6 Elektromagnetische Schwingungen und Wellen
(Fortsetzung)
Nachtrag zu den Liénard-Wiechert-Potenzialen
Nomenklatur:
r: Vektor von der Ladung zum Beobachter
n: Einheitsvektor von der Ladung zum Beobachter e: Elementarladung
b : Geschwindigkeit der Ladung / c
0
ret
0
ret
( ) 1
4 1
( ) 4 1
t e
r t n
A t e c
r t n
b
b
b
Retardiert (Subskript "ret") bedeutet, dass für das Potenzial zum Zeitpunkt t Ort und Geschwindigkeit der Ladungen zu früheren Zeitpunkten berücksichtigt werden müssen. Je weiter die Ladung entfernt ist, desto weiter liegt der relevante Zeitpunkt in der Vergangenheit. Man kann sich eine Kugelschale mit Dicke dr vorstellen, die mit c zum Beobachtungspunkt kollabiert und alle Beiträge zum Potenzial zur Zeit t enthält. Der zusätzliche Faktor im Nenner erhöht den Beitrag des Potenzials für Ladungen, die sich auf den Beobachter zu bewegen. Eine solche Ladung würde sich "länger" in der Kugelschale aufhalten und damit stärker beitragen.
Emil Wiechert (1861-1928) Alfred-Marie Liénard
(1869-1958)
( ), ( ) t A t
dr r
b
2
Anwendungsbeispiel: Berechnung von Eigenschaften der Synchrotronstrahlung
Ladungen, die einer Kreisbeschleunigung unterworfen sind, emittieren Synchrotronstrahlung. Ihre Eigenschaften können in sehr guter Näherung im Rahmen der Elektrodynamik berechnet werden.
Von Interesse ist in der Regel nicht der zeitliche Verlauf des elektromagnetischen Felds, sondern das Spektrum, d.h. E- bzw. B-Feld und abgestrahlte Energie als Funktion der Frequenz w .
1. Schritt: Berechnung des elektrischen Felds
Hierzu
was nicht prinzipiell schwierig, aber etwas mühsam ist. Ergebnis:
Der erste Term (Coulomb-Term) beschreibt das elektrische Feld gemäß des Coulombschen Gesetzes mit der relativistischer Abflachung in Bewegungsrichtung. Dieser Term nimmt mit 1/ r
2ab.
Der zweite Term (Strahlungsterm) ist nur ungleich null, wenn eine Beschleunigung (d b /dt) vorliegt.
Er nimmt mit 1/r ab.
Analoge Ausdrücke existieren auch für das B-Feld, werden aber im Folgenden nicht benötigt.
E A
t
1
01
4
1 1
A dt A ec
t dt t n t r n
b
b b
2
3 3
0 2
ret
1
( ) 4 1 1
n n
e n E t
r n cr n
b b
b b
b b
2. Schritt: Übergang vom "Zeitbereich" (Abhängigkeit von t) zum Frequenzbereich (Abhängigkeit von t), um spektrale Eigenschaften zu berechnen. Hierbei ist nur der Strahlungsterm von Interesse.
Fourier-Transformation (s. Vorlesung von T. Weis):
Die obere Gleichung beschreibt eine unendliche "Summe" (Integral) von Sinusfunktionen (in exponentieller Schreibweise), die mit einer Amplitude E( w ) aufaddiert den zeitlichen Verlauf des elektrischen Felds ergeben. Die zweite Zeile ist der inverse Ausdruck, d.h. aus dem Integral über den zeitlichen Verlauf multipliziert mit exp(i w t) ergibt sich die spektrale Verteilung des E-Felds.
Auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens wurde t und dt durch Ausdrücke ersetzt, in denen die retardierte Zeit t' steht, weil diese in der Gleichung für E(t) vorkommt. Strahlungsterm eingesetzt:
Nach einer endlichen Zahl von Manipulationen ergibt sich:
Hier wurde im Vorfaktor r durch einen konstanten Abstand r
persetzt, der groß im Vergleich zur relevanten Bahn der Ladung ist (z.B. Bahn in einem Dipolmagneten und Beobachter weit davon entfernt).
Die Beschleunigung kommt nicht mehr explizit vor, aber wenn sich der Geschwindigkeitsvektor nicht
/
( ) 1 ( )
2
1 1
( ) ( ) ( ) 1
2 2
i t
i t r c i t
E t E e d
E E t e dt E t e n dt
w
w w
w w
w b
2
/
0
( ) 1
4 2 1
i t r c
n n
E e e dt
c r n
b b
ww b
/
0
1 1
( ) 4 2
i t r c p
E i e n n e dt
c r
w
ww b
4
Auch hier gibt es einen analogen Ausdruck für das Magnetfeld. Es gilt jeweils
Für die Berechnung der abgestrahlten Energie pro Raumwinkel und Frequenzintervall d w genügt eines der beiden Felder, z.B. das oben angegebene E-Feld (vgl. Ausdrücke für den Poynting-Vektor):
ret
( )
ret( )
( ) n E t ( ) n E
B t B
c c
w w
22 2 2
2 /
2
0 ret 3
0
( ) 32
i t r c p
d W e
cr E n n e dt
d d c
w
ww w b
w
3. Schritt: Einsetzen einer Teilchenbahn, z.B.
Dipolmagnet
Undulator
... und analytisch weiterrechnen (führt zu relativ aufwändigen Ausdrücken) oder numerische Simulation.
0
0
sin 0
0 1 0
cos 1
t
n t
b w
b b
b w
sin 2 93, 4 m T
x u u u
u
K c
t K B
b w w
für kleine Winkel
Vereinfachte Betrachtung Dipolmagnet:
Breites Spektrum, da kein periodischer Vorgang.
"Typische" Frequenzbreite ergibt sich aus dem sog. Zeit-Bandbreiten-Produkt
d.h. je länger ein Strahlungspuls ist, desto besser ist seine Frequenz bestimmt (z.B. durch Abzählen der Wellen im Puls).
Die Dauer des Strahlungspulses Dt lässt sich aus der Annahme abschätzen, dass der
relativistisch in Flugrichtung verzerrte Strahlungskegel einen halben Öffnungswinkel von 1/ besitzt.
Daraus ergibt sich mit obiger Skizze die Zeit, während der ein Strahlungskegel den Beobachtungspunkt überstreicht. Die Rechnung soll hier nicht durgeführt werden. Als typische Frequenzbreite ergibt sich
Trotz der Einfachheit des Modells wird die Abhängigkeit des Spektrums vom Lorentzfaktor und Bahnradius r richtig beschrieben.
Die spektrale Form, für die es keinen geschlossenen Ausdruck gibt (Integral über eine modifizierte Bessel-Funktion), ist stets dieselbe.
typ
t 2
w
D D
3 typ
2 3
2 c t
w
D r
D
Vereinfachte Betrachtung Undulator:
Schmales Spektrum, da periodischer Vorgang, bestehend aus einer Grundfrequenz w
0und ggf.
"Harmonischen" mit ganzzahligen Vielfachen
von w
0. Die Grundfrequenz bzw. die fundamentale Wellenlänge erhält man u.a. aus folgender Betrachtung:
Damit sich Strahlung aus aufeinanderfolgenden Perioden addiert, muss die Strahlung gleichphasig sein.
Dies ist der Fall, wenn ein Elektron gegenüber der Strahlung pro Undulatorperiode um eine ganze Wellenlänge zurückbleibt. Das Elektron bleibt aus zwei Gründen zurück:
(i) weil es langsamer ist als c, wobei die Geschwindigkeit vom Lorentzfaktor abhängt;
(ii) weil es einen Umweg fliegt, der vom Magnetfeld, also vom Undulatorparameter K, abhängt.
Daher ergibt die Rechnung (die hier nicht durchgeführt wird) zwei Terme:
(Zur Erinnerung: )
Außerdem ist die Strahlung bei Beobachtung unter einem Winkel q zur Strahlachse rotverschoben (größere Wellenlänge). Die Breite der Undulatorlinie nimmt mit zunehmender Zahl N von Perioden ab:
6
0
2 c /
0 w
u= Undulatorperiode
(Abstand zweier gleichnamiger Pole) g = Lücke zwischen den Magneten
2
0 2
1
2 2
U
K
0
1 N
D
93, 4
um T
K B
Numerische Rechnung
für Undulatoren, bei der für eine sinusförmige Bahn die Anteile des Ausdrucks
in kleinen Zeitschritten aufaddiert werden. Die Rechnung wird für viele Werte von w wiederholt, um ein Spektrum zu erhalten und/oder für viele Beobachtungspunkte, um eine Winkelverteilung zu erhalten. Die Rechnungen ergeben
- fundamentale Wellenlänge und Breite der Linie wie in den Formeln auf der letzten Seite, - Auftreten von Harmonischen für größere Werte des Undulatorparameters (K > 1),
- Rotverschiebung des Spektrums für Beobachtungswinkel ≠ 0.
Beispiele:
22
( )
i t r c/d W n n e dt
d d
w b
ww
Das Foto von Undulatorstrahlung im sichtbaren Bereich zeigt Rotverschiebung und Harmonische
E = 1,5 GeV ( ≈ 3000) K = 1,5 N = 20
E = 1,5 GeV ( ≈ 3000) K = 5,0 N = 20
E = 1,5 GeV
( ≈ 3000)
K = 5,0
N = 20
8 Geführte elektromagnetische Wellen
Experiment: Lecher-Leitung
Dezimeterwellensender (f = 434 MHz, = 69 cm),
doppelte Leitung mit offenem oder geschlossenem Ende, Glühlampe mit geschlossener Schleife zeigt Stromverteilung, Glühlampe mit offenen Enden zeigt Spannungsverteilung.
Offene Lecherleitung: am Ende Spannung maximal, Strom minimal.
Geschlossene Leitung: am Ende Spannung minimal, Strom maximal.
In beiden Fällen haben sich stehende Wellen ausgebildet.
Abschluss der Lecherleitung mit 75 Ohm: keine stehenden Wellen.
Strom/Spannungsknoten befinden sich im Abstand von /2.
Das Produkt aus Frequenz und Wellenlänge ist ungefähr gleich der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c.
Erinnerung an Koaxialkabel Impedanz eines verlustfreien Kabels (L' = Induktivität /Länge
C' = Kapazität / Länge)
und ebenso bei der Lecher-Leitung
Ernst Lecher (1856 – 1926)
Z L
C
2 2
2 2