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Apotheke Ozean

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S

chwamm hin, Schwamm her – wer sich dabei nur ans Tafelputzen und Schwamm- schlachten seiner Schulzeit erinnert, der irrt sich gewaltig. Der allseits bekannte Badeschwamm ist

lediglich das Skelett eines Tieres, das in den Weltmeeren noch rund 8000 andere Verwandte hat. Und in vielen Mitgliedern der Schwammverwandt- schaft (Porifera) steckt viel mehr als nur ein praktisches Gerüst zur Rei -

nigung – im lebenden Zustand pro- duzieren sie eine Vielzahl hoch- wirksamer Substanzen. Deshalb wer- fen Pharmakologen seit Jahren ihre Netze im Meer aus. Denn in den Ozeanen liegt ein unermesslicher medizinischer Schatz ver- borgen, der sich als Ba- sis für neue Arzneimittel eignet.

Die Natur steht Modell Mit allen Tricks und Fines- sen wird vor allem im Ko- rallenriff eine chemische Kriegsführung zum Über- leben eingesetzt. Denn Schwämme, aber auch Ko- rallen, Moostierchen, See- scheiden und Schnecken haben keine Zähne, Kral- len oder Stacheln, trotz- dem wissen sie sich zu wehren: Sie verfügen über ein gigantisches chemi- sches Arsenal, mit dem sie Nachbarn auf Ab- stand halten, zurückdrän- gen oder gar töten kön- nen. Bioaktive Substan- zen nennen Wissenschaft- ler diese Naturstoffe. Mit diesen giftigen Cocktails schützen sich die Riffsied- ler vor gefrässigen Fischen und anderen Räubern und verhindern, dass ihre Au- ßenhaut von Algen, Bak- terien und anderen Orga- nismen bewachsen wird.

Viele dieser toxischen Ver- bindungen sind daher

u PRAXIS APOTHEKE OZEAN

78 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Februar 2011

© Kondomi / www.fotolia.com

Die blaue Apotheke

Bei Pharmakologen können Schwämme mehr als nur Tafeln wischen. Das Potenzial

der Wirkstoffe aus Meerestieren ist enorm, einige haben es bis zum Medikament

geschafft.

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PRAXIS APOTHEKE OZEAN

80 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Februar 2011

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auch von medizinischem Nut- zen, da deren Wirkungsspektrum von antibakteriell und entzündungs- hemmend bis hin zu zelltoxisch und antiviral reicht. Etwa 15 000 Wirk- stoffe sind bereits bekannt und jähr- lich kommen etwa 600 neue Natur- stoffe aus dem Meer hinzu. Kein Wunder, denn die geschätzte eine Million Arten unter Wasser bietet ein geradezu unerschöpfliches Feld für Entdeckungen. Tatsächlich sind heute schon hochaktive Verbindun- gen aus Meerestieren im klinischen Einsatz oder werden klinisch geprüft.

Immerhin ein Drittel der derzeitigen Blockbuster der Pharmaindustrie

sind bioaktive Substanzen oder aus ihnen abgeleitete Strukturen. Etwa 20 Pharmazeutika mit Naturstof- fen sind verfügbar oder in der End- entwicklung. Hierzu zählen Mittel zur Behandlung von Krebs, HIV, Asthma, Entzündungen oder Infek - tionskrankheiten.

Schwamm drüber Erste Erfolge feierte man Ende der 1950er Jahre, mit den beiden aus dem karibischen Schwamm Cryptothetia crypta iso- lierten Nukleosiden Spongouridin und Spongothymidin. Auf Basis dieser beiden Stoffe wurde das Virostati- kum Ara-A entwickelt, das bis heute bei Herpes-simplex-Infektionen an- gewendet wird und die tumor- hemmende Substanz Ara-C, die als Zytostatikum noch heute in der Krebstherapie zum Einsatz kommt.

Verblüffende Möglichkeiten bieten zum Beispiel auch Kieselschwämme wie Suberites domuncula. Mit dem Enzym Silicatein bauen sie ein Skelett aus Biosilikat. Dieses Material könnte sich beispielsweise zur Herstellung von Knochen- und Zahnersatz eig-

nen. Aber auch andere Meeresbe- wohner sind potenzielle Medika- mentenlieferanten, einige haben es bereits auf den Arzneimittelmarkt geschafft.

Schneckengift lindert Schmer- zen Vielleicht haben Sie ihre Ge- häuse schon einmal am Strand gefunden oder im Basar gesehen.

Kegelschnecken sind farbenfroh und wunderbar gemustert. Ein Signal für Forscher, denn auffallend schöne Spezies schützen sich mit Giften vor feindlichen Attacken. Kegel- schnecken etwa verschießen giftbe - ladene Harpunen, die die Nerven- funktionen ihrer An- greifer außer Gefecht setzen. Jede der mehr als 500 Kegelschne- ckenarten produziert einen anderen artspe- zifischen Giftmix aus bis zu 200 verschie- denen Toxinen. Jeder Einzelne dieser Wirk- stoffe könnte wirksam gegen Rheuma, Epilepsie, Schlaganfall oder Herzinfarkt sein. Das als Conotoxin bezeichnete Nervengift der Kegel- schnecke Conus magnus zählt dabei zu den ersten Substanzen, die es bereits bis zum Medikament ge- schafft hat. Es stand Modell für das Schmerzmittel mit dem Wirk- stoff Ziconotid, der bei chronischen Schmerzen die Freisetzung von Schmerzmediatoren im Rücken- mark hemmt, unter anderem die Substanz P.

Blaues Blut gegen Krebs Mit Im- munocyanin, einem Glykoprotein, das als Keyhole Limpet hemocyanin (KLH) aus der kupferhaltigen blauen Hämolymphe der unscheinbaren kalifornischen Schlüsselloch-Napf- schnecke (Meguratha crenulata) ge- wonnen wird, existiert ebenso ein zugelassenes Medikament, das gegen Harnblasenkrebs wirkt.

Anti-Tumorwirkstoff der See- scheide Ebenfalls auf dem Markt ist Trabectedin aus einer karibischen

Seescheide (Ecteinascidia turbinata);

das sind kleine, sackförmige Mantel- tiere (Tunicata) ohne Augen, die meist in Kolonien am Meeresgrund festsitzen. Das Alkaloid blockiert das multi-drug resistence (MDR)-Gen, das bei einigen Krebspatienten für eine Resistenz der Tumore gegen viele Präparate sorgt.

Muschelextrakt gegen Rheuma Auch der Lipidextrakt der neusee- ländischen Grünlippmuschel (Perna canaliculus) findet wegen seiner entzündungshemmenden und schmerzstillenden Wirkung als Nahrungsergänzungsmittel bei Ge- lenkentzündung und Arthrose An- wendung.

Weitere Kandidaten Pseudopte - rosin ist ein Stoff, der von der ka- ribischen Hornkoralle Pseudoptero - gorgia elisabethae produziert wird.

Die Substanz wirkt entzündungs- hemmend und scheint vielverspre- chend bei der Behandlung von Schuppenflechte und Neurodermitis, aber auch bei Rheuma oder Asthma zu sein. In kosmetischen Cremes wird sie schon verwendet.

Das Moostierchen Bugula neritina – ein pflanzenartiges Geschöpf, das aussieht wie ein herrenloses Toupet und im Golf von Kalifornien gedeiht, bildet Bryostatin, das nicht nur Feinde vertreibt, sondern auch das Wachstum von Krebszellen hemmt.

Vor allem bei Leukämie soll der Wirkstoff erfolgreich sein.

Kahalalide F, entdeckt in der Samt- schnecke Elysia rufescens, kann Krebszellen abtöten und befindet sich in der klinischen Prüfung als Wirkstoff gegen Prostatakrebs.

Squalamin – ein hormonartiger Wirkstoff aus Dornhaien, verhindert die Neubildung von Blutgefäßen, wie sie Tumore für ihre Blutversorgung brauchen. Mit diesem Mittel könn- ten sich Geschwülste aushungern lassen.

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Dr. Kirsten Schuster, Medizinjournalistin

»Das Meer ist eine Fund-

grube für neue Medikamente.«

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