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Medizingeschichte 3DMedizingeschichte 3DAus dem Deutschen Medizinhistorischen Museum IngolstadtAus dem Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt

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Bayerisches Ärzteblatt 3/2016

103 Medizingeschichte | Varia

Die historischen Gerätschaften in der Dauer- ausstellung des Deutschen Medizinhistorischen Museums lösen beim Besucher eher gemischte Gefühle aus. Beim Anblick von Zahnreißzan- gen, Amputationssägen und Schädelbohrern denkt man an die Angst und den Schmerz der damaligen Kranken, an die Todesgefahr, die jede große Operation mit sich brachte. Umso dankbarer ist man beim Museumsrundgang für Objekte, die einen nicht schaudern, sondern schmunzeln lassen. Den Schmunzel-Rekord un- ter den Ingolstädter Museumsdingen darf wohl das hier vorgestellte Trommelfell-Massage- gerät für sich beanspruchen.

Was viele Besucher für einen Witz halten, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein ausgesprochen beliebtes und verbreitetes Ver- fahren. Das Trommelfell-Massagegerät bie- tet damit ein anschauliches Beispiel für die Konjunkturen in der Medizin oder, wie Harald Feldmann es 1996 im Titel seiner einschlägigen Studie formulierte, für den „Aufstieg und Nie- dergang eines vielversprechenden therapeuti- schen Konzeptes“.

Wie funktioniert das Gerät? Zunächst wird es mit der Schraubzwingenhalterung an einer stabilen Tischplatte so befestigt, dass das gusseiserne Schwungrad frei gedreht werden kann. Mit dem Schwungrad wird ein lederner Treibriemen in Be- wegung versetzt, der über eine kleinere Keilschei- be ein verstellbares Exzenterrad antreibt. Eine Hubstange am Exzenter überträgt die Drehbe- wegung in einer Auf- und Abbewegung auf einen vernickelten Zylinder mit beweglichem Basislager.

Zwei versetzt am Zylinder angebrachte Schlauch- stutzen liefern über den innenliegenden Kolben einen alternierenden Luftdruck. Auf diese Stutzen sind zwei rote Gummischläuche aufgezogen, die in schwarzen Ohroliven enden. Bei der therapeu- tischen Sitzung steckt sich der Schwerhörige die beiden Oliven in die Ohren. Dann greift er zur Handkurbel und setzt das Schwungrad in Bewe- gung. Dies führt zu rhythmischen Luftstößen auf die Trommelfelle. Die Frequenz des Luftaustrittes kann der Patient durch langsameres oder schnel- leres Drehen selbst regulieren.

Das Prinzip der Trommelfell-Massage basierte auf der pathophysiologischen Beobachtung, dass Vernarbungen und Verwachsungen im Mittelohr oft die Ursache für Schwerhörigkeit sind. Mit der „Massage“ hoffte man die Verstei- fungen zu lockern und damit die Schwerhörig- keit zu bessern. Dieser Gedanke wurde bereits 1864 von Emil Siegle (1833 bis 1900) formu- liert, aber erst von Charles Destanche (1840 bis 1900), dem „Vater der belgischen Otologie“, in die Tat umgesetzt. Dieser stellte 1885 einen

„Masseur du tympan et des osselets“ vor, der durch Wechseldruck Hin- und Herbewegungen des ganzen Mittelohrapparates bewirken sollte.

Seitdem wurde das Konzept der Trommelfell- Massage kontinuierlich weiter entwickelt.

Eine therapeutische Wirkung der Massage war nur bei wiederholter Anwendung über länge- re Zeit zu erwarten. Deswegen war es wich- tig, ein technisch einfaches und zuverlässiges Verfahren für die häusliche Selbstbehandlung anbieten zu können. In der Praxis bewährte sich besonders das von Noebel 1898 in Zittau entwickelte Modell. Neben der hier gezeigten Ausführung mit einer Handkurbel gab es auch eine Variante, die direkt an das Schwungrad einer mechanischen Nähmaschine angeschlos- sen und über das Fußpedal der Nähmaschine betrieben werden konnte, sodass der Patient während der Behandlung die Hände frei hat- te. In der konsequenten Weiterentwicklung der Methode kamen um 1900 die ersten Modelle auf den Markt, die an einen Elektromotor an- geschlossen werden konnten.

Der eigentliche Siegeszug der Trommelfell- Massage begann nach dem Ersten Weltkrieg, als die Industrie leicht zu bedienende Gerä- te zur Verfügung stellte. Bald waren sie, wie Feldmann schreibt, „neben den zahlreichen Apparaten zur Wärmebestrahlung und Inha- lation unentbehrlicher Bestandteil im Behand- lungszimmer einer jeden HNO-Praxis“. Man- cherorts hielten sie sich noch bis weit über die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Heute gilt die Trommelfell-Massage als obsolet. Das einst als großer Fortschritt in der Behandlung

der Schwerhörigkeit begrüßte Konzept bringt heute nur noch die Museumsbesucher zum Schmunzeln.

Literatur

Harald Feldmann: Die Trommelfellmassage.

Aufstieg und Niedergang eines vielverspre- chenden therapeutischen Konzepts. Bilder aus der Geschichte der Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde dargestellt an Instrumenten aus der Sammlung im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt. In: Laryngo-Rhino- Otologie 75 (1996), Seite 491-498

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Aus dem Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt Aus dem Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt

In dieser Serie stellen wir Highlights aus dem Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt vor. Das Museum wurde 1973 im ehemaligen Anatomiegebäude der Univer- sität Ingolstadt eröffnet. Es zeigt die Entwicklung der abendländischen Medizin von der Antike bis heute. Dazu gehört auch ein barock gestalteter Arzneipflanzengarten.

Trommelfell-Massagegerät nach Noebel, 1. Viertel 20. Jahrhundert.

Autorin

Professor Dr. Marion Maria Ruisinger, Deutsches Medizinhistorisches Museum, Anatomiestraße 18-20, 85049 Ingolstadt, E-Mail: marion.ruisinger@ingolstadt.de, Internet: www.dmm-ingolstadt.de

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