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Lehrer erforschen ihren Unterricht Beobachtungsstudien im Schulalltag

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Lehrer erforschen ihren Unterricht – Beobachtungsstudien im Schulalltag

Hauptseminar: Evaluation von Schule und Unterricht

Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels

Universität Dortmund – Institut für Schulentwicklungsforschung

Wintersemester 2001/2002

Dipl. – Psych. Dorothea Sauer Bochum

Email: sauer.d@freenet.de

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Gliederung

0. Einleitung 3

1. Beobachtung im Alltag von Lehrern / Beobachtung als Tätigkeitsmerkmal 3

2. Methodische Aspekte 4

3. Direkte Prozessbeobachtung 5

3.1 Der Lehrer als Beobachter 6

3.2 Fremdbeobachtung / Schattenstudie 7

4. Einsatz audiovisueller Hilfsmittel 8

4.1 Videoaufzeichnung 9

4.2 Tonbandaufzeichnung 12

4.3 Fotografie 14

5. Zusammenfassung 14

6. Literatur 16

Anhang

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0. Einleitung

Neben der mündlichen oder schriftlichen Befragung sowie der Dokumentenanalyse, ist die Beobachtung eine weitere Methode der Datenerhebung.

„Warum fragen, wenn man beobachten kann?“ bemerkt J. Friedrichs (1990, S. 269).

Im Vergleich zu anderen Methoden besteht bei der Beobachtung der Vorteil darin, soziale Prozesse unmittelbar untersuchen und analysieren zu können (vgl. Burkard / Eikenbusch 2000, S. 132).

Welche Rolle die Beobachtung im Schulalltag einnimmt, welche methodischen As- pekte es zu beachten gilt, und in welcher Form der forschende Lehrer die Beobach- tung einsetzen kann, soll im folgenden ausgeführt werden.

1. Die Beobachtung im Alltag von Schule / Beobachtung als Tätigkeitsmerkmal des Lehrerhandelns

Die Methode der Beobachtung hat Tradition in der Schule. Unterrichtshospitationen sind Bestandteil der Lehrerausbildung wie auch von dienstlichen Beurteilungen.

Auch in der Unterrichtspraxis des einzelnen Lehrers findet eine gezielte Beobachtung des Schülerverhaltens statt :

- sie ist ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung und Beratung von Schülern

- aufgrund seiner Beobachtungen steuert der Lehrer die Lehr- und Lernprozesse in seinem Unterricht (vgl. Gaude 1989, S. 5).

Amerikanische und deutsche Untersuchungen, wie z.B. die von Kounin, Isselmann / Teschke und Rheinberg / Hoss (vgl. LSW o.J., Element 9), über den Zusammenhang zwischen Techniken der Klassenführung und Disziplinschwierigkeiten von Schülern, haben gezeigt, dass die Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit eine wichtige Dimension des Lehrerverhaltens darstellt.

Die Dimension „Übersicht im Unterrichtsgeschehen“ / „Dabeisein und Überlappung“

bezeichnet die Fähigkeit

- viele Dinge des Klassengeschehens zu erfassen,

- die Aufmerksamkeit auf gleichzeitig ablaufende Ereignisse verteilen zu können, - den Schülern zu signalisieren, dass man über ihr Tun im Bilde ist ( „Dabeisein“ ).

Die sprichwörtlichen „Augen im Hinterkopf“ versinnbildlichen diese Fähigkeit.

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(Beispiel: Während der Lehrer einem Schüler beim Lesen zuhört, wendet er sich zu- gleich zwei anderen zu, die gerade Papierflugzeuge basteln).

Trotzdem die Beobachtung einen wichtigen und alltäglich praktizierten Aspekt des Lehrerhandelns darstellt, tendieren Lehrer bei der Wahl von Evaluationsmethoden eher zu Fragebögen als zu den praxisnä heren Formen der Unterrichtsbeobachtung oder einfachen Feedbackinstrumenten.

So stellten Altrichter/Messner in ihrer Arbeit mit Lehrerkollegien fest, dass aus Leh- rersicht der Fragebogen noch immer das repräsentativere und objektivere Erhe- bungsinstrument darstellt (vgl. 1998, S. 32)

2. Methodische Aspekte:

Wenn man Beobachtungsstudien durchführen möchte, ist es notwendig, methodi- sche Aspekte zu beachten sowie die Fehlerquellen zu kennen, die mit dieser Form der Datensammlung verbunden sind. Beobachtungs- und Wahrnehmungsprozesse verlaufen nie unvoreingenommen. Unsere Verarbeitungskapazität bei der Aufnahme von Informationen ist begrenzt. (vgl. Eberwein 1998, S.194 ff.)

Die Beobachtung unterliegt einem dreifachen Selektionsprozess (vgl. Friedrichs 1990, S.271, Eberwein, S.195):

- selektive Zuwendung, d.h. es ist nicht möglich, sich gleichzeitig allen Gesche h- nissen zuzuwenden, wir wenden uns nur ausgewählten Ereignissen zu.

- selektive Wahrnehmung, d.h. wir nehmen nur einen Teil des Gesamtgeschehens wahr, wobei unsere Wahrnehmung beeinflusst wird von bestimmten Vorerfahrun- gen, Vorannahmen, Erwartungshaltungen, Relevanzen, Alltagstheorien. Es be- steht die Gefahr, „das zu sehen, was wir erwarten zu sehen“.

- selektives Erinnern, d.h. unser Gedächtnis filtert das Gesehene, wir vergessen viele Ereignisse.

Diffusität, Vorurteilsbehaftetheit und Flüchtigkeit sind somit Fehlerquellen der Beo- bachtung (vgl. Altrichter/Posch 1998, S. 117).

Ein Lehrer, der aufgrund von Vorerfahrungen oder Vorannahmen ein bestimmtes Schülerverhalten („schwieriger“ Schüler) erwartet, nimmt mit hoher Wahrscheinlich- keit auch solche Verhaltensaspekte deutlicher wahr, die diese Annahmen bestätigen.

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Die Bedeutung von Vorerfahrungen für die Wahrnehmung der Schülerpersönlichkeit durch Lehrer beschreibt auc h Mietzel mit Verweis auf die Forschungen von Dusek und Raudenbush (vgl. 1993, S. 302ff.). Lehrer, die bereits für einige Zeit Erfahrungen mit Schülern gesammelt haben, sind in der Regel nicht mehr bereit, für einzelne Schüler Kennzeichnungen durch Außenstehende zu akzeptieren, die im Widerspruch zu ihren eigenen Erfahrungen stehen.

Um den Einfluss der Störvariablen zu verringern und um die Beobachtung vom zufä l- ligen „bloßen“ Schauen zu unterscheiden, ist eine standardisierte Vorgehensweise auch bei Beobachtungsstudien erforderlich. Dies erhöht die Objektivität des Beo- bachtungsprozesses und gewährleistet die Kontrollierbarkeit der Ergebnisse.

Die gezielte und systematische Beobachtung eines komplexen Prozesses, wie z.B.

Unterricht, muss folgende Aspekte beachten (vgl. Friedrichs 1990, S. 271; Gaude 1989, S. 55; Burkard/Eikenbusch 2000, S. 132; Altrichter/Posch 1998, S. 118):

- was soll beobachtet werden? z.B. Lehrer-Schüler-Interaktion, Verhaltensaspekte von Schülern, eigenes Unterrichtsverhalten

- Entwicklung vo n Beobachtungskategorien

- Zeit und Dauer der Beobachtung müssen festgelegt werden (der Beobachtungs- zeitraum soll überschaubar sein, die Beobachtungsstudie sollte für den forsche n- den Lehrer auch unter zeitökonomischen Gesichtspunkten praktisch durchführbar sein)

- die Beobachtungen müssen aufgezeichnet werden, z.B. durch Protokollieren oder durch audiovisuelle Hilfsmittel

3. Direkte Prozessbeobachtung – Teilnehmende Beobachtung

Im folgenden Kapitel werden die unterschiedlichen Methoden der Beobachtung dar- gestellt. Die direkte Prozessbeobachtung wird auch teilnehmende Beobachtung ge- nannt, da der Beobachter zugleich Teilnehmer der Interaktion ist. Bei der teilne h- menden Beobachtung kommen keine technischen Hilfsmittel zum Einsatz.

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3.1 Der Lehrer als Beobachter

Für den forschenden Lehrer bedeutet dies, sowohl Akteur wie auch Beobachter des Unterrichtsgeschehens zu sein. Damit ist zugleich das methodische Dilemma des teilnehmenden Beobachters beschrieben.

Mit zunehmender Teilnahme am Geschehen wird „tendenziell die Konzentration auf Teile des Geschehens geringer“ (vgl. Friedrichs 1990, S. 291).

Beobachten erfordert jedoch Distanz zum Geschehen (Vgl. Altrichter/Posch 1998, S.117).

Wie lässt sich in der Praxis dieses Problem auffangen?

Lehrer können solche Phasen des Unterrichts für die Beobachtung nutzen, in denen sie selbst nicht aktiv sind.(z.B. Stillarbeitsphasen, Gruppenarbeit, Schülerpräsentati- onen).

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Beobachtete festzuhalten:

- das Festhalten von Beobachtungen während der Beobachtung - die Aufzeichung von Beobachtungen nach der Beobachtung

Die Parallelisierung von Aufzeichung und Beobachtung zeigt folgendes Beispiel:

Ein Lehrer möchte seine Aufmerksamkeitsverteilung im Unterricht überprüfen. Er will die Schüler registrieren, die er von sich aus aufruft, und auch festhalten, ob der betreffende Schüler sich vorher gemeldet hat oder nicht. Anhand eines Sitzplanes vermerkt er hinter dem jeweiligen Schülernamen ein „+“ („aufgerufen nach vorheriger Meldung“) oder ein „-„ („aufgerufen ohne vorherige Meldung“). Die Markierungen bil- den nach und nach seinen Aktionsraum ab. Auf diese Weise wurde dem Lehrer be- reits während der Unterrichtstunde bewusst, dass manche Schüler weniger Beach- tung fanden (vgl. Altrichter/Posch 1998, S. 120).

In der Rolle als teilnehmender Beobachter sollte der forschende Lehrer sich auf we- nige Beobachtungskriterien beschränken und ein Beobachtungsschema benutzen.

Auch Schüler können in den Beobachtungsprozess miteinbezogen werden. Gaude (1989, S. 63) stellt einen Kurzfragebogen vor, mit dessen Hilfe die Schüler das „Fra- geverhalten des Lehrers“ einschätzen können (Abbildung 2 / bei der Autorin erhält- lich).

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Methoden des Protokollierens nach der Beobachtung:

- die Anekdote, die schriftliche Darstellung eines besonders auffälligen Ereignisses - die Aufzeichnungen bei nachträglicher Themenwahl; hier erfolgt die Steuerung

der Beobachtung durch vorher formulierte Fragestellungen, die im Anschluss an einen Unterrichtstag beantwortet werden (vgl. Altrichter/Posch 1998, S. 122 ff.).

- Beobachtungsprofil (Abb. 3 / s. Altrichter & Posch, 1998, Lehrer erforschen ihren Unterricht. S. 126–127 )

Das Beispiel zeigt, welche Beobachtungskategorien eine Lehrerin entwickelte, um die Rollenspielarbeit mit ihrer Schülergruppe auszuwerten (Altrichter/Posch 1998, S.

126/127).

3.2 Fremdbeobachtung/Schattenstudie

Die Fremdbeobachtung durch eine andere Person ( z.B. ein Kollege, ein Referendar oder einen schulexternen „kritischen Freund“) ermöglicht es, die eigene Perspektive um eine Außenperspektive zu erweitern.

Der Beobachtungsprozess wird objektiviert, da der außenstehende Beobachter - Distanz zum Geschehen hat und somit die Dinge unvoreingenommener wahr-

nehmen kann, er ist z.B. nicht emotional involviert, - keinem Handlungsdruck unterliegt,

- sich allein auf die Beobachtung konzentrieren kann und somit den agierenden Lehrer entlastet.

Auch für den Beobachter gelten bestimmte Anforderungen:

- Trennung von Beobachtung und Interpretation, d.h. er soll festhalten, was pas- siert und sich einer Bewertung enthalten,

- ein Beobachtungsbogen hilft dabei, die Wahrnehmung zu steuern,

- die anschließende Rückmeldung sollte sich allein auf das beobachtete Verhalten beziehen und sich auf die Ergebnisse des Beobachtungsbogens stützen (ein Bei- spiel für einen Beobachtungsbogen ist bei der Autorin erhältlich, Abb. 4).

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Die Rolle des Beobachters erfordert die Beschränkung und Konzentration auf die Wahrnehmung und Schilderung des beobachteten Geschehens. Der Schwerpunkt der Lehrertätigkeit hingegen liegt auf der Bewertung und Beurteilung von Verhalten.

Dieser Rollenwechsel fällt Lehrern daher nicht unbedingt leicht. Zudem werden Un- terrichtshospitationen in der Regel mit dienstlichen Beurteilungen verknüpft, während die kollegiale Hospitation noch nicht zu einem selbstverstä ndlichen Aspekt des Be- rufsbildes gehört. Dies erklärt aus meiner Sicht die Zurückhaltung von Lehrerkolle- gien gegenüber der Methode der Fremdbeobachtung.

Häufig wird die Befürchtung geäußert, die Anwesenheit eines Beobachters im Unte r- richt könne die Beobachtungssituation beeinflussen.

Die Verzerrung ist jedoch um so niedriger, „je ‚absorbierender‘ die Situation für die Beobachteten ist, je mehr sie mit sich beschäftigt sind und den Beobachter verges- sen.“ (Friedrichs 1990, S. 283)

Der Einfluss des Beobachters bleibt auf eine kurze Anfangsphase beschränkt.

Eine Form der Fremdbeobachtung ist die „Schattenstudie oder Schattenperspektive“

(vgl. Altrichter/Posch 1998, S.131, Burkard/Eikenbusch 2000, S.37).

Hierbei begleitet ein Kollege oder externer „kritischer Freund“ den Lehrer über einen längeren Zeitraum, meistens einen Tag, und führt dabei Beobachtungen unter einer bestimmten Fragestellung durch (z.B. „was passiert in den ersten 5 Minuten des Un- terrichts“).

Da der Beobachter Zugang zu Informationen erhält, die für den Lehrer auch belas- tend sein können, ist es wichtig, sich hierfür eine Person zu wählen, der man ve r- traut.

4. Einsatz audiovisueller Hilfsmittel

Um sich zu entlasten, kann der Lehrer bei der Erhebung von Daten audiovisuelle Hilfsmittel einsetzen. Er kann fotografisch Phasen seines Unterrichts festhalten, mit einem Tonband akustisches Material aufzeichnen, oder mit einer Videokamera das Unterrichtsgeschehen filmen. Beim Einsatz dieser Hilfsmittel ist jedoch zu bedenken, dass die Auswertung des Date nmaterials recht zeitintensiv ist.

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4.1 Videoaufzeichnung

Im Schulalltag wird der Einsatz der Videokamera bereits praktiziert (die Beispiele stammen aus der Gesamtschule, an der ich tätig bin):

- in der Oberstufe halten die Schüler Kurzvorträge, die mit der Kamera aufgezeich- net werden

- in der Mittelstufe setzte eine Lehrerin die Kamera bei Referaten ein

- ich selbst führe – gemeinsam mit einer Kollegin – regelmäßig ein videogestütztes Bewerbungstraining mit Schülern und Schülerinnen des 10. Jahrgangs durch - mit Mädchen des 10. Jahrgangs führe ich ein Projekt durch zum Thema „Rhetorik

und Präsentation“

So verlockend die Aufzeichnung durch eine Kamera sein kann, so unergiebig und langweilig ist die Aufnahme für den ungeschulten Betrachter.

Um aus einer Aufnahme Nutzen ziehen zu können, ist es auch hierbei wieder no t- wendig, vorab Beobachtungskategorien festzulegen, die die Wahrnehmung steuern.

An einem Praxisbeispiel soll die Arbeit mit Beobachtungskategorien dargestellt we r- den. Darüber hinaus wird gezeigt, wie man Schüler in die Verhaltensbeobachtung einführen kann.

Das „videogestützte Bewerbungstraining“1

Das Training findet in geschlechtergetrennten Kleingruppen statt, mit 6-8 Jugendli- che im Alter von 15-17 Jahren.

Eine Anforderung für die Schüler besteht darin, sich der Gruppe vorzustellen, indem sie etwas über ihre Person berichten, ihren Berufswunsch nennen und ihre Berufs- wahl begründen. Die persönliche Vorstellung wird mit der Videokamera aufgezeich- net. Diese Anfangssituation, der „Sprung ins kalte Wasser“, induziert viel Stress, aber bisher ist es jedem Schüler gelungen, diese Anforderung zu bewältigen.

1Das Training wurde gemeinsam mit U. Biermann, Dipl.-Sozialarbeiterin, an der Kä- the-Kollwitz-Gesamtschule in Recklinghausen entwickelt

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(In der Feedbackrunde zum Abschluss des Trainings äußern die Schüler regelmäßig, dass die Präsentation vor laufender Kamera zwar eine schwierige Aufgabe war, sich für sie jedoch als wichtiger Bestandteil des Trainings erwiesen hat).

In einer zweiten Arbeitsphase analysieren die Schüler die einzelnen Aufnahmen mit Hilfe der folgenden Beobachtungskategorien:

Körperhaltung

z.B. aufrechte Haltung, Schultern offen oder hängend, Stand fest Mimik/Gestik

z.B. Lächeln, Blickkontakt, Arme, Hände unterstützend eingesetzt, ruhig, gestikulie- rend

Stimme

z.B. laut , leise, deutlich, Tempo, Artikulation, Modulation, monotone Stimmführung, Akzentuierung durch Pausen

Inhalt

d.h. welche Kenntnisse werden eingebracht, werden Fachbegriffe benutzt, aus de- nen sich schließen lässt, wie gut der Schüler informiert ist, werden Begriffe erläutert (z.B. „teamfähig“), weisen die Schüler auf Kompetenzen, auf bereits gesammelte Er- fahrungen hin (Praktika, Nebenjobs, ehrenamtliche Tätigkeiten oder Engagement in Vereinen)

Analyse und Feedback:

Um die Schüler nicht zu überfordern, werden die Beobachtungsaufgaben in der Gruppe verteilt, jeder Schüler wählt eine Kategorie, auf die er sich bei der Beobach- tung konzentrieren will. Dies trägt auch dazu bei, den Gruppenfocus aufrechtzuerha l- ten.

Die Selbstkonfrontation mit der eigenen Aufnahme ist eine Phase größter Verunsi- cherung. Daher erfolgt die gemeinsame Besprechung anhand der „Methode der kon- struktiven Rückmeldung“.

Die Schüler nehmen entlang folgender Leitfragen eine Einschätzung ihres Verhaltens vor:

„ Was ist mir/dir gut gelungen ?“

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„ Was ist nicht so gut gelungen? Was könnte ich / könntest du anders machen?“

Im Unterschied zum konstruktive n Feedback fokussiert die Alltagskommunikation in der Regel Schwächen und all das, was nicht gelungen ist. In der Schule werden übli- cherweise fehlerhafte Lösungen mit roter Farbe hervorgehoben.

Die im Volksmund verankerte Redewendung vom „Selbstlob“, das „stinkt“, rückt eine positive Selbstbeschreibung in die Nähe der Prahlerei.

Die Methode der konstruktiv-sachlichen Rückmeldung muss daher trainiert werden.

Dieses Feedback“-Ritual“ wirkt sich positiv auf die Gruppenarbeit und die Beobach- tungsfähigkeit aus, es

- schafft ein Klima des Vertrauens, der Sicherheit und gegenseitigen Verantwo r- tung

- schult die Wahrnehmungsfähigkeit

- verpflichtet die Beobachter, konkrete Rückmeldungen zu geben und hilfreiche Verbesserungsvorschläge zu entwickeln, von denen alle profitieren können (die Rückmeldung „ich fand, du hast alles gut gemacht“, hilft ebenso wenig weiter wie

„das ging ja ziemlich schief“. Schüler, die sich in dieser Weise äußern, werden aufgefordert, ihre Rückmeldung zu präzisieren)

Dieses Training wurde von uns im Rahmen eines pädagogischen Studientages mit einer Lehrergruppe an einer Gesamtschule durchgeführt. Auch den Lehrern fiel die Form der konstruktiven Beobachtungsrückmeldung nicht leicht.

Einsatz der Kamera in der Klasse:

Altrichter/Posch (1998, S. 142) weisen daraufhin, dass der Einsatz der Kamera sich zunächst störend auf die Klassensituation auswirken kann.

Damit die Kamera nicht als bedrohlich empfunden wird, und die Beobachtungssitua- tion keine Grenzverletzung gegenüber den Schülern darstellt, müssen ethische Ge- sichtspunkte hierbei ganz besonders beachtet werden (die ethischen Aspekte gelten natürlich ebenso für die anderen Methoden):

- Aushandlung und Wertschätzung; die Schüler sollten über das Projekt informiert werden, das eigene Vorgehen, Ziel und Zweck sollten transparent gemacht we r-

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den. Auf dieser Grundlage entwickeln Schüler erfahrungsgemäß die Bereitschaft zur Kooperation.

- Vertraulichkeit; die Daten dürfen nicht ohne Zustimmung der Betroffenen an Dritte weitergegeben werden.

Ich möchte an dieser Stelle noch die praktischen Erfahrungen eines Kollegen weiter- geben (Thomas Ringkowski, Schulpsychologe an der Gesamtschule Berger Feld, Gelsenkirchen):

- er filmte eine Unterrichtstunde, die er selbst durchführte

- er bat die Klasse um ihre Unterstützung, da er das Thema „Techniken der Klas- senführung“ nach Kounin in einer Lehrerfortbildung behandelte

- er machte eine kurze Einführung, ohne zu problematisieren

- er stellte einen raschen Gewöhnungseffekt fest, die Klasse war nur kurzzeitig irri- tiert

- er berichtet vo n einer Phase, in der Klassen die Videokamera kategorisch ablehn- ten, gerade zu einer Zeit, in der öffentlich in der Presse über den Einsatz von Kameras auf öffentlichen Plätzen diskutiert wurde. Die Schüler lehnten den Ein- satz der Kamera als „Überwachungsinstrument“ ab.

4.2 Tonbandaufzeichnung

Mit Hilfe der Tonbandaufzeichnung lässt sich akustisches Material genauer festha l- ten, als dies bei der direkten Prozessbeobachtung möglich ist.

Das Tonband bietet zwei Nutzungsmöglichkeiten (vgl. Altrichter/Posch 1998, S. 131 f.):

- die Aufzeichnung ganzer Unterrichtseinheiten zur Orientierung und zur Gewi n- nung von Fragestellungen

- die Aufzeichnung zeitlich begrenzter Interaktionen, die auf der Grundlage einer bereits bestehenden Fragestellung ausgewählt und analysiert werden sollen.

Praxisbeispiel (Altrichter/Lobenwein/Welte 1997, S. 643 ff):

Eine Englischlehrerin analysierte ihren Unterricht unter folgenden Fragestellungen:

- wie aktiviere ich die ‚stillen‘ Schüler?

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- Wie gehe ich mit den aktiven/kritischen/kreativen um?

- Verstärke ich die Redeangst schwacher Schüler im Englischunterricht?

Vorgehensweise

Im Zeitraum von drei Monaten zeichnete sie drei Unterrichtsstunden auf. Beim Abhö- ren der ersten Aufnahme hielt sie fest, welche Schüler sich gar nicht zu Wort gemel- det hatten, welche sie unterbrochen hatte, welche Redeimpulse sie gesetzt hatte.

Dabei wurde sie aufmerksam auf einen besonderen Umgang mit einem Schüler: „Ich bin überrascht , wie stark meine Zuwendung G. gegenüber ist. Ich verbessere ihn seltener als andere, deren Meinung mir weniger gelegen kommt.“

Die Analyse der zweiten Aufnahme überschrieb sie:„Hilfe! Es reden fast nur Buben!“

Die Auszählung der Redebeiträge ergab 78 Wortmeldungen insgesamt, 17 stammten von Mädchen.

Mit Hilfe der Tonbandaufzeichnung entdeckte die Lehrerin „blinde Flecken“ in ihrer bisherigen Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens. Sie entwickelte eine weitere, die Koedukation kritisch reflektierende Fragestellung. Inwieweit trug ihr Unterrichts- verhalten dazu bei, möglicherweise bestehende Ro llenklischees zu verfesti- gen?(Verstärkte sie vielleicht das Bild von den braven, stillen Mädchen und den akti- ven, redefreudigen Jungen?).

Aufgrund der Analyse der Unterrichtskommunikation entschloss sich die Lehrerin, Methoden zur Aktivierung der Mädchen zu erproben.

Transkription der Aufnahme

Die Verschriftlichung der Bandaufzeichnung bezeichnet man als Transkription. Da sie recht zeitaufwendig ist, empfiehlt es sich für den praktisch forschenden Lehrer, nur kurze Ausschnitte zu transkribieren, die anschließend analysiert werden.

Eine ökonomische Vorgehensweise umfasst folgende Schritte (vgl. Altrichter/Posch 1998, S. 137):

1. Anhören der gesamten Aufnahme, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen 2. Anhören , Stichworte zu einzelnen Szenen, Phasen notieren, Zählwerknummer

notieren

3. anhand dieser Notizen werden die für die Fragestellung wichtigen Szenen aus- gewählt und voll transkribiert

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4.3 Fotografie

Fotos gehören bereits zur Schulkultur. Alle Klassen werden mit ihren Klassenleitun- gen, meist zu Beginn des Schuljahres, abgelichtet. Die Fotos schmücken den Klas- senraum oder erscheinen im Jahrbuch der Schule, Klassenausflüge und Projektwo- chen werden fotografisch festgehalten.

Ebenso lassen sich Fotos einsetzen, um Unterrichtssituationen zu dokumentieren.

Insbesondere in der Arbeit mit jüngeren Schülern kann die Konkretheit des Bildes hilfreich sein.

Praxisbeispiel (Altrichter/Posch 1998, S. 138ff.):

Das Foto einer Klassensituation wurde analysiert unter der Fragestellung, welche Formen der Selbstorganisation die Klasse entwickelte, als sie den Auftrag erhielt, eine Mathematikaufgabe selbstständig zu bearbeiten. Das Foto zeigt vier verschie- dene Arbeitsformen, darunter Kleingruppen von Schülern wie auch Einzelarbeit.

Dem Lehrer war es offensichtlich gelungen, die Schüler aus ihrer sonst passiven Lernhaltung zu lösen. Dies bestätigte auch der Kommentar eines Schülers:

„ Es haben sich Gruppen gebildet und die haben das selber entschieden...sonst, wenn sich jemand nicht auskennt in der Klasse , dann sitzen wir da und warten, bis der Herr Professor das erklärt und so haben wir schon ziemlich alle nachgedacht darüber“.

5. Zusammenfassung

Im Unterschied zu Verfahren, die Meinungen und Einstellungen erheben, stellt die systematische Beobachtung eine Evaluationsmethode dar, die einen unmittelbaren Einblick in das tatsächliche Geschehen gewährt. Die Praxisnähe dieser Methode – die Beobachtung ist ein Teilaspekt der Lehrertätigkeit – bietet Lehrern insbesondere im Rahmen einer Selbstevaluation die Möglichkeit, Daten über Unterrichtsprozesse zu gewinnen.

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Beobachtungsstudien können in unterschiedlicher Form durchgeführt werden. Es zeigt sich jedoch, dass die verschiedenen Varianten nicht universell einsetzbar sind, sondern bei der Entscheidung für eine bestimmte Methode die jeweils spezifischen Aspekte berücksichtigt werden sollten:

- die „teilnehmende Beobachtung“ erfordert keinen technischen Aufwand, die zu erforschende Situation – Unterricht – stellt das Handlungsfeld des Lehrers dar und ist ihm unmittelbar zugänglich. Mit Hilfe einfacher Beobachtungsschemata lässt sich das Beobachtete festhalten. Die für die Beobachtung notwendige Dis- tanz ist jedoch um so schwieriger zu wahren, je involvierter – handlungspraktisch oder emotional – der Lehrer in das Geschehen ist.

- Mit Hilfe der „Fremdbeobachtung“ kann man der „Begrenztheit“ der eigenen Wahrnehmung begegnen, die eigene Perspektive um eine Außenperspektive er- weitern und somit den Grad der Objektivität einer Beobachtungsstudie erhöhen.

Die Distanz des außenstehenden Beobachters ermöglicht eine unvoreingeno m- menere Wahrnehmung des Geschehens. Der Lehrer sollte sich für diese Variante der Beobachtung eine Person wählen, der er vertraut. Der Nutzen dieser Metho- de hängt im hohen Maß von der Kompetenz des jeweiligen Beobachters ab, Ver- halte n konkret erfassen zu können und sich jeglicher Bewertung oder Interpretati- on zu enthalten. Nicht zuletzt muss der vertrauliche Umgang mit den Daten ge- währleistet sein. Beobachtung und Rückmeldung durch einen externen Beobach- ter sollten sich auf einen Beobachtungsbogen oder eine bestimmte Fragestellung stützen.

- Audiovisuelle Hilfsmittel wie Fotoapparat, Tonband oder Videokamera, sind im Schulalltag bekannt und werden bereits vielfältig genutzt. Ihr Einsatz während des Unterrichts kann den Lehrer in seiner Rolle als Beobachter entlasten, da sie Pro- zessabläufe dauerhaft festhalten und eine spätere Analyse erleichtern. Die Aus- wertung des Datenmaterials ist jedoch zeitintensiv und erfordert ein ausgearbeite- tes Kategoriensystem.

Eine andere Variante der objektiven Beobachtung ist die kollegiale Hospitation. Sie steht jedoch dem weitverbreiteten Selbstverständnis des Lehrers als „Einzelkämpfer“

entgegen. Aber für dieses Verfahren spricht die Nutzung alternativer Perspektiven zur Evaluation und Verbesserung von Unterricht.

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Literatur

Altrichter, Herbert / Posch, Peter 1998: Lehrer erforschen ihren Unterricht.

Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Bad Heilbrunn.

Altrichter, Herbert / Messner, Elgrid: Wenn Schulen sich den Spiegel vorhalten.

Fünf Schulen lernen aus und für ihre Weiterentwicklung. In: Pädagogik 50 (1998) 6, S. 30-33.

Altrichter, Herbert / Lobenwein, Waltraud / Welte, Heike 1997: PraktikerInnen als ForscherInnen. Forschung und Entwicklung durch Aktionsforschung.

In: Friebertshäuser, Barbara / Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim. S. 640-660.

Burkard, Christoph / Eikenbusch, Gerhard 2000: Praxishandbuch Evaluation in der Schule. Berlin.

Eberwein, Hans 1998: Die Beobachtung von Kindern im Unterricht als Methode des Fremdverstehens und zur Unterstützung von Lernprozessen. In: Eberwein, Hans / Knauer, Sabine (Hrsg.): Handbuch Lernprozesse verstehen. Wege einer neuen (sonderpädagogischen) Diagnostik. Weinheim. S.194-208.

Friedrichs, Jürgen: Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen 141990.

Gaude, Peter 1989: Beobachten, Beurteilen und Beraten von Schülern. Frankfurt/M..

Landesinstitut für Schule und Weiterbildung o.J.: Organisatorischer Aufbau und Pä- dagogische Schwerpunkte in der Gesamtschule. Beratung in der Gesamtschule.

Materialien für Moderatorinnen und Moderatoren, Element 9. In: Schriftenreihe Lehrerfortbildung in Nordrhein-Westfalen. Soest.

Mietzel, Gerd 1993: Psychologie in Unterricht und Erziehung. Einführung in die Päd- agogische Psychologie für Pädagogen und Psychologen. Göttingen.

Referenzen

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