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© Museum für Tierkunde Dresden, ISSN 1864-5755, 09.08.2007
57 (1) 2007 Book review Vertebrate Zoology
Als ich Mitte bis Ende der 1980er Jahre studierte, hatten deutsche Lehrbücher den Ruf zwar sehr exakt, aber auch langweilig zu sein. Aus dem Englischen übersetzte Lehr- bücher waren dagegen bei uns Studenten beliebt, weil sie auf anschauliche und spannende Weise den Stoff zu ver- mitteln verstanden. Im Unterschied zu deutschen Lehrbü- chern, die man gut zum Nachschlagen verwenden konnte, waren die Übersetzungen geeignet „sich festzulesen“, zu
„schmökern“, sich Wissen fast nebenbei zu erwerben und es zu vertiefen. Und genau dazu, zum Schmökern, will auch die zweite Aufl age der „Evolutionsbiologie“ von STORCH, WELSCH und WINK einladen, wie dem Vorwort zu entneh- men ist. Wir hätten dieses Lehrbuch vor 20 Jahren gerne gehabt, und ich denke, wir hätten es als „angelsächsisches Lehrbuch ehrenhalber“ durchgehen lassen, weil es spannend geschrieben ist. In einer Zeit, in der als „Intelligent Design“
(welch Euphemismus!) maskierter Kreationismus auch im deutschen Sprachraum erschreckend um sich zu greifen be- ginnt, brauchen wir genau solche Lehrbücher zur Evolution.
Die Studienreform mit all ihren Vorzügen und Nachteilen der Modularisierung wird dazu führen, dass Studenten jen- seits der angebotenen Module sich nur dann mit Lehrstoff beschäftigen, wenn er spannend daher kommt, so dass man ihn gerne liest. Genau das ist mit der zweiten Aufl age der
„Evolutionsbiologie“ noch besser gelungen als der ersten, und damit trägt das Buch hoffentlich dazu bei, dass auch künftige Biologengenerationen mit beiden Beinen auf dem festen Grund der Evolutionstheorie bleiben. Nun durchgän- gig farbig bebildert, aktualisiert und neu überarbeitet ist die Evolutionsbiologie ein gelungenes Werk, das verschiedene Wissenschaftsbereiche, die das Fundament der Evolutions- theorie liefern, kompetent einfl ießen lässt und zu verknüp- fen versteht.
Das Buch ist in fünf große Kapitel gegliedert, (1) Evo- lutionsbiologie: Geschichte und Fundament, (2) Entfaltung der Organismen in der Erdgeschichte, (3) Mechanismen und molekulare Ursachen der Evolution, (4) Molekulare Evolu- tionsforschung und (5) Evolution des Menschen und seiner nächsten Verwandten der nicht-humanen Primaten. Wie bei der ersten Aufl age sind immer wieder Exkurse eingescho- ben, die schlaglichtartig einzelne Themen herausgreifen und eingehend beleuchten, wobei viel spannendes Hintergrund- wissen vermittelt wird. Der Text besitzt in jedem der Kapi- tel einen roten Faden, der erlaubt in den einzelnen Kapiteln fast wie in einem Roman zu lesen. Die Strukturierung in
Unterkapitel ermöglicht es jedoch auch, rasch Einzelthemen aufzufi nden und das Buch so zum Nachschlagen zu ver- wenden. Es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, dass neues- te wissenschaftliche Erkenntnisse und Funde eingefl ossen sind; stellvertretend sei der kürzlich entdeckte, Aufsehen erregende subfossile Zwergmensch von Flores, Homo fl o- resiensis, erwähnt. Immer wieder eingeschobene Anekdoten lockern den Text treffl ich auf (besonders gut hat mir das von Haeckel „zu Ehren“ des preußischen Kultusministers von Zedlitz-Trützschler, einem Gegner der Evolutionstheorie, errichtete Taxon der Coelocephala = Hohlköpfe gefallen).
Die „Evolutionsbiologie“ von Storch, Welsch und Wink sei nicht nur den Studierenden der Biologie wärmstens emp- fohlen!
Uwe Fritz
Book review
S
TORCH, W
ELSCH, W
INKEvolutionsbiologie
2. vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl age
Springer Berlin Heidelberg
518 Seiten, 216 meist farbige Abbildungen und 24 Tabellen
ISBN-13 978-3-540-36072-8