Neueste Rechtsprechung des EuGH zum Asylrecht
• Steigende Anzahl von Fällen – Flüchtlingswelle ist auch beim EuGH angekommen
• Mehr einschlägige Verfahren werden in das Eilverfahren oder in das beschleunigte Verfahren genommen – Hilfe für nationale Gerichte
• Die Fünfte Kammer entscheidet derzeit über die Zuerkennung der Dringlichkeit, Hauptverfahren vor der Fünften Kammer oder der Großen Kammer
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Urteil v 7. März 2017, C-638/16 PPU, X und X
• Sachverhalt: Ein syrisches Ehepaar und seine drei kleinen Kinder schafften die Reise von Aleppo nach Beirut und stellten an der belgischen Botschaft am 16.10.2016 einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Visums für Belgien und gaben an, dass sie nach der Einreise in Belgien einen Antrag auf Asyl stellen wollten.
Anschließend kehrte die Familie nach Aleppo zurück
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Begründung:
-einer der Antragsteller sei von einer Terroristengruppe entführt und gefoltert und nur nach Lösegeldzahlung frei gelassen worden
-Als Angehörige des christlich-orthodoxen Glaubens besondere Verfolgungsgefahr
-Prekäre Sicherheitslage in Aleppo
-Wegen der Schließung der Grenzen keine Möglichkeit sich im Libanon als Flüchtling registrieren zu lassen
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Belgisches Ausländeramt lehnte die Anträge mit Entscheidung v 18.10. 2016 ab
- Antragsteller beabsichtigen länger als 90 Tage in Belgien zu bleiben
-Art. 3 EMRK verpflichte nicht dazu, Personen in einer katastrophalen Situation aufzunehmen
-Botschaften zählen nicht zu jenen Behörden, bei denen
Ausländer einen Asylantrag stellen konnten, deshalb können auf diesem Weg auch keine Visa zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung gestellt werden
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Die Antragsteller bekämpften die ablehnende Entscheidung beim Conseil du Contentieux des Étrangers
-Art 18 der GRC verpflichte die MS das Asylrecht zu garantieren, wenn nur so die Gefahr eines
Verstoßes gegen Art 3 EMRK und Art 4 GRC abgewendet werden kann
-Es seien die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex zu Erteilung eines
humanitären Visums erfüllt
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Das belgische Gericht legt am 12.12.2016 ua folgende Fragen dem EuGH vor:
•Beziehen sich die im Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex angeführten „ internationalen Verpflichtungen“ auf Art 4 und 18 der GRC sowie auf die EMRK und Art 33 der GFK ?
•Ist Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex so
auszulegen, dass ein MS verpflichtet ist, ein Visum
auszustellen, wenn die Gefahr eines Verstoßes gegen Art 4 und 18 GRC oder andere internationale
Verpflichtungen erwiesen ist ?
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Das Vorlagegericht beantragte die Behandlung im Eilverfahren gem Art 107 der EuGHVerfO
Die Fünfte Kammer gibt dem auf Vorschlag der
Berichterstatterin statt, ua mit der Begründung,
dass die Antragsteller tatsächlich Gefahr liefen,
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
ausgesetzt zu werden und dass die Große
Kammer in der Sache entscheiden solle
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi
-Auf die gegenständlichen Anträge findet der Visakodex Anwendung und der EuGH ist deshalb zuständig, die Fragen des Gerichts zu beantworten
-Antwort auf das Vorbringen der meisten MS
und der Kommission, die die Zuständigkeit des EuGH und/oder die Anwendbarkeit des
Visakodex in Frage stellten
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Die GRC ist anzuwenden, aber nicht weil sie eine „internationale Verpflichtung“ iS des Art.
25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex darstellt,
sondern weil sie als Teil des Primärrechts der
Union auf alle unionsrechtlich gestaltete
Sachverhalte anzuwenden ist
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Der EGMR habe aus Art 3 EMRK „positive
obligations“ abgeleitet und die bedeuten in
Anwendung des Art 4 GRC in diesem Fall,
dass die MS in solchen Fällen ein humanitäres
Visum erteilen müssen
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Urteil:
- Anträge fallen nicht unter den Visakodex, weil sie auf Aufenthaltstitel gerichtet sind, die
einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen erlauben
- Die Union hat zwar gem Art 79 Abs 2 Buchst a die Kompetenz, die Aufenthaltstitel für einen langfristigen Aufenthalt zu regeln, hat dazu aber bisher keinen Rechtsakt erlassen
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Ein anderes Ergebnis bedeutete, dass die Systematik der Dublin III- VO beeinträchtigt würde, da damit eine freie Wahl des MS möglich wäre, in dem die Gewährung des internationalen Schutzes zu prüfen ist
• Außerdem sehen die im Rahmen der
Asylpolitik der Union erlassenen Rechtsakte
nicht vor, dass Asylanträge außerhalb des
Hoheitsgebiets der MS gestellt werden können
Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung
• Die belgischen Behörden hätten die gegenständlichen Anträge fälschlich als Anträge auf ein Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt eingestuft
• Auf Anträge wie die verfahrens-
gegenständlichen ist nicht der Visakodex
anzuwenden sondern beim gegenwärtigen
Stand des Unionsrechts allein das nationale
Recht
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
• Urteil v 16.2.2017, C-578/16, PPU, C.K. ua
• Sachverhalt:
Frau C.K., syrische Staatsangehörige reiste gemeinsam mit Herrn H.F. aufgrund eines
kroatischen Visums am 16.5. 2015 in Kroatien
ein und nach einem kurzen Aufenthalt reisten
sie mit falschen griechischen Ausweispapieren
weiter nach Slowenien
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
- Das von den slowenischen Behörden an
Kroatien gerichtete Aufnahmegesuch wurde am 14.9. 2015 von den kroatischen Behörden akzeptiert
- Das Überstellungsverfahren wurde in der Folge wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft von Frau C.K. ausgesetzt. Nach der Geburt des Kindes A.S. wurde für dieses und seine Eltern in
Slowenien Asylanträge gestellt
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
• Bei Frau C.K. wurde durch mehrere Gutachten eine schwere postnatale Depression mit Selbstmordtendenzen diagnostiziert
• Der angerufene Oberste Gerichtshof bestätigte die Rechtmäßigkeit der Überstellung nach Kroatien,
es bestehen dort spezielle
Aufnahmeeinrichtungen, in denen ärztliche Betreuung möglich ist und in Kroatien gäbe es keine systemischen Mängel iS von Art 3 Abs 2 der Dublin III-VO
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
•
Der danach noch angerufene slowenische
Verfassungsgerichtshof kritisierte am Urteil des
Obersten Gerichtshofs, dass sich dieser nicht
darauf hätte beschränken dürfen, dass er nur
das Vorliegen systemischer Mängel prüft. Es
sei auch zu prüfen, ob nicht andere Gründe
vorliegen, die die Gefahr einer unmenschlichen
und erniedrigenden Behandlung befürchten
ließen und die einer Überstellung
entgegenstehen
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
Es wäre auch zu prüfen, ob nicht auch schon die Überstellung an sich eine solche Gefahr darstelle und deshalb Slowenien von der „Ermessens-
klausel“ des Art 17 Abs 1 der Dublin III-VO Gebrauch machen müsse.
Der Verfassungsgerichtshof hob das Urteil des
Obersten Gerichtshofs auf und verwies an diesen
den Fall zu neuerlichen Entscheidung zurück
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
• Der Oberste Gerichtshof richtete dann an den EuGH folgende Fragen:
1. Ist Art 17 Abs 1 der Dublin III-VO so zu verstehen, dass bei seiner Auslegung letzt-
instanzliche Gerichte von ihrer Vorlagepflicht gem Art 267 Abs 3 an den EuGH befreit sind?
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
2. Genügt die Prüfung des Vorliegens systemischer Mängel um den Anforderungen der Art 4 und 19 Abs 2 der GRC sowie dem Art 3 EMRK und Art 33 der GFK zu genügen?
3. Muss in einem Fall wie dem gegenständlichen Slowenien von der „Ermessensklausel“ des Art 17 Abs 1 der Dublin III – VO Gebrauch machen?
4. Muss dies von den betroffenen Personen beantragt werden oder hat dies von Amts wegen zu geschehen?
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
• Urteil:
- beantragtes Eilverfahren wurde genehmigt, da keine gerichtliche Entscheidung zur Aussetzung der Überstellung aufrecht war
Frage 1: die Anwendung der „Ermessensklausel“
unterliegt nicht allein dem nationalen Recht und dessen Auslegung durch das nationale Verfassungsgericht sondern stellt auch eine Frage der Auslegung des Unionsrechts iS des Art 267 AEUV dar
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
• Fragen 2,3,4:
- Überstellung darf nur unter Bedingungen
vorgenommen werden, die eine Gefahr für
eine unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung durch die Überstellung selbst
ausschließen, dies kann auch dann gegeben
sein, wenn im zuständigen MS keine
systemischen Schwachstellen bestehen
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
- Bei Vorliegen einer tatsächlichen und erwiesenen Gefahr einer wesentlichen und unumkehrbaren Verschlechterung des Gesundheitszustands stellt die Überstellung eine Verletzung des Art 4 GRC dar
- Wenn durch Vorsichtsmaßnahmen eine solche
Gefahr ausgeschlossen werden kann, kann eine
Überstellung stattfinden, wenn nicht, ist das
Verfahren auszusetzen
Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers
- Die MS können in solchen Situationen von der Ermessensklausel Gebrauch machen, Art 4 der GRC erfordert es aber nicht, dass sie dies tun müssen
- Erlaubt es der Gesundheitszustand nicht, innerhalb der in Art 29 Abs 1 der Dublin III-VO vorgesehenen sechsmonatigen Frist zu überstellen, dann ist der zuständige MS nicht mehr zur Aufnahme verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden MS über
Inhaftnahme eines Asylbewerbers
Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33
Urteil v 15.2.2016, C-601/15 PPU, J.N.
Sachverhalt:
J.N. stellte seit 1995 in den NL immer wieder Asylanträge, die immer wieder abgelehnt wurden, er wurde 21mal wegen Diebstahls zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. 2013 wurde ihm die Ausreise aufgetragen und ein Einreiseverbot verhängt. Nach Abbüßung einer neuerlichen Freiheitsstrafe wurde er in „Asylhaft“ genommen
Inhaftnahme eines Asylbewerbers
Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33
• Als rechtliche Grundlage diente eine Bestimmung des nationalen Rechts, die in Umsetzung des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013/33 ergangen ist. Diese Bestimmung sieht Asylhaft vor, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist
• Gegen diese Bestimmung brachte J.N. vor, dass sie gegen Art 5 Abs 1 lit f der EMRK verstoße, diese erlaube Haft nur dann, wenn ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange sei
Inhaftnahme eines Asylbewerbers
Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33
Urteil:
•Es stelle sich die Frage nach der Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e und seiner Vereinbarkeit mit Art 6 GRC
•Es liege tatsächlich eine Einschränkung des Rechts auf Freiheit vor, allerdings ist diese gesetzlich vorgesehen, achtet den Wesensgehalt des Art 6 GRC, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dient einem Gemeinwohlziel
Inhaftnahme eines Asylbewerbers
Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33
• Bei der Anwendung der Bestimmung ist aber eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der insb die Erforderlichkeit im Einzelfall und das Nichtvorliegen geringerer Mittel zu prüfen ist
• Es muss das individuelle Verhalten eine
tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend
erhebliche Gefahr darstellen, die ein
Grundinteresse der Gesellschaft oder die
innere oder äußere Sicherheit betrifft
Inhaftnahme eines Asylbewerbers
Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33
• Dass ein neuerlicher Asylantrag gestellt wurde, steht einer Asylhaft nicht entgegen, da damit die Berechtigung des Asylbewerbers bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Land zu bleiben, nicht in Frage gestellt ist
• Art 8 Abs 1 der RL verbietet aber, dass
Asylbewerber allein deshalb in Haft
genommen werden, weil sie einen Asylantrag
gestellt haben
Urteil v 1.3.2016, C-443, 444/14, Alo &Osso, Sachverhalt:
•Die syrischen Staatsangehörigen bekamen als subsidiär Schutzberechtigte in DL 2012 eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Wohnsitzauflage für die Stadt Ahlen und die Region Hannover mit Ausnahme der Stadt Hannover
•Begründung: Gleichmäßige Verteilung der mit der Gewährung von bestimmten Sozialleistungen verbundenen Lasten auf verschiedene Träger
Residenzpflicht
Residenzpflicht
• Stehen diese Wohnsitzauflagen den RL 2011/95 und 2004/83 entgegen?
Urteil:
• Art 33 der RL 2011/95 gewährleistet in Übereinstimmung mit der GFK die Bewegungsfreiheit für subsidiär Schutzberechtigte, gleiche Bedingungen und Einschränkungen wie für andere sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltende Drittstaatsbürger
• Für Sozialhilfeempfänger in der Vergleichsgruppe kann keine Residenzpflicht ausgesprochen werden
Residenzpflicht
• Eine nur mit der gleichmäßigen Verteilung der Sozialhilfelasten begründete Residenzpflicht ist daher nicht zulässig
• Hingegen kann eine Residenzpflicht dann ausgesprochen werden, wenn dies der Erleichterung der Integration dient
• Das nationale Gericht muss prüfen, ob ein sozialhilfeempfangender subsidiär Schutzberechtigter stärker mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert ist und deshalb in einer anderen Situation ist als andere Drittstaatsbürger
Rechtsbehelf gegen Überstellung
• Urteil v 7.6. 2016, C-63/15, Gheselbash
• Sachverhalt:
- Die niederländischen Behörden ersuchten im Rahmen der Dublin III-VO die französischen Behörden um Übernahme des iranischen Asylsuchenden Gheselbash, was diese auch akzeptierten
- Die von Herrn Gheselbash gegen eine Zuständigkeit der französischen Behörden vorgebrachten Fakten, wurden von den niederländischen Behörden nicht geprüft und auch nicht den französischen Behörden mitgeteilt
Rechtsbehelf gegen Überstellung
- Kann im gegenständlichen Fall trotz des Vorliegens einer akzeptierten Entscheidung zur Überstellung ein Rechtsmittel eingebracht werden, das auf die fehlerhafte Anwendung der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen MS gerichtet ist?
Urteil:
- Ja, da die Dublin III-VO im Unterschied zur Dublin II-VO nicht nur organisatorische Regeln für die Beziehungen zwischen den MS vorsieht, sondern auch die Beteiligung der Asylbewerber am Verfahren stärkt
Rechtsbehelf gegen Überstellung
- Die MS sind angehalten, die Asylbewerber über die Zuständigkeitskriterien zu unterrichten, ihnen Gelegenheit zur Mitteilung der Informationen zu geben, die die fehlerfreie Anwendung dieser Kriterien erlauben und ihnen einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung einzuräumen
- Art 27 Abs 1 der Dublin III-VO sieht vor, dass im Rahmen eines solchen Rechtsbehelfs alle Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen werden können
Rechtsbehelf gegen Überstellung
- Es besteht keine Beschränkung mehr, dass im Rechtsbehelf nur geltend gemacht werden darf, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im ersuchten MS systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art 4 GRC mit sich bringen
-Dieser Rechtsbehelf muss nicht per se aufschiebende Wirkung haben, sondern die MS können vorsehen, dass die Aussetzung der Überstellungsentscheidung gesondert beantragt werden muss
Ähnlich auch das Urteil v 7.6.2016, C-155/15, Karim
Visaerteilung und öffentliche Sicherheit
Urteil v 4.4.2017, C-544/15, Fahimian
Sachverhalt: die iranische Studentin Sahar Fahimian absolvierte ihr Studium an der iranischen Universität SUT mit einem master of science auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Sie wurde von der Technischen Universität Darmstadt zum Promotionsstudium zugelassen und sollte ein Forschungsvorhaben zum Thema „Sicherheit mobiler Systeme, Angriffserkennung auf Smartphones und Sicherheitsprotokolle“ durchführen
Visaerteilung und öffentliche Sicherheit
Das dafür beantragte Visum wurde von den deutschen Behörden aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gem Art 6 Abs 1 Buchst der RL 2004/114 abgelehnt.
Es bestünde die Gefahr, dass die von Frau Fahimian während ihres Studienaufenthalts erworbenen Fähigkeiten später in ihrem Herkunftsland mißbräuchlich eingesetzt werden könnten. Der Iran betreibe ein groß angelegtes Cyberprogramm, mit dem er sich in westlichen Ländern Zugang zu vertraulichen Informationen verschaffen wolle.
Die SUT stehe auf der „Sanktionenliste“ (Art 215 AEUV) und unterliege restriktiven Maßnahmen
Überwachung der eigenen Bevölkerung
Visaerteilung und öffentliche Sicherheit
Ein persönliches Fehlverhalten wurde der Antragstellerin nicht vorgehalten.
Die Fragen des Vorlagegerichts: Beurteilungsspielraum der Behörden, Dichte der gerichtlichen Kontrolle, liegt eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit vor?
Urteil:
Für Zwecke der RL 2004/114 genügt eine potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit; anders als für die RL 2004/38, hier bedarf es einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr
Visaerteilung und öffentliche Sicherheit
- Für die potentielle Gefahr kommt es nicht nur auf das persönliche Verhalten an sondern auf eine Gesamtbetrachtung alle relevanten Umstände
- Weiter Beurteilungsspielraum für die Behörden
- Gericht muss prüfen, ob die behördliche Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht – nur Prüfung offenkundiger Fehler und wesentlicher Verfahrensgarantien
Anhängige Rechtssachen
• Slowakei und Ungarn/Rat, C-643/15, C- 647/15
Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses
2015/ 1601 des Rates „Flüchtlingsverteilungs - beschluss“
GK, Verhandlung war am 10.5.
Schlussanträge: Bot, 26.7.2017
Anhängige Rechtssachen
• C-201/16, Shiri
Kann ein Asylbewerber eine Überstellung dadurch abwehren, dass er das Ablaufen der sechsmonatigen Frist des Art 29 der Dublin III-VO geltend macht? GK, Verhandlung war am 14.3., Schlussanträge 20.7.
• C-360/16, Hazan
Auslegung des Art 29 der Dublin III-VO,
Berechnung der Fristen, gerichtliche Kontrolle
Anhängige Rechtssachen
• C-670/16, Mengesteab
Ab wann gilt ein Antrag auf internationalen
Schutz für die Berechnung des Fristenlaufs gem Art 21 der Dublin III – VO als eingebracht ?
DL unterscheidet zwischen der Feststellung, dass beabsichtigt wird, einen Asylantrag zu stellen und der förmlichen Antragstellung, die derzeit oft bis zu zwei Jahren später stattfindet. DL berechnet derzeit die Fristen nach Art 21 erst ab dem späteren Zeitpunkt
Anhängige Rechtssachen
• C-490/16, A.S. und C-646/16, Jafari Beschleunigtes Verfahren
In beiden Fällen handelt es sich um Antragsteller, die im Zuge der großen Flüchtlingswelle Ende 2015/Anfang 2016 zunächst über Griechenland und dann über Kroatien in die Union einreisten. Sie wurden in Zügen und Bussen ohne Registrierung in Kroatien weiter transportiert. Die Antragsteller im österr Fall bekamen in Slowenien polizeiliche Papiere und wurden weiter geschickt
Anhängige Rechtssachen
• Rs Jafari
- Slowenien lehnte die österr Anträge auf Übernahme ab, Kroatien reagierte nicht
- BFA und das Bundesverwaltungsgericht lehnten eine österr Zuständigkeit ab
die Einreise nach Kroatien sei illegal gewesen
in Kroatien seien keine systemischen Mängel
gegeben
Fragen des VfGH an den EuGH
1. Ist die Dublin III - VO autonom auszulegen oder ist auf andere Unionsrechtsakte, insb den Schengener Grenzkodex Bezug zu nehmen?
2. Was bedeutet dies jeweils für den Begriff des
„illegalen Grenzübertritts“ iS des Art 13 Abs 1 der Dublin III – VO?
3. Ist die seitens Kroatiens/ Sloweniens und Österreichs faktisch geduldete Einreise zum Zwecke der Durchreise zu sehen als
Fragen des VfGH an den EuGH
3a. „Visum“ iS des Art 2 lit m und des Art 12 der Dublin III-VO ?
3b. Gestattung der Einreise iS des Art 5 Abs 4 lit c des Schengener Grenzkodex (VO 562/2006)?
Schlussanträge: Sharpston, 8.6. 2017
Anhängige Rechtssachen
• C-473/16, F.
Fragen eines ungarischen Gerichts:
Darf bei Asylbewerbern, die Verfolgung wegen Homosexualität geltend machen, ein forensisch- psychologischer Test (ohne körperliche
Untersuchung) angewendet werden?
Wenn nicht, wie kann sonst das Vorbringen des Asylbewerbers überprüft werden?