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Kleine archäologische Erträge
einer Missionsreise nach Zangskar in Westtibet.
Von Missionar A. H. Francke.
Eine Missionsreise ist keine Gelegenheit , eingehende archäo¬
logische Studien zu treiben. Der Missionar dringt als Pionier in
wenig bekannte Gegenden; er sieht manches neue, was seinem
ürteil nach von allgemeinem Interesse sein könnte. Da hält er
es für seine Pflicht, Aufzeichnungen zu machen und diese Auf¬
zeichnungen einem spezieller interessierten Kreise zukommen zu
lassen. So ist auch der folgende kurze Bericht in der Hofi'nung
abgefaßt, daß sich durch ihn angeregt einmal berufsmäßige Archäo¬
logen bereit finden werden , anf Westtibet einige Mühe zu ver¬
wenden.
Am ersten Tage reiste ich von Khalatse nach dem kleinen Dorf
Pandschid. Der Weg führte über Lamayuru und Wanla; doch
hielt ich mich in keinem dieser Dörfer länger auf. Besonders das
letztere Dorf besitzt ganz herrliche Ruinen von Burgen aus ver¬
schiedenen Zeitaltern.
Am zweiten Tage führte unser Weg über den rOyalpo-'PaS>
nach dem Dorfe Hunupata. Im Dorfe erfuhren wir, daß das Über¬
steigen des schwierigen Passes erst notwendig geworden sei, seit
der Weg, welchen König Sengge mam rgyal am Pluß entlang ge¬
baut habe, eingefallen ist. König Sengge mam rgyal herrschte
ungefähr, nach meinen Berechnungen, um das Jahr 1640 A. D.
Als ich hörte, daß dieser König in einer Pelsennische in der Nähe
des von ihm gebauten Weges eine Inschrift mit roter Parbe habe
anbringen lassen , und daß die Inschrift noch vorhanden sei , be¬
auftragte ich sofort einen Mann, dieselbe für mich zu kopiereni).
Alle derartigen Inschriften sind ja vom größten historischen Interesse
für den Erforscher Westtibets; und zwar deshalb, weil wir außer
den spärlichen Nachrichten des Ladakher Königsbuches (rGyal rabs),
dessen beste Übersetzung von Dr. Karl Marx im JASB., 1891,
1) Über diese Insebrift, weicbe sicb als aus der Zeit Thse dbang rnam rgyal's berriibrend auswies, siebe den Anbang.
646 H. Francke, Kleine archäologigche Erträge in Westtibet.
1894, 1902, zu finden ist, nichts über die Vergangenheit West¬
tibets wissen. Auch bei diesem König ist im rOyal rabs die meiste
Tinte zur Aufzeichnung seiner religiösen Stiftungen verwandt worden.
Neben diesen kommen seine militärischen Leistungen nur ganz kurz
daran , und von solchen wirtschaftlichen Leistungen , wie wir in
diesem äußerst schwierigen Wegebau eine vor uns haben , hören
wir überhaupt nichts. In diesem alten, jetzt zum Teil eingefallenen
Wege haben wir ein sehr respektables Denkmal der Kultur des
alten, von Europa, selbst von Indien, noch ganz unberührten West¬
tibet vor uns, und es wäre schön, wenn Teile des alten Weges
photographiert werden könnten , bevor derselbe unter einem pro¬
jektierten Neubau verschwindet. Dem Dorfe Hunupata gegenüber
wird ein Platz gezeigt, auf welchera das Zelt Sengge mam rgyaVs
aufgeschlagen gewesen sein soll. Dieser Platz wird noch heute
Chos rgyal „religiöser König" genannt.
Es läßt sich mit dem Namen Hunupata vom tibetischen Stand¬
punkte aus durchaus nichts anfangen. Ich vermute, daß das Dorf,
ebenso wie Khalatse, dardisch gewesen ist, ehe es tibetisch wurde.
Als ich die Bewohner darüber befrage, wollen sie selbst um keinen
Preis von Darden abstammen ; denn der Darde wird als der Unter¬
worfene vom Tibeter verachtet ; doch berichten sie, daß in der seit
langem verwüsteten Oase Khong ud bei Hunupata ein Sitz der
'aBrogpa (Darden) sich befunden habe. Vermutlich war dies der
letzte Zufluchtsort der sich gegen das Tibetisieren sträubenden
Darden. Wie wir aus Hanu wissen , wurde den Darden auch der
Gebrauch ihrer Sprache verboten. Jetzt erinnern wir uns der in
den Fels geritzten Zeichnungen, denen wir kurz vor unserer An¬
kunft in Hunupata begegneten, und welche wir kopierten. Siehe
Tafel I, Nr. 1—4. Wir bringen diese Zeichnungen mit den
alten Darden von Hunupata in Verbindung, besonders weil die
Tracht der tanzenden Frau , Nr. 1, 2, ganz mit der Tracht der
noch existierenden Darden von Purig übereinstimmt. Sehr viele
Zeichnungen auf der Felswand stellen mit hoher Zipfelmütze ver¬
sehene Frauengestalten dar. Auch hierzulande sind es die Frauen¬
trachten, welche am längsten ausdauem. Von Männertrachten mit
großen Hüten, wie wir sie in Nr. 3, 4 dargestellt sehen, ist auch
in Purig nichts mehr ührig. Es kommt das daher, daß zur Zeit
der Ladakher Königsherrschaft für die verschiedenen Stände, Bauer,
Edelmann, Minister etc., gewisse Kopfbedeckungen befohlen wurden.
Außer den Trachtenbildern bemerken wir eine Felszeichnung, welche
ofi'enbar ein Gerüst von Stangen und Seilen auf einem Unterbau
darstellt, Nr. 7. Diese Zeichnung erinnert in besonderer Weise an
die aus Stöcken und Stricken gefertigten Dosmo , wie sie in ganz
Westtibet besonders zur Neujahrszeit üblich sind. Merkwürdig sind
uns auch die Zeichnung einer Schildkröte, da diese Tiere in West¬
tibet überhaupt nicht vorkommen, und der aus Spiralen zusammen¬
gesetzte Vogel.
A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet. 647
Von Hunupata ging es über den Schischil-Pa.ß nach Potogsa.
Dieses Dorf ist so hoch gelegen, daß die Gerste nicht immer reif
wird. Es gibt keinen einzigen Baum in demselben. Ich fand
die Bewobner beim Erntefest und zeichnete einige ihrer Tanz¬
melodien auf.
Am folgenden Tage stiegen wir über den Sengge-Fuß nach
dem Dorfe Yulchurig. Als wir auf dem Paß waren, fragte ich
meine Begleiter, ob der Paß seinen Namen etwa zu Ehren König
Sengge mam rgyaCs erhalten habe. Sie antworteten, daß der
Paß scbon vor jenem König denselben Namen gehabt habe, und
zwar deshalb, weil man von ihm aus die Sengge dkarmo yyu ral
can, die weiße Löwin mit den Türkisenlocken (Personifikation des
Gletschers) besonders gut sehen könne. Beim Hinaufsteigen be¬
merkte ich , daß einige der Mani-Mauern am Wege mit größeren
Steintafeln verseben waren, welche längere Inschriften enthielten.
Als ich mich ans Lesen machte , erkannte ich , daß die Inschrift,
welche ich vornahm , in Form eines Gedichts die Widmung der
Mauer und einen Königsnamen enthielt. Es wurde mir sofort klar,
daß derartige Widmungstafeln eine Hauptquelle für geschichtliche
Studien werden und für Ladakh einmal die Rolle der indischen
Kupferplatten übernehmen könnten. Ich setze das Gedicht mit
Übersetzung hierher:
Om sbasii.
dgongsla chos nyid namkhä yangspala
rtsebai thugs rje nyi zlai ''od ^aphrosnas
'agro kun gloyi munpa ysel mdzapai
rtsobai hlama bhirba rdorje stod
snyan grags 'adzam gling yongsla khyabpai rje
chos rgyal chenpo thse diang nam rgyal stod.
Kye legs
yulla yang chags bkris tung dkama
chos blon chempos zangdon 'agrub[pa] stod
dei chab srid zangpoi nga 'ogna
mi rigs khrungs tsun glo Idan shalii rgyud
yongi bdagpo bsodnam ral 'adog kyis
krincan pha mai drinlan khor phyir dang
ranqgi sdig 'agrib dag phyir dang
'agro drug tharlam gi-an phyirdu
sku rten rig sum 'agonho sung rten yig drug
stongracan zhengs; sagspa chos phyir dorha
ngo thsar che; bri rkos leg.spar 'agrub dang
sgyissi sa rdo phulbai snyen drung yul
mi mams thse ring nad med bkris shog.
Von den vielen orthographischen Ungewöhnlichkeiten seien nur
die folgenden verbessert: mdzapai soll wohl mdzadpai heißen;
648 -A- ^- Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet.
glo = bh; bkris, Abkürzting für bkrashis; khrungs tsun ist ein
Fehler, khungs btsun ist gemeint; krincan ist durch die harte
Lhasaer Aussprache der Lamas verui-sachter Pehler für drin can;
gran soll 'adren heißen; stongracan soll wohl stongrecan heißen;
sgyissi ist dialektisch für skyes.
Übersetzung : Om svasti!
Wenn man es recht bedenkt, ist die wahre Religion so, wie wenn
die am weiten Himmel
Spielenden gütigen [Gestirne], Sonne und Mond, ihr Licht ergießen.
Dem das geistige Dunkel aller Wesen erhellenden
Hohen Lama Bhirba rdorje sei Ehre!
Dem berühmten Herrscher, welcher tatsächlich ganz Jambudvipa
überschattet.
Dem großen Religionskönig Thse dbang [rjnam rgyal sei Ehre!
0 wohl denn!
Dem in dem [Kloster] bKrashis dung dkar, welches die große
Preude des Landes ist,
[Wohnenden] religiösen Berater [b^Zang don 'agrubpa sei Ehre!
Unter der Macht dieser guten Regierung
[Wohnt] der kluge Stamm der Schall von guter Herkunft.
Der Opfer darbringer bSod [r^nam ral 'adog hat
Als Liebesantwort auf die Liebe der Eltern,
Und um sich selbst von Sündenschatten zu reinigen.
Sowie um einen Weg der Befreiung für die sechs Arten von Ge¬
schöpfen zu bereiten,
die drei Arten von Chaityas und dem Herrn geweihte , mit je
tausend die sechs Silben enthaltenden [Steinen belegte] , Mani-
Mauern errichtet. Eine erstaunliche Ausgabe wurde gemacht,
um religiöses [Verdienst] zu sammeln; auch die Schrift und das
Meißeln ist wohl geraten.
Das Dorf der Preunde brachte Erde und Steine umsonst als Geschenk.
Mögen alle Menschen ein langes Leben ohne Krankheit [genießen]
und glücklich sein !
Der historische Wert dieser Inschrift wird durch den Umstand
etwas geschmälert, daß es zwei Könige namens l'hse dbang mam
rgyal gegeben hat; der erste regierte nach meiner dem Indian
Antiquaiy übergebenen westtibetischen Zeittafel ungefähr von 1580
bis 1600 n. Chr., und der zweite von 1760—1790 n. Chr. Es ist
dies glücklicherweise der einzige Fall in Westtibet, daß zwei Könige
denselben Namen tragen. Auf alle Fälle ist es dem Geschichte¬
forscher aber von Wiehtigkeit, aus der Steintafel zu ersehen, daß
die Autorität des Königs von Leh hier in Potogsa und Yulchung
anerkannt wurde. Da auch über die höheren Geistlichen Tabellen
A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtihet. 649
vorhanden sind, wird es wohl einmal möglich werden, den in dieser
Inschrift genannten König genau zu bestimmen Von Interesse
ist' auch der Name des Stammes der Schalt, welcher sowohl in
Potogsa als auch in Zangskar noch heute zu finden ist ; der Name
hat einen ganz und gar untibetischen Klang nnd scheint ein Denk¬
mal der vortibetischen Bevölkerung zu sein. bKrashis dung dkar
ist noch heute der Name des Klosters von Potogsa.
Von Yulchung kamen wir nach zwei- bis dreistündigem
Marsch nach Nyerag. In diesem Dorfe wurden mir drei größere
Trümmerstätten gezeigt, welche 'aBrogpai mkhar, Burgen der
Darden, genannt wurden. Außerdem bekam ich mehrere 'aBrogpai
Mani zu sehen. Dies waren die letzten Überreste von Beihen von
je i08 Chaityas. Ich fragte, wo denn die Darden hingekommen
sind, und es wurde mir die folgende Simsonsgeschichte erzählt:
Als die Darden (offenbar bei der Belagerung ihrer Burgen
durch die erobernden Tibeter) nichts mehr zu essen und zu trinken
hatten, versammelten sie sich alle in einer Stube, und beschlossen,
miteinander zu sterben. Deshalb stieß der älteste Mann den unter
dem Mittelpfeiler befindlichen Stein fort und das fallende Dach
erschlug sie alle. Dies wird Sandzom genannt.
Es galt nun, die unbewohnte Strecke zwischen Yulchung
und Zangskar, welche eigentlich drei Tagemärsche beträgt, zu
durchreisen, und es gelang uns, trotz der zwei sehr hohen Pässe
in zwei Tagen das Zangskar-Tal zu erreichen.
Das erste ZangsJcar-Dort, in welchem wir übernachteten, war
Zangla, und hier machte ich eine Entdeckung, die, wenn sie auch
philologischer Natur war, doch vielleicht einige Leser interessieren
wird. In meinen in dieser Zeitschrift erschienenen „Kleinen Bei¬
trägen zur Grammatik und Phonetik des Tibetischen* sagte ich
das folgende : Die Veränderungen der Tennis, welche in den arischen
Sprachen durch die Aspiration hervorgebracht werden, werden im
Tibetischen durch Präfixe erreicht. Ich zeigte, daß sp oder rp
zum f werden , sb oder rb zu w; sk oder rk zu A , sg oder rg
zu gh. In bezug auf die Dentale mußte ich aber sagen, daß ich
Fälle von st oder rt = & noch nicht gefunden hätte. In dem
Hause, in welchem ich in Zangla übernachtete, hörte ich plötzlich
den schönsten englischen th-hmt an mein Ohr tönen. Ich ver¬
mutete zunächst, daß meine 'Wirtsleute mit der Zunge anstießen,
doch ergab sich bei genauerer Untersuchung, daß sämtliche Dorf¬
bewohner so sprachen, und auch die Sprache der Dörfer Isadar und
Stong rdze, welche wir am folgenden Tage zu passieren hatten, die
gleiche war. Die Aussprache von st und rt ist die des englischen
th in thumb; von sd und rd die des englischen th in that.
Bei dem Dorfe Zangla fanden wir einen Felsblock, der auf
der dem Wege zugekehrten Seite über und über mit Figuren von
1) Siebe Anhang.
4 6
650 Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet.
pyramidenförmigen mCkod rten überdeckt war. Diese Art des
Felszeichnens unterscheidet sich von der am Indus üblichen Weise.
Am Indus schlägt der Zeichner die obere dunklere Steinkruste durch
und läßt die Zeichnung hell auf dunklem Grunde erscheinen. Er
wählt für seine Zeichnungen immer mit Eisenoxyd überzogene Fels¬
blöcke aus. Auf diesem Block in Zangla aber waren tiefe Rinnen
gegraben und dieselben mit roter Farbe ausgemalt.
Ich fragte in Zangla nach Burgen der Darden ; doch wurde
mir der Bescheid, daß es in ganz Zangskar keine Burgen der Darden
gäbe, daß sich aber in Tsadar eine zerfallene Burg der Mon befände.
Ich hatte zu lernen, daß dieselbe Rolle, welche die 'aBrogpa in
Ladakh spielen, in Zangskar von den Mon gespielt wird. So wurden
mir ajßerhalb des Dorfes Stong rdze die mChod rten der Mon
gezeigt. Die größeren, welche noch einigermaßen erhalten sind,
scheinen dieselbe Gestalt gehabt zu haben, wie die auf jenem Fels¬
block rot abgebildeten. Außerdem ließen sich Spuren von Reihen
von wahrscheinlich 108 kleinen mChod rten deutlich erkennen.
Als ich mich in der Hauptstadt sPadum, welche wir von Zangla
aus in einem Tage erreichten, nach weiteren Burgen der Mon er¬
kundigte, wurden mir die folgenden zwei mit Sicherheit angegeben :
Dra khar und Darkhungtse, letzteres bei Sanid gelegen. Von
dem Ruinendorf Ghor ghor bei sPadum wurde gesagt, daß es wahr¬
scheinlich eine Niederlassung der Mon gewesen sei. Vom aller¬
größten Interesse für mich war es aber, zu hören, daß nicht nm¬
in alter Zeit die Mon von den erobernden Tibetern vernichtet
worden sind, sondern daß vor noch nicht hundert Jahren die Mon
gekommen seien und das Land zurückerobert hätten. Es ergab
sich bei genauerer Nachfrage, daß die Dogras sowohl wie die
Kashmirer von den Zangskar-Leuten Mon genannt werden. Aus
dieser Tatsache scheint sich mir mit ziemlicher Sicherheit zu er¬
geben, daß auch die alten Mon von Zangskar und Ladakh arischen
Stammes und wahrscheinlich Kashmirer gewesen sind. Daß mit
dieser Entdeckung die Monfrage für ganz Tibet gelöst wäre, will
ich nicht behaupten. Es wird nötig sein, die Mon-Bevölkerung auch
anderer Teile Tibets besonders zu studieren ; aber es soll mich nicht
wundern, wenn diese Mon-Studien zu ähnlichen Resultaten führen.
Am nächsten Morgen sah ich mir die Ruinen von sPadum
genauer an. Ich stieg zuerst auf den niedrigen Hügel oberhalb
der Stadt, auf welchem sich die von den Dogras zerstörte Burg
der tibetischen Könige befunden hat. Das alte Eingangstor, welches
von einem mChod rten gekrönt ist, steht noch; im übrigen ist von
dem alten Schloße nur ein kaum entwirrbarer Trümmerhaufen zu
sehen. Beim Blick auf diese ganz besonders gründliche Zerstörung
war ich zuerst geneigt, an die Zerstörungskraft moderner Artillerie
zu denken. Doch wurde die Zerstörung des Schlosses von den
Eingeborenen in anderer Weise erklärt. Sie sagten, daß es für
den Bau der Dografestung unterhalb der Stadt an Holz für die
4 6
A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet. 651
Türen und Dächer gefehlt habe, was bei der Holzarmut des Landes
sehr erklärlich ist; und daß man die Balken und Türen des Königs¬
schlosses in jener Festung verwendet habe. Auch die alte Waffen-
sammlung des tibetischen Königs soll in jene neue Festung gewandert
sein. Beim Herumsteigen zwischen den Trümmern beschäftigte
mich die Frage, ob sich wohl zwischen und unterhalb den Trümmern
Reste des vortibetischen Mon-Schlosses befinden möchten. Doch ließ
sich darüber vor der Hand nichts feststellen, wenn auch mehrere der
vorhandenen Steinmörser auf jahrhundertelangen Gebrauch schließen
ließen. Keine der von mir gefundenen Topfscherben zeigte Spuren
der in sehr alter Zeit üblichen dunkelroten Bemalung.
Ich war erstaunt, mitten in dem Stein wirrsal plötzlich auf
einen rein gehaltenen , gepflasterten , freien Platz zu stoßen , von welchem eine für hiesige Verhältnisse gut gebaute und breite Stein¬
treppe nach einem modernen Kloster hinaufführte. Ich erkannte
sofort , daß ich mich auf dem alten Schloßhofe befand , und daß
derselbe sorgf<ig sauber gehalten wird , weil man die alten tibe¬
tischen Festtänze nicht an einen anderen Ort verlegen will. In
der Mitte des alten Schloßhofes beflndet sich eine hohe Stange,
welche für die Kreise der Tänzer den Mittelpunkt angibt. Dieser
alte Schloßhof mit der Freitreppe war der geeignetste Platz, der
Geschichte der Zangskarer Vasallenkönige nachzugehen, und ich will
die vfenigen mir über sie bekannt gewordenen Notizen hier mitteilen.
Als der Nachkomme Langdarma's, Skyid Ide nyima mgon,
der Eroberer Westtibets, etwa im Jahre 1000 n. Chr. sein Reich
unter seine drei Söhne teilte , erhielt der jüngste derselben , Lde
gtsug mgon, Zangskar und einige andere Landstriche. Von dieser
Zeit an bis zum Dograkrieg fehlen jegliche Nachrichten über Zangskar,
und wir müssen annehmen, da sich die Eroberungen der Ladakher
Könige oft über Zangskar hinweg ausdehnten, daß sich die Zangskar-
Könige , als dem jüngsten Bruder entstammend , für Vasallen der
Leh-Könige gehalten haben. Sie haben nie daran denken können,
gegen die Leh-Könige aufzustehen, besonders seit neben ihnen noch
ein anderer kleiner Herrscher das Gebiet von Zangla sein eigen
nannte^). Es ist sehr wahrscheinlich, daß in Zangskar ebenso wie
in Leh ein Königsbuch geführt worden ist. Dasselbe ist wohl aber
bei dem Untergang der Königsfamilie im Dograkrieg 1834—1842
n. Chr. verloren gegangen. Der letzte Sproß dieses Königshauses,
Rinchen Dongi-ub rNam rgyal, spielte in diesem Kriege eine wenig
rühmliche Rolle, nach den Volksüberlieferungen sowohl wie nach
den historischen Dokumenten. Seine Art der Kriegführung war
etwa die folgende : Als das starke Heer der Dogras nahte , ging
der König mit Geschenken dem feindlichen Heerführer entgegen,
fiel vor ihm auf die Kniee und gelobte ihm Treue; kaum waren
die Dogras, eine kleine Besatzung zurücklassend, wieder abgezogen.
1) Siehe Anhang.
652 H. Franche, Kleine archäologische Erträge in Westtibet.
als der Zangskar-König diese Besatzung überfiel und abschlachtete.
Natürlich war bald ein neues Heer der Dogras im Anzüge , und
auch diesem ging der König mit Geschenken entgegen, schob die
Schuld des Mordens auf andere, und erreichte damit, daß das Heer
abzog, wieder eine kleine Besatzung zurücklassend. Als auch diese
von dem törichten König abgeschlachtet wurde, war die Geduld
der Dogras zu Ende. Rinchen Dongrub rNam rgyal wurde in
Ketten nach Jammu geschleppt, und niemand weiß, was dort aus
ihm geworden ist.
Ob es je gelingen wird , die geschichtliche Leere zwischen
1000 n. Chr. und 1834 n. Chr. in befriedigender Weise auszufüllen,
weiß ich nicht. Es gelang mir auf den königlichen Mani-Mauern
die folgenden Dokumente in Stein, welche ihrer Ausdrucksweise
und Beschafl'enheit nach zwischen 1600 und 1800 n. Chr. entstanden sein müssen, aufzufinden:
rgyalpo karutog dang rinchen rgyalpo dang norbu dpal
lde nga dbang dpa) lde dang nomo Thse dbang rolma rgyalpo
sku phyed sngai yumla dgesi iegsla ngom thsar che onpo glo
kroskyis rgyesi mangdu jas.
Es ist neben anderem besonders anmerkhch, daß das Wort
skyes, Geschenk, in dieser Inschrift zweimal in sehr voneinander
abweichender Schreibweise auftritt: dgesi und rgyesi.
Übersetzung :
Als König Karutog und König Rinchen und Norbu dpal
lde, Nga dbang dpal lde, sowie Prinzessin Thse dbang rolma
und der Halbkönig, diese fünf, [ihrer] Mutter eine Gabe [offenbar
eine Manimauer zum besten ihrer Wiedergeburt] darbrachten,
hat der staunenerregende und kluge Astrologe [auch] viele Ge¬
schenke [Arbeit umsonst?] gemacht.
Dem Europäer föllt auf, daß als Summe der genannten sechs
Personen die Zahl fünf genannt wird. Die Prinzessin als weibliches unverheiratetes Wesen wird einfach nicht mitgezählt.
Die folgende Inschrift ist in Versen verfaßt:
Om rde legssu gyur cig.
Mi dbang rgyalpo mthse dbang spal 'abargyis
u rmog thozhing chab srid nyerbai dus
bzhin zangs yid bor thugs sam dgela [dgar]
sbyin bdag ama joco 'od 'adzomgyis
sraspo rgyalpo thse dbang spal lde dang
thse dbang mam rgyal sku shegs ynyiskyi [phyir]
zhing mchog potalaru khrungspar shog.
(Die in Klammern gegebenen Worte waren zerstört, und ich
setzte die dem Sinne nach wahrscheinlichsten Worte ein.) Auch diese Inschrift läßt in orthographischer Hinsicht viel zu wünschen übrig.
A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtihet. 653
tjbersetzung : Ora, es gehe euch wohl!
Zur Zeit, als der Männergebieter, König mThse dbang spal 'ahar
Mit hohem Helm auf dem Haupt die Regierung führte.
Wünschte er, Edelsinn im Gedächtnis zu behalten und die Gedanken
auf die Tugend zu richten.
Die opferdarbringende Amme, die edle Od dzom
[Wünscht], da die beiden Prinzen, der [junge] König Thse dbang
dpal lde
Und Th.se dbang mam rgyal dahingeschieden sind.
Daß sie im Paradies Potala mögen wiedergeboren werden!
Das Wort, welches ich mit ,Amme" übersetzt habe, wird für
gewöhnlich mit „Mutter" übersetzt. Es kann sich aber hier nicbt
um die Mutter der Prinzen handeln, denn die Od dzom wird nicht
als vGyalmo, Königin, sondern nur als Joj'o, edle Frau, bezeichnet.
Von der folgenden Inschrift konnte aus Mangel an Zeit nnr
ein Teil abgeschrieben werden:
kye legs yul dbyangs chags rgyalsa
dpädum 'adir rgyalpo ynam rgyal dang
rgyalpo thsering pal lde dbur
rmog thogs dus
Übersetzung :
0, wohl denn ! Hier in der Hauptstadt dPädum des freude¬
reichen (wörtlich: freudehervorbringenden) Landes, zur Zeit, als
den Königen gNam rgyal und Thse ring pal lde der Helm
hoch stand, ....
Die folgende Inschrift haben wir zwar vollständig kopiert, doch
bieten ihre letzten Zeilen große Unklarheiten. Ich beschränke mich
darum zunächst darauf, nur ihren ersten Teil mitzuteilen. Ihre
Orthographie läßt ganz besonders viel zu wünschen übrig. Sie ist
aber deshalb von einigem Interesse , weil wir aus ihr den vollen
Namen des jetzt zerstörten Königsschlosses erfahren.
rje spyangyi[s'] 'agrola zigs; spyan ras zigsla phyag 'athsallo.
rgya byin pholad sku khar spadum 'adir; skyong bdag
bo hrashis dpcJXabar rgyal ....
yongyi bdagmo joco phetseyi\sl ama abi meme
dondu mane zhi brgya sdiengs yongyi bdagpo jo chos
pal de, yongyi bdag nomo cho, yai dang agu
'adi dieod, mane sum rgya zhengs, amai skurim
la mane rgya rtsa zhengs
Zeitachrift der D. M. G. Bd. I^X. 42
4 G *
654 -4- H. Franche, Kleine archäologische Erträge in Westtihet.
Übersetzung :
0 Erhabener, blicke auf die Wesen ! Vor Avalokitesvara verbeuge ich mich.
Als hier auf [dem Schloß] rGya byin pholad sku
khar in sPadum, der Schutzherr Krashis, dPalla bar rgyal
Errichtete die Opferdarbringerin , die edle Phetse, zum besten
der Mutter, der Großmutter und des Großvaters 400 Manes
(Mauern?). Der Opferer, der edle Chospalde, die Opferdar¬
bringerin, die junge Frau Cho, haben 300 Manes errichtet für
den Vater und den Gatten; als Opfer für die Mutter haben sie
108 Manes errichtet
Nachdem ich lange genug im Geiste bei jenen vergessenen
Schloßinsassen geweilt hatte, stellte ich mir den Schloßhof mit
seiner trostlosen Umgebung am Erntefest dieses Jahres vor. Da
sah ich die Mädcben von sPadum mit ihren kleidsamen Tam 'o
shanier-Mützen im Scheine des hochlodernden Feuers beim lang¬
samen Tanz um die Fahnenstange kreisen, und genau wie vor fast
100 Jahren, das Lied von König Rinchen Dongrub rNam rgyal
und seinem hohen Helm singen. Jä, dieser König, der einen so
schmählichen Untergang erlebte, hat Aussicht, im Lied in großer
Macht und Herrlichkeit für alle Zeiten lebendig zu bleiben. Wie
ich in der Vorrede zu meinen Ladakhi Songs zeigte, wurde in den
tibetischen Nationalhymnen beim Regierungsantritte eines neuen
Königs der neue Name statt des alten eingesetzt, so wie die Eng¬
länder in ihrer Nationalhymne kürzlich das Wort queen in king
umzuändern hatten. Auf Rinchen Dongrub rNam rgyal ist kein
weiterer König gefolgt, und deshalb hält das Lied an ihm fest.
Leider kann ich den Wortlaut dieses Liedes nicht mitteilen, denn
des Mannes , der es am besten singen soll , konnte ich während
meines kurzen Aufenthaltes nicht habhaft werden.
Als ich vom Schlosse herabgestiegen war und die moderne
Stadt durchschritten hatte, führte mich mein nach dem Ruinendorf
Cihor ghor gerichteter Weg zunächst an dem königlichen Begräbnis¬
platz vorbei. So möchte ich die Reihe großer Stüpas nennen, die
im Andenken an die dahingeschiedenen Könige errichtet wurden
und wohl auch deren Asche enthalten. Auf dem Wege vom Be¬
gräbnisplatz zum Ruinendorf hatte ich zu meiner rechten den Fluß
und zu meiner linken einen aus Steinen gebauten Festungswall.
Es wurde mir klar , daß ich mich innerhalb eines ausgedehnten
alten Festungswerkes befand. Diese alte Burg hatte zu beiden
Enden befestigte Wohnstätten , uämlich die Königsburg und das
Dorf Ghor ghor. Der zwischen beiden liegende Streifen war durcb
den Wall und den Fluß geschützt.
Ich hatte inzwischen das Ruinendorf erreicht und sah mich
in demselben um. Auch hier ist die Zerstörung eine gründliche
'i G «
H. Francke, Kleine archäologische Erträge in WesttU>eL 655
crewesen, doch wird sie nicht den Dogras auf die Rechnung ge¬
schrieben. Niemand weiß, wann das Dorf zerstört worden ist. Ich
fand hier zwei Skulpturen von hohem Alter, welche ich geneigt
bin, der alten Mon-Bevölkerung zugute zu halten. Die eine, welche
vor einem sehr gebrauchten Steinmörser aufgestellt ist, stellt einen
Maitreya vor. Er ist etwas über einen Meter hoch, stehend ab¬
gebildet. Der untere Teil der Skulptur ist nicht zu sehen, weil in
die Erde gesunken. Die Ausführung ist sehr roh. Ich zeichnete die
Skulptur ab und gebe die Zeichnung auf Tafel I, Nr. 8. Die zweite
Skulptur stellt verschiedene Formen von Stüpas in Relief dar.
Indem ich mich weiter umsah, entdeckte ich plötzlich mehrere
Schritte unterhalb des Ruinendorfes auf einem hausgroßen Felsblock
am Abhang nach dem Flusse zu sehr bedeutende und ausgezeichnet
ausgeführte Skulpturen von fünf Buddhas in etwa 20 cm tiefem
Relief. Ich erkannte sofort, daß ich mich hier jenseits des Lamaismus
befand. Diese imponierenden Skulpturen sind wahrscheinlich im
zweiten oder dritten Jahrhundert n. Chr. entstanden, als der Buddhis¬
mus von Kashmir noch missionierende Kraft hatte und über die
Grenzen des Kashmirtales hinaus nach Osten drangt). Ich sprang
sofort den Abhang hinunter und machte Notizen über das, was
ich sah. Ich schrieb das folgende auf:
Die mit Skulpturen bedeckte Fläche des Felsblockes bildet
etwa ein Quadrat von ungeföhr 5 m Seitenlänge. An beiden Enden
der oberen Quadratseite sind viereckige Vertiefungen in den Fels
gehauen, welche offenbar zur Aufnahme von Balken dienten. Es
scheint demnach vor dem Felsblock ein Tempel, dessen Hinterwand
die Sktilpturen bildeten, errichtet gewesen zu sein. Der Hauptteil
der Skulpturen wird von fünf sitzenden Buddhas gebildet. Der
mittlere ist Maitreya, er ist wie die anderen überlebensgroß und
trägt auf dem Kopf dieselbe dreizackige Mütze, welche schon bei
dem stehenden Maitreya im Dorfe zu bemerken war. Die Hände
sind über dem Leib aufeinander zu gerichtet, so daß sich die Finger¬
spitzen berühren würden, wenn nicht die linke Hand etwas unter¬
halb der rechten gehalten würde. Maitreya sitzt auf dem Lötusthron,
wie alle übrigen Buddhas, und unter seinem Thron sind zwei Löwen
zu sehen. Der links von Maitreya sitzende Buddha hat wie alle
übrigen keine Kopfbedeckung und zeigt, wie sie, den charakteristischen
Kopflinorren. Er hält seine Hände über dem Leib aufeinander
zugerichtet, so daß die Fingerspitzen sich berühren. Unterhalb
seines Lotussitzes sind zwei Pfauen gemeißelt. Der Buddha, welcher
links von diesem sitzt, hält seine recbte Hand lehrend in die Höhe,
während die linke über dem Leib ausgestreckt ist. Unter seinem
Lotusthron sind zwei geflügelte Wesen, offenbar Garudas, erkennbar.
Die beiden Buddhas, welche zur rechten Maitreyas sitzen, sind sich
sehr ahnlich. Sie halten beide ihre linke Hand über den Leib,
1) Siebe Anhang.
«•
656 Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet.
während die herabhängende Rechte die Erde berührt. Was sich
unter ihren Lotusthronen befinden mag, kann ich nicht angeben,
weil dieser Teil der Skulpturen von Erde verschüttet ist. Unter¬
halb der bis jetzt beschriebenen Piguren befindet sich eine Reihe
von vielen Pyramiden-Stüpas und kleinen stehenden Männern, welche
sämtlich dreizipflige Kopfbedeckungen tragen..
Diese fünf großartigen Buddhabilder werden vom Volke rGyalba rigs Inga genannt , und als die Buddhas der fünf nächstliegenden
Kalpas bezeichnet, nämlich des jetzigen, des zukünftigen, und der
drei vorhergehenden Kalpas. Doch bin ich nicht imstande, außer
Maitreya, die übrigen auf der Skulptur genauer zu bestimmen.
Außer diesem Hauptbilde befinden sich noch eine ganze Anzahl
geringerer Nebenbilder auf demselben Steinblock, die sämtlich in
sehr flachem Relief ausgeführt sind und gelegentlich rote Parb-
spuren zeigen. So ließ sich links von den fünf sitzenden Buddhas
noch ein sehr großer stehender Maitreya erkennen. Auf der dem
l^luß zugekehrten Seite befand sich wenigstens noch je ein sitzender und ein stehender Buddha, vielleicht aber mehr, und zahllose Reliefs
von Stüpas. Eine Inschrift konnte ich aber nirgends entdecken.
Am Abhang etwas weiter flußaufwärts entdeckte ich sodann
das alte Kloster von Ohor ghor. Es lag dort ein ähnlicher Fels¬
block wie der die eben beschriebenen Bilder tragende, und auch
auf ihm waren Skulpturen, wenn auch in leichtem Relief angebracht,
es schienen dieselben fünf Buddhas zu sein , die auf dem vorigen
Block angebracht sind; doch waren sie hier alle stehend. In noch
späterer Zeit scheint man unter diesen Figuren in ümrißlinien auch
die Attribute der vorigen Buddhas, Löwen, Pfauen etc. hinzugefügt
zu haben. Auch zur Seite dieser Piguren ließen sich viereckige
Nischen ira Pelsen bemerken, welche einst zur Aufnahme von Balken
gedient haben müssen. Unterhalb dieses Felsblockes sind noch
etwa fünf durcb Mauerwerk voneinander getrennte Zellen zu er¬
blicken. Dieselben sind aber fast bis zur Decke voll Erde geschüttet,
und es würde viel Graben nötig sein, um sie freizulegen. Daß
das Kloster wohl aus mehr als fünf Zellen bestanden hat, ergibt
sich aus dem Vorhandensein der Balkennischen. Die Decken der
Zellen waren mit einer dicken Bußschicht überzogen.
Es wurde uns von den Eingeborenen gesagt, daß die heutigen
lamaistischen Mönche des Klosters Gärgya , deren zwei ich tat¬
sächlich in vollständig gelben Kleidern sah, von dem Vorhandensein
noch anderer Steinbilder in Zangskar berichten könnten. Wir sahen
nur noch zwei, die auf bedeutendes Alter schließen ließen ; nämlich
bei der Seilbrücke über den Fluß einen Felsen, welcher mit vielen
Stüpas und Chaityas in Relief überdeckt war und einen etwa
'/^ m hohen Stein auf einer Mani-Mauer bei Tibiting, auf welehem
ein sitzender Buddha mit Anjali-Handhaltung dargestellt war. Da¬
neben gibt es natürlich noch viele Pelsinschriften des modernen
Lamaismus.
A. H. Francice, Kleine archäologische Erträge in Westtibet. 657
Auf dem Bückwege von Zangskar hatten wir zuerst noch ein¬
mal die Seilbrücke von sPadum und nachher die lange Seilbrücke
von Tsadar zu überschreiten. Man muß eigentlich Seemann sein,
um da ohne Schwindelan fall hinüberzukommen, besonders wenn die
Brücke vom Winde hin- und hergeweht wird. Ehe wir Zangskar
verlassen , möchte ich noch die Mani-Mauern von Zangskar den
Archäologen empfehlen. Neben einer großen Mannigfaltigkeit der
Inschriften zeichnen sicb dieselben durch ihren bildnerischen Schmuck
in Linienzeichnungen auf Stein aus. Es wäre ein leichtes, hier
eine Sammlung von Illustrationen fast des ganzen lamaistischen
Pantheons zu raachen.
In ganz Westtibet triflFt man häufig rohe spitze Steine, welche
nach Art des indischen Lingam aufgestellt sind. Doch ist es mir
noch nicht gelungen, näheres über deren Bedeutung zu erfahren.
Zwischen den Dörfern Pi'scho und Pidmo trafen wir auf einen
solchen Stein in wasserloser Einöde, dessen oberer Teil Spuren von
aufgestrichener Butter zeigte. Das erinnerte mich allerdings stark
an den indiscben Lingadienst.
Von Pidmo an galt es wieder durch menschenleere Einöde
über viele hohe Pässe nach Unterladakh zu reisen. Wir bewältigten
diese weglose Strecke in zwei Tagen und kamen im Dorfe Lingshed
(Ling myed) an. Schon unterwegs deutete sich Unterladakh durch
zwei alte Dardenniederlassungen an, die nun wieder die Stelle der
Monniederlassungen einnahmen. Diese waren die Oase Zhingcan
und die Ruine sNyetse. Auch über Lingshed hing eine Ruine,
welche „Dardenburg" genannt wird. Ich sah mir in Lingshed die
Ruine des Ladakher Königsschlosses, welches ungefähr im Jahre
1600 n. Chr. von den Baltis zerstört wurde, an. Hier hat etwa
im Jahre 1550 n. Chr. der von seinem Bruder geblendete König
Lha dbang rnam rgyal residiert ; doch scheint derselbe vollständig
in Vergessenheit geraten zu sein. Ich fand hier auf einer Mani-
Mauer eine Inschrift ans der Zeit König Sengge mam rgyal's,
welche icb nicht bis zu Ende lesen konnte, da ich von der herein¬
brechenden Dunkelheit überrascht wurde. Als der Dorfschulze von
meinem Funde hörte, holte er sofort die Inschrift in sein Haus,
wo sie wohl noch immer ist. Dies ist der erste Teil der Inschrift:
Om mani padme hum ;
chos sku snangba mthayasla phyag thsallo
lung sku thugs rje chanla phyag thsallo
aprul sku padma byungnasla pnyag 'athsallo
de las rims bzhin brgyudpai rgyalpo ni
chos rgyal chenpo ysenge rnam rgyal stod
sgrolmai mam sprul rgyalmo skal bzang stod
chos sion gaka phel phel dang
ynyerpa ynag bhiru ynytsla stod
658 -^^ H. Francice, Kleine archäologische Erträge in Westtibet.
Übersetzung :
Om mani padme hum !
Ich verneige mich vor dem Bilde Amitäbhas.
Ich verneige mich vor dem Bilde der Heiligen.
Ich verneige mich vor der Inkarnation Padraasambhava's.
Damach dem erbfolgeberechtigten König
Dem großen religiösen König gSengge mam rgyal sei Ehre !
Der Inkarnation der Tärä, der Königin Skal bzang, sei Ehre !
Dem religiösen Minister, dem Edelmann Phel phel, und
Dem Haushofmeister gNag bhiru, beiden sei Ehre !
Auch in Lingshed werden von den Prauen die Tam 'o shanter
Mützen getragen. Außerdem habe ich sie in Ladakh nur in Waka
bei Mulbe gesehen. Bei dem Dialekt von Lingshed war auffällig,
daß statt des Wortes zer, sagen, hier zag gesagt wird. Es ist das
für mich der erste Pall im Tibetischen , in dem ein g in ein r
übergegangen ist; denn zag ist höchstwahrscheinlich eine ältere
Form als zer.
Bald hinter Lingshed erreichten wir den alten Weg, ,auf dem
wir gekommen waren und kamen auf demselben am Abend des
dritten Tages in Khalatse an.
Verzeichnis der Illustrationen.
Drei Photographien der Altertümer bei sPadum.
Tafel I, Nr. 1—7, Pelszeichnungen von Hunupata ■, Nr. 8, Skizze
des rohen Maitreya im Ruinendorfe Ghor ghor.
Tafel II, Nr. 9—14, 17, Pelszeichnungen vom Lingshed-Paß
in der Nähe der alten Dardenburg; Nr. 15, Felszeichnung von der
Dardenniederlassung sNyetse; Nr. 16, Stüpa im Relief vom Pelsen
mit alten Buddhaskulpturen unterhalb Ghor ghor; Nr. 18, 20, 21,
Felszeichnungen von Hunupata; Nr. 19, Felszeichnung von Pandschid.
Anhang.
Seit ich den vorstehenden Aufsatz schrieb, ist es mir gelungen,
noch einige weitere kleine , historisch wichtige Funde zu machen,
und erlaube mir deshalb, noch einige Sätze hinzuzufügen.
p. 645. Die Inschrift in roter Parbe bei Hunupata. Dieselbe
ist mir nunmehi* in zweifacher Abschrift übergeben worden. Sie
berichtet von einem Brückenbau unter König Thse dbang mam
rgyal. Den besseren Text bringe ich in meiner , Ersten Sammlung
westtibetischer historischer Inschriften* unter No. 77. Es war mir
eine Zeitlang recht zweifelhaft, ob der in dieser Inschrift genannte
König Thse diang mam rgyal der erste oder zweite dieses Namens
A. H. Franclce, Kleine arcMologische Erträge in Westtibet. 659 Tafel I.
i i I
6
r
=y y
f
PJiuloijrapliie der iirolieii Btidilli(ts (j. B. Jiiildell, it F. A., phul.)
Alle Klosterzelle in sPadum, Zangshtr.
(J. B. RiddeU, B. F. A., iM.)
A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge in Westtibet. ßQl
sei; bis es mir mit Hülfe des hier genannten Ministers Bum bha
lde (= Bum lde) gelang, festzustellen, daß die Inschrift aus der
Zeit Thse dLang mam rgyaTs I, c. 1580, stammt. Die Inschrift
nennt die Namen aller Geber, welche zur Zeit des Brückenbaues
freiwillige Gaben, meist in Nahrungsmitteln bestehend, für die
Arbeiter lieferten. Thse dbang mam rgyal war der Onkel Sengge
mam rgyaC%; und wenn auch der erstere die Brücke gebaut hat,
ist es nicht unmöglich, daß der Weg im großen ganzen von Sengge
rnam rgyal angelegt wurde, so wie die mündliche Überlieferung sagt.
p. 649. Es ist nunmehr auch möglich geworden zu bestimmen,
daß der auf dieser Tafel genannte König Thse dbang mam rgyal
ohne Zweifel der zweite dieses Namens, c. 1760— 17S0 n. Chr. sein
muß ; und zwar weil der dort genannte Lama Bhirba rdorje (auch
Bkilba rdorje genannt), unter diesem König blühte.
p. 651. Ein eingehenderes Studium des rOyal rabs hat mich
inzwischen gelehrt, daß wir vielleicht eine kleine Andeutung über
die Geschicke Zangskar's zwischen 1600 und 1700 n. Chr. darin
haben. Zur Zeit der Regierung bDe Idan mam rgyal's, c. 1640
bis 1680, wird nämlich gesagt, -daß dessen jüngster Bruder als
Vizekönig in Zangskar eingesetzt wurde. Das läßt darauf schließen,
daß etwa um jene Zeit die alte Linie der Zangskarer Vasallenkönige
zu Ende gekommen sein mag, und nun eine neue Dynastie, aus der
Linie der Könige von Leh stammend, einsetzte. Ich wäre dann
geneigt, die zitierten Inschriften in der folgenden Weise zu datieren :
Die Zeit zwischen dem Aussterben der alten und der Ankunft der
neuen Dynastie wird möglicherweise durch die Inschrift auf p. 653,
unten , vertreten , da in dieser Inschrift kein König , sondern nur
ein Schutzherr als auf dem Schloß residierend genannt wird. Nach
1680 sind wohl die beiden Inschriften auf p. 653, oben, anzusetzen,
da in ihnen der Königsname rNam rgyal vorkommt, welcher der
besondere Familienname der Könige von Leh ist. Da sich das
Wort mam rgyal in den Königsnamen der zwei Inschriften auf
p. 652 nicht findet, bin ich geneigt, diese Inschriften vor 1640
zu setzen.
p. 655. Der große Einfluß, welchen ausgewanderte Inder auf
die Kultur Westtibets ausgeübt haben, läßt sich nunmehr aus
dem Vorhandensein altindischer Inschriften in Maurya Brähmi und
Kharostl klar beweisen. Diese Inschriften sind namentlich bei Kha¬
latse h&ufig gefunden worden. Sie werden besprochen von Dr.
J. Ph. Vogel in seinem Annual Progress Report des Archaeological Survey, 1905, 1906.
662
Due brevi nuove iscrizioni sabaiche.
Comunicate dal Dr. Engenio Grifflnl.
I seguenti testi sabaici sono ricavati da una serie di calchi
da me avuti direttamente dall' interne dello Jemen nel Febbrajo
di quest' anno 1906. Non mi fu dato di sapere dove si trovassero
in origine le iscrizioni, ora giacenti presso privati. Nei riguardi dell' iscr. 1 solo so che i calchi sono stati presi su dne lati contigui di un piedestallo in pietra, sopra il quale alcuni buchi fanno ritenere
si trovasse infissa una statuetta votiva. L'ignoranza dell' esatto
punto geografieo di ritrovamento originale 6 poi specialmente da
lamentare per I'iscr. 2. Non quindi solo prudenza ma 6 onesta
e dovere trattenerci da un esame dei testi ehe ecceda dai semplici confini linguistici. — Le dimensioni dei calchi (parte scritta) sono
le seguenti: Iscr. 1, u: cm. 17 X cm. 13; (3: cm. 10,5 X cm. 13;
caratteri del cosidetto periodo medio o dei Re di Saba; I'altezza
delle lettere, di esecuzione alquanto semplice e trascurata, varia da
cm. 2,5 a cm. 2,7. Iscr. 2: cm. 21 X cm. 42; caratteri del cosi¬
detto periodo antico o dei re-sacerdoti di Saba; le lettere sono
scolpite con rara accuratezza ed eleganza e sono alte invariabil- mente cm. 10.
Testi:
Iscr. 1.
(Iato (}) (Iato a)
<Dv'i?i«>x i»><i>hi?«)XHin>iÄ
o|<i>V?0®1 M?"!* VIIl^>THMh
AHIoV^X® nOUIVIhlfollrS
JlXHoHIToH m4'lhJl'lAlh?ni1o
Iscr. 2.
?)S<i>YinnH'i?Hin)
THYIVi I X*AII I
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