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OptiMark - ein neues Handelssystem in den USA

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Academic year: 2022

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OptiMark - ein neues Handelssystem in den USA

Peter Gomber {peter.gomber@wirtschaft.uni-giessen.de}

BWL-Wirtschaftsinformatik, Justus-Liebig-Universität Gießen

Der rasante Fortschritt von Rechnerleistung und Datenverarbeitungskapazität hat in den letzten Jahren zu einem grundlegenden Strukturwandel bei Börsen und Wertpapierdienstleistern geführt. Moderne Computertechnologie hat die Geschwindigkeit, Genauigkeit und Transparenz des internationalen Wertpapierhandels bei deutlich gestiegenen Handelsvolumina erhöht. Die zunehmende Computerisierung verstärkt auch den Wettbewerb alternativer Handelssysteme, die sich durch unterschiedliche Marktmikrostrukturen und Technologieansätze gegeneinander abgrenzen.

Die etablierten Börsen und Handelssysteme können nicht die Präferenzen aller Marktteilnehmer berücksichtigen, da die Erfüllung heterogener Anforderungen nur schwerlich über eine einzelne Handelsplattform realisierbar ist. Für Kleininvestoren sind zum Beispiel geringe Geld-Brief-Spannen und niedrige Gebühren von hoher Wichtigkeit, während institutionelle Investoren primär Preiseffekte berücksichtigen, die durch Offenbarung von Orders mit großen Volumina (Blockhandel1) entstehen.

Viele Elektronische Handelssysteme bieten ein offenes Orderbuch, um eine hohe Markttransparenz und eine nachvollziehbare Preisfindung zu ermöglichen. Ein solches Marktmodell führt jedoch im Blockhandel zu zusätzlichen Transaktionskosten aufgrund adverser Preiseffekte.2

Zur geschickten Plazierung einer Order mit großem Volumen wird daher oftmals ein Broker als Intermediär herangezogen, der die Anonymität der Orderausführung ermöglicht und die Order gesplittet mit möglichst kleinem Preiseffekt plazieren kann. Neben den im Vergleich zu Elektronischen Handelssystemen höheren Gebühren begründet das Einschalten eines Brokers jedoch auch ein Principal-Agent-Problem, da der Broker als Agent des Investors die Information einer Blockorder für eigene vorteilhafte Aufträge nutzen kann. Dies gilt

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insbesondere dann, wenn es sich um einen Intermediär handelt, der gleichzeitig als Broker und Dealer also im Eigen- und Kundenhandel am Markt aktiv ist, was in den USA die Regel ist.

Vor diesem Hintergrund hat die OptiMark Technologie Inc. mit Sitz in Durango, Colorado, ein neues Handelssystem mit dem Namen OptiMark (Abkürzung für Optimal Market) entwickelt. Durch die Implementierung eines innovativen Konzepts sollen die oben genannten Nachteile vermieden werden. Aktuell wird OptiMark an der Pacific Exchange (San Francisco, Los Angeles) erstmals eingeführt und soll im nächsten Jahr an der NASDAQ starten, dem zweitgrößten und am schnellsten wachsenden Aktienmarkt der USA.3

Der OptiMark-Ansatz stellt eine völlig neue Art der Spezifikation und Zusammenführung von Orders dar und wird als >>biggest threat New York [New York Stock Exchange] has ever faced<<4 gehandelt. Ein Erfolg des Systems kann die Börsenlandschaft in den USA grundlegend verändern. Das System wird daher bereits vor seiner Einführung auch in den europäischen Finanzzentren heftig diskutiert.

OptiMark-Trading-System

OptiMark ermöglicht eine grafisch unterstützte Spezifikation von Orders, die komplexe Handelsstrategien repräsentieren können, und deren Zusammenführung in einem anonymen, elektronischen Markt. Die existierende Marktfragmentierung soll reduziert werden, indem viele kleine Orders auf einer Marktseite mit einer oder mehreren großen Orders auf der anderen Marktseite zusammengeführt werden können. Ziel ist es, über die Interaktion kleinerer und sehr großer Orders die Liquidität zu erhöhen und im Blockhandel eine hohe Ausführungsgeschwindigkeit ohne adverse Preiseffekte zu ermöglichen.5

Ein Fondsmanager, der z. B. 50.000 IBM-Aktien zum Marktpreis von 130 USD verkaufen will, jedoch auch bereit ist, zu 129,50 USD zu verkaufen, wenn er 60.000 Stück sofort abstoßen kann, und Kleininvestoren, die jeweils mehrere hundert IBM-Aktien zu

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einem niedrigeren Kurs als dem aktuellen Marktpreis kaufen möchten, sollen sich über das System finden können. Darüber hinaus erfolgt in OptiMark eine automatisierte Preisermittlung - im Gegensatz zu vielen anderen Elektronischen Handelssystemen.

Die grundsätzliche Innovation des OptiMark-Ansatzes im Vergleich zu existierenden Elektronischen Handelssystemen ist auf zwei Ebenen zu sehen

1. in der Art der Spezifikation von Orders und

2. in dem Algorithmus zur Zusammenführung dieser Orders.

Dreidimensionale Handelsstrategien

Existierende Handelssysteme lassen lediglich die Spezifikation zweidimensionaler Orders zu, das heißt, ein Händler spezifiziert Volumen und Limitpreis seiner Order beziehungsweise eine unlimitierte Order. Im Gegensatz zu dieser zweidimensionalen Spezifikation ermöglicht OptiMark die Definition komplexer Handelsstrategien, da eine OptiMark-Order aus einer Vielzahl von Preis/Volumen-Kombinationen bestehen kann, und diesen als dritte Dimension eine Nutzengröße, eine sogenannte >>willingness to trade<<, zugeordnet wird. Händler spezifizieren ihre Handelsstrategien also in Form eines dreidimensionalen Profils, eines

>>satisfaction-profiles<<, das jeder Preis/Volumen-Kombination einen Nutzen von 0 (geringster Nutzen, kein Handelsinteresse) bis 1 (höchster Nutzen, unbedingtes Handelsinteresse) zuordnet (Abbildung 1).

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129 129,5 130

50000

60000

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Nutzen

129 129,5 130

50000

60000

Preis

Volumen

Abbildung 1: Orderprofil im dreidimensionalen Raum6

Diese neue Art der Orderspezifikation erlaubt es, sowohl normale Limitorders über Nutzenzuordnungen von ausschließlich genau 1 als auch Profile mit unterschiedlichsten Nutzen für verschiedene Preis/Volumen-Kombinationen einzustellen. So kann der bereits erwähnte Fondsmanager den Verkauf von 50.000 IBM-Aktien zu 130,- USD pro Aktie mit einem Nutzen von 1 und einen Verkauf von 60.000 Stück zu 129,50 USD mit einem Nutzen von 0.5 bewerten. Andere Preis/Volumen-Kombinationen seien für ihn in diesem Beispiel nicht relevant, ihnen ordnet er einen Nutzen von 0 zu. Über eine grafische Oberfläche können unter Verwendung verschiedener Farbcodes die Nutzen alternativer Preis/Volumen-Kombinationen in ein zweidimensionales Preis-/Volumen-Diagramm eingetragen werden (Abbildung 2).

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Abbildung 2: Spezifikation einer Verkaufsorder in OptiMark7

Das Orderprofil wird anderen Händlern nicht offengelegt, das heißt, die Person des Händlers bleibt anonym und auch die von ihm eingegebene Order bzw. Handelsstrategie wird nicht gezeigt. Diese wird lediglich im zentralen Optimierungsalgorithmus zum Ordermatching und zur Preisermittlung herangezogen. Der Händler kann also eine komplexe Handelsstrategie in einer Order spezifizieren, ohne adverse Preiseffekte befürchten zu müssen. Nur bereits durchgeführte Transaktionen werden den Marktteilnehmern bekanntgegeben (post-trade transparency).

Die OptiMark-Handelsoberfläche wurde mit der plattformunabhängigen Programmiersprache Java entwickelt und ist daher auf den existierenden Händler- Workstations unter verschiedensten Betriebssystemen lauffähig. Die Kosten einer OptiMark Transaktion belaufen sich auf 0,01 USD pro Aktie für beide Marktseiten, fixe Kosten in Form von Bereitstellungsgebühren fallen nicht an.

Orderzusammenführung

OptiMark ermöglicht einen kontinuierlichen Handel und strebt an, alle im System vorhandenen Profile in Zyklen von jeweils neunzig Sekunden zusammenzuführen. Die von

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den verschiedenen Händlern erteilten Orders werden an einen zentralen Supercomputer geroutet und dort gematcht.8

Das durch den zentralen Matchingalgorithmus zu lösende Optimierungsproblem lautet:

Finde eine Allokation von Preis-/Volumen-Kombinationen auf die verschiedenen Käufer und Verkäufer, die - unter Berücksichtigung der über die Profile vorgegebenen Nebenbedingungen - zu einem maximalen aggregierten Nutzen über alle Marktteilnehmer führt. Aus komplexitätstheoretischer Sicht handelt es sich hierbei um ein NP-vollständiges Problem, das nicht mit vertretbarem Rechenaufwand exakt lösbar ist.9 Daher setzt OptiMark zur Bestimmung der auszuführenden Orders und zur Preisermittlung ein zweistufiges Näherungsverfahren ein:

In der ersten Stufe, der Aggregation, werden lediglich Preis-/Volumen-Kombinationen mit einer Nutzenzuordnung von 1 betrachtet. Ziel dieser Stufe ist die Aggregation von (meist) mehreren kleineren Orders, um diese mit einer großen Order zu matchen. Dazu bedient man sich des Konzepts des >>aggregation attractor<<.10 Der aggregation attractor wird auf Basis definierter Prioritätsregeln ermittelt und repräsentiert zu einem Zeitpunkt genau eine Preis/Volumen-Kombination genau eines Profils, für die eine Aggregation von passenden Orders auf der anderen Marktseite gesucht wird.

Unabhängig vom Erfolg oder Mißerfolg des jeweiligen Aggregationsversuchs wechselt der aggregation attractor das Profil auf Basis der Prioritätsregeln bis keine weiteren 1-er Nutzenzuordnungen gematcht werden können. Bei einer erfolgreichen Aggregation ergibt sich der Preis als der beste Preis aus der Sicht des Profils, das aktuell der aggregation attractor ist.

Nach der vollständigen Durchführung der Aggregation werden im zweiten Schritt des Optimierungsalgorithmus, der sogenannten Akkumulation, die verbleibenden Profile hinsichtlich weiterer Möglichkeiten des Matching untersucht. Dazu erfolgt eine paarweise Multiplikation der Nutzen aller Preis/Volumen-Kombinationen von Käufern und Verkäufern mit gleichem Preis und Volumen zu einem gemeinsamen Profil. Sind N Käufer und M Verkäufer im System, ergeben sich N*M Profile, die die gemeinsamen Nutzen des

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jeweiligen Käufer/Verkäuferpaars bezüglich verschiedener Preis/Volumen-Kombinationen, die >>mutual satisfaction<<, repräsentieren. Diese werden in eine Reihenfolge absteigenden gemeinsamen Nutzens gebracht und auf Basis dieses Rankings gematcht.

Die - nach Aggregation und Akkumulation - im System verbleibenden Profile werden im nächsten Matching erneut berücksichtigt. Der Matching-Prozeß des OptiMark-Systems wurde am 18. November 1997 unter der Nummer 5.689.652 patentiert.

Kritik und aktuelle Situation

Der Matching-Algorithmus des OptiMark Trading Systems und die Möglichkeit, dreidimensionale Handelsstrategien zu spezifizieren, unterscheiden OptiMark deutlich von anderen Handelssystemen und stellen zweifelsohne einen innovativen Ansatz dar. Ob das System letztendlich erfolgreich sein wird, und ob OptiMark >>...the Instinet of the 21th century<<11 wird, ist völlig offen.

Im Gegensatz zu anderen Elektronischen Handelssystemen strebt OptiMark nicht den Aufbau einer konkurrierenden Plattform als Broker/Dealer an. Statt dessen wird versucht, bestehende Börseninfrastrukturen zu nutzen, nicht zuletzt, um eine weitere Marksegmentierung zu vermeiden, alle Trades und die damit verbundenen Gebührenzahlungen über die Börsenmitglieder durchzuführen und so Interessenkonflikte zu umgehen.

Mit der approval order der Securities Exchange Commission (SEC) vom 18. September 1997 hat OptiMark auch die Bestätigung der Regulierungsbehörden erhalten.12 Bisher haben 150 institutionelle Investoren und 70 Broker die Nutzung von OptiMark zugesagt.13

Trotzdem gibt es eine Vielzahl kritischer Stimmen zu OptiMark, die nicht zuletzt durch die fortwährende Verzögerung des Systemstarts genährt wurden: Das System erfordert ein grundsätzliches Umdenken der Händler, da nun Profile und Nutzen im Vordergrund stehen, und nicht mehr allein Preis- und Volumengrößen relevant sind. Auch wird die

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Bedienungskomplexität kritisiert (>>to much clicking and dragging<<).14 Darüber hinaus werden eingestellte Orders dem Markt als wichtige Informationsquelle vorenthalten, was jedoch Grundvoraussetzung für die Anwendung des Systems im Blockhandel ist.

Der entscheidende Erfolgsfaktor für OptiMark wird zweifelsohne die Fähigkeit sein, sehr schnell eine kritische Masse an Liquidität zu erreichen, um weitere Liquidität anziehen zu können. Dies wird sicherlich durch die Nutzung eines etablierten Marktes, der Pacific Exchange, erleichtert.

Letztlich wird der Markt entscheiden, welches Bündel aus Marktmodell, Technologie und Services den Anforderungen der verschiedenen Investorengruppen gerecht werden kann.

Dieser Wettbewerb ist die Basis für die Umsetzung innovativer, den speziellen Kundenbedürfnissen entsprechender Konzepte, sowohl im Bereich der jeweiligen Marktmikrostruktur als auch bezüglich der verwendeten Technologie.

Entscheidend ist es, die Eigentumsrechte spezieller Investorengruppen am Gut Information zu sichern. Diese Eigentumsrechte beziehen sich sowohl auf das pre-trade Research und die jeweilige Handelsstrategie als auch auf die Frage, wann welchen Marktteilnehmer welche Teile der Order gezeigt werden sollen. Das freie Spiel des Wettbewerbs zwischen Börsen und Handelssystemen wird solche Märkte stärken, die diese Features bieten können. OptiMark ist möglicherweise einer von ihnen.

1 Gerke, W.; Rasch, S.: Ausgestaltung des Blockhandels an der Börse. In: Die Bank (1992) 4, S. 193- 201.

2 Keim, D. B., Madhavan, A.: The Cost of Institutional Equity Trades. In: Financial Analysts Journal, Vol. 54, No. 4, July/August 1998, S. 50-69.

3 BusinessWeek: The 21st Century Stock Market, http://www.businesweek.com/reprints/98- 32/b3590098.htm, 10.08.1998.

4 Eaton, L.: Market Place, The New York Times, 14. Januar 1998.

5 Cooper, G.: Exchanges Split on Liquidity Risk System, Risk Magazine Technology Supplement, August 1998, S. S45.

6 Rickard, T., Lupien, B.: Optimal Market Structures Based Upon Mutual Satisfaction, presented at: 30th Asilomar Conference on Signals, Systems, & Computers, November 3-6, 1996.

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7 Vgl. http://www.optimark.com.

8 Orford, J.: Trading on the Frontier, Plan Sponsor, October 1996, S. 11-18.

9 Rickard, T., Lupien, B.: Optimal Market Structures Based Upon Mutual Satisfaction, presented at: 30th Asilomar Conference on Signals, Systems, & Computers, November 3-6, 1996.

10 Clemons, E. K., Weber, B.: Restructuring Institutional Block Trading: An Overview of the OptiMark System. In: Proceedings of the Hawaii International Conference on System Science HICSS, Vol. VI, 1998, S. 301-310.

11 Malik, O.: Will OptiMark Support the Super-Anonymous Hype?, Traders Magazine, October 1997.

12 Clemons, E. K., Weber, B.: Restructuring Institutional Block Trading: An Overview of the OptiMark System. In: Proceedings of the Hawaii International Conference on System Science HICSS, Vol. VI, 1998, S. 309.

13 Cooper, G.: Exchanges Split on Liquidity Risk System, Risk Magazine Technology Supplement, August 1998, S. S45.

14 Petruno, T.: Mover Over, NYSE? OptiMark System Creating a Buzz, Los Angeles Times, 12. April, 1998.

Referenzen

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