirtschaft gebildet.

Und er spielt im Hinblick auf die schädigenden kardiovaskulären Wir- kungen die größte Rolle: „Feinstaub hat eine herausragende Bedeutung“.

Besonders gefährlich ist der Ultra- feinstaub. „Er bereitet uns große Sor- gen“, so Münzel.

Jedes Korn dieser Art von Feinstaub misst weniger als hundert Nanome- ter. Das entspricht der Größe eines Virus. Wird dieser Winzling über die Atemluft inhaliert, wandert er über

die Lungen umgehend in den Blut- kreislauf ein. Auf diese Weise gelangt er zum Endothel – jenem Gewebe, welches die Wände der Blutgefäße wie eine Tapete auskleidet. In die- sem verursacht der Ultrafeinstaub schließlich eine lokale Entzündung.

Diese hat weitreichende gravierende Konsequenzen, welche die Entste- hung von Herz-Kreislauf-Erkran- kungen wie etwa Herzrhythmus- störungen und Herzinsuffizienz sowie in Folge auch Herzinfarkte be- günstigen.

Erstaunlicherweise hat in Bezug auf die viel diskutierten Dieselabgase in erster Linie der Feinstaub und nicht das Stickstoffdioxid, die beide bei der Verbrennung von Dieselbrennstoff entstehen, derart negative Auswir- kungen auf die Gefäßfunktion.

Anerkennung als neuer Risiko- faktor Die Beweise dafür, dass ver- schmutzte Luft und insbesondere Feinstaub zu nachhaltigen Gefäß- schäden führen und damit Krank- heiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und Herz- schwäche fördert, mehren sich zu- sehends.

Angesichts dieser dramatischen Be- funde fordern Experten wie Münzel, dass Luftverschmutzung künftig als kardiovaskulärer Risikofaktor ge- wertet wird: ebenso schädlich wie die etablierten Risiken für das Herz, etwa Bluthochdruck oder Überge- wicht. „Diese neue Einordung sollte auch in den Richtlinien der Euro- päischen Gesellschaft für Kardio- logie zur Prävention von Herz- schwäche sowie des akuten und chronischen koronaren Syndroms berücksichtigt werden“, so der Main- zer Kardiologe.  n

Birgit Frohn, Diplombiologin ERHEBLICHE

UNTERSCHIEDE

Wenig überraschend ist die durch Luftverschmutzung bedingte vorzeitige Mortali- tät in Ost- und Südasien am höchsten: sie beträgt hier 35 Prozent. In Afrika liegt sie bei elf, in Europa bei neun und in Nord- und Südamerika bei sechs Prozent. Australien weist mit 1,1 Prozent die niedrigste Sterblichkeitsrate auf. Dies hat es vor allem seinen weltweit strengsten Luftreinhaltungs- standards zu verdanken.

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