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Johannes Träupmann, MA. Soziale Arbeit, Menschenrechte und Religion

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Academic year: 2022

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Johannes Träupmann, MA

Soziale Arbeit, Menschenrechte und Religion –

Zum Umgang einer menschenrechtsbasierten Sozialen Arbeit mit migrantischer Religion

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

der Studienrichtung Global Studies an der Karl-Franzens-Universität Graz

Begutachter: Oberleitner, Gerd, Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.iur.

Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen

Graz, Juli 2019

(2)

i

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Johannes Träupmann, erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum Unterschrift

(3)

ii

Abstract

Die gegenständliche Masterarbeit setzt sich mit der Thematik der Religion/Religiosität in einer menschenrechtsbasierten Sozialen Arbeit im Handlungsfeld Migration und Flucht auseinander. Kern der Untersuchung stellen einerseits die theoretischen Befunde aus aktuellen Fachdebatten der Religions-, Migrations- und Sozialarbeitsforschung und andererseits die Aussagen der interviewten Fachkräfte aus unterschiedlichen sozialarbeiterischen Institutionen in Graz dar. Diese werden mithilfe einer qualitativen Forschungsmethode ausgewertet.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen: Im Handlungsfeld Migration und Asyl spielt die Religion bzw. Religiosität der KlientInnen innerhalb des Hilfeprozesses eine eher untergeordnete Rolle für die Fachkräfte (Religion als Privatsache), es sei denn, sie wird explizit als Ressource identifiziert. So zeigte sich, dass die Fachkräfte durch ihre ganzheitliche Betrachtungsweise von sozialen Problemen eine übermäßige religiöse Deutung von Problemsituationen zu vermeiden versuchen. Im Falle dezidierter Konflikte zwischen menschenrechtlichen Normvorstellungen und religiös motivierten Verhaltensweisen der KlientInnen geht die fachliche Bearbeitung über Beziehungsarbeit zu den KlientInnen mit einer Sensibilisierung für die Menschenrechte einher. Solche expliziten Konflikte stellen in der Praxis jedoch die Ausnahme dar.

Die Menschenrechte spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle für die professionsethische Grundhaltung der Fachkräfte, werden aber eher unter dem Aspekt des Menschenrechtsschutzes ihrer KlientInnen betrachtet, denn als normatives Fundament der Sozialen Arbeit. Als ethischer Bezugsrahmen können die Menschenrechte jedoch als wichtige Grundlage für einen sensiblen Umgang mit der Religion der KlientInnen fungieren. Eine intensivere Thematisierung der Menschenrechte in der Ausbildung sowie eine umfassendere Menschenrechtsbildung quer durch alle pädagogischen Settings werden überdies als wünschenswert empfunden.

(4)

iii

Abstract

The present master thesis describes the topic of religion in a human rights-based social work in the field of migration and flight. The core of the research is the outline of theoretical findings from current professional discourses on religious, migration and social work research one the one hand, and the statements of the interviewed specialists from different social institutions in Graz on the other. These are analysed using a qualitative research method.

The findings can be summarised as follows: In the area of migration and asylum, the religion or religiosity of the clients plays a rather subordinate role for the professionals (religion as a private matter) within the aid process, unless it is explicitly identified as a resource. It turned out that the professionals try to avoid an excessive religious interpretation in problem situations by taking a holistic view on social problems. In case of determined conflicts with human rights norms due to religiously motivated behaviour of the clients, the professional work goes along with creating awareness of the human rights by building relationships with the clients. However, in practice such explicit conflicts are more unusual.

In this context, human rights play a central role in the ethical attitude of the professionals, but are seen more from the point of view of the protection of human rights of their clients than as a normative base of social work. As an ethical framework, human rights, however, can be used as the foundation for a sensitive approach to the religion of the clients. Moreover, an increased topic of human rights in training as well as a more comprehensive human rights education across all pedagogical settings are considered desirable.

(5)

iv

Danksagung

Die Erstellung dieser Forschungsarbeit wäre ohne die Hilfe und Unterstützung meiner Familie und Freunde nicht denkbar gewesen.

Mein besonderer Dank geht dabei an meine StudienkollegInnen Daniela, Kerstin, Isa und David. Die Motivation durch euch, auch auf intellektuellen Durststrecken weiterzumachen, die vielen kreativen Denkanstöße und natürlich auch die wichtigen Pausen zwischendurch haben den größten Anteil daran, dass die Masterarbeit in dieser Form vorliegen kann.

Darüber hinaus möchte ich meiner (Co-)Betreuerin Bernadette Knauder für die sehr hilfreiche Begleitung meines Forschungsprozesses danken. Die Reflexionsgespräche und Anregungen haben mich immer wieder daran erinnert, auf dem richtigen Weg zu sein.

Ebenso geht ein ganz großer Dank an meine InterviewpartnerInnen, die sich die Zeit genommen haben, einen ungemein wertvollen Beitrag für diese Masterarbeit zu leisten.

Auch möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Oberleitner bedanken, der sich dieser nicht ganz facheinschlägigen Thematik angenommen hat.

(6)

v

Inhaltsverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung ... i

Abstract ... ii

Danksagung ... iv

I Theoretischer Teil ... 1

1 Einleitung ... 1

1.1 Ausgangspunkt und Forschungsziel ... 1

1.2 Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit ... 3

2 Grundlegende Begriffsbestimmungen ... 4

2.1 Menschenrechte ... 4

2.1.1 Ideengeschichtlicher Hintergrund und Konzeption der Menschenrechte 4 2.1.2 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ... 5

2.1.3 Begründungen und Kontroversen im Menschenrechtsdiskurs ... 6

2.1.4 Menschenwürde ... 7

2.2 Religion ... 8

2.2.1 Religionsfreiheit als Menschenrecht ... 10

2.2.2 Religions- und Glaubensgemeinschaften in Österreich ... 10

2.3 Migration ... 11

2.3.1 Historische Entwicklung in Österreich ... 12

2.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen ... 13

2.4 Soziale Arbeit ... 14

2.4.1 Auftrag und Ziele Sozialer Arbeit ... 15

2.4.2 AdressatInnen Sozialer Arbeit ... 19

2.4.3 Doppel- bzw. Tripelmandat der Sozialen Arbeit ... 20

2.4.4 Ethische Grundlagen und Berufskodizes in der Sozialer Arbeit ... 21

3 Menschenrechtsbasierte Soziale Arbeit ... 25

3.1 Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft ... 25

(7)

vi

3.1.1 Historische Entwicklung ... 26

3.1.2 Migration und Religion ... 28

3.1.3 Theoretische Perspektiven... 32

3.2 Soziale Arbeit und Menschenrechte ... 36

3.2.1 Internationale Soziale Arbeit ... 37

3.2.2 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession... 38

3.2.3 Probleme und Grenzen ... 40

3.2.4 Menschenrechtspädagogik, Menschenrechtsbildung ... 42

II Empirischer Teil... 46

4 Forschungsdesign ... 46

4.1 Erhebungsmethode ... 47

4.2 Erstellung eines Interviewleitfadens ... 49

4.3 Wahl der InterviewpartnerInnen (Stichprobe) ... 50

4.4 Ablauf der Interviews ... 51

4.5 Auswertungsmethode ... 51

4.5.1 Qualitative Inhaltsanalyse ... 51

4.5.2 Computergestützte Auswertung ... 54

4.6 Darstellung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse ... 56

4.6.1 politisches und berufsethisches Selbstverständnis der Fachkräfte ... 56

4.6.2 Bedeutung der Menschenrechte in der täglichen Arbeit mit MigrantInnen und Geflüchteten ... 59

4.6.3 Konzeption Menschenrechtsbildung ... 61

4.6.4 Wahrnehmung und Zugang zu Religion/Religiosität in der Praxis ... 62

4.6.5 Religion als Ressource ... 65

4.6.6 Herausforderungen für die Fachkräfte in Bezug auf Religion ... 66

4.6.7 Umgang mit Herausforderungen ... 69

4.7 Diskussion der Forschungsergebnisse und Conclusio ... 74

4.8 Ausblick ... 77

(8)

vii

5 Literaturverzeichnis ... 79

5.1 Abbildungsverzeichnis ... 91

5.2 Abkürzungsverzeichnis ... 91

6 Anhang ... 93

6.1 Interviewleitfaden ... 93

6.2 Transkriptionsregeln für die Interviews ... 95

6.3 Transkribierte ExpertInneninterviews ... 95

(9)

1

I Theoretischer Teil

1 Einleitung

1.1 Ausgangspunkt und Forschungsziel

Der aktuelle Menschenrechtsbefund von 2018, den die Österreichische Liga für Menschenrechte zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember veröffentlichte, zeichnet ein düsteres Bild: menschenrechtliche Verpflichtungen und Standards zum Trotz finden Feindseligkeiten und Hass immer mehr Eingang in die öffentliche Debatte und Ressentiments gegenüber stigmatisierten Bevölkerungsgruppen, besonders im Bereich des Asyl- und Fremdenwesens, nehmen zu. Einen „schweren Schlag“ erlitt die menschenrechtliche Kultur in Österreich überdies durch die Nicht-Unterzeichnung des UN-Migrationspaktes. Aufgrund der – nicht nur in Österreich – wachsenden Zahl von nationalistisch und autoritär orientierten politischen Akteuren und einer damit einhergehenden Ablehnung der internationalen Solidarität, wächst die Gefahr der Relativierung und Aushöhlung einer universalen Menschenrechtsidee (vgl. Österreichische Liga für Menschenrechte 2018, S. 5ff).

Vor diesem Hintergrund steht insbesondere die Profession der Sozialen Arbeit vor der Herausforderung, sich in den Menschenrechtsdiskursen zu verorten. In der Fachliteratur herrscht weitgehend Konsens darüber, dass die Soziale Arbeit innerhalb ihrer verschiedenen Handlungsfelder in der Pflicht steht, Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen in der KlientInnenarbeit systematisch aufzudecken und diesen entgegenzuwirken (Staub-Bernasconi 2009, S. 12 / Freise 2013, S. 51 / Melter 2013, S. 96 / Filsinger 2017, S. 20 / von Grönheim 2018, S. 31ff).

Eines dieser Handlungsfelder stellt dabei Migration und Flucht dar, das angesichts globaler Migrationsbewegungen sowie weltweit steigender Flüchtlingszahlen zunehmend an Bedeutung für die Soziale Arbeit gewinnt und einmal mehr zu einer klaren menschenrechtlichen Positionierung auffordert (Schirilla 2016). Entlang dieses Handlungsfeldes wird in der gegenständlichen Masterarbeit davon ausgegangen, dass die Entstehung und Entwicklung der Menschenrechte eng mit Religion und Glauben verbunden ist und seit jeher eine Debatte um das Spannungsfeld religiöser und säkulärer bzw. menschenrechtlicher Normvorstellungen entfacht (Kirchschläger 2016, S. 19f). Gerade in Einwanderungsgesellschaften wächst das Gefühl der Bedrohung

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2 freiheitlicher und auf den Menschenrechten beruhenden Werte durch religiöse Dissonanzen, was nach Bunge (2014) nicht zuletzt zu Integrationsproblemen und der Diskriminierung von Minderheiten führt (ebd., S. 319). Mit Blick auf die verschiedenen öffentlichen Kontroversen um u.a. das Kopftuch, die religiös motivierte Beschneidung von Jungen oder die religiös gerechtfertigte ungleiche Stellung von Frau und Mann, stellt sich für Bohmeyer (2016) die Frage, wieviel Religion eine moderne Gesellschaft ertragen oder ihr zugemutet werden kann (S. 53). So gesehen werden Religionsvorstellungen auch von den AdressatInnen der Sozialen Arbeit thematisiert und die Fachkräfte zur Auseinandersetzung mit Religion aufgefordert. Umso mehr ist es verwunderlich, dass sich die Soziale Arbeit mit Religion bisher kaum differenziert auseinandergesetzt hat und „weder theoretisch noch praktisch ausreichend darauf vorbereitet [ist]“ (Nauerth et al. 2017, S. 12). Bohmeyer (2016) lokalisiert einen möglichen Grund dafür im Wissenschaftsverständnis der Sozialen Arbeit, das den soziologischen Säkularisierungstheorien folgt und ebenso von einem Verschwinden der Religionen ausgeht (ebd., S. 54). Die These jedoch, dass im Zuge gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse religiöse Glaubensüberzeugungen aus der Öffentlichkeit verschwinden, hält einer empirischen Prüfung mittlerweile nicht mehr Stand (Pickel 2018, S. 158). Eine Soziale Arbeit, die sich „als Verteidigerin einer emanzipierten Vernunft versteht, die aus der Vormundschaft der Religion befreit wurde“ (S. 54), läuft Gefahr, den Blick auf den (wieder) zunehmenden Einfluss der Religion in modernen Gesellschaften zu verstellen.

Vor dem Hintergrund des „Zeitalters der Migration“ (Webinger 2017), der aktuellen Flüchtlingsdebatte sowie dem Umstand, dass die religiöse Dimension von Migration und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft bislang wenig erforscht ist (Polak &

Reiss 2015, S. 8), stellt dieses Feld insbesondere die sich den Menschenrechten verschriebene, internationale Soziale Arbeit vor neue Herausforderungen (Lange et al.

2018, S. 1). Allerdings existiert in vielen Feldern der Sozialen Arbeit bislang noch wenig systematisches Wissen über Maßnahmen und Interventionen zur Förderung der Menschenrechte (vgl. Spatschek & Steckelberg 2018, S. 12). Die Implementierung einer Menschenrechtsbildung – wie sie auch aktuell im UN-Weltprogramm für Menschenrechtsbildung gefordert wird – in die Profession der Sozialen Arbeit muss daher die logische Konsequenz sein (Fritzsche 2016, S. 183). Das Ziel der gegenständlichen Masterarbeit besteht folglich darin, eine Diskursgrundlage zu schaffen, auf der das Verhältnis zwischen einer menschenrechtsbasierten und einer

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3 religionssensiblen Sozialen Arbeit reflektiert werden kann. Dem Anliegen folgend, dass die (Menschenrechts-)Wissenschaft und die Soziale Arbeit enger zusammenarbeiten sollten (vgl. Benedek 2016, S. 219), will die Masterarbeit untersuchen, wie die Soziale Arbeit mit Herausforderungen hinsichtlich der Religion im Kontext von Migration umgeht und dabei mögliche Brücken zum noch sehr jungen Feld der Menschenrechtsbildung in der Sozialen Arbeit schlagen.

1.2 Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit

Aus den erwähnten Überlegungen ergibt sich die folgende Forschungsfrage:

Mit welchen Herausforderungen sind Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Umgang mit Religion/Religiosität ihrer KlientInnen konfrontiert und welche Rolle spielen dabei die Menschenrechte?

Um nun die Komplexität und wechselseitige Verflechtung der in der Forschungsfrage angesprochenen inhaltlichen Schwerpunkte in einem übersichtlichen theoretischen Rahmen bearbeiten zu können, sollen im Folgenden zunächst die vier Felder Menschenrechte, Religion, Migration und Soziale Arbeit kurz und prägnant begrifflich aufgerollt werden, um sie in einem fünften Punkt in Bezug zu einer menschenrechtsbasierten Sozialen Arbeit wieder miteinander zu verflechten. Die Bearbeitung der einzelnen Themen erhebt dabei keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit – dies würde den Rahmen der Masterarbeit deutlich übersteigen und ist aufgrund der schier endlosen Diskursvielfalt auch nicht Zweck der Arbeit. Vielmehr begründet sich die Betrachtung der Schwerpunkte in der Relevanz für die Forschungsfrage. An diesen ersten theoretischen Komplex knüpft der empirische Teil an, in dem zunächst das für die Masterarbeit verwendete qualitative Forschungsdesign präsentiert wird. Die erhobenen Daten aus den durchgeführten leitfadengestützten ExpertInneninterviews mit Fachkräften der Sozialen Arbeit in Graz werden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet und dienen als Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfrage. Eine Diskussion der Forschungsergebnisse sowie weitere Anknüpfungsmöglichkeiten an diese Untersuchung schließen die Forschungsarbeit ab.

(12)

4

2 Grundlegende Begriffsbestimmungen 2.1 Menschenrechte

2.1.1 Ideengeschichtlicher Hintergrund und Konzeption der Menschenrechte Der sich in der Tradition des antiken Naturrechts entwickelnde Begriff der

„Menschenrechte“ im 16. Jahrhundert gilt heutzutage als zentraler Bezugspunkt sowohl für den politisch-rechtlichen als auch den moralischen Diskurs auf nationaler und internationaler Ebene. Gleichwohl die ideengeschichtliche Wurzeln der Menschenrechte weit zurückreichen, gelang der Durchbruch einer Menschenrechtsidee nach heutigem Verständnis erst mit dem Schritt in die (europäische) Moderne: ausgehend von den Virgina Bill of Rights (1776) über die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1789) bis hin zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (im Folgenden AEMR) vom 10.12.1948, etablierte sich diese Idee „bei allen Einschränkungen, zu einem global wirksamen, normativen Maßstab der Menschheit“ (Gosepath 2010, S. 17). Nach v. Bernstorff (2015) konstituierten sich Menschenrechte dabei vor allem als Reaktion auf soziale Unrechtserfahrungen. Die Verrechtlichung dieser moralischen Ansprüche – etwa der Emanzipation aus Unterdrückung oder Armut – trägt einen entscheidenden Beitrag zum universellen Gültigkeitsanspruch der Menschenrechte bei (ebd. S 14).

Obgleich das Konzept der Menschenrechte heute auf einem völkerrechtlich verbindlichen Minimalkonsens aufbaut (Ladwig 2012, S. 136), werden Menschenrechte nach wie vor vielerorts missachtet und verletzt bzw. stehen im Spannungsfeld staatlicher Souveränität und individuellem Menschenrechtsschutz.

Menschenrechte können dabei definiert werden als subjektive Rechte, die allen Menschen qua ihres Menschenseins gleichermaßen zustehen. So verstanden hat ein jeder Mensch individuelle Rechte, die er gegenüber dieser staatlichen Herrschaftsgewalt für sich in Anspruch nehmen kann (Koenig 2005, S. 8).

Menschenrechte können dabei eingeteilt werden in Abwehr-, Teilnahme- und Leistungsrechte. Eine der heute gängigsten, auch von den Vereinten Nationen vertretenen Kategorisierung von Menschenrechten, ist die Unterscheidung in bürgerliche, politische Rechte und soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte sowie Solidarrechte. Während bürgerliche Rechte dabei als Abwehrrechte gegen staatliche Bevormundung (z.B. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit etc.) und politische Rechte als

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5 demokratische Partizipationsrechte (z.B. Wahlrecht, Versammlungsfreiheit etc.) zu verstehen sind, gelten die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte (z.B. Recht auf Soziale Sicherheit, Recht auf Arbeit etc.) als Verpflichtungen eines Staates, seinen BürgerInnen menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten. Die allgemeiner gehaltenen Solidarrechte (z.B. Recht auf Entwicklung, Recht auf Umwelt) sind überstaatliche Rechte, die sich nur durch internationale Zusammenarbeit verwirklichen lassen (vgl. Fritzsche 2016, S. 26f). Aus dem angesprochenen Verhältnis zwischen Staat und Individuum ergeben sich wiederum drei Arten von völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen des Staates: die Achtungs- (respect), Schutz- (protect) und Gewährleistungspflichten (fulfill). Diese verlangen vom Staat die Unterlassung sämtlicher Menschenrechtsverletzungen, den Schutz vor Übergriffen Dritter sowie die Verwirklichung der Menschrechte in allen Bereichen (vgl. ebd., S. 104; Weyers & Köbel 2016, S. 2).

2.1.2 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die massiven Menschenrechtsverletzungen während der beiden Weltkriege und in nachfolgenden totalitären Staaten machten die apodiktische Zuschreibung von Menschenrechten als moralische, für jeden Menschen aufgrund seines Menschseins gleich geltende Rechte im Sinne eines normativen „Universalismus“ notwendig (vgl.

Zimmermann 2012, S. 111ff). Die UN Charta von 1945 und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte stellen die Grundlage des modernen Menschenrechtsschutzes dar und markieren den Durchbruch zur Entwicklung einer Menschenrechtsidee, die im Laufe der Jahre durch weitere Dokumente und Erklärungen immer deutlicher ausdifferenziert wurde (Jöffer & Tams 2012, S. 116). Auch wenn die durch die Generalversammlung verabschiedete AEMR kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag ist, so bleibt ihre Bedeutung dennoch immens, da einige Regeln – wie beispielsweise das Verbot der Folter – mittlerweile durch eine einheitliche Staatenpraxis zum (rechtlich verbindlichen) Völkergewohnheitsrecht geworden sind (Zimmermann 2012, S. 112).

Als Vertragspartei aller wesentlichen internationalen Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verpflichtet sich auch der Staat Österreich dazu, die Menschenrechte aller hier lebenden Menschen in der Verfassung und in Gesetzen zu schützen. Als Mitgliedstaat des Europarates unterliegt Österreich gleichsam der

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6 Europäischen Menschenrechtskonvention, welche Verfassungsrang besitzt (vgl.

BMEIA 2019, o. S.).

2.1.3 Begründungen und Kontroversen im Menschenrechtsdiskurs

Begründungsvarianten des universellen Gültigkeitsanspruchs der Menschenrechte stammen aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Als bedeutsam gelten in diesem Zusammenhang Begründungsansätze in der europäischen Tradition des Natur- oder Vernunftrechts. In ihrer ursprünglichen Form ging die Naturrechtslehre von einer allen Konventionen übergeordneten natürlichen Ordnung aus, die unabhängig von menschlich gesetztem Recht (Rechtspositivismus) als universales Gerechtigkeitsprinzip galt (Duden 2015, S. 322).

Allerdings wird dieser universale Geltungsanspruch der Menschenrechte in der wissenschaftlichen Debatte bis heute kontrovers diskutiert, da dem universalen Menschenrechtsentwurf ein westlicher Moralanspruch oder gar europäischer Imperialismus unterstellt wird, der die Besonderheiten anderer Kulturen despektiert (vgl. Koenig 2005, S. 125; Fritzsche 2016, S. 24f). Aus diesem Grund haben sich gegenüber dem Universalismus (kultur-)relativistische Begründungsvarianten etabliert, welche die Menschenrechte in das Verhältnis zu bestimmten kulturellen Traditionen setzen (Relativismus). Hiernach unterscheiden sich die Kulturen in ihren moralischen Prinzipien und Normvorstellungen, was die Übertragbarkeit einer westlich geprägten (und damit partikularen) Menschenrechtsidee erschwert. Gleichwohl die AEMR eine Art kulturübergreifenden Kompromiss darstellen kann, steht eine von allen Kulturen akzeptierte, philosophische Begründung der normativen Geltungsansprüche der Menschenrechte bislang jedoch noch aus (vgl. Lohmann 2012, S. 211). Die Problematik solcher relativistischer Positionen sieht Koenig (2005) in der Betrachtung kultureller Gemeinschaften als in sich und gegeneinander abgeschlossene Einheiten, deren kulturelle Eigenheiten jeglicher Kritik enthoben werden. „Dass Menschenrechte traditionelle Praktiken auch in anderen Kulturen einem Veränderungsdruck unterwerfen, ist kein Argument gegen, sondern für ihre universale Geltung.“ (S. 129) In dem Bestreben, zwischen den universalistisch-imperialistischen und streng kulturrelativistischen Vorstellungen zu vermitteln, haben sich verschiedene Ansätze zur Begründung der Menschenrechte vor dem Hintergrund des kulturellen Pluralismus herausgebildet. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf den Interkulturalismus verwiesen, der einen ‚überlappenden Konsens‘ zwischen den Kulturen sucht und

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7 daher als Argumentationsrahmen für einen offenen Diskurs über die unterschiedlichen religiösen oder kulturellen Wertüberzeugungen bezüglich der Begründbarkeit der Menschenrechtsidee dienen kann (Lohmann 2012, S. 212). Einer der bedeutendsten Vertreter dieser Position ist Heiner Bielefeldt, der die Menschenrechte – in Anlehnung an John Rawls – als „Kern eines interkulturell ‚overlapping consensus‘“ begreift (vgl.

Bielefeldt 1998, S. 145). Als normativer Begriff ist der ‚overlapping consensus‘ kein

„interkultureller Minimalkonsens, sondern impliziert umgekehrt einen kritischen Maßstab moderner Interkulturalität“ (S. 146). Der Universalismus der Menschenrechte wird dementsprechend vor dem Hintergrund ihrer normativen interkulturellen Zustimmungsfähigkeit begründet. Für Bielefeldt bildet hierbei die Menschenwürde mögliche Anknüpfungspunkte für die Verankerung der Menschenrechte in unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen und beugt somit der Kritik des oben geschilderten westlichen Imperialismus der Menschenrechtsidee vor (ebd., S.

148; Schliesser 2019, S. 32).

2.1.4 Menschenwürde

Ein weiterer Begründungsansatz, der insbesondere für die gegenständliche Masterarbeit von zentraler Bedeutung ist, geht mit dem Begriff der Menschenwürde einher. Gleichwohl der Begriff erst im 20. Jahrhundert in der AEMR dezidiert festgeschrieben wurde, formulierte bereits Immanuel Kant eine vernunftrechtliche Begründung der Menschenrechte auf Basis der Menschenwürde (Koenig 2005, S. 24).

Mit Kant änderte sich das bis dahin vorherrschende Verständnis einer Würde, die man erwerben oder der man gerecht werden musste (Gottesebenbildlichkeit), hin zu einem moralischen Anspruch des Menschen. In diesem Zusammenhang unterscheidet Schaber (2012) von einer kontingenten – also aufgrund von Eigenschaften zugeschriebene – und einer dem Menschen inhärenten Würde. Diese von Kant maßgeblich bestimmte inhärente Würde, die zugleich Referenzgröße für die moderne Menschenwürde darstellt, beschreibt einen Anspruch, den seine Träger gegenüber anderen geltend machen können. Sie steht allen Mitgliedern der Menschheit zu und ist nicht von einer Gegenleistung abhängig (vgl. ebd., S. 26f). Das Gebot zur Achtung der Würde des anderen findet sich in Kants Selbstzweckformel, nach der jeder Mensch zugleich als Zweck, aber nie bloß als Mittel behandelt werden soll. Die gegenseitige Achtung der Menschenwürde – und somit die Freiheit eines jeden gegenüber der aufgezwungenen Willkür des anderen – impliziert das angeborene Gleichheitsprinzip

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8 des Menschen und stellt für Kant die Legitimationsgrundlage der Menschenrechte dar (vgl. ebd., S. 40f; Koenig 2005, S. 24f).

So verstanden hat die Konzeption der inhärenten Würde auch Einzug in die AEMR (Artikel 1: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“) sowie in moderne Verfassungen gehalten. Neben diesem inhärenten Wesensmerkmal hat die Menschenwürde auch einen Gestaltungsauftrag, der „durch die Entwicklung menschenrechtlicher Normen und Schutzbereiche inhaltlich bestimmt, was zum menschenwürdigen Leben dazugehören soll.“ (Fritzsche 2016, S. 55) Die Menschenwürde bildet demnach sowohl das oben erwähnte Fundament der Menschenrechte als auch deren normativen Gestaltungsrahmen. Bielefeldt (2011, S.

106) weist an dieser Stelle jedoch darauf hin, dass die Menschenrechte nicht schlichtweg aus der Menschenwürde abgleitet werden können. Als Antwort auf die Erfahrungen strukturellen Unrechts sind Menschenrechte, so argumentiert Bielefeldt, vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Lernprozesse entwicklungsoffen und historisch nicht abgeschlossen. Die Menschenwürde als normativer Standpunkt stellt jedoch vielmehr die (Sinn-)Voraussetzung für die Menschenrechte dar – ein kritisch-reflexiver Rückbezug auf die Menschenwürde ist daher sinnvoller als eine inhaltliche Ableitung der Menschenrechte (vgl. ebd., S. 108; Menke 2012, S. 145).

2.2 Religion

Dass Religion und Religiosität trotz aller Modernisierungs- und Säkularisierungstendenzen mittlerweile wieder vermehrt in die öffentliche Wahrnehmung rückt, lässt sich mit Blick auf aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse nicht bestreiten (dazu insb. Habermas 2009; Pollack & Rosta 2015; Lutz 2016; Schulte 2017; Hidalgo 2018). Gegenwärtig wird diese auch medial geprägte Debatte besonders häufig vor dem Hintergrund eines weltweit erstarkenden Islam und einer damit verbundenen Islamkritik bis hin zur Islamfeindlichkeit geführt (u.a. Liedhegener

& Werkner 2010; Jennichen 2011; Hidalgo 2018). Dennoch wird in der vorliegenden Forschungsarbeit – auch im Hinblick auf Umfang und Ausmaß – keine explizite Differenzierung zwischen den (Welt-)Religionen vorgenommen, um auch der in der AEMR betonten Zielvorstellung globaler religiöser, kultureller und weltanschaulicher Diversität gerecht zu werden.

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9 Religion lässt sich aus sozialwissenschaftlicher Sicht als eine bestimmte Form von sozialem Gemeinschaftshandeln definieren, welches die Sinnbedürfnisse von Individuen berücksichtigt und miteinbezieht (Hamburger 2009, S. 55). Mit dieser Beschreibung werden die zwei wesentlichen Definitionsebenen der Religion als soziales Phänomen erfasst: einerseits durch eine funktionale und andererseits durch eine substanzielle Definition. Funktionale Definitionen betrachten Religionen unter dem Aspekt ihrer Wirkung, d.h. welche Funktionen religiöse Handlungen und Sozialformen für Individuen und/oder der Gesellschaft erfüllen. Auf individueller Ebene können dabei die Identitätsstiftung, moralische Orientierungshilfe sowie die Kontingenzbewältigung genannt werden. Für die Gesellschaft kann Religion die Funktion der Sozialintegration erfüllen oder aber auch die Distanzierung von gegebenen gesellschaftlichen Strukturen ermöglichen (vgl. Heiser 2018, S. 11f).

Diesem sehr weiten Religionsverständnis gegenüber betrachten substanzielle Definitionen die Beziehung religiöser Akteure zu einer transzendentalen Macht. Da die Betrachtung von Religion aus nur einer der beiden (häufig konträren) Perspektiven unzufriedenstellend ist, wird in der Religionssoziologie eine Kombination der beiden Definitionen angestrebt, um auch religiöse Erscheinungsformen besser von sozialen Phänomenen abgrenzen zu können (vgl. ebd., S. 13). Für die gegenständliche Forschungsarbeit sollen dabei die in der Fachliteratur häufig getrennten Begriffe der Religionen und Religiosität1 synonym verwendet werden, auch um das hier zugrundeliegende weite Verständnis des Religionsbegriffs zu unterstreichen. Nach Hahn (2018) kann ein solch weitgefasstes Religionsverständnis geeignet sein, „die Vielfalt individueller und kollektiver Ausdrucksformen religiöser Erfahrungen in den Lebenswelten der Menschen“ (S. 139) zu erfassen.

Gerade in Bezug auf die oben erwähnten Säkularisierungstendenzen in modernen, westlichen Gesellschaften, ist Religion immer auch im Verhältnis des Staates zu betrachten. In Österreich genießen sowohl Individuen als auch bestehende Kirchen und Religionsgesellschaften rechtlichen Schutz. Neben den Individualrechten (wie bspw. die Glaubensfreiheit oder die Bekenntnisfreiheit) sind auch die Korporationsrechte der Kirche und Religionsgesellschaften Teil der Religionsfreiheit in Österreich, wobei Staat und Kirche ihre jeweilige Autonomie anerkennen und sich gleichwertig gegenüberstehen (vgl. BMDW 2019). Die Verbindung von Religion und

1 Zur Unterscheidung der beiden Begriffe siehe Heiser (2018, S. 15)

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10 staatlich-säkularen Normen soll im Folgenden exemplarisch an der Religionsfreiheit als Menschenrecht und dem Überblick über Religionsgemeinschaften in Österreich gezeigt werden.

2.2.1 Religionsfreiheit als Menschenrecht

In der Betrachtung der Religion aus einer politik- und sozialwissenschaftlichen Perspektive soll die Erläuterung der Religionsfreiheit als eigenständiges Menschenrecht erfolgen, um dessen Bedeutung für die religiöse Entfaltung in einer Gesellschaft zu nachzuzeichnen. Das Recht auf Religionsfreiheit ist gemeinsam mit dem Recht auf Gedanken- und Gewissenfreiheit eines der ältesten Menschenrechte, dessen Verankerung als Reaktion auf die blutigen Konflikte in der europäischen Geschichte gesehen werden kann (Debus et al. 2011, S. 4). Es sichert jedem Individuum die freie Wahl zu, sich weltanschaulich oder religiös zu orientieren (Artikel 18 AEMR). Dies schließt sowohl die positive als auch die negative Glaubensfreiheit (also sich auch gegen eine Religion zu entscheiden) sowie eine zustimmende oder kritische Haltung gegenüber der Religion mit ein. Da das Recht auf Religionsfreiheit nicht absolut gilt – wie bspw. das Folterverbot – muss im Kollisionsfall mit anderen Grund- und Menschenrechten im Sinne der praktischen Konkordanz nach Lösungen gesucht werden, die die beteiligten Grundrechte möglichst wenig beeinträchtigen (vgl.

Schulte 2017, S. 54). Der Autor weist an dieser Stelle jedoch darauf hin, dass die Konkretisierung dieses Grundsatzes nicht einfach ist, da kulturelle Praktiken, wie bspw. die religiöse Beschneidung von Jungen, häufig zu Spannungen zwischen der Religionsfreiheit und anderen Menschenrechten, wie in diesem Fall das Recht auf körperliche Unversehrtheit, führen (ebd.). Zudem „kollidiert der universalistische Geltungsanspruch dieses Menschenrechts [der Religionsfreiheit, Anm. d. Verf.] mit einem religionspolitischen Klientelismus, der religiöse und weltanschauliche Vielfalt in die Antithese des ‚Eigenen‘ und des ‚Fremden‘ einspannt und von dorther dazu neigt, einseitig Partei zu ergreifen.“ (Bielefeldt 2012, S. 6)

2.2.2 Religions- und Glaubensgemeinschaften in Österreich

Bezüglich der Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften in Österreich existieren zwei Formen: einerseits die staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften und andererseits die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Letztgenannte nehmen die Stellung einer Körperschaft des

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11 öffentlichen Rechts ein, wodurch sie gegenüber den religiösen Bekenntnisgemeinschaften mehr Privilegien, wie bspw. die Ausübung eines eigenen Religionsunterrichts an Schulen, genießen. Zu den gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften gehören u.a. die katholische, die evangelische, die islamische und die orthodoxen Glaubensgemeinschaften (vgl. BMDW 2019).

Um die angesprochene Veränderung der religiösen Landschaft in Österreich abbilden zu können, soll ein kurzer Blick auf aktuelle Zahlen geworfen werden. Nachdem seit der Volkszählung von 2001 jedoch keine Daten mehr zur Religionszugehörigkeit seitens des Staates erhoben werden, basieren Mitgliederzahlen von Religionsgemeinschaften auf eigenen Zählungen und Schätzungen. Einer Studie des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) zufolge hat sich der Anteil von KatholikInnen zur Gesamtbevölkerung in Österreich im Zeitraum von 2001 bis 2016 deutlich von 75%

auf 64% (ca. 5,1 Millionen) reduziert, während der Anteil der Bevölkerungsgruppe ohne religiöses Bekenntnis von 12% auf 17% (ca. 2,1 Millionen) gestiegen ist. Infolge der verschiedenen Migrationsbewegungen kam es darüber hinaus auch zu einem Anstieg an Bevölkerungsgruppen mit muslimischen Glauben von 4% auf 8% (ca.

700.000) sowie mit christlich-orthodoxen Glaubensbekenntnis von 2% auf 5% (ca.

500.000). Der Anteil an der protestantischen Bevölkerung (5%) und sonstiger Religionsgemeinschaften blieb unverändert (ÖIF 2017, S. 13). Die hier ersichtliche religiöse Pluralität unterstreicht auch den im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten Aspekt, dass Religion nach wie vor eine hohe Bedeutung für das Zusammenleben in Österreich spielt.

2.3 Migration

Die Zahl der österreichischen Bevölkerung ist seit 1960 um 1,5 Millionen Menschen gestiegen – die Zuwanderung nach Österreich stellt für die Internationale Organisation für Migration (IOM) dabei eine zentrale Komponente dar. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung stieg von 1,4% im Jahr 1961 (Rupnow 2017, S. 41) auf 23% im Jahr 2017, wobei heute die größten Gruppen aus Deutschland, Serbien und der Türkei stammen (Statistik Austria 2018, S. 9).

Unter Migration wird dabei ganz allgemein eine längerfristige Verlagerung des Wohnsitzes von Personen oder Personengruppen in ein anders Land verstanden, unter besonderer Berücksichtigung der Überschreitung von Staatsgrenzen, da mit

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12 dieser eine Änderung der kulturellen Umgebung und des rechtlichen Status einhergeht (vgl. Hamburger 2009, S. 15). Die Beweggründe zur Migration sind dabei mit den Migrationsursachen verknüpft. Hamburger lokalisiert hier fünf unterschiedliche Gruppen von Ursachen, die in ihrer Ergründung ein besseres Verständnis für die soziale Bedeutung von Migration geben sollen. Die bewusste Unterteilung in Gruppen von Ursachen oder auch Phasen der Migration scheint hier sinnvoller als pauschal von den MigrantInnen als eigene Gruppe zu sprechen (Schirilla 2016, S. 21). Speziell im Bereich der Flüchtlingsmigration stellen AsylwerberInnen bzw. Flüchtlinge eine besondere Gruppe von MigrantInnen dar, insofern sie noch nicht als Asylberechtigte anerkannt sind. Das Asylsystem hat dabei eine lange Tradition: bereits 2000 Jahre v.u.Z. wurde die Institution Asyl erschaffen, um Menschen Schutz vor politischer oder religiöser Verfolgung zu gewähren. Mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die internationale Staatengemeinschaft 1948 und der Genfer Flüchtlingskonvention 1951 wurde dieses Asylrecht weltweit anerkannt und abgesichert (vgl. Hamburger 2009, S. 16).

Für die vorliegende Masterarbeit werden die Begriffe MigrantInnen und Geflüchtete synonym verwendet. Dies begründet sich mit dem eben erwähnten Verweis auf die Flüchtlinge als spezielle Gruppe der MigrantInnen. Und wenngleich sie sich nicht unwesentlich ob ihrer Migrationsgründe und ihres rechtlichen Status unterscheiden, wird in der Untersuchung vielmehr auf den Teilbereich der Religion im Zuwanderungsland Österreich fokussiert.

2.3.1 Historische Entwicklung in Österreich

Migration spielt insbesondere für Österreich aufgrund seiner geographischen Lage und geschichtlichen Entwicklung eine bedeutende Rolle. Wie viele Länder Europas entwickelte sich auch Österreich speziell ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland (Exenberger 2011, S. 37f;

Rupnow 2017, S. 39). Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg führte zu einem Arbeitskräftemangel, der mit einer systematischen Anwerbung von GastarbeiterInnen aus Spanien, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien in den 1960er Jahren behoben werden sollte. Entgegen der angedachten kontinuierlichen Rotation, durch welche die ausländischen Arbeitskräfte zeitnah wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und neue ArbeiterInnen angeworben werden sollten, kam es jedoch – auch infolge längerfristige Beschäftigungsperspektiven und der

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13 transnationalen Verbindungen zu den Herkunftsländern – zu einer dauerhaften Niederlassung der GastarbeiterInnen in Österreich (Rupnow 2017, S. 41f). Mit der Rezession infolge der Ölkrise 1973 wurden Bestrebungen, neue ArbeitsmigrantInnen aufzunehmen, stark zurückgefahren. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz von 1975 sollte den Zugang zum Arbeitsmarkt und damit die Dauerniederlassung für MigrantInnen einschränken – tatsächlich wurde jedoch nur der ausländische Arbeitskräfteanteil verringert, die Zahl der in Österreich lebenden ZuwanderInnen blieb konstant (IOM 2015, S. 30). Durch die politischen Umwälzungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien verdoppelte sich Anfang der 1990er Jahre die Zahl der ZuwanderInnen auf 690.000, was mit einer stark wachsenden Anzahl an AsylwerberInnen einherging. Mit dem Ziel der Begrenzung und Regulierung neuer Zuwanderung wurden daher eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die nach dem EU-Beitritt Österreichs zum Fremdengesetz 1997 zusammengeführt wurden. Hier wurde erstmals zwischen einem befristeten Aufenthalt und der Niederlassung auf Dauer differenziert, was sich im bis heute gültigen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) widerspiegelt (vgl. ebd., S. 31;

Peyrl/Neugschwendtner/Schmaus 2017, S. 37ff). Neben den fortlaufenden Weiterentwicklung des Fremdenrechts in Österreich durch zahlreiche Novellierungen, sei an dieser Stelle ebenfalls auf die wichtige Initiativen im Zusammenhang mit Asyl und Migration hingewiesen, wie bspw. der 2010 beschlossene Nationale Aktionsplan für Integration oder die Gründung des Migrationsrates für Österreich 2014.

2.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das angesprochene österreichische Fremdenrecht fasst die Rechte und Pflichten der in Österreich lebenden ausländischen Staatsangehörige zusammen. Nachdem die Asyl- und Migrationspolitik seit 1999 eine Kernaufgabe der EU mit dem Ziel einer gesamteuropäischen Anpassung des Fremdenrechts geworden ist, nehmen insbesondere die Rechtsakte der Europäischen Union hier einen wichtigen Stellenwert ein (Peyrl et al. 2017, S. 15). Aufgrund der ständig wachsenden Anzahl an Rechtsvorschriften bzw. Gesetzesnovellierungen und der zahlreichen Detailregelungen ist das Fremdenrecht eine der komplexesten Rechtsmaterien in Österreich. Politische Abwehrstrategien sowie fehlende Gesamtkonzepte erschweren den Autoren zufolge nicht nur eine geregelte Steuerung der Migrationsbewegungen, sondern schaffen durch mangelnde sinnvolle Regelungen des Migrationsalltages auch

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14 neue Konflikte. Dies führt in weiterer Folge zu einer Verunsicherung der unmittelbar Betroffenen hinsichtlich ihrer rechtlichen Situation sowie zur Überforderung der MitarbeiterInnen von Sozial- und Menschenrechtseinrichtungen, die beruflich mit dem Fremdengesetzt in Berührung kommen (vgl. ebd., S. 15f).

2.4 Soziale Arbeit

Der in den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum aufkommende Begriff der Sozialen Arbeit führt die beiden ursprünglich aus der kommunalen Armenfürsorge bzw.

Wohlfahrtspflege stammenden Traditionslinien der Sozialpädagogik (Jugendfürsorge) und der Sozialarbeit (Erwachsenenfürsorge) zusammen (vgl. Thole 2012, S. 22;

Schilling & Klus 2018, S. 93f). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Fachdiskurse der Sozialen Arbeit in Österreich aufgrund eingeschränkter Ressourcen größtenteils auf deutsche Entwicklungen beziehen (Bütow 2018, S. 22).

Die Übernahme bestimmter Begrifflichkeiten sei aufgrund verschiedener sozialhistorischer Traditionen zwar nicht unproblematisch, und nach wie vor kann in Österreich von einem unübersichtlichen Feld bezüglich der Ausbildungsgänge und institutioneller Zuständigkeit sowie von Artikulations- und Legitimationsproblemen hinsichtlich der disziplinären Identitätsfrage im Kontext Sozialer Arbeit ausgegangen werden (vgl. ebd.). Im Sinne einer modernen Sozialen Arbeit konzediert Raithelhuber (2018) jedoch die Verwendung eines „deutschen Narratives“ der Sozialen Arbeit, da sozialhistorische Entwicklungen – so seine Argumentation – in angrenzenden Staaten als ähnlich und wohlfahrtsstaatliche Programme als wesentlicher Grundbestandteil moderner Industriegesellschaften angesehen werden können (vgl. ebd., S. 129f). Da in der vorliegenden Forschungsarbeit kein Vergleich zwischen nationalstaatlichen Entwicklungen gezogen werden soll, orientieren sich die folgenden Ausführungen auch vorwiegend am deutschen Fachdiskurs.

Der Terminus der Sozialen Arbeit hebt die Grenzziehung zwischen den beiden obengenannten ehemaligen Leitwissenschaften auf und integriert die vielfältigen „in der Gesellschaft vorkommenden Aktivitäten mit dem Ziel […], die Lebensverhältnisse innerhalb des Gemeinwesens für die ihm angehörenden Menschen zu verbessern.“

(Wendt 2017, S. 3) Dieses sehr breite Verständnis soll im Folgenden durch verschiedene, theorierelevante Kriterien konkretisiert werden, damit die Professionswürdigkeit der Sozialen Arbeit nicht zu einer leeren „Sammelkategorie für verschiedenste Praxisfelder“ (Staub-Bernasconi 2012, S. 267) verkommt.

(23)

15 2.4.1 Auftrag und Ziele Sozialer Arbeit

Nach Heiner (2016) nimmt Soziale Arbeit eine intermediäre Funktion der Vermittlung zwischen Gesellschaft und Individuum ein und ist damit sowohl dem Gemeinwohl als auch dem Wohl ihrer KlientInnen verpflichtet. Sozialarbeiterische Interventionen dienen hiernach „der Autonomie der Lebensführung der KlientInnen und zugleich der Gewährung gesellschaftlicher Normalzustände“ (S. 33) und zielen als Vermittlungsstätigkeit auf „die Ermöglichung der sozial verantwortlichen Selbstverwirklichung von Individuen“ (S. 34) ab. Für die Förderung einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung bietet die Soziale Arbeit ebenso Lern- und Lebenshilfen an, die im Sinne einer Orientierungshilfe nicht nur diejenigen unterstützt, die von der Norm abweichen, sondern alle, die Werte und Normen erfüllen wollen (vgl.

Schilling & Klus 2018, S. 48). In diesem Zusammenhang stehen auch die für die Soziale Arbeit zentralen Begriffe der Emanzipation und des Empowerments: während Emanzipation den Prozess der Selbstbefreiung aus den für das eigene Wohlbefinden hinderlichen Verhältnissen der Menschen beschreibt, bezeichnet das Empowerment (oder auch Ermächtigung) die Förderung von Menschen durch die Soziale Arbeit, sich aus diesen belastenden Umständen zu emanzipieren (vgl. Wendt 2015, S. 27).

Die Ziele der Sozialen Arbeit in ihrer Vermittlungstätigkeit ergeben sich aus ihrem jeweiligen konzeptionellen Zugang. Für die Masterarbeit sollen hierbei zwei zentrale Paradigmen zugrunde gelegt und im Folgenden skizziert werden: zum einen die Bearbeitung sozialer Probleme aufgrund ungleicher Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen (systemischer Ansatz), da davon ausgegangen werden kann, dass MigrantInnen und Geflüchtete sehr häufig zu den benachteiligten Gruppen gehören (OHCHR 2016, vgl. insbesondere auch Kapitel 2.4.2). Zum anderen geht es um die Orientierung am Lebensalltag der KlientInnen (Lebensweltansatz), da insbesondere die Religion – wie im Folgenden gezeigt wird – für die Lebenslagen und Lebensentwürfe im Alltag der KlientInnen eine bedeutsame Rolle spielen kann (vgl.

Lutz 2016, S. 11ff; Nauerth et al. 2017, S. 29ff). Diese einerseits systemische und andererseits subjektivistische Perspektive auf eine Problemsituation schließen sich trotz ihrer unterschiedlichen konzeptionellen Akzentuierungen nicht gegenseitig aus, sondern werden in der Praxis vielmehr abwechselnd herangezogen bzw. miteinander verbunden (Schumacher 2013, S. 89).

(24)

16 2.4.1.1 Soziale Probleme und der systemische Ansatz

In der Fachliteratur ist man sich einig, dass aus bestimmten Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen soziale Probleme entstehen, mit deren Bearbeitung und Lösung die Soziale Arbeit beauftragt ist (Bohmeyer & Kurzke-Maasmeier 2007, S. 166;

Groenemeyer 2011, S. 1390ff; Deller & Brake 2014, S. 18; Schilling & Klus 2018, S.

101). In diesem Zusammenhang konstatiert Staub-Bernasconi (2012) soziale Probleme, die aufgrund ungleicher Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen entstanden sind, als den Ausgangspunkt Sozialer Arbeit. Aus einer systemischen Betrachtungsweise heraus definiert die Autorin soziale Probleme als

„Probleme von Individuen im Zusammenhang mit sozialen Interaktionsprozessen sowie als Mitglieder von sozialen Systemen mit ihrer Sozialstruktur und Kultur. Im Fall der Individuen beziehen sie sich auf soziale und kulturelle Barrieren in Abhängigkeit von ihrer gesellschaftlichen Position, die es ihnen erschweren oder verunmöglichen, ihre Bedürfnisse und Wünsche dank eigener Anstrengungen zu befriedigen.“ (S. 271f)

Für Schilling & Klus (2018) gehören soziale Probleme dem öffentlichen Bereich an – in Abgrenzung zu zwischenmenschlichen, privaten Problemen – welcher zugleich Konstitutionsgegenstand dieser Probleme darstellt. Soziale Probleme werden als Störung des Sozialgefüges aufgefasst und daher als öffentlich veränderungsbedürftig angesehen (vgl. ebd., S. 104f). Groenemeyer (2011) fügt dem hinzu, dass bestimmte Verhältnisse oder Verhaltensweisen erst durch politisches bzw. kollektives Handeln zu sozialen Problemen werden und in diesem Sinne durch Akteure wie soziale Bewegungen, Massenmedien, Religions- oder Interessensgruppen etc. immer auch sozial konstruiert sind. Grundlage dieser Problemzuschreibungen bildet häufig eine als gesellschaftlich „normal“ angesehene Wertvorstellung, von der diese problematisierten Verhältnisse und Verhaltensweisen abweichen (vgl. ebd., S. 1391).

Die Fokussierung auf das „soziale Problem“ als Funktionsstörung des sozialen Systems ermöglicht eine systemische Betrachtungsweise des Menschen aus gesellschaftlicher Perspektive heraus. Damit wird darauf insistiert, dass sich Soziale Arbeit nicht nur dazu verpflichtet, dem hilfebedürftigen Individuum beizustehen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die sozialen Strukturen, die zur Notwendigkeit der Hilfe führen, verändert werden (Schumacher 2013, S. 90f; vgl. auch Kapitel 2.4.4 ethische Grundlagen).

Gemäß dem Ansatz des „systemischen Paradigmas“ nach Staub-Bernasconi (2012) ist das Hauptmerkmal für eine professionelle Soziale Arbeit die Betrachtung einer

(25)

17 Problemsituation aus einer dritten, wissenschaftlichen und professionsethischen Sicht heraus, um sowohl die Sichtweisen der Problembetroffenen als auch der gesetzlichen Auftraggeber berücksichtigen zu können. Aufgrund des Ethikkodexes der Sozialen Arbeit bedeutet Professionalität hier aber auch, dass „der Dienst gegenüber den Menschen höher (steht) als die Loyalität zur Organisation“ (S. 276, zit. n. United Nations 1994, S. 5). Dies ist auch insofern sinnvoll, als dass – wie oben beschrieben – die unterschiedlichen Wahrnehmungen sozialer Probleme aufgrund verschiedener Interessenslagen gewisser normativer Grundlagen bedürfen. Diese Grundlagen sowie die dritte professionsethische Sicht werden in den nachfolgenden Kapitel noch eingehender thematisiert.

2.4.1.2 Orientierung an der Lebenswelt

Neben der systemisch argumentierten Herangehensweise zur Bearbeitung sozialer Probleme, fokussiert die Lebensweltperspektive den Alltag des Individuums. Den aus der Soziologie stammenden Begriff der Lebenswelt (u.a. Habermas) hat im pädagogischen Kontext Hans Thiersch in seinem Konzept der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit geprägt, welches mittlerweile zu einem der bedeutendsten Theorieansätze zählt, der die Soziale Arbeit inhaltlich zu erklären versucht (Schilling &

Klus 2018, S. 143). Hiernach werden die AdressatInnen „in ihrem Leben bestimmt durch die Auseinandersetzungen mit ihren alltäglichen Lebensverhältnissen.“

(Grunwald & Thiersch 2011, S. 854) In Abgrenzung zu einer eher defizitären Sicht auf soziale Probleme, verbindet die Lebensweltorientierung die Betrachtung dieser Lebensverhältnisse mit pädagogischen Handlungskonsequenzen und betont

„das Zusammenspiel von Problemen und Möglichkeiten, von Stärken und Schwächen im sozialen Feld […] zwischen einem Akzeptieren der vorgefundenen Lebensentwürfe auf der einen Seite und auf der anderen Seite einem Sich-Einmischen in Verhältnisse, einem Entwerfen und Unterstützen von Optionen aus der Distanz des professionellen Wissens.“

(Thiersch et al. 2012, S. 175)

Da eine lebensweltlich orientierte Soziale Arbeit den konkreten Alltag der Betroffenen im Hinblick auf Lebenslagen, Kultur, Bildung etc. in den Vordergrund pädagogischer Interventionen rückt, wird dieser Alltag gleichsam öffentlich, wodurch nicht mehr auf das individuelle Verschulden von KlientInnen, sondern auf die gesellschaftliche Mitverantwortung verwiesen wird (vgl. Deller & Brake 2014, S. 144). Nach Galuske (2011) bildet der Alltag als Interventionsort sozialarbeiterischen Handelns sozusagen

(26)

18 den „Knotenpunkt“ zwischen professionellen (Hilfe-)Angeboten einerseits sowie gesellschaftlich induzierten Problemkonstellationen und individuellen Lebensgeschichten der KlientInnen andererseits (ebd., S. 146). Für einen

‚gelingenderen Alltag‘ ist – anders als in klassischen ExpertInnen-/

KlientInnenverhältnissen – die „Anerkennung der letztendlichen Entscheidungskompetenz des Klienten“ und der Respekt vor „dessen Autonomie der Lebenspraxis“ (S. 147) von grundlegender Bedeutung für das professionelle Verständnis einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit.

Orientiert man sich an dieser Theoriekonzeption, so Bohmeyer (2017), begegnet man als professionell Handelnde im Alltag der AdressatInnen auch dem Phänomen der Religion, sofern ihre Interpretation nicht einem engen institutionellen Rahmen verhaftet bleibt (ebd., S. 151; siehe auch das der Forschungsarbeit zugrundeliegende weite Religionsverständnis). Um es mit Hans Thiersch zu formulieren: „Wenn Lebensweltorientierung bedeutet, Menschen in ihrer Selbstdeutung ernst zu nehmen, und wenn diese Selbstdeutung religiös ist, ist diese Selbstdeutung ein selbstverständlicher Ausgangspunkt einer gemeinsamen Arbeit.“ (Nauerth et al. 2017, S. 29f) Bohmeyer macht jedoch darauf aufmerksam, dass Religion im Forschungskontext von lebenswelt- bzw. alltagsorientierter Sozialer Arbeit bislang kaum in den Blick genommen wurde. Auch Hahn (2018) verweist darauf, „dass der professionelle Umgang mit Religion derzeit nicht zum grundlegenden Handlungsrepertoire von Sozialarbeiter_innen gehört“ (S. 137). Fehlender Bezug zur Religion bzw. mangelnde religiöse Kenntnis, könne demnach zu Unsicherheit und Unbehagen bei den Fachkräften führen (ebd.). Dass aufgrund der ablehnenden Haltung gegenüber Religiösem die Bedeutung der Religion für die KlientInnen dabei leicht übersehen werden kann, scheint evident. Überdies läuft sie Gefahr, als mögliche Ressource für die Bewältigung sozialer Probleme ausgeklammert zu werden. Die – wie eingangs erwähnt – sozialwissenschaftlich-empirisch orientierte und bislang eher religionskritische Soziale Arbeit muss sich nach Bohmeyer (2017) im Sinne der Interdisziplinarität vermehrt mit den Religionswissenschaften und der Theologie auseinandersetzen, auch um besser differenzieren zu können, ob Religion „Ausdruck eines fundamentalistisch verengten Lebensmusters sein oder sich als eine Quelle gelingender Lebensverhältnisse erweisen [kann].“ (S. 153)

(27)

19 Um einen genaueres Verständnis über diese angesprochenen KlientInnen zu bekommen, soll im Hinblick auf die Forschungsthematik im Folgenden herausgearbeitet werden, wen die Soziale Arbeit eigentlich genau adressiert.

2.4.2 AdressatInnen Sozialer Arbeit

Menschen, die in Not geraten sind, als AdressatInnen Sozialer Arbeit zu bestimmen, erscheint zunächst trivial – in diesem Sinne sind es die Menschen einer Gesellschaft, für deren unterschiedlichste Problemlagen die Soziale Arbeit Hilfe und Unterstützung anbietet (vgl. Graßhoff 2015, S. 7). Dass eine Begriffsbestimmung der AdressatInnen allein über die Definition ihrer (sozialen) Probleme jedoch nicht immer ausreicht, zeigt der in der Fachliteratur der Sozialen Arbeit breit diskutierte Adressatenbegriff (u.a.

Thiersch 2013; Bitzan & Bolay 2013; Graßhoff 2015). Den Ausgangspunkt stellt dabei die Feststellung dar, dass eine „Differenz zwischen Lebenserfahrungen der Kinder, Heranwachsenden und Erwachsenen auf der einen Seite und der Macht institutionell professioneller Zugänge auf der anderen Seite“ (Thiersch 2013, S. 17f) besteht, deren (pädagogisch strukturell bedingte) asymmetrische Kommunikation die Gefahr der Unterdrückung oder Übervorteilung birgt. Im Zuge der Verbreitung des oben skizzierten Konzeptes der Lebensweltorientierung Ende der 1970er Jahre wurde der Fokus in der sozialarbeiterischen Praxis weg von der klassischen Tradition der Bevormundung in Richtung einer Orientierung an den „Erlebens- und Verarbeitungsweisen der Hilfeempfänger_innen“ (Bitzan & Bolay 2013, S. 35) verschoben. Verstärkt durch die Forderungen sozialer Bewegungen nach Partizipation und Emanzipation zu dieser Zeit, zielte dieses neue Verständnis auf „die Verminderung des expertokratischen Machtgefälles zwischen Professionellen und Klient_innen“ (S. 36) ab. Neuere Leitkonzepte der Sozialen Arbeit bauen auf diesem Perspektivwechsel auf und integrieren dabei Denklinien, die sich an der voraussetzungslosen Anerkennung der Würde der AdressatInnen orientieren (ebd., siehe weiterführend Kapitel 3.2.2 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession).

Für die gegenständliche Masterarbeit ist insbesondere die sozialpädagogische Adressierung bestimmter Zielgruppen, wie bspw. Kinder, Frauen oder MigrantInnen, relevant. Kollektive Gruppenmerkmale können hierbei zum Ausgangspunkt der Adressierung werden und so zielgruppenspezifische Angebote schaffen. Nach Graßhoff (2015) werden speziell mit dem Migrationshintergrund häufig vor allem kulturelle Differenzen oder Sprachprobleme assoziiert (vgl. ebd., S. 44). Dass eine

(28)

20 solche Adressierung nicht unproblematisch ist und zur Verfestigung von Differenzen beitragen kann, wird in Kapitel 3 noch ausführlicher diskutiert. Eine zielgruppenspezifische Adressierung von MigrantInnen muss daher immer reflexiv begleitet werden (ebd., S. 47).

Vor diesem Hintergrund soll für die Forschungsarbeit auf die Begriffsbestimmung von Staub-Bernasconi (2008) rekurriert werden, nach welcher sich die Soziale Arbeit sehr häufig mit vulnerablen Individuen bzw. Gruppen (Minderheiten) beschäftigt. Deren Verletzbarkeit (vulnerability) sei auf die Tatsache zurückzuführen, dass alle Menschen zur Befriedigung ihrer eigenen biologischen, sozialen und psychologischen Bedürfnisse (mithin ihres Wohlbefindens), indirekt oder direkt auf andere Menschen angewiesen sind. Aus den daraus resultierenden Machtdifferenzen konstituieren sich die Merkmale solcher vulnerable groups: sie werden als machtlos und schwach angesehen und eignen sich gut als Sündenbock bspw. für den erfahrenen oder befürchteten sozialen Abstieg. Dies wird verstärkt, wenn gesellschaftliche Instanzen, wie die Politik oder Medien, die Stigmatisierungsprozesse nicht verhindern oder sie gar fördern (vgl. ebd., S. 13). Unter der Betrachtung der AdressatInnen der Sozialen Arbeit als vulnerable Gruppen gilt es einerseits den Blick auf ihre realen und interpretierten Lebenssituationen sowie Formen der Alltagsbewältigung zu richten, und gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen auf allen Ebenen (seitens des Staates, des Sozialwesens und der KlientInnen) zu diagnostizieren (vgl. ebd., S. 13f.).

2.4.3 Doppel- bzw. Tripelmandat der Sozialen Arbeit

Aus den bisherigen Ausführungen, wonach sich die Soziale Arbeit einerseits für die Bedürfnisse und Lebensrechte der AdressatInnen einsetzt (Hilfe) und andererseits den gesellschaftlichen bzw. staatlichen Normvorgaben (Kontrolle) verpflichtet, wird ein Spannungsverhältnis sichtbar, dass in der Fachliteratur als das doppelte Mandat der Sozialen Arbeit beschrieben wird (Brake & Deller 2014, S. 145). Soziale Arbeit fördert demnach nicht nur das Wohlbefinden seiner KlientInnen, sondern kontrolliert zugleich auch, inwieweit die Betroffenen gesellschaftlich wünschenswerte Ziele verfolgen (vgl.

Wendt 2015, S. 28). Die Durchsetzung dieser „gesellschaftliche[n]

Verhaltenserwartung“ (S. 29) kann beispielsweise in Form von Zwangs- und Schutzmaßnahmen, wie dem Kinderschutz, erfolgen. Nach Heiner (2016) intendieren Professionelle der Sozialen Arbeit darauf, „sich als ‚hilfreiche Kontrolleure‘ überflüssig zu machen, indem sie ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ leisten.“ (S. 37) Als Überwindung der

(29)

21 eingangs beschriebenen Abhängigkeit der Betroffenen von sozialstaatlichen Hilfemaßnahmen und der gleichzeitigen Stärkung der Autonomie der AdressatInnen, stellt die Hilfe zur Selbsthilfe eines der wichtigsten Leitprinzipien der Sozialen Arbeit dar.

Wie bereits weiter oben unter dem systemischen Ansatz angedeutet, greift für Staub- Bernasconi (2007, 2012) das doppelte Mandat hingegen zu kurz – sie lokalisiert noch ein drittes Mandat, nämlich die Verpflichtung der Sozialen Arbeit gegenüber ihrer Profession als solche:

Diese Verpflichtung beinhaltet den Bezug auf wissenschaftsbasierte Methoden sowie auf den (inter)nationalen Berufskodex der Sozialarbeitenden, der auch die Verpflichtung zur Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechte enthält.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 36) Dieses Mandat der Profession umfasst demzufolge zwei Dimensionen: die Verpflichtung zum einen gegenüber einer wissenschaftlichen Beschreibungs- und Erklärungsbasis sowie deren Transformation in Handlungsleitlinien für die sozialarbeiterische Praxis. Zum anderen gegenüber einer ethisch-moralischen Bezugsbasis, deren Grundlage ein eigener Ethikkodex der Sozialen Arbeit darstellen muss. Letzterer entfaltet seine Notwendigkeit besonders vor dem Hintergrund, dass auch die Soziale Arbeit im Sinne parteipolitischer respektive religiöser Interessen missbraucht oder gar von menschenverachtenden Ideologien und Diktaturen – wie beispielsweise während der NS-Zeit – in den Dienst genommen werden kann (vgl.

Staub-Bernasconi 2018, S. 114).

2.4.4 Ethische Grundlagen und Berufskodizes in der Sozialer Arbeit

Folgt man den Ausführungen von Staub-Bernasconi, sind ethische Prinzipien der Sozialen Arbeit also immanent. Ethik kann in diesem Zusammenhang als Wissenschaft vom moralischen und sittlichen Handeln bezeichnet werden und begründet sich seit der griechischen Antike aus der Notwendigkeit heraus, Diskriminierung, sozialer Ungleichheit, Gewalt etc. entsprechende ethische Konzeptionen entgegensetzen zu können (Großmaß & Perko 2011, S. 20). Der mittlerweile hohe Stellenwert der Ethik in sozialen Berufen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern basiert auf der Loslösung von kirchlichen Fürsorgeparadigmen im Laufe des 20. Jahrhunderts und einer damit einhergehenden

(30)

22 Entwicklung als eigenständige, wissenschaftliche Dimension beruflicher Praxis (ebd., S. 13).

Für die Soziale Arbeit spielt in diesem Zusammenhang ethisches Wissen eine besondere Rolle. Ihrem Anspruch nach, Menschen in Not zu unterstützen respektive persönliche Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern, besitzt sozialarbeiterisches Handeln immer die ethische Implikation, „die Qualität des Zusammenlebens in der Gesellschaft abzusichern und, wo möglich, zu verbessern“ (Schumacher 2013, S. 33).

Um Individuen hierbei adäquat unterstützen zu können, muss Soziale Arbeit Lebenssituationen bewerten und zwischen förderlichen und schädlichen Lebenslagen unterscheiden. Als Grundlage für die Einschätzung solcher Situationen und für die Gestaltung der sozialarbeiterischen Praxis stärkt die Ethik die Handlungsfähigkeit der Sozialen Arbeit (vgl. ebd., S. 34f). Einen wesentlichen Aspekt stellt dabei auch das Menschenbild der Sozialen Arbeit dar. Grundsätzlich orientiert sie sich dabei an der Individualität und der Autonomie (Selbstbestimmung) des Menschen. Da Soziale Arbeit jedoch, wie bereits oben geschildert, am Schnittpunkt gesellschaftlicher und individueller Interessen agiert, knüpft sie auch „an Vorstellungen von einem gelingenden Zusammenleben an und reiht entsprechende Bedürfnisse des Einzelnen wie auch der Gemeinschaft in ihr Menschenbild ein.“ (ebd., S. 81) Neben dem Verständnis vom Zusammenleben betrachtet die Soziale Arbeit zudem die individuellen Gefährdungssituationen der Menschen unter einem ganzheitlichen Gesichtspunkt. Als dritten Bezugspunkt konstatiert Schumacher die Fokussierung auf internationale bzw. globale Aufgaben der Sozialen Arbeit. Denn obwohl sie zunächst in den jeweiligen nationalen Kontexten agiert, so geht es im Menschenbild der Sozialen Arbeit grundsätzlich um die Mitgestaltung einer lebenswerten Gesellschaft,

„im Sinne der neuzeitlichen, humanistischen Vorstellungen“ (S. 82). Aus diesem Punkt resultiert auch der Fokus auf das Thema Menschenrechte, der im anschließenden Kapitel noch explizit aufgegriffen wird.

Um nun einem professionellen Handlungsanspruch zu entsprechen und die berufliche Autonomie der Sozialen Arbeit zu pointieren, werden die ethischen Grundsätze in eine berufsständische Ethik bzw. formal in Berufskodizes zusammengefasst (Schumacher 2013, S. 155ff). Für die gegenständliche Masterarbeit sei beispielhaft auf das Grundsatzpapier Ethics in Social Work, Statement of Principles der International Federation of Social Workers/International Association of Schools of Social Work

(31)

23 IFSW/IASSW2 von 2004 hingewiesen, da es den Bezugsrahmen für andere nationale Ethikstandards – wie z.B. den Berufspflichten für SozialarbeiterInnen in Österreich des OBDS, die jedoch keinen eigenen Berufskodex darstellen – bildet. Ethikkodizes verknüpfen, vor dem Hintergrund, dass ethische Fragestellungen für die Soziale Arbeit immer mehr an Bedeutung gewinnen, „die Seite der Berufsmoral mit der Seite der Handlungsempfehlungen zur Anwendung und ethischen Reflexion beruflicher Prinzipien und Standards.“ (Bohmeyer & Kurzke-Maasmeier 2007, S. 163f) Die Zusammenstellung solcher handlungsleitender Standards hat für Schumacher (2013) darüber hinaus – im Sinne einer ethischen Kompetenz – den Vorteil, dass zwar die persönliche Haltung der SozialarbeiterInnen (Selbstkompetenz) für ihr ethisches Handeln zentral und wichtig ist, ein gegebener ethischer Rahmen sie jedoch im beruflichen Handeln entlasten kann (ebd., S. 36f).

Der Ethikkodex des IFSW/IASSW umfasst formal eine Definition der Sozialen Arbeit, eine Übersicht der zugrundeliegenden internationalen Konventionen, eine Ausführung handlungsleitender Prinzipien sowie wesentliche Standards über berufliche Verhaltensweisen. Der Kodex basiert dabei auf den zwei grundlegenden Prinzipien der aus der Menschenwürde begründeten Menschenrechte respektive dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit, sowie den daraus abgeleiteten Teilprinzipien:

Menschenwürde/Menschenrechte Soziale Gerechtigkeit

Recht auf Selbstbestimmung Verhinderung negative Diskriminierung Recht auf Partizipation Anerkennung von Verschiedenheit ganzheitliche Behandlung jeder

Person/ressourcenorientierter Hilfeansatz (Empowerment)

Gerechte Verteilung von Pflichten und Ressourcen

Tabelle 1: berufsethische Prinzipien IFSW, eigene Darstellung

Dieses normative Fundament zielt auf die Gestaltung einer Gesellschaft ab, die soziale Integration ermöglicht und dient zugleich als Grundlage einer jeden Entscheidung der

2 Eine genauere Erläuterung hierzu wird in Kapitel 3.2.1 Internationale Soziale Arbeit vorgenommen

(32)

24 sozialarbeiterischen Fachkräfte (vgl. IFSW/IASSW 2004, S. 2; Bohmeyer & Kurzke- Maasmeier 2007, S. 165).

(33)

25

3 Menschenrechtsbasierte Soziale Arbeit

Das folgende Kapitel soll die vorangegangen theoretischen Erläuterungen zueinander ins Verhältnis setzten und dabei verschiedene Standpunkte und Diskursrichtungen aufzeigen. Gemäß dem Forschungsinteresse stellt der Hauptbezugspunkt dabei das Verständnis einer menschenrechtsbasierten Sozialen Arbeit dar, von wo aus sich die weiteren Anknüpfungspunkte zu den anderen Feldern ergeben. Ausgehend von der migrationsbezogenen Sozialen Arbeit werden zunächst grundlegende Paradigmen vorgestellt, die als Fundament für die anschließende Auseinandersetzung mit dem Teilbereich der Religion im Kontext von Migration dienen soll. Vor diesem Hintergrund wird abschließend das Verhältnis der Menschenrechte zur Sozialen Arbeit erörtert.

3.1 Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft

Als Handlungsfeld der Sozialen Arbeit wird Migration in der Fachliteratur unter einer Vielzahl von Beschreibungen angeführt, darunter die Interkulturelle Soziale Arbeit (Freise 2013), die Migrationspädagogik (Mecheril 2016), Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft (Spetsmann-Kunkel 2013) oder die Diversity-Pädagogik (Hormel & Scherr 2004; Leiprecht 2011). Schirilla (2016) weist allerdings darauf hin, dass Migration per se kein klassisches Handlungsfeld der Sozialen Arbeit sein kann, da Soziale Arbeit – wie in Kapitel 2.4.1.1 beschrieben – auf soziale Probleme reagiert, Migration jedoch kein solches soziales Problem darstellt. Vielmehr sind es deren Folgen, speziell auch die Reaktionen des Einwanderungslandes auf Migration, und die daraus resultierenden Herausforderungen, die Migration zum Handlungsfeld der Sozialen Arbeit werden lassen (vgl. ebd., S. 11ff). Als theoriebildende Grundvoraussetzung für dieses Handlungsfeld konstatiert die Autorin mehrere mögliche Zugänge (vgl. ebd., S. 127):

1. Orientierung an ethischen Rahmenbedingungen im Sinne einer Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession (u.a. Staub-Bernasconi 2002, 2008;

siehe auch Kapitel 3.2.2)

2. Orientierung an der Lebenswelt der AdressatInnen und den daraus

resultierenden Unterstützungsbedarfen (Thiersch 2013, siehe auch Kapitel 2.4.1.2)

3. Soziale Arbeit zur Lösung von sozialen Problemen

Referenzen

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