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Das globale Handelssystem am Wendepunkt

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Das globale Handelssystem am Wendepunkt

Von Axel Berger und Clara Brandi, Deutsches Institut für

Entwicklungspolitik (DIE)

vom 08.07.2013

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Das globale Handelssystem am Wendepunkt

Bonn, 08.07.2013. Heute fällt der Startschuss für die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Die Delegationen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten treffen sich in Was- hington zur ersten Verhandlungsrunde. Ange- sichts der umfassenden Spähaktion amerikani- scher Geheimdienste gegen die Europäische Union und verschiedene Mitgliedstaaten stand der Be- ginn der TTIP-Verhandlungen in der letzten Wo- che kurzzeitig auf der Kippe. Der französische Präsident drohte sogar mit Blockade. Letztendlich überwiegen die langfristigen wirtschaftlichen In- teressen und beide Delegationen werden schnell zur ursprünglichen Tagesordnung übergehen. Die Vertreter beider Wirtschaftsmächte verhandeln dabei ein komplexes Themenbündel, das nicht nur für den transatlantischen Wirtschaftsraum von Bedeutung ist. Wagt man den Blick über den transatlantischen Tellerrand, wird schnell deutlich, dass die zu erwartenden globalen Auswirkungen immens sind.

Es geht hierbei nicht allein um die viel diskutierten Auswirkungen der TTIP-Verhandlungen auf die Welthandelsorganisation (WTO). Natürlich wird das multilaterale Regelwerk noch stärker unter- wandert als bisher, wenn die großen Handels- mächte untereinander regionale Abkommen schließen. Allerdings wird die Doha-Entwicklungs- runde schon seit Jahren durch die Konfrontation von Industrie- und Schwellenländern blockiert. Es spricht vieles dafür, dass das TTIP eher eine Folge dieser Blockade ist und nicht der eigentliche Grund des Scheiterns der WTO. Die USA und die EU ver- suchen, regional den Boden zurückzugewinnen, den sie multilateral verloren haben. Appelle, die USA und die EU sollten sich ihrer multilateralen Wurzeln besinnen, ohne konkrete Reformvor- schläge zu unterbreiten, greifen daher zu kurz.

Die eigentliche Herausforderung des TTIP ist, dass sich die USA und die EU an einer Neuformulierung der Regeln der Weltwirtschaft versuchen – und das mit weitreichenden Folgen.

Die Verhandlungsagenda der TTIP umfasst weit mehr als nur den Abbau von Handelsbeschrän- kungen im Güterverkehr und in der Landwirt- schaft. Es geht um die Neuverhandlung von Re- geln für grenzüberschreitende Investitionen, Wettbewerbspolitik, öffentliches Vergabewesen,

geistiges Eigentum und ein breites Spektrum von Regulierungen, die oft nur entfernt etwas mit klassischer Handelspolitik zu tun haben. Dieses Verhandlungspaket geht weit über – die in der Rückschau bescheidenen – Initiativen der USA und der EU in der Doha-Entwicklungsrunde hinaus, die auf den erbitterten Widerstand von Ländern wie Brasilien, Indien und China stießen.

Die transatlantischen Verhandlungen werden ungewisse Konsequenzen für all diejenigen Länder haben, die nicht am Verhandlungstisch sitzen.

Regionale Abkommen können zu Diskriminierun- gen gegenüber Nicht-Mitgliedern führen und ihren Zugang zu den europäischen und amerikani- schen Exportmärkten verschlechtern. Aktuelle Studien zeigen, dass Länder wie z. B. Mexiko, Ka- nada, Japan sowie Nord- und Westafrikanische Länder negativ betroffen wären. Die negativen handelsumlenkenden Effekte könnten allerdings begrenzt werden, wenn eine Zusammenführung unterschiedlicher regionaler Abkommen gelingen würde. Aktuell verhandelt die USA auch mit Län- dern des pazifischen Raums ein dem TTIP ähnli- ches Mega-Regional. Das Ergebnis einer Zusam- menführung wäre eine gigantische transatlan- tisch-transpazifische Freihandelszone mit gemein- samen Regeln.

Ist es denn erstrebenswert, durch derartige regio- nale Abkommen, quasi durch die Hintertür, multi- laterale Regeln für die Weltwirtschaft einzuführen?

Ungeachtet der technischen Schwierigkeiten, die mit einer Multilateralisierung regionaler Abkom- men verbunden wären, ist das eigentliche Problem dieser Strategie weit brisanter. Wenn Schwellen- und Entwicklungsländer dem „erlauchten Kreis“

beitreten wollten, dann wären sie nicht Regelset- zer, sondern Regelnehmer. Die neuen Regeln der globalen Wirtschaft stünden bereits vor ihrem Beitritt fest. Die aktuellen Debatten in China über einen Beitritt zu den weit fortgeschrittenen trans- pazifischen Verhandlungen sind beispielhaft für dieses Dilemma.

Bei solchen Überlegungen sollte bedacht werden, dass sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen lässt.

Spätestens seit der Jahrtausendwende erleben wir eine fundamentale Verschiebung wirtschaftlicher Macht von West nach Ost, von Nord nach Süd.

Unter diesen Gegebenheiten erscheint es fraglich,

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 08.07.2013 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

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ob Länder wie Brasilien, Indien oder China sich mit der Rolle des Regelnehmers abfinden würden.

Wahrscheinlicher ist das Szenario, dass es zu einer zunehmenden Abgrenzung zwischen sich gegen- über stehenden Handelsblöcken kommt.

Wie kann dieses Abdriften des Welthandelssys- tems in regionale Handelsblöcke verhindert wer- den? Am Anfang jeglicher Reformüberlegungen sollte die Einsicht stehen, dass in Zukunft insbe- sondere die Wirtschaftsbeziehungen mit aufstre- benden Schwellen- und Entwicklungsländern die größten ökonomischen Vorteile versprechen.

Gerade aus deutscher und europäischer Sicht führt daher kein Weg an der WTO vorbei. Das Momen- tum, das durch die TTIP-Verhandlungen ausgelöst wurde, sollte deshalb dazu genutzt werden die Doha-Entwicklungsrunde mit niedrigen Ambitio- nen zu Ende zu bringen. Gelingt dies in naher Zukunft nicht, ist es ratsam die Verhandlungen endgültig offiziell für gescheitert zu erklären.

Unabhängig vom Ausgang von Doha gilt es, end- lich den Weg frei zu machen für grundlegende institutionelle Reformen in der WTO. WTO-Ver- handlungsrunden werden nach dem single-under- taking-Prinzip geführt. Demnach können Ver- handlungen nur im Gesamtpaket und durch Zu-

stimmung aller Mitglieder zu Ende gebracht wer- den. Dieser Verhandlungsmodus erweist sich als zunehmend ineffektiv, da der Dissens über wenige kritische Punkte den Abschluss von multilateralen Handelsrunden nahezu unmöglich macht.

Es sollte daher mehr Spielraum für eine WTO der verschiedenen Geschwindigkeiten geben. Pluri- laterale Abkommen unter einer „Gruppe von Wil- ligen“ erfordern keine Zustimmung von allen WTO-Mitgliedern zu einem großen Paket. Pluri- lateralismus ist sicher kein Königsweg, aber er bietet mehr Möglichkeiten für den erfolgreichen Abschluss von Verhandlungen im Rahmen der WTO. Diese Strategie hätte zudem den Vorzug, dass die Vorteile eines plurilateralen Abkommens potentiell allen WTO-Mitgliedern offen stehen.

Die angesprochene Zusammenführung der Mega- Regionals sollte deshalb im Rahmen solcher plurilateralen Verhandlungen geschehen.

Es bleibt die Hoffnung, dass die jetzt beginnenden Verhandlungen zwischen USA und EU ein positi- ves Momentum für effektivere Regeln in der WTO und vielleicht sogar für die Doha-Runde erzeugen – und so einer weiteren Aushöhlung des multila- teralen Systems entgegen wirken.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 08.07.2013 www.die-gdi.de | www.facebook.com/DIE.Bonn | https://plus.google.com/

Dr. Clara Brandi Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) Axel Berger

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

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