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Neueste Rechtsprechung des EuGH zum Asylrecht

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Academic year: 2022

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(1)

Neueste Rechtsprechung des EuGH zum Asylrecht

• Steigende Anzahl von Fällen – Flüchtlingswelle ist auch beim EuGH angekommen

• Mehr einschlägige Verfahren werden in das Eilverfahren oder in das beschleunigte Verfahren genommen – Hilfe für nationale Gerichte

• Die Fünfte Kammer entscheidet derzeit über die Zuerkennung der Dringlichkeit, Hauptverfahren vor der Fünften Kammer oder der Großen Kammer

(2)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Urteil v 7. März 2017, C-638/16 PPU, X und X

• Sachverhalt: Ein syrisches Ehepaar und seine drei kleinen Kinder schafften die Reise von Aleppo nach Beirut und stellten an der belgischen Botschaft am 16.10.2016 einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Visums für Belgien und gaben an, dass sie nach der Einreise in Belgien einen Antrag auf Asyl stellen wollten.

Anschließend kehrte die Familie nach Aleppo zurück

(3)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Begründung:

-einer der Antragsteller sei von einer Terroristengruppe entführt und gefoltert und nur nach Lösegeldzahlung frei gelassen worden

-Als Angehörige des christlich-orthodoxen Glaubens besondere Verfolgungsgefahr

-Prekäre Sicherheitslage in Aleppo

-Wegen der Schließung der Grenzen keine Möglichkeit sich im Libanon als Flüchtling registrieren zu lassen

(4)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Belgisches Ausländeramt lehnte die Anträge mit Entscheidung v 18.10. 2016 ab

- Antragsteller beabsichtigen länger als 90 Tage in Belgien zu bleiben

-Art. 3 EMRK verpflichte nicht dazu, Personen in einer katastrophalen Situation aufzunehmen

-Botschaften zählen nicht zu jenen Behörden, bei denen

Ausländer einen Asylantrag stellen konnten, deshalb können auf diesem Weg auch keine Visa zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung gestellt werden

(5)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Die Antragsteller bekämpften die ablehnende Entscheidung beim Conseil du Contentieux des Étrangers

-Art 18 der GRC verpflichte die MS das Asylrecht zu garantieren, wenn nur so die Gefahr eines

Verstoßes gegen Art 3 EMRK und Art 4 GRC abgewendet werden kann

-Es seien die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex zu Erteilung eines

humanitären Visums erfüllt

(6)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Das belgische Gericht legt am 12.12.2016 ua folgende Fragen dem EuGH vor:

Beziehen sich die im Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex angeführten „ internationalen Verpflichtungen“ auf Art 4 und 18 der GRC sowie auf die EMRK und Art 33 der GFK ?

Ist Art. 25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex so

auszulegen, dass ein MS verpflichtet ist, ein Visum

auszustellen, wenn die Gefahr eines Verstoßes gegen Art 4 und 18 GRC oder andere internationale

Verpflichtungen erwiesen ist ?

(7)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Das Vorlagegericht beantragte die Behandlung im Eilverfahren gem Art 107 der EuGHVerfO

Die Fünfte Kammer gibt dem auf Vorschlag der

Berichterstatterin statt, ua mit der Begründung,

dass die Antragsteller tatsächlich Gefahr liefen,

unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung

ausgesetzt zu werden und dass die Große

Kammer in der Sache entscheiden solle

(8)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi

-Auf die gegenständlichen Anträge findet der Visakodex Anwendung und der EuGH ist deshalb zuständig, die Fragen des Gerichts zu beantworten

-Antwort auf das Vorbringen der meisten MS

und der Kommission, die die Zuständigkeit des EuGH und/oder die Anwendbarkeit des

Visakodex in Frage stellten

(9)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Die GRC ist anzuwenden, aber nicht weil sie eine „internationale Verpflichtung“ iS des Art.

25 Abs. 1 Buchst. a des Visakodex darstellt,

sondern weil sie als Teil des Primärrechts der

Union auf alle unionsrechtlich gestaltete

Sachverhalte anzuwenden ist

(10)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Der EGMR habe aus Art 3 EMRK „positive

obligations“ abgeleitet und die bedeuten in

Anwendung des Art 4 GRC in diesem Fall,

dass die MS in solchen Fällen ein humanitäres

Visum erteilen müssen

(11)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Urteil:

- Anträge fallen nicht unter den Visakodex, weil sie auf Aufenthaltstitel gerichtet sind, die

einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen erlauben

- Die Union hat zwar gem Art 79 Abs 2 Buchst a die Kompetenz, die Aufenthaltstitel für einen langfristigen Aufenthalt zu regeln, hat dazu aber bisher keinen Rechtsakt erlassen

(12)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Ein anderes Ergebnis bedeutete, dass die Systematik der Dublin III- VO beeinträchtigt würde, da damit eine freie Wahl des MS möglich wäre, in dem die Gewährung des internationalen Schutzes zu prüfen ist

• Außerdem sehen die im Rahmen der

Asylpolitik der Union erlassenen Rechtsakte

nicht vor, dass Asylanträge außerhalb des

Hoheitsgebiets der MS gestellt werden können

(13)

Humanitäres Visum zur Einreise zum Zwecke der Asylantragsstellung

• Die belgischen Behörden hätten die gegenständlichen Anträge fälschlich als Anträge auf ein Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt eingestuft

• Auf Anträge wie die verfahrens-

gegenständlichen ist nicht der Visakodex

anzuwenden sondern beim gegenwärtigen

Stand des Unionsrechts allein das nationale

Recht

(14)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

• Urteil v 16.2.2017, C-578/16, PPU, C.K. ua

• Sachverhalt:

Frau C.K., syrische Staatsangehörige reiste gemeinsam mit Herrn H.F. aufgrund eines

kroatischen Visums am 16.5. 2015 in Kroatien

ein und nach einem kurzen Aufenthalt reisten

sie mit falschen griechischen Ausweispapieren

weiter nach Slowenien

(15)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

- Das von den slowenischen Behörden an

Kroatien gerichtete Aufnahmegesuch wurde am 14.9. 2015 von den kroatischen Behörden akzeptiert

- Das Überstellungsverfahren wurde in der Folge wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft von Frau C.K. ausgesetzt. Nach der Geburt des Kindes A.S. wurde für dieses und seine Eltern in

Slowenien Asylanträge gestellt

(16)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

• Bei Frau C.K. wurde durch mehrere Gutachten eine schwere postnatale Depression mit Selbstmordtendenzen diagnostiziert

• Der angerufene Oberste Gerichtshof bestätigte die Rechtmäßigkeit der Überstellung nach Kroatien,

es bestehen dort spezielle

Aufnahmeeinrichtungen, in denen ärztliche Betreuung möglich ist und in Kroatien gäbe es keine systemischen Mängel iS von Art 3 Abs 2 der Dublin III-VO

(17)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

Der danach noch angerufene slowenische

Verfassungsgerichtshof kritisierte am Urteil des

Obersten Gerichtshofs, dass sich dieser nicht

darauf hätte beschränken dürfen, dass er nur

das Vorliegen systemischer Mängel prüft. Es

sei auch zu prüfen, ob nicht andere Gründe

vorliegen, die die Gefahr einer unmenschlichen

und erniedrigenden Behandlung befürchten

ließen und die einer Überstellung

entgegenstehen

(18)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

Es wäre auch zu prüfen, ob nicht auch schon die Überstellung an sich eine solche Gefahr darstelle und deshalb Slowenien von der „Ermessens-

klausel“ des Art 17 Abs 1 der Dublin III-VO Gebrauch machen müsse.

Der Verfassungsgerichtshof hob das Urteil des

Obersten Gerichtshofs auf und verwies an diesen

den Fall zu neuerlichen Entscheidung zurück

(19)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

• Der Oberste Gerichtshof richtete dann an den EuGH folgende Fragen:

1. Ist Art 17 Abs 1 der Dublin III-VO so zu verstehen, dass bei seiner Auslegung letzt-

instanzliche Gerichte von ihrer Vorlagepflicht gem Art 267 Abs 3 an den EuGH befreit sind?

(20)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

2. Genügt die Prüfung des Vorliegens systemischer Mängel um den Anforderungen der Art 4 und 19 Abs 2 der GRC sowie dem Art 3 EMRK und Art 33 der GFK zu genügen?

3. Muss in einem Fall wie dem gegenständlichen Slowenien von der „Ermessensklausel“ des Art 17 Abs 1 der Dublin III – VO Gebrauch machen?

4. Muss dies von den betroffenen Personen beantragt werden oder hat dies von Amts wegen zu geschehen?

(21)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

• Urteil:

- beantragtes Eilverfahren wurde genehmigt, da keine gerichtliche Entscheidung zur Aussetzung der Überstellung aufrecht war

Frage 1: die Anwendung der „Ermessensklausel“

unterliegt nicht allein dem nationalen Recht und dessen Auslegung durch das nationale Verfassungsgericht sondern stellt auch eine Frage der Auslegung des Unionsrechts iS des Art 267 AEUV dar

(22)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

• Fragen 2,3,4:

- Überstellung darf nur unter Bedingungen

vorgenommen werden, die eine Gefahr für

eine unmenschliche oder erniedrigende

Behandlung durch die Überstellung selbst

ausschließen, dies kann auch dann gegeben

sein, wenn im zuständigen MS keine

systemischen Schwachstellen bestehen

(23)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

- Bei Vorliegen einer tatsächlichen und erwiesenen Gefahr einer wesentlichen und unumkehrbaren Verschlechterung des Gesundheitszustands stellt die Überstellung eine Verletzung des Art 4 GRC dar

- Wenn durch Vorsichtsmaßnahmen eine solche

Gefahr ausgeschlossen werden kann, kann eine

Überstellung stattfinden, wenn nicht, ist das

Verfahren auszusetzen

(24)

Dublin-Überstellung eines schwer kranken Asylbewerbers

- Die MS können in solchen Situationen von der Ermessensklausel Gebrauch machen, Art 4 der GRC erfordert es aber nicht, dass sie dies tun müssen

- Erlaubt es der Gesundheitszustand nicht, innerhalb der in Art 29 Abs 1 der Dublin III-VO vorgesehenen sechsmonatigen Frist zu überstellen, dann ist der zuständige MS nicht mehr zur Aufnahme verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden MS über

(25)

Inhaftnahme eines Asylbewerbers

Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33

Urteil v 15.2.2016, C-601/15 PPU, J.N.

Sachverhalt:

J.N. stellte seit 1995 in den NL immer wieder Asylanträge, die immer wieder abgelehnt wurden, er wurde 21mal wegen Diebstahls zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. 2013 wurde ihm die Ausreise aufgetragen und ein Einreiseverbot verhängt. Nach Abbüßung einer neuerlichen Freiheitsstrafe wurde er in „Asylhaft“ genommen

(26)

Inhaftnahme eines Asylbewerbers

Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33

• Als rechtliche Grundlage diente eine Bestimmung des nationalen Rechts, die in Umsetzung des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013/33 ergangen ist. Diese Bestimmung sieht Asylhaft vor, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist

• Gegen diese Bestimmung brachte J.N. vor, dass sie gegen Art 5 Abs 1 lit f der EMRK verstoße, diese erlaube Haft nur dann, wenn ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange sei

(27)

Inhaftnahme eines Asylbewerbers

Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33

Urteil:

•Es stelle sich die Frage nach der Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e und seiner Vereinbarkeit mit Art 6 GRC

•Es liege tatsächlich eine Einschränkung des Rechts auf Freiheit vor, allerdings ist diese gesetzlich vorgesehen, achtet den Wesensgehalt des Art 6 GRC, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dient einem Gemeinwohlziel

(28)

Inhaftnahme eines Asylbewerbers

Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33

• Bei der Anwendung der Bestimmung ist aber eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der insb die Erforderlichkeit im Einzelfall und das Nichtvorliegen geringerer Mittel zu prüfen ist

• Es muss das individuelle Verhalten eine

tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend

erhebliche Gefahr darstellen, die ein

Grundinteresse der Gesellschaft oder die

innere oder äußere Sicherheit betrifft

(29)

Inhaftnahme eines Asylbewerbers

Gültigkeit des Art 8 Abs 3 lit e der RL 2013 /33

• Dass ein neuerlicher Asylantrag gestellt wurde, steht einer Asylhaft nicht entgegen, da damit die Berechtigung des Asylbewerbers bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Land zu bleiben, nicht in Frage gestellt ist

• Art 8 Abs 1 der RL verbietet aber, dass

Asylbewerber allein deshalb in Haft

genommen werden, weil sie einen Asylantrag

gestellt haben

(30)

Urteil v 1.3.2016, C-443, 444/14, Alo &Osso, Sachverhalt:

•Die syrischen Staatsangehörigen bekamen als subsidiär Schutzberechtigte in DL 2012 eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Wohnsitzauflage für die Stadt Ahlen und die Region Hannover mit Ausnahme der Stadt Hannover

•Begründung: Gleichmäßige Verteilung der mit der Gewährung von bestimmten Sozialleistungen verbundenen Lasten auf verschiedene Träger

Residenzpflicht

(31)

Residenzpflicht

Stehen diese Wohnsitzauflagen den RL 2011/95 und 2004/83 entgegen?

Urteil:

Art 33 der RL 2011/95 gewährleistet in Übereinstimmung mit der GFK die Bewegungsfreiheit für subsidiär Schutzberechtigte, gleiche Bedingungen und Einschränkungen wie für andere sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltende Drittstaatsbürger

Für Sozialhilfeempfänger in der Vergleichsgruppe kann keine Residenzpflicht ausgesprochen werden

(32)

Residenzpflicht

Eine nur mit der gleichmäßigen Verteilung der Sozialhilfelasten begründete Residenzpflicht ist daher nicht zulässig

Hingegen kann eine Residenzpflicht dann ausgesprochen werden, wenn dies der Erleichterung der Integration dient

Das nationale Gericht muss prüfen, ob ein sozialhilfeempfangender subsidiär Schutzberechtigter stärker mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert ist und deshalb in einer anderen Situation ist als andere Drittstaatsbürger

(33)

Rechtsbehelf gegen Überstellung

Urteil v 7.6. 2016, C-63/15, Gheselbash

Sachverhalt:

- Die niederländischen Behörden ersuchten im Rahmen der Dublin III-VO die französischen Behörden um Übernahme des iranischen Asylsuchenden Gheselbash, was diese auch akzeptierten

- Die von Herrn Gheselbash gegen eine Zuständigkeit der französischen Behörden vorgebrachten Fakten, wurden von den niederländischen Behörden nicht geprüft und auch nicht den französischen Behörden mitgeteilt

(34)

Rechtsbehelf gegen Überstellung

- Kann im gegenständlichen Fall trotz des Vorliegens einer akzeptierten Entscheidung zur Überstellung ein Rechtsmittel eingebracht werden, das auf die fehlerhafte Anwendung der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen MS gerichtet ist?

Urteil:

- Ja, da die Dublin III-VO im Unterschied zur Dublin II-VO nicht nur organisatorische Regeln für die Beziehungen zwischen den MS vorsieht, sondern auch die Beteiligung der Asylbewerber am Verfahren stärkt

(35)

Rechtsbehelf gegen Überstellung

- Die MS sind angehalten, die Asylbewerber über die Zuständigkeitskriterien zu unterrichten, ihnen Gelegenheit zur Mitteilung der Informationen zu geben, die die fehlerfreie Anwendung dieser Kriterien erlauben und ihnen einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung einzuräumen

- Art 27 Abs 1 der Dublin III-VO sieht vor, dass im Rahmen eines solchen Rechtsbehelfs alle Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen werden können

(36)

Rechtsbehelf gegen Überstellung

- Es besteht keine Beschränkung mehr, dass im Rechtsbehelf nur geltend gemacht werden darf, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im ersuchten MS systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art 4 GRC mit sich bringen

-Dieser Rechtsbehelf muss nicht per se aufschiebende Wirkung haben, sondern die MS können vorsehen, dass die Aussetzung der Überstellungsentscheidung gesondert beantragt werden muss

Ähnlich auch das Urteil v 7.6.2016, C-155/15, Karim

(37)

Visaerteilung und öffentliche Sicherheit

Urteil v 4.4.2017, C-544/15, Fahimian

Sachverhalt: die iranische Studentin Sahar Fahimian absolvierte ihr Studium an der iranischen Universität SUT mit einem master of science auf dem Gebiet der Informationstechnologie. Sie wurde von der Technischen Universität Darmstadt zum Promotionsstudium zugelassen und sollte ein Forschungsvorhaben zum Thema „Sicherheit mobiler Systeme, Angriffserkennung auf Smartphones und Sicherheitsprotokolle“ durchführen

(38)

Visaerteilung und öffentliche Sicherheit

Das dafür beantragte Visum wurde von den deutschen Behörden aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gem Art 6 Abs 1 Buchst der RL 2004/114 abgelehnt.

Es bestünde die Gefahr, dass die von Frau Fahimian während ihres Studienaufenthalts erworbenen Fähigkeiten später in ihrem Herkunftsland mißbräuchlich eingesetzt werden könnten. Der Iran betreibe ein groß angelegtes Cyberprogramm, mit dem er sich in westlichen Ländern Zugang zu vertraulichen Informationen verschaffen wolle.

Die SUT stehe auf der „Sanktionenliste“ (Art 215 AEUV) und unterliege restriktiven Maßnahmen

Überwachung der eigenen Bevölkerung

(39)

Visaerteilung und öffentliche Sicherheit

Ein persönliches Fehlverhalten wurde der Antragstellerin nicht vorgehalten.

Die Fragen des Vorlagegerichts: Beurteilungsspielraum der Behörden, Dichte der gerichtlichen Kontrolle, liegt eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit vor?

Urteil:

Für Zwecke der RL 2004/114 genügt eine potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit; anders als für die RL 2004/38, hier bedarf es einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr

(40)

Visaerteilung und öffentliche Sicherheit

- Für die potentielle Gefahr kommt es nicht nur auf das persönliche Verhalten an sondern auf eine Gesamtbetrachtung alle relevanten Umstände

- Weiter Beurteilungsspielraum für die Behörden

- Gericht muss prüfen, ob die behördliche Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht – nur Prüfung offenkundiger Fehler und wesentlicher Verfahrensgarantien

(41)

Anhängige Rechtssachen

• Slowakei und Ungarn/Rat, C-643/15, C- 647/15

Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses

2015/ 1601 des Rates „Flüchtlingsverteilungs - beschluss“

GK, Verhandlung war am 10.5.

Schlussanträge: Bot, 26.7.2017

(42)

Anhängige Rechtssachen

• C-201/16, Shiri

Kann ein Asylbewerber eine Überstellung dadurch abwehren, dass er das Ablaufen der sechsmonatigen Frist des Art 29 der Dublin III-VO geltend macht? GK, Verhandlung war am 14.3., Schlussanträge 20.7.

• C-360/16, Hazan

Auslegung des Art 29 der Dublin III-VO,

Berechnung der Fristen, gerichtliche Kontrolle

(43)

Anhängige Rechtssachen

• C-670/16, Mengesteab

Ab wann gilt ein Antrag auf internationalen

Schutz für die Berechnung des Fristenlaufs gem Art 21 der Dublin III – VO als eingebracht ?

DL unterscheidet zwischen der Feststellung, dass beabsichtigt wird, einen Asylantrag zu stellen und der förmlichen Antragstellung, die derzeit oft bis zu zwei Jahren später stattfindet. DL berechnet derzeit die Fristen nach Art 21 erst ab dem späteren Zeitpunkt

(44)

Anhängige Rechtssachen

• C-490/16, A.S. und C-646/16, Jafari Beschleunigtes Verfahren

In beiden Fällen handelt es sich um Antragsteller, die im Zuge der großen Flüchtlingswelle Ende 2015/Anfang 2016 zunächst über Griechenland und dann über Kroatien in die Union einreisten. Sie wurden in Zügen und Bussen ohne Registrierung in Kroatien weiter transportiert. Die Antragsteller im österr Fall bekamen in Slowenien polizeiliche Papiere und wurden weiter geschickt

(45)

Anhängige Rechtssachen

• Rs Jafari

- Slowenien lehnte die österr Anträge auf Übernahme ab, Kroatien reagierte nicht

- BFA und das Bundesverwaltungsgericht lehnten eine österr Zuständigkeit ab

die Einreise nach Kroatien sei illegal gewesen

in Kroatien seien keine systemischen Mängel

gegeben

(46)

Fragen des VfGH an den EuGH

1. Ist die Dublin III - VO autonom auszulegen oder ist auf andere Unionsrechtsakte, insb den Schengener Grenzkodex Bezug zu nehmen?

2. Was bedeutet dies jeweils für den Begriff des

„illegalen Grenzübertritts“ iS des Art 13 Abs 1 der Dublin III – VO?

3. Ist die seitens Kroatiens/ Sloweniens und Österreichs faktisch geduldete Einreise zum Zwecke der Durchreise zu sehen als

(47)

Fragen des VfGH an den EuGH

3a. „Visum“ iS des Art 2 lit m und des Art 12 der Dublin III-VO ?

3b. Gestattung der Einreise iS des Art 5 Abs 4 lit c des Schengener Grenzkodex (VO 562/2006)?

Schlussanträge: Sharpston, 8.6. 2017

(48)

Anhängige Rechtssachen

• C-473/16, F.

Fragen eines ungarischen Gerichts:

Darf bei Asylbewerbern, die Verfolgung wegen Homosexualität geltend machen, ein forensisch- psychologischer Test (ohne körperliche

Untersuchung) angewendet werden?

Wenn nicht, wie kann sonst das Vorbringen des Asylbewerbers überprüft werden?

(49)

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Referenzen

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