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Zum Namen der syrischen Bibelübersetzung Peschittä.
Von Eduard König.
In der sprachlichen Vorbemerkung, welche ich in meiner „Ein¬
leitung in das AT. mit Einsehluss der Apokryphen und der Pseude¬
pigraphen ATs." dem die älteste syrische Bibelübersetzung betreffenden Abschnitte „zur Verständigung" vorausgeschickt habe, ist die Ansicht
ausgesprochen worden, dass in dem Namen dieser ältesten Bibel¬
übersetzung der Syrer „wahrscheinlich" ein doppelter Dental zu
sprechen sei. Meine Behauptung habe ich so begründet : „Es giebt
meines Wissens keine Beispiele (auch Nöld., Syr. Gram. 1880, § 26
erwähnt keins), in denen der stärkere emphatische Laut t beim
Zusammentreffen mit t ebenso verklungen wäre, wie das t, wenu
es mit anderem t, oder wie das schwächere d, wenn es mit t zu¬
sammenstiess". Diese meine Behauptung ist richtig, wenn sie nur
so gefasst wird, wie sie ausdrücklich heisst; denn ich habe mit
gutem Bedacht gesagt: „ebenso verklungen wäre". Nämlich ich
habe noch nicht gelesen, dass in einem syrischen Worte das
ebenso in der Schreibweise einfach vor J. übergangen worden ist,
wie J. vor ], und auch j vor L ^ oder dass ein ^ wenn es mit
einem folgenden J. zusammengesprochen wurde, dieses nicht einmal
zu einem Verschlusslaut (angezeigt durch Quschschaja) gemacht
hat, wie es beim i vor 1. vorkommt. Auch Merx oder Duval oder
Nöldeke, welchen letztgenannten ich billigerweise besonders namhaft
gemacht habe, geben keinen Beleg für ein solches ganz gleiches
Schicksal des t; in keinem mir hekannten Beispiele ist vor 1.
ungeschrieben geblieben. Dagegen giebt es Fälle, in denen 1. vor 1.
in der Schreibweise übergangen worden ist (Merx, Grammatica
syriaca 113; Nöld. § 26)'). Auch kommt es vor, dass j nicht
geschrieben worden ist im Altsyrischen, was Nöld. zwar nicht in
seiner Syr. Gram., aber in seiner Mandäischen Gram., S. 44, Anm. 2
erwähnt: „In den syr. Geoponikeru steht öfter jfcw, jLtJI für
') JL wird auch im Neusyrisehen weggelassen (Nöld., Neusyr. Gram. S. 91).
König, Zum Namen der tyrischen Bibelübersetzung Peschittä. 317
jLL^ll.**) Endlich ist es vorgekommen, das ^ bei seinem
Zusammensprechen mit I. in diesem nicht einmal »Verhärtung'
hervorgerufen hat, vgl. Merx 109 ,)JL^ h'attä; alii Amiram se¬
quentes pronunciant h'ato" , und Nöld. § 26 sagt sogar einfach:
etc. sprich ha&ä etc. novus etc.'
Daraus entnahm ich und entnehme ich, was ich gesagt habe,
dass der emphatische Dental bei den Syrem „nicht ebenso ver¬
klungen' ist, wie der nicht-emphatische tonlose Verschlusslaut t und
der tönende Verschlusslaut d. Dies war der Gang der Erwägungen,
die mich zu meiner Behauptung geführt haben. Sie beruht auf
dem Vorhandensein einer Thatsache, zu deren Beobachtung mich
das bei mir bekanntlich längst vorhandene Interesse für lautphysio¬
logische Erklärung der Spracherscheinungen geleitet hatte. Auf
diese meines Wissens noch nicht betonte Thatsache wollte ich bei
dieser Gelegenheit hindeuten. Ich hätte mich ja weitläufiger darüber
aussprechen können, indess in jener knappen Vorbemerkung hielt
ich auch eine etwas compendiöse Ausdmeksweise für erlaubt. Dass
ich aber einen Grund zu meiner Behauptung gehabt haben müsse,
und dass nicht aus Nöld. § 26, den ich selbst citirt habe, die Un¬
begründetheit meiner Behauptung nachgewiesen werden könne,
dies beides zu finden, scheint mir aueh trotz meiner knappen Aus¬
drucksweise nieht unmöglich gewesen zu sein. Meine Worte ,der
emphatische Laut t etc.' und meine ausdrückliche Erklärung, dass
aueh bei Nöld. § 26 sich kein Beispiel für das finde, was ich be¬
hauptete , konnten genügend darauf hinweisen , dass ich auf einen
Punkt die Aufmerksamkeit lenken wolle, der auch bei Nöldeke
nicht hervorgehoben war. Wenigstens durfte ich beim Leser meines
Buches das Urtheil erhoffen, dass ieh den Ausdruck „nicht ebenso
verklungen ist' mit Ueberlegung gewählt hatte , und doch hat
Nestle (oben S. 157) das „ebenso", worauf naturgemäss der Accent liegt, ungesperrt gelassen, während er die dieses „ebenso" umgeben¬
den Worte meines Begründungssatzes durch Sperrdruck hervor¬
gehoben hat.
Auf jener mich interessirendeu orthographischen Thatsache in
erster Linie fusst meine Aussage , dass der Name der ältesten syr.
Bibelübersetzung wahrseheinlich mit doppeltem Dental auszusprechen
sei. In zweiter Linie bin ieh zu meiner Aussage durch die Aus¬
drucksweise geführt worden, in welcher Nöldeke § 26 sich über
die Aussprache des mit einem folgenden t zusammenstossenden /
geäussert hat, nämlich „JK ^.^\ 'abbitä (oder 'abbitta ?; westsyriseh
wohl 'abitd).* Diese Ausdrucks weise , die Nöldeke bei dem ersten
") Auch im Mandäischen „fSllt 1 weg vor n in NnSID „Zaum" für NnUlD. Aehnlich haben wir als Var. zu NTnNö „neue" auch N-inNi^"
(Nöld., Mand. Gram., S. 44).
318 König, Zum Nammen der syrischen Bibelübersetzung Peschitta.
der von ihm vorgebrachten Beispiele anwendet, muss die Ansicht
begründen , dass Nöldeke die vorher von ihm gebrauchten Worte
fUllt vor dem \, eines Suffixes weg' nicht als unbedingt gewisse
gesagt haben wolle ; weil er sonst nicht unmittelbar dabinter bei
seinem ersten Beispiele die Aussprache mit doppeltem Dental als
eine auch möglicherweise in Betracht kommende hinzugefügt haben
könnte. — Dass es im Syrischen Worte giebt, in denen vocallos
vor J, steht, das wusste ich von selbst, und dass Nöldeke in dem
von mir ausdrücklich citirten § 26 mehrere solche Wörter angeführt
hat, hatte ich selbstverständlich auch gesehen; aber wenn es auch
noch mehr als 5 gewesen wären — Nestle ruft ja aus „fünf Bei¬
spiele gegen „„keines" —, so konnte von der blossen E xist enz
solcher Wörter die Entscheidung der von Nöldeke selbst ofi'en ge¬
lassenen Frage , ob in solcben Wörtem ein doppelter oder ein
einfacher Dental zu sprechen sei, nicht abhängen.
Da auch ein Nöldeke die Aussprache mit doppeltem Dental
ausdrücklich als eine solche erwähnt hatte, die bei dem von ihm
mit aufgeführten jK ^-»o» in Frage kommt, und da diese Aussprache
mit der von mir beobachteten Thatsache übereinstimmte: so durfte
ich wohl sagen , dass die einfache, ohne jede Limitation und jedes
Fragezeichen ausgesprochene Angabe, J\^.nO> werde ^peSitä ohne
/' gesprochen (so Buhl), ohne sicheren Grund gemacht sei. Ja,
ich halte auch jetzt trotz der von Nestle beigebrachten Bemerkungen
des Barhebraeus es für mindestens fraglich , dass der lautliche
Vorgang, den Barhebraeus ein Sichverbergen (Sichverstecken) des
ersteren von zwei unmittelbar zusammenstossenden Dentalen nannte,
dahin geführt habe, dass kein doppelter Dental, sondem ein einfacher
Dental gesprochen worden ist. Barhebraeus sagte ja: „Der erste
ruhende [Consonant], indem er in der Weise des zweiten vocalisirten
sich verwandelt, versteckt sich in ihm'. Also der erstere von
den beiden Dentalen erscheint in dem Satze des Barhebraeus immer
noch als eine bestehende Grösse. Das „versteckt sich' kann folglich
nur dasselbe sein , wie das vorhergehende „verwandelt sich', d. h.
der erstere von den beiden Dentalen giebt seine phonetische Eigenart auf, wird imter denselben Articulationsbedingimgen, wie der folgende
Consonant, ausgesprochen, und es lassen sich zwei identische Con¬
sonanten hören.
Die Doppeltheit des in J^^. ftO» gesprochenen Dentals als eine
wahrscheinliche geltend zu machen, war mir aber die Hauptsache,
wie ich auch habe drucken lassen „auszusprechen ist Pesch, wahr¬
scheinlich mit Doppel-i." Die genauere Natur dieser beiden Dentalen
habe ich nicht positiv angegeben. Nur habe ich im Hinblick auf
jene orthographische Thatsache und auf den emphatischen Charakter
des t es allerdings für wahrscheinlich gehalten, dass das t bei seinem
Zusammentreffen mit t seinen starken Laut nicht eingebüsst habe.
König, Zum Namen der syrischen Bibelübersetzung Peschittä. 319
daher dann weiterhm Peschittä gebraucht, — nebenbei auch um
den Zusammenhang dieser Wortgestalt mit Peschitä zur Anschauung
zu biingen. Ueberdies aber war ich auch in dieser Bewahrung
des / vor t nicht ohne Vorgänger, wie ja — was ich jetzt erst
sehe — Ryssel (Micha 1887, 169) Peschitthä und Cornill in seinem
Grundriss der Einl. iu's AT., 2. Aufl. i892, 309 f. „Peschittho"
hat drucken lassen. Ja, Duval in seiner vortrefflichen Grammaire
syriaque 1881, p. 106 hat aus dem Zusammenstossen von ( mit t
sogar tt entstehen lassen. Beides aber, sowohl tt als auch vollends
ti, ist nach Barhebraeus unrichtig. Nach ihm ist nur zu sprecheu
Peschittä, und deshalb habe ich diese Umschreibung auch in der
Ueberschrift dieses Aufsatzes angewendet. Nennt man diese von
Barhebraeus angegebene Aussprache eine , verwaschene " (Nestle),
dann hat mau auch überhaupt kein Recht, sich auf Barhebraeus
in dieser ganzen Frage zu berufen.
Aber , wie gesagt , das Wesentliche an meiner Behauptung
war dies, dass Pesch, wahrscheinlich mit doppeltem Dental und
nicht unfraglich Peschith auszusprechen sei. Dass nun dieses
Wesentliche an meiner Behauptung richtig war, habe ich zu meiner
Freude auch daran bemerkt, dass die Opposition gegen meine Be¬
hauptung bei Nestle im Verlaufe seiner Bemerkungen allmählich
milder geworden ist , sodass er schliesslich bei der Zustimmung
anlangte. Dies zeigt sich in doppelter Weise. Erstlich referirt
Nestle auf S. 157 richtig die wirkliche Angabe Bubis, dass der
St. emph. Pesch, gesprochen werde „pesitä ohne t", aber auf S. 158 sagt Nestle, dieser St. emph. Pesch, werde gesprochen „(pesittä oderj pesita, wie Buhl gauz recbt sagt „ohne t'". Jedoch dieses „pesittä
oder" hatte eben Buhl nicht gesagt, und eben deswegen, weil er
nicht, wie doch selbst Nöldeke, die Möglichkeit des doppelten
Dental des St. emph. Pesch, angedeutet hatte, habe ich diese Angabe
Bubis prüfen und — nach der besprochenen orthographischen Er¬
scheinung und z. B. nach Nöldekes Angabe — als eine nicht absolut
gewisse bezeichnen müssen. Sodann sagt Nestle auf S. 157, er
könne nicht verstehen, warum ich Bubis Angabe „pesitci ohne /'
bezweifle; aber auf S. 158 sagt er, der St. emph. Pesch, „wird
gesprochen (pesittu oder) pesita". Demnach hat Nestle auf S. 158
ganz auf die gleiche Weise die Richtigkeit der unlimitirten Angabe
Buhls bezweifelt, wie ich eben auch gethan hatte.
Ueberdies dass es richtig ist, hinter dem Artikel den St. abs.
von Pesch, anzuwenden, also „die Peschitä' zu sagen, das habe ich
aus der adjectivischen Natur des Wortes ausdrücklich begründet,
und diese Schreibweise haben auch schon seither die meisten Ge¬
lehrten (Baethgen 1878, Cornill 1886 in seinem Hesekiel; Rahlfs
1889 u. A.) angewendet, und dagegen konnte auch Nestle keinen
innerUchen Grund vorbringen. Ob er nun trotzdem seinerseits auch
fernerhin „die Peschitta' schreiben will, weil er gegenüber „der Al¬
manach" nicht inconsequent werden will, dies ist gleichgiltig.
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Anzeigen.
Catalogue of tlie Ouneiform Tablets in ihe Kouyunjik Collection
of the British Museum, by C. Bezold. — Vol. II. — Printed
by order of the Trustees. — London 1891.
The Tell-el-Amarna Tablets in the British Museum toith Auto¬
type facsimiles. — Printed by order of the Trustees. —
London 1892.—
Oriental Diplomacy, being the transliterated text of the Cunei¬
form Despatches between the Kings of Egypt and Westem
Asia in the XV*^ Century before Christ, discovered at
Tell el-Amama, and now preserved in the British Museum.
With full Vocabulary, Grammatical Notes &c., by Charles Bezold. — London, Luzac & Co. 1893.
In etwas weniger als Jahresfrist — das zuerst genannte Werk
ist vom 13. October 1891, das letzte vom 9. September 1892
datirt — hat uns der unermüdliche Pleiss Bezold's mit den drei
vorliegenden wichtigen Werken beschenkt ; nur bei dem an zweiter
Stelle genannten hat er Dr. Budge zum Mitarbeiter gehabt.
Der neue Band des Kataloges der Kouyunjiksammlung zeichnet
sich durch dieselbe sorgfältige und gründliche Ausführung wie der
erste aus, und im Allgemeinen kann ich auf meine im 44. Bande
dieser Zeitschrift (196 ff.) erschienene Besprechung dieses letzteren
verweisen. Der Verfasser hat aber hier einige Aenderungen und
Kürzungen vorgenommen, wodurch es ihm möglich geworden ist,
etwa 6000 Nummem zu behandeln, gegen 2000 des ersten Bandes.
Wenn die mitgetheilten Auszüge in Polge dessen etwas spärlicher
geworden sind, so ist dadurch andererseits die Aussicht auf Vol¬
lendung des ganzen Katalogs in absehbare Feme gerückt. Der
Inhalt der hier beschriebenen Tafeln ist auch demgemäss ein reich¬
haltigerer; auch sonst ist dieser Theil der Sammlung ein interessanterer, theils weil sie an religiösen Texten sehr reich ist, theils weil sie
viel mehr Unpublicirtes enthält. Freilich findeu sich auch hier un¬
zählige Omina-Texte und astrologische Tafeln , deren Inhalt , zur
Zeit wenigstens , die geringste Anziehung für die Assyriologen zu
haben scheint. Aber wie ich a. a. 0. schon bemerkt habe, dürfte
eine systematische Bearbeitung dieser Texte, die jetzt durch Bezold's