541
Der arabische Titel des religionsphilosophischen
Werkes Abraham Ibn Daud's.
(Sein Verhältniss zu Jehuda Hallevi's Kusari.)
Von W. Bacher.
nwin nriuNn, so lautet in der hebräischen Uebersetzung der
Titel des bekannten, im Jahre 1160 verfassten, religionsphilo¬
sophischen Werkes des auch als historischer Schriftsteller bedeutenden
R. Abraham Ibn Däud aus Toledo. Das arabische Original
dieses Werkes ist nicht mehr vorhanden. Die hebr. Uebersetzung
Salomo Ihn Labi's ist im J 1852 in Begleitung einer deutschen
Uebersetzung von S. Weil herausgegeben worden. In einer anderen
in einer Handschrift vorhandenen — hebräischen Uebersetzung
von Samuel iM o t o t ist der Titel mit riNia: rt:ii2» wieder¬
gegeben. Man weiss, dass der arabische Titel gelautet hat : sJk_oi*Ji
jC«AS.Ji (S.Steinschneider, Polemische und apologetische Litte¬
ratur, S. 353). Doch glaube ich nachweisen zu können, dass dies
nicht der vollständige Titel war. Zum Titel des Werkes vom
„erhabenen Glauben' gehören nämlich noch die in der kurzen, seiner
Einleitung vorangehenden Inhaltsangabe ihm folgenden Worte N-'n'i:n
mn N^EiOib-'cn niJDon, die der Herausgeber auch mit Recht
aufs Titelblatt seiner Edition gesetzt hat. Die genannte Inhalts¬
angabe gehörte vielleicht — abgesehen von den ehrenden Epithetis
des Verfassers — vollständig dem Verfasser selbst und nicht erst
dem hebräischeu Uebersetzer an. Jedenfalls aber sind die citirten
Worte als integrirender Bestandtheil des Titels zu betrachten.
Denn weun sie ins Arabische zurückübersetzt werden, lautet der
Titel des Werkes so:
iütjjJ! sA>Ji*J! '^'Jii
" ^
'xiiJ^l\j üä^JläJl i^aj o-aj'^ (?j^j'b!l] ^i_>\JI
Es ist eine in der beliebten Form arabischer Buchtitel verfasste,
gereimte Ueberschrift, mit welcher man die Ueberschrift des zu
Kd. XLVI. .■J.'i
542 Bacher, Der arab. Titel d. relig.-phil. Werkes Abraham Ibn Daud'«.
derselben Zeit (1140) geschriebenen religionsphilosophischen Werkes
Jehuda Hallevi's vergleichen möge. Derselbe lautet :
J^JjJI^ ÄJÄ^i I-JJCJ'
Js^J^Jt j^Jjl ^ S
Der andere Titel dieses Werkes : (j;^^J:\Jl ^ hebr. inTiDn, eigent¬
lich nur die Bezeichnung des Chazarenkönigs, dessen Unterredungen
mit dem jüdischen Gelehrten (^.s^i^ lanri) den Inhalt des Werkes
bilden , hat den wirklichen Titel : „Buch der Beweisführung und
Argumentation zum Schutze für die geringgeschätzte Religion' ganz
verdrängt Wenn wir die beiden hier vorgeführten Buchtitel ver¬
gleichen, muss uns der merkwürdige Gegensatz ins Auge springen,
den sie in der Bezeichnung des Judentbums bieten. Bei Abraham
Ibn Däud heisst es der „erhabene Glaube', bei Jehuda Hal¬
levi die „ geringgeschätzte Religion' , oder genauer „niedrige
Religion'. Die letztere Bezeichnung ist durcb den Inhalt und
die Tendenz des Jehuda Hallevi'schen Werkes genügend gerecht¬
fertigt. Dieses ist eine in kunstvoll dialogische Form gekleidete
Apologie und damit verbundene positive Darstellung des Glaubens¬
inhaltes der Religion Israels. Die dem Dialoge zum Hintergrunde
dienende Begebenheit, wie der Chazarenkönig, nachdem er andere
Bekenntnisse geprüft hatte, sich eudlich vom jüdischen Meister be¬
lehren lässt, ist in dem einleitenden Abschnitte des Buches eben¬
falls so dargestellt, dass man den Eindmck bekommt, wie missachtet
die jüdische Religion in den Augen der Bekenner des Islams und
des Christenthums, aber auch in den Augen des Vertreters der Philo¬
sophie ist. Im Dialoge selbst wird mehrfach auf die Missachtung
hingewiesen, welche dem Judenthume von seinen Gegnern zu Theil
wird (s. H. Hirschfeld, Das Buch Al-Chazari, Breslau 1885,
S. XXXV). Jehuda Hallevi gab daher seinem Buche, welches in
seinem Eingange als Zweck angiebt, dem Angriffe der Philosophen
und Bekenner anderer Religionen Beweisgründe und Widerlegungen
entgegenzusetzen , mit vollem Rechte den angegebenen Titel. —
Der Titel des Abraham Ibn Däud'schen Buches, wie wir ihn nun in
seiner vollen, gereimten Gestalt kennen, entspricht in seiner zweiten
Hälfte vollkommen dem Inhalte und der Tendenz des Werkes,
denn dieses setzt sich zum Ziele, die volle Uebereinstimmung
zwischeu dem Lehrinhalte des Judenthums und der „wahren Philo¬
sophie', das ist der Philosophie des Aristoteles in ihrer bei den
arabischen Philosophen (Alfäräbi, Ibn Sinä) gewonnenen Gestalt,
nachzuweisen. Abraham Ibn Däud , der erste consequente Aristo¬
teliker unter den jüdischen Philosophen des Mittelalters (s. ZDMG.
XLII, 628) betont im Laufe der Darstellung diese Ueberein¬
stimmung immer aufs Neue, und zwar thut er das mit den im
Bacher, Der arab. Titel d. relig.-phil. Werkes Abraham Ibn Daud's. 543'
zweiten Theile des Titels angewendeten Ausdrücken. Nur einige
der betreffenden Sätze seien hier citirt. Ara Ende des I. Ab¬
schnittes (p. 43): rrnuNn N^Dioib^cn oy nWaoi: i:min^ irnyia y-i^
in'sn^i nT2; II, 1 Ende (p. 48): ot nnrn ™:-Don -qd n:n
p C3 nT3 r^mzun n^tioib-tr^ ; II, 4, 1 (p. 58): minn niNit?:!
nr by n^73'3on N-'D-ioib-'Em ; S. 93 oben : oy aipsn d^dd-'i
r;T3 NiEiOib''En . Die Uebereinstimmung zwischen Beligion und
Philosophie ist gleichsam das Leitmotiv, welches durch das ganze
Buch sich hindurchzieht und mit vollem Rechte im Titel seinen
Platz bekam. Für die Bezeichnung der jüdischen Religion im
ersten Theile als hy^B-ibN rn^prbi* „der erhabene Glaube" war
jedenfalls auch der Reim bestimmend. Im Buche selbst kommt
der Ausdruck nicht wieder vor; die jüdische Rehgion wird in der
Eingangs erwähnteu Inhaltsangabe und ebenso in der Einleitung
(S. 2, Z. 14) als i-T^bsnic^n n;i):Nn, also arabisch k.i l . b r_J |
jkJjL-vjlj^^i bezeichnet (vgl. dazu Alchazari, ed. Hirsch feld,
S. 166, Z. 11: N_jJ^.^_J' B^X-r^-Ä-*-!')- '^^'^ israelitische
Glaube im Titel als „erhabener Glaube" erscheint, kann man geradezu
als beabsichtigten Gegensatz zu der Bezeichnung des Judenthums
im Titel des Jehuda Hallevi'schen Werkes als „niedrige Religion"
auffassen. Thatsächlich stehen die hier in Betracht gezogenen Werke
der beiden jüdischen Denker von Toledo in diametralem Gegensatze
zu einander. Während Jehuda Hallevi der Philosophie als Gegner
gegenübersteht, gar keine Gemeinschaft zwischen ihr und der
geoffenbarten Rehgion Israels anerkennt, ja selbst von einer Be¬
stätignng der Glaubenslehren dnrch die Ergebnisse der philo¬
sophischen Speculation nichts wissen will, ist Abraham Ibn Däud
von der Ueberzeugung durchdrungen, dass die heilige Schrift das¬
selbe lehre, wie die wahre Philosophie und die Uebereinstimmung
zwischen ihnen bildet, wie eben gezeigt wurde, den eigentlichen
Zweck seiner Darstellung. — Hat aber Abraham Ibn Däud den
Kusari Jehuda Hallevi's gekannt? Weil im Buch vom „erhabenen
Glauben" nur Saadja und Salomo Ibn Gabirol als Vorgänger ge¬
nannt, das zwei Jahrzehnte früher geschriebene Werk Jehuda Hal¬
levi's aber nicht erwähnt wird, pflegt man anzunehmen, dass dem
Verfasser das Buch seines älteren Zeitgenossen unbekannt war
(s. z. B. J. Guttmann, Die Religionsphilosophie des A.b.D., S. 13;
L. Knoller, Das Problem der Willensfreiheit, S. 54). Aber
D. Kaufmann hat in seiner Geschichte der Attributenlehre,
S 241—252, mit guten Gründen nachgewiesen, dass jeue Annahme
unhaltbar ist, dass Abr. Ibn Däud den Kusari gekannt hat und
dessen Inhalt auf den seines eigenen Werkes hat einwirken lassen
(s. auch H. Goitein, Der Optimismus und Pessimismus in der
jüd. Religionsph., S. 77). Nur weil er einen so hochverehrten Mann, 35*
544 Bacher, Der arab. Titel d. relig.-phil Werkes Abraham Ibii Daud's.
den er in seinem geschichtlichen Werke (S. Hakkabbala) als eine Zierde
des spanischen Judenthums erwähnt, nicht ausdrücklich bekämpfen
wollte, zog er es vor , ihn stillschweigend zu widerlegen, indem er
dem Werke Jehuda Hallevi's , einem Proteste gegen die zur Herr¬
schaft gelangte Verknüpfung der Zeitphilosophie mit der jüdischen
Lehre, sein eigenes entgegensetzte, in dem gerade die Ueberein¬
stimmung zwiscben dem jüdischen Glauben und der Philosophie
zur Darstellung gelangt. Und diesen stillschweigenden, aber ge¬
nügend deutlichen Gegensatz drückt nach meiner Annahme auch
der Titel seines Werkes aus, nicht nur der zweite Theil des¬
selben , sondern auch der erste , bisher allein zur Bezeichnung des
Buches angewendete; .erhabener Glaube' ist eben der jüdische Glaube insofem er mit der Philosophie im Einklänge ist, und als »erhabenen
Glauben' müssen ihn dämm — das will A. b. D. sagen — auch
diejenigen anerkennen, die gewohnt sind, ibn als .niedrige Religion', wie ihn das Stichwort des Kusari bezeichnet, geringzuschätzen.
Zum Schluss noch eine sprachliche Bemerkung. Dass dem
n in der hebräischen Uebersetzung des Titels wirklich äju Xi,
das Reimwort des arabischen Titels entspricht, zeigen z. B. die
Termini miboo nm und m"yi:© nm in der hebräischen Ueber¬
setzung unseres Werkes (S. 75, Z. 19 und 22), die im arabischen
Originale so gelautet haben müssen: iÜJLiic und «ji-i.
545
Anzeigen.
Wade, a (/rammoi- of tke Kashmiri language. London 1888.
159 S." 8»,
Während Ref. in den Jahren 1887—1889 Abhandlungen über die
uoch wenig gekannte kaschmirische Sprache in den Sitzungsberichten der k. bayer. Akademie der Wissenschaften veröffentlichte, erschien im
Jahre 1888 zu London die erste Grammatik dieser Sprache von Rev.
T. R. Wade. Je grösser die Schwierigkeiten waren, mit denen Ref. bei
dem fast gänzlichen Mangel an geeigneten Vorarbeiten bei der Be¬
handlung einer so verwickelten Sprache zu kämpfen hatte, um so
freudiger begrüsste er das Erscheinen einer von einem Missionär, der in Kaschmir selbst in dieser Eigenschaft wirkte, bearbeiteten kasch¬
mirischen Grammatik. Leider liegt diese nur in englischer Schrift
vor. Ersetzt nun eine ümschreibung in lateinischer Schrift auch
sonst nur mangelhaft die Originalschrift, und ist gerade die eng¬
lische Sprache wohl die am wenigsten geeignete, die Aussprache
eines fremden Idioms zu vermitteln, so rausste die ümschreibung
wenigstens um so gleichmässiger durchgeführt werden. Es herrscht
aber in Wade's Grammatik bezüglich seiner eigenen S. 6—10 dar¬
gelegten Umschreibung der Vocale und Consonanten , wie in der
Formenlehre, wo vor allem Gleichmässigkeit nöthig war, so noch
mehr in den zur Syntax beigebrachten Beispielen eine unglaubliche,
leicht beirrende Inconsequenz — das Gemeingut aller bisherigeu
Transscriptioneu kaschmirischer Wörter und Formen —; so um¬
schreibt er, um unter hunderten von Beispielen uur eines anzuführen,
mit mahaniu , mahiniu , mahniu , mahnuv. ') Referent glaubt
daher auf den ausführlichen Nachweis dieses überall nur zu deutlich
hervortretenden empfindlichen Mangels verzichten zu können und
will sich im Folgenden auf solche Angaben des Verfassers be¬
schränken, die theils ungenau, unvollständig oder unrichtig scheinen, theils Zweifel oder Missverständnisse zulassen.
1) Auch ein engerer Anschluss on die persische Originalschrift heziiglich langer und kurzer Vocale wäre zweckmüssig gewesen, und sollten auch lange Silben kurz gesprochen werden , so hätte dies ja in einer Klammer angedeutet werden können (vgl. jyr^ tsur S ^un S IC ^Ä*..-*» susti ij 2CI u.s.w.i.
3 9