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JAHRBUCH DER PSYCHOANALYSE

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Academic year: 2022

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(1)

und Geschichte

51

frommann-holzboog

Herausgeber Claudia Frank Ludger M. Hermanns Helmut Hinz

Mitherausgeber Hermann Beland

Friedrich-Wilhelm Eickhoff Ilse Grubrich-Simitis Albrecht Kuchenbuch Horst-Eberhard Richter

Beirat

Wolfgang Berner

Terttu Eskelinen de Folch M. Egle Laufer

Paul Parin Léon Wurmser

(2)

Inhalt

Klinik der Psychoanalyse

9 Ronald Britton: Emanzipation vom Über-Ich: eine klinische Studie über das Buch Hiob

29 Rosine Jozef Perelberg: Narzißtische Konfigurationen: Gewalt und ihre Abwesenheit in der Behandlung

53 Lotte Köhler: Der Erkenntnisgewinn der neueren Entwicklungs- psychologie und seine Integration in die psychoanalytische Praxis 81 Gerhard Schneider: Die Gefahr der Heilung – psychische Veränderung

als tödliche Bedrohung

Karl-Abraham-Vorlesung

115 Daniel H. Widlöcher: Zeit des Zuhörens, Zeit der Deutung

Wolfgang-Loch-Vorlesung

139 Friedrich-Wilhelm Eickhoff: Über Nachträglichkeit. Die Modernität eines alten Konzepts

Angewandte Psychoanalyse

165 Joachim F. Danckwardt: Psychoanalytische Betrachtungen zur Entstehung der bogigen Linie (Container-Contained) bei Paul Klee.

Ein Beitrag zur Psychoanalyse des Wachstums und der Beeinflussung 212 Konstanze Zinnecker-Mallmann: Der doppelte Erich.

Das Doppelgängermotiv bei Erich Kästner

255 Namenregister 261 Sachregister

(3)

Emanzipation vom Über-Ich: eine klinische Studie über das Buch Hiob

Ronald Britton

Zusammenfassung

Diese Arbeit berichtet von der Beziehung zwischen Ich und Über-Ich, wenn es sich um eine ausgeprägt feindliche handelt, und erhellt diese mit Hilfe einiger postmoderner Kommentare über das Buch Hiob. Dann wird eine klinische Situ- ation beschrieben, die derjenigen Hiobs entspricht, in der das Ich mit einem angeblich unterstützenden Über-Ich konfrontiert ist, das Verehrung und Unter- werfung verlangt.

Der Autor vertritt die Auffassung, daß Analyse dem Patienten helfen kann, selbst wenn das Über-Ich seinen widrigen Charakter behält, und zwar durch eine Veränderung der Beziehung zwischen Ich und Über-Ich. Insbesondere kann sie helfen, dem Über-Ich die Urteilsfunktion über innere und äußere Realität zu ent- reißen, die es usurpiert hat. Diese Wiederaneignung ist eine Emanzipation des Ichs vom Über-Ich und wird dadurch erreicht, daß das Ich ein Urteil über das Über-Ich fällt.

Die dritte Position der Selbstbeobachtung gehört zum Ich, nicht zum Über- Ich; diese Position, von der aus wir uns selber beobachten können, während wir wir selber sind, müssen wir in dem Teil unserer Persönlichkeit auffinden, den wir als unsere eigene Person identifizieren. Wenn wir das aufgeben, werden wir die Geschöpfe unseres Gewissens. Wir können nicht umhin, ein Gewissen zu haben, wir können das Über-Ich nicht abschaffen, aber wir sind darauf angewiesen, es auf seinen Platz zu verweisen. Es wird die Auffassung vertreten, daß die Eman- zipation des Ichs das Recht beansprucht, Urteile zu fällen. Es ist die Aufgabe der Wiederaneignung: wo Über-Ich war, soll Ich werden.

Jahrb. Psychoanal. 51, S.928 ©2005 frommann-holzboog

(4)

Summary

This is an account of the ego and super-ego when their relationship is markedly adversarial, illuminated by some post-modern commentaries on the Book of Job.

A clinical situation is also described that is analogous to that of Job in which the ego is confronted with an ostensibly supportive super-ego demanding wor- ship and subservience.

The author argues that even when the super-ego retains its adverse character, analysis can help the patient by changing the relationship between the ego and super-ego. In particular it can help to wrest from the super-ego the function of judging both internal and external reality that it has usurped. This reclamation is the ego’s emancipation from the super-ego and is accomplished by the ego making a judgement on the super-ego.

The third position, of self observation, belongs within the ego and not the super-ego; that position, from which we can view ourselves whilst being our- selves, we need to find within part of our personality that we identify as our own person. If we vacate it we become the creatures of our conscience. We cannot avoid having a conscience; we cannot abolish the super-ego but we need to be able to put it in its place. It is suggested that emancipation of the ego reclaims the right to make judgements. It is a task of reclamation: where super-ego was ego shall be.

(5)

Narzißtische Konfigurationen:

Gewalt und ihre Abwesenheit in der Behandlung

Rosine Jozef Perelberg

Zusammenfassung

Zur Einführung des Narzißmus stellte einen Wendepunkt in der Psychoanalyse dar. Obwohl der Narzißmus ein Konzept ist, auf das sich sehr viele wichtige Denker jahrzehntelang nicht explizit bezogen haben, könnte man sagen, daß seit Freud kein psychoanalytischer Beitrag geschrieben wurde, der nicht implizit die Veränderungen im Denken berücksichtigt, die sich durch jene Abhandlung ergeben haben. In der vorliegenden Arbeit vergleicht die Autorin zwei verschie- denartige narzißtische Konfigurationen: In der ersten wird der Intoleranz für den anderen durch Ausstoßung und Gewalt begegnet, in der zweiten durch Rückzug.

Die Autorin vergleicht Patienten, die manifestes Gewaltverhalten zeigen, mit solchen, die nicht gewalttätig wurden, obwohl sie ähnliche Lebensgeschichten wie die ersten aufweisen, so daß eine Vorhersage von Gewalttaten nahegelegen hätte. Tiefgreifende Unterschiede bestehen in bezug auf die Reaktionen, welche die Patienten in der Gegenübertragung auslösen. Darüber hinaus wird die An- sicht vertreten, daß die Behandlung von narzißtischen Patienten in den vergan- genen Jahren das Verständnis einer Modalität der Depression ermöglichte. In Anlehnung an Green argumentiert die Autorin, daß man auf nutzlose Debatten über konzeptuelle Fragen der Entwicklung des Narzißmus verzichten und statt- dessen den narzißtischen Aspekt in allen analytischen Beziehungen herausarbei- ten müsse, um die narzißtische Übertragung bei unterschiedlichen Psychopatho- logien zu identifizieren.

Jahrb. Psychoanal. 51, S.2951 ©2005 frommann-holzboog

(6)

Summary

On narcissism: An introduction constitutes a turning point in psychoanalysis.

Although narcissism is a concept which has not been explicitly referred to by many important thinkers for decades, it could be said that there is no paper writ- ten in psychoanalysis since Freud that does not implicitly take into account the modification in thinking that the work brought about. In this paper, the author contrasts two types of narcissistic configurations: in the first, the intolerance of the author is dealt with by expulsion and violence; in the second by with- drawal. The author contrasts patients who express manifest violent behaviour with patients for whom the violent behaviour is absent but who, nevertheless, present similar background histories, which might have led to a prediction of violence. They are also profoundly different in terms of what they provoke in the countertransference. In addition, this paper argues that the treatment of narcissistic personalities has allowed in recent years the understanding of a mo- dality of depression. Following Green, the author argues, instead of a fruitless debate that involves evolutionary issues around the concept of narcissism, it is necessary to distinguish the narcissistic aspect in any relationship, to identify the narcissistic transference in different types of psychopathologies.

(7)

Der Erkenntnisgewinn der neueren

Entwicklungspsychologie und seine Integration in die psychoanalytische Praxis

Rückschau auf meinen Aufnahme-Vortrag in die

Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse vor 30 Jahren Lotte Köhler

Zusammenfassung

Anhand einer vor mehr als dreißig Jahren durchgeführten, supervidierten Ana- lyse wird zu zeigen versucht, wie neue Erkenntnisse der Entwicklungspsycholo- gie das Verständnis des Übertragungsvorganges erleichtern. Damals war es der von M. Mahler und Mitarbeitern beobachtete und beschriebene »Trennungs- und Individuationsprozeß«. Einige der neueren Forschungsergebnisse aus Nachbar- wissenschaften der Psychoanalyse – insbesondere die Säuglingsforschung von Stern und die Bindungstheorie, aber auch die Kognitionspsychologie – werden in Hinsicht auf ihre Relevanz für das Verständnis des therapeutischen Prozesses ebenfalls anhand des Fallmaterials diskutiert.

Summary

A supervised analysis conducted more than 30 years ago is revisited. In order to illustrate, how new findings in the field of developmental psychology may faci- litate the understanding of transference. At that time it was the so called »Sep- aration-Individuation Process« as observed and described by M. Mahler et al.

The same case material is being used to discuss, how far some of the new find- ings of disciplines related to the field of psychoanalysis – especially of infant

Jahrb. Psychoanal. 51, S.5380 ©2005 frommann-holzboog

(8)

research like the one of D. Stern, attachment theory and the psychology of cog- nition – can be of relevance for the understanding of the therapeutic process.

(9)

Die Gefahr der Heilung – psychische Veränderung als tödliche Bedrohung

Gerhard Schneider

Zusammenfassung

Grundlegende Veränderungsprozesse können bei einer Reihe schwer gestörter Patienten mit realen Bedrohungen wie Psychose, Suizid oder auch tätlichen An- griffen auf den Analytiker bis hin zu dessen Tötung verbunden sein. Auf der Ma- kroebene der Persönlichkeitsstruktur schlage ich vor, dieses Phänomen mit Hilfe der Konzepte Identität und Identitätswiderstand zu fassen. Zwei Fallbeispiele verdeutlichen klinisch die basale Gefahr von Veränderungen. In einer identitäts- theoretischen Perspektive stelle ich sodann dar, wie in der Entwicklung des ana- lytischen Prozesses bei diesen Patienten Punkte erreicht wurden, an denen ihre Identität grundsätzlich bedroht war, was eine Bedrohung durch den analytischen Prozeß und den Analytiker darstellte. In der Diskussion stelle ich den Bezug zu einschlägigen theoretischen Ansätzen dar und zeige, daß die Identitätsper- spektive als Rahmenkonzeption fungieren kann. Darüber hinaus ist sie klinisch- behandlungstechnisch zum einen für die Analyse der vorausgehenden Gegen- übertragung des Analytikers wichtig; zum anderen schärft sie den Blick für die spezifische Veränderungsproblematik solcher Patienten, für die es durchaus zu einer wirklichen Veränderung kommen kann, die allerdings durch die mit ihr verbundene grundlegende Identitätstransformation zwangsläufig als katastro- phische Veränderung erfahren wird.

Summary

There are severely disturbed patients who may by way of reaction develop psychotic states, tend towards suicidal acts, or display impulses of violent (and

Jahrb. Psychoanal. 51, S.81112 ©2005 frommann-holzboog

(10)

sometimes even murderous) aggressions against the analyst, if processes of signi- ficant psychic change emerge during treatment. The author suggests that the notions of identity and identity resistance are theoretically as well as clinically appropriate for dealing with such phenomena. Two case histories illustrate the basic threat occuring through psychic change. The author also shows that crucial points emerged during these analytic processes – crucial points at which the iden- tity of both patients was fundamentally threatened by the analytic process and, by way of consequence, by the analyst himself. In the discussion, the identity theoretical perspective is related to relevant concepts in this area of research. In addition, the clinical use of the identity theoretical perspective is assessed: This perspective not only helps the analyst in understanding his or her countertrans- ference attitude towards the patient as a whole person, but also enables him or her to recognize that changes like these involve a basic transformation in the patient’s identity. Thus, psychic change in these patients turns out to be a catastrophic one.

(11)

Zeit des Zuhörens, Zeit der Deutung

Daniel H. Widlöcher

Zusammenfassung

Wir wissen, wie schockiert Freud war, als Fließ ihm vorhielt, er sei ein »Gedan- kenleser«, und auch als Ferenczi zehn Jahre später verkündete, er selbst sei ein solcher in seiner Rolle als Psychoanalytiker. Dieser Gedanke widersprach dem wissenschaftlichen Ideal, das Freud mit der psychoanalytischen Methode verband. Gleichwohl hindert ihn das später nicht, sich mit dem Problem der

»Gedankenübertragung« zu befassen und den Blick auf die »Gedankeninduk- tion« in der Behandlung einerseits, den telepathischen Phänomenen andererseits zu lenken.

Implizit thematisiert wurde die Gedankeninduktion, als die Psychoanalyse der Gegenübertragung im analytischen Zuhören größeren Stellenwert einräumte.

Der vorliegende Text erklärt sie anhand einer Erzählung Edgar Allan Poes, in der wir den Assoziationsprozeß und seinen Parallelablauf in der Intersubjektivität studieren können. Dieser beiderseitige, aus der intersubjektiven Gedankenin- duktion resultierende Assoziationsprozeß wird – unter dem Titel Mit-Denken – an zwei klinischen Beispielen veranschaulicht.

Von hier aus läßt sich der Zusammenhang zwischen Mit-Denken und Gegenübertragung sowie Einfühlung ausleuchten. Es folgt der Blick auf die Konsequenzen für eine vergleichende Studie zwischen psychoanalytischem und psychotherapeutischem Zuhören. Den Abschluß bildet eine Neubetrachtung der Supervision als eines intersubjektiven Zuhörens, das den Dritten einschließt. Da- bei geht es um die Vorstellung von einem Mit-Denken zweiten Grades. Von Freuds positivem Credo brauchen wir uns nicht zu verabschieden – die Tatsa- chen sind da. Aber wir müssen uns zu dem Schluß bequemen, daß Gedanken- übertragung eben dies ist: eine Tatsache.

Jahrb. Psychoanal. 51, S.115135 ©2005 frommann-holzboog

(12)

Summary

We know how shocked Freud had been when reproached by Fließ as being a

»mind-reader« and when, several years later, Ferenczi had also claimed himself as such, as a psychoanalyst. This idea was in opposition to the scientific ideal which Freud attributed to its method. However this does not prevent him from later responding to the question of »thought transference« and to focus on thought induction in the treatment and telepathic phenomena.

With the importance accorded in psychoanalysis to counter-transference in psychoanalytic listening, the question of thought induction has been implicitly raised. Starting from a novel by Edgar Allan Poe, the paper will attempt to explain it by the study of the associative process and the manner in which it proceeds in parallel in inter-subjectivity. Under the term of co-thinking this reci- procal associative process, the effect of inter-subjective thought induction, will be described using two clinical illustrations.

This point of view enables one to clarify the links between co-thinking and counter-transference and empathy processes. One can then envisage the conse- quences of a comparative study between psychoanalytic listening and psycho- therapeutic listening. Finally, the question of supervision will be revisited as a listening to the third in inter-subjective listening. The idea of second-level co-thinking will be discussed. We need not abandon Freud’s positive credo – the facts do exist. Nonetheless we must conclude that thought transference is just a fact.

(13)

Über Nachträglichkeit

Die Modernität eines alten Konzepts Friedrich-Wilhelm Eickhoff

Zusammenfassung

Nachträglichkeit verleiht der Erinnerung, nicht dem Ereignis traumatische Be- deutung und meint eine zirkuläre Komplementarität beider zeitlicher Richtun- gen. Von Freud bereits 1895 im Entwurf einer Psychologie konzipiert, bleibt das Konzept in seinem Werk zwar ohne offiziellen Status, aber durch den Charakter der Zweizeitigkeit und der Latenz zum Verständnis zeitlicher Zusammenhänge und psychischer Kausalität unverzichtbar und als implizites Prinzip mit dem Aufschub und dem zweizeitigen Ansatz des Sexuallebens verbunden. Es behält bis zur späten Moses-Studie seine allerdings oft verborgene Bedeutung. Vor- übergehend in Vergessenheit geraten, wurde es 1953 durch Lacan wieder in Er- innerung gerufen. Übersetzungen ins Französische als après-coup und ins Engli- sche als deferred action haben die in der von Freud geprägten substantivischen Form Nachträglichkeit zusammengefassten beiden Vektoren, nämlich Rückwir- kung und Nachwirkung, getrennt hervorgehoben. Unbemerkt hat es in vielen Aspekten der klinischen Praxis eine Rolle gespielt, so in Winnicotts Fear of Bre- akdown und dem im hic et nunc et mecum stattfindenden nachträglichen Durch- arbeiten unbewußter infantiler, aber auch transgenerationeller Konflikte. Wolf- gang Loch, dessen Andenken diese Arbeit gewidmet ist, hat Freuds Konzept der Nachträglichkeit erweitert, indem er Deutungskunst als innovatives Unterfangen vertrat, durch das Zusammenhänge durch nachträgliche sinnerschließende Rein- terpretation subjektiver Vergangenheit nicht nur aufgedeckt, sondern auch ge- schaffen werden. Ein in Paris 1998 stattfindendes Symposion hat einen starken Anstoß zu einer neuerlichen klinischen Reflexion der Nachträglichkeit gegeben,

Jahrb. Psychoanal. 51, S.139161 ©2005 frommann-holzboog

(14)

die sich aktuell in einem Dialog zwischen Haydée Faimberg und Ignês Sodré widerspiegelt. Auf die interdisziplinäre Rezeption des Nachträglichkeitskon- zepts, besonders in den Kulturwissenschaften, wird hingewiesen.

Summary

Nachträglichkeit provides the memory, not the event with traumatic significance and means a circular complementarity of both directions of time. Conceived by Freud as early as 1895 in the Project for a Scientific Psychology, the concept remains in his work without official status but is thanks to its character of bipha- sic development and latency indispensable for understanding temporal connec- tions and psychic causality. As an implicit principle it is linked with the post- ponement and biphasic onset of sexual life and retains its sometimes hidden importance until the late Moses-study. Temporarily virtually forgotten it was recalled to memory by Lacan in 1953. Translations into French as après-coup and into English as deferred action emphasized the two vectors (retroactivity and after-effect) separately which are united in the substantive form coined by Freud.

Unnoticed it played a part in many aspects of clinical practice, especially in Winnicott’s Fear of Breakdown and the subsequent (nachträglichen) working through of unconscious infantile and transgenerational conflicts in the hic et nunc et mecum of the psychoanalytic dialogue. Wolfgang Loch, to whose me- mory this paper is dedicated, extended Freud’s concept of Nachträglichkeit in a constructivistic way, advocating an art of interpretation as an innovative enter- prise through which connections are not only unmasked but also created, consti- tuted by subsequent (nachträgliche) reinterpretation of a subjective past. A symposion in Paris in 1998 gave a strong impulse for a revived reflection on Nachträglichkeit, which is particularly evident in a dialogue between Haydée Faimberg and Ignês Sodré. The paper refers to the interdisciplinary reception of the concept of Nachträglichkeit, especially in the cultural sciences.

(15)

Psychoanalytische Betrachtungen zur Entstehung der bogigen Linie (Container-Contained) bei Paul Klee

Ein Beitrag zur Psychoanalyse des Wachstums und der Beeinflussung

Joachim F. Danckwardt

Zusammenfassung

Der Zusammenhang von Krankenbehandlung und epigenetischer post-neu- rotischer Entwicklung wird bisher kaum untersucht. Infolge der künstlichen Trennung durch Psychotherapierichtlinien wissen wir zu wenig über die Verhält- nisse, welche – in Analogie zu Sigmund Freuds Formulierung von der Herstel- lung der »für die Ichfunktion günstigsten psychologischen Bedingungen« – epi- genetisches und post-neurotisches Wachstum fördern. Die Fragestellung läßt sich bei kreativ tätigen Menschen untersuchen, denn es gibt gewisse Analogien zwischen psychoanalytischem und kreativem Prozeß. Sie finden sich auch bei Paul Klee (1879 – 1940), der in kunsthistorischer Hinsicht zu den ersten Künst- lern zählt, die Erfahrungsgestaltung und Prozeßästhetik in ihr Werk einbezogen haben. Klee begann um 1900 eine ursprünglich bewußt autobiographisch und z. T. als Selbststilisierung angelegte, jedoch unbewußt larvierte Selbstanalyse in Tagebuchform. In dieser Zeit entwickelte er auch seine Genesis-Theorie. 1931 hatte er eine habhaft-lebendige künstlerische Auseinandersetzung mit einem Künstler, dem 15 Jahre jüngeren schweizerischen Bildhauer Alexander Zschokke (1894 – 1981). Während der Sitzungen, in denen Zschokke eine Por- trait-Büste von Klee anfertigte, wurde Klee zum Objekt seiner eigenen Genesis- Theorie. Klee erlebte sein künstlerisches Programm des Zusammenfallens von Betrachten und Schaffen im Werden gleichsam am eigenen Leib. Aus den an sich

Jahrb. Psychoanal. 51, S.165211 ©2005 frommann-holzboog

(16)

selbst erlebten Bewegungsvorstellungen entwickelte sich 2 Jahr später die bo- gige Linie (Container-Contained), die den Stil seines Alterswerks maßgebend beeinflußte. Über dieses kunsthistorisch relevante Ergebnis hinaus werden in der vorliegenden Studie die künstlerischen Sitzungen unter psychoanalytischen Ge- sichtspunkten als Parabel für die psychoanalytische Situation untersucht und die Interaktionsprozesse werden beschrieben. Abschließend wird diese Form des epigenetischen Wachstums verschiedenen anderen Formen des Lernens und Werdens in psychoanalytischen Institutionen gegenübergestellt.

Summary

So far the connection between treatment of patients and the epigenetic postneu- rotic development has not been a major topic of investigation. Because of their artificial separation by the Psychotherapy Guidelines (Psychotherapiericht- linien) we do not know enough about the relation which facilitates epigenetic post-neurotic growth – in analogy to Sigmund Freud’s formulation how to provide »the most favourable conditions for ego-functioning«. In the work with creative people, this question can be scrutinized, as there are certain analogies between the psychoanalytic and the creative process. They can also be found in Paul Klee (1879 – 1940), who with regard to art history belongs to the first art- ists, who included in their artistic production the shaping of experiences and aesthetics as a process. In 1900 Klee started an originally deliberately autobio- graphically, partly set-up in a self-stylized way, but unconsciously hidden self- analysis in the form of a diary. At the same time he also developed his genesis theory. In 1931 he had a lively artistic encounter with an artist, the 15 years younger Swiss sculptor Alexander Zschokke (1894 – 1981). During the sessions, in which Zschokke created a portrait-bust of Klee, Klee happened to be the object of his own genesis theory. Klee thus experienced directly his artistic program of viewing and creating as coinciding and coming into existence. Due to these experiences he, two years later developed the curved line (container – contained), which decisively influenced his late work. This result is relevant in art history, but in this paper these artistic sessions are investigated with regard to psychoanalytical viewpoints as a parable for the psychoanalytical situation, and the interaction processes are described. Finally, this form of epigenetic growth is contrasted with different forms of learning and coming into existence in psycho- analytical institutions.

(17)

Der doppelte Erich

Das Doppelgängermotiv bei Erich Kästner Konstanze Zinnecker-Mallmann

Zusammenfassung

Diese Arbeit begann mit der Lösung des Rätsels »Wer war Erich Kästner?« und entwickelte sich zu einem packenden Interesse an seiner Person, die bisher nur als beliebter Kinderbuchautor oder Verseschreiber bekannt war. Nachdem die Autorin durch seine Biographie Einblicke in sein Schicksal gewonnen hatte, wurde sie – vom detektivischen Eifer seiner literarischen Helden angesteckt – zur analytischen Forscherin des Doppelgängertums, sowohl in seinem Werk als auch in seinem Leben. So gab es den benignen und den malignen Doppelgänger Kästner zu entdecken: Einmal das Ideal der Mutter, dann der Stellvertreter für den heimlichen ›Vater‹ Sanitätsrat Emil Zimmermann und – last but not least – Erich Kästner, den kreativen Autor, der in ›Paarbeziehung‹ zu seinen Illustrato- ren sein eindrucksvolles literarisches Lebenswerk schuf. Ein Glück, das für ihn privat nicht realisierbar war. Er scheiterte an der ungelösten Mutterbeziehung.

Mit ihrem Tod sollte die junge Geliebte (und der gemeinsame Sohn) Licht in sein Dasein bringen. Doch die Lebensgefährtin, die eigentliche Stellvertreterin der Mutter, verhinderte die lösende Trennung und damit die Bewältigung seines Konfliktes. So endete er voller Selbstverachtung und wechselte damit vom be- nignen zum malignen Doppelgänger seiner selbst. Die letzte Walzerfolge des Rosenkavaliers, die auf seinen Wunsch hin anstelle von Reden auf seiner Beer- digung gespielt worden ist, scheint die tragik-komischen Doppelrollen seines Lebens widerzuspiegeln.

Jahrb. Psychoanal. 51, S.212254 ©2005 frommann-holzboog

(18)

Summary

The genesis of this article was simple curiosity about Erich Kästner, writer of popular children’s books and verses. Who was he really? As the author delved into his biography and gained more insight into his fate, she began to feel like one of his sleuthing heroes. She became an analytic investigator of the Doppel- gänger theme in his work and life. Kästner seems to have had pairs of doubles, benign and malign ones. The benign doubles: being the ideal of his mother, the clandestine substitute ›father‹-figure Doctor Emil Zimmermann, and last but not least, Erich Kästner’s own persona as creative writer, working in partnership with his illustrators to produce his remarkable works. That Kästner’s private life could not match his public success was due to his unresolved relationship with his mother. After she died he took hope in the relationship to his young lover and their son. The difficulties with his mother were repeated in the relationship to his partner, however, his separation conflict remaining unresolved. In the end he lapsed into deep self-contempt, substituting a malignant persona or double for the benign one. He requested that the last waltzes from Der Rosenkavalier be played at his funeral in lieu of eulogy: perhaps a reflection of all the tragic-comic substitute roles in his life.

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