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Sewage Sludge Disposal: Intercommunal Cooperation from a Legal Point of View

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Academic year: 2021

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Rechtlicher Rahmen

Sewage Sludge Disposal:

Intercommunal Cooperation from a Legal Point of View

Gregor Franßen

After the regulations for the agricultural utilisation of sewage sludge were considerably changed by the amendment of the Fertiliser Act and the DüMV, only a short time later the entire sewage sludge management was also put on a new footing by the amendment of the AbfKlärV from 2017. Central are the requirements for the recovery of phosphorus from sewage sludge and the related obligations for sewage sludge management. The fulfilment of the phosphorus recovery obligation will also require a large number of new plants. Possible plants are plants for the storage of sewage sludge in which sewage sludge is stored before phosphorus recovery or before its thermal treatment, plants for the recovery of phosphorus from waste water or sewage sludge in the sewage treatment plant, plants for the co-incineration and thermal pre-treatment of sewage sludge, plants for the recovery of phosphorus from ashes and other residues from the co-incineration and thermal pre-treatment of sewage sludge, as well as plants for the storage of such ashes and residues before phosphorus recovery. In many respects, the various operators in the field of sewage sludge disposal and phosphorus recovery will have to reposition themselves in the future. In particular, there is a considerable need for sewage sludge incineration capacity on the part of sewage plant operators. In this respect, many sewage treatment plant operators and operators of sewage sludge incine- ration plants will have to place new orders, combine or merge. Since many of the parties involved are public contractors in the sense of public procurement law due to their public background, questions of public procurement law also arise if contracts for the incineration of sewage sludge or the recovery of phosphorus from incineration ashes are not awarded by means of a public invitation to tender, but if operators of sewage treatment plants and operators of sewage sludge incineration plants wish to cooperate with each other without having to invite tenders. The article presents the procurement law fundamentals for the two variants under consideration: in-house procurement and intermunicipal or interpublic cooperation.

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Rechtlicher Rahmen

Klärschlammentsorgung:

Interkommunale Zusammenarbeit aus rechtlicher Sicht

Gregor Franßen 1. Abfallrechtlicher Ausgangspunkt:

Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor ...38

2. Vergaberechtlicher Ausgangspunkt: Beschaffungsbedarf (kommunaler) Kläranlagenbetreiber ...39

3. Mögliche ausschreibungsfreie Beschaffung: Inhouse-Beauftragung...41

3.1. Kontrollkriterium ...42

3.2. Tätigkeitskriterium ...44

3.3. Beteiligungskriterium ...44

4. Mögliche ausschreibungsfreie Beschaffung: Interöffentliche Kooperation ...45

4.1. Öffentliche Auftraggeber ...46

4.2. Erbringung öffentlicher Dienstleistungen ...46

4.3. Zusammenarbeit – Anteile ...48

4.4. Weitere Voraussetzungen ...51

Nachdem die Regelungen für die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen durch die Novellierung des DüngeG 1 und der DüMV 2 erheblich geändert worden sind, ist nur kurze Zeit später auch die gesamte Klärschlammbewirtschaftung durch die Novelle der AbfKlärV 3 von 2017 auf neue Füße gestellt worden. Zentral sind die Vorgaben zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen und die darauf be- zogenen Pflichten bei der Klärschlammbewirtschaftung. Die Erfüllung der Phosphor- rückgewinnungspflicht wird auch eine Vielzahl neuer Anlagen erforderlich machen.

1 Düngegesetz vom 9. Januar 2009 (BGBl. I S. 54, 136), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1068) geändert worden ist.

2 Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzen- hilfsmitteln (Düngemittelverordnung – DüMV) vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2482), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) geändert worden ist.

3 Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost (Klär- schlammverordnung – AbfKlärV) vom 27. September 2017 (BGBl. I S. 3465), die zuletzt durch Artikel 6 der Verordnung vom 27. September 2017 (BGBl. I S. 3465) geändert worden ist.

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Rechtlicher Rahmen

Denkbar sind Anlagen zur Lagerung von Klärschlämmen, in denen Klärschlämme vor einer Phosphorrückgewinnung oder vor ihrer thermischen Behandlung gelagert werden, Anlagen zur Rückgewinnung von Phosphor aus dem Abwasser oder dem Klärschlamm in der Kläranlage, Anlagen zur Mit-/Verbrennung und thermischen Vorbehandlung von Klärschlämmen, Anlagen zur Rückgewinnung von Phosphor aus den Aschen und sonstigen Rückständen aus der Mit-/Verbrennung und thermischen Vorbehandlung von Klärschlämmen, sowie Anlagen zur Lagerung von solchen Aschen und Rückständen vor einer Phosphorrückgewinnung. In vielerlei Hinsicht werden sich die verschiedenen im Bereich der Klärschlammentsorgung und der Phosphorrückge- winnung Tätigen künftig neu aufstellen müssen. Insbesondere besteht auf Seiten der Kläranlagenbetreiber ein erheblicher Bedarf an Klärschlammverbrennungskapazitäten.

Insoweit werden sich viele Kläranlagenbetreiber und Betreiber von Klärschlammver- brennungsanlagen neu beauftragen, verbinden oder zusammenschließen müssen. Da viele der Beteiligten aufgrund ihres öffentlichen Hintergrundes öffentliche Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts sind, stellen sich insoweit auch vergaberechtliche Fragen, wenn Aufträge über die Verbrennung von Klärschlämmen oder die Phosphorrückge- winnung aus Verbrennungsaschen nicht im Wege einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden, sondern Kläranlagenbetreiber und Betreiber von Klärschlammver- brennungsanlagen ausschreibungsfrei miteinander kooperieren wollen. Der Beitrag stellt die vergaberechtlichen Grundlagen für die beiden in Betracht kommenden Varianten dar: die Inhouse-Vergabe und die interkommunale bzw. interöffentliche Zusammenarbeit.

1. Abfallrechtlicher Ausgangspunkt:

Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AbfKlärV hat der Klärschlammerzeuger den in seiner Ab- wasserbehandlungsanlage anfallenden Klärschlamm möglichst hochwertig zu ver- werten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Damit knüpft der Verordnungsgeber an die abfallrechtliche Verwertungspflicht gemäß § 7 Abs. 2 bis Abs. 4 KrWG 4 und die gesetzliche Abfallhierarchie gemäß § 6 Abs. 1 KrWG an, wonach insbesondere das Recycling im Sinne des § 2 Abs. 25 KrWG vorrangig gegen- über der sonstigen Verwertung, insbesondere der energetischen Verwertung, ist und diese wiederum vorrangig gegenüber der Beseitigung im Sinne des § 2 Abs. 26 KrWG.

Zudem knüpft der Verordnungsgeber an das abfallrechtliche Hochwertigkeitsgebot der Verwertung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 i.V.m. § 7 Abs. 4 KrWG an. Nach dieser Vorschrift ist bei der Ausgestaltung der nach § 8 Abs. Satz 1 oder Satz 2 KrWG durchzuführenden Verwertungsmaßnahme eine den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistende, hochwertige Verwertung anzustreben, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist.

4 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 9 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist

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Rechtlicher Rahmen

Im Kern geht es dem Verordnungsgeber um eine Nutzung der wertgebenden Bestand- teile bzw. Inhaltsstoffe des Klärschlamms. Dem abfallhierarchischen Recyclingvorrang nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 KrWG kann nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers bei Klärschlämmen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen prinzipiell durch unterschiedliche Verfahren zur Nutzung der wertgebenden Inhaltsstoffe Rechnung getragen werden. Zu Recht stellt der Verordnungsgeber in diesem Zusammenhang fest, dass eine bloße Beseitigung (z.B. in einer Müllverbrennungsanlage oder einer mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage) ohne Nutzung der wertgebenden Bestandteile des Klärschlamms nicht den Hierarchievorgaben des Kreislaufwirtschafts- gesetzes entspricht. Dem Recyclingvorrang des KrWG kann bei Klärschlämmen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen prinzipiell durch unterschiedliche Ver- fahren zur Nutzung der wertgebenden Inhaltsstoffe Rechnung getragen werden 5, das entspricht dem technikoffenen Ansatz des Verordnungsgebers 6.

Diese allgemeinen auf die Verwertung von Klärschlamm bezogenen Überlegungen hat der Verordnungsgeber für den wertgebenden Inhaltsstoff Phosphor konkretisiert.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AbfKlärV ist eine Rückgewinnung von Phosphor und eine Rückführung des gewonnenen Phosphors oder der phosphorhaltigen Klärschlamm- verbrennungsasche in den Wirtschaftskreislauf anzustreben. Damit hat der Verord- nungsgeber klargestellt, dass dem gesetzlichen Recyclingvorrang des Abfallrechts durch Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors und den dabei einzuhal- tenden Anforderungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 KrWG zum Schutz von Mensch und Umwelt tendenziell in besonderer Weise Rechnung zu tragen ist. Hierbei ist der Einsatz von Verfahren zur Fällung von Phosphor aus dem Abwasserstrom oder aus dem Klärschlamm als gleichrangig zur Extraktion des Phosphors aus der Asche nach einer thermischen Vorbehandlung von Klärschlamm in Klärschlammverbren- nungsanlagen sowie in Klärschlammmitverbrennungsanlagen anzusehen. 5

Es ist demnach denkbar und zulässig, dass Klärschlammerzeuger ihrer Verwertungs- pflicht und insbesondere ihrer Phosphor-Rückgewinnungspflicht dadurch nachkom- men, dass sie entweder den Phosphor bereits aus dem Abwasser zurückgewinnen, den Phosphor aus dem Klärschlamm zurückgewinnen oder den Phosphor aus den Aschen von thermisch vorbehandelten Klärschlämmen zurückgewinnen.

2. Vergaberechtlicher Ausgangspunkt:

Beschaffungsbedarf (kommunaler) Kläranlagenbetreiber

Kläranlagenbetreiber, insbesondere kommunale Kläranlagenbetreiber, die als solche der AbfKlärV unterliegen, verfügen häufig nicht über die technischen Einrichtungen und Anlagen, die für eine Phosphor-Rückgewinnung erforderlich sind. Sie sind daher häufig auf die Nutzung von Anlagen und Kapazitäten Dritter angewiesen.

5 Bundesrat, Drucksache 255/17 vom 29.03.2017, Seite 152.

6 Bundesrat, Drucksache 255/17 vom 29.03.2017, Seite 93.

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Rechtlicher Rahmen

Das betrifft insbesondere die Nutzung von Klärschlammverbrennungsanlagen und Klärschlammmitverbrennungsanlagen.

Abwasserbeseitigungspflichtige Kommunen selbst sind als Gebietskörperschaften öffentliche Auftraggeber im vergaberechtlichen Sinne gemäß § 99 Nr. 1 GWB 7. Abwasserbeseitigungspflichtige (Ab-)Wasserzweckverbände und -anstalten, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten gebildet sind, sind gemäß § 99 Nr. 2 GWB ebenso öffentliche Auftraggeber wie mit Leistungen der Abwasserbeseitigung (Kläranlage) beauftragte zivilrechtlich organisierte Gesellschaften, wenn die jeweilige juristische Person im Einzelfall von einer oder mehreren Kommunen überwiegend finanziert wird (z.B. durch Beteiligung) oder ihre Leitung deren Aufsicht untersteht oder mehr als die Hälfte der Mitglieder ihrer Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane von Kommunen bestellt werden.

Wenn sich diese öffentlichen Auftraggeber nun Leistungen der Verbrennung von Klärschlamm (und der Entsorgung der dabei anfallenden Rückstände einschließ- lich der Rückgewinnung von Phosphor) beschaffen wollen – sei es als originärer Aufgabenträger, sei es als mit der Abwasserbeseitigung (Kläranlage) vertraglich Beauftragter –, handelt es sich bei dieser Leistungsbeschaffung in aller Regel um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag gemäß § 103 Abs. 1 und Abs. 4 GWB. An- gesichts des vergleichsweise niedrigen Schwellenwertes für Dienstleistungsaufträge gemäß § § 106 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU in Höhe von derzeit 221.000 EUR, wird es sich bei derartigen Aufträgen in der Regel um Oberschwellenwert-Aufträge handeln, auf die gemäß § 106 Abs. 1 GWB das Kartellvergaberecht der §§ 97 ff. GWB i.V.m. der VgV Anwendung findet und die deswegen – grundsätzlich – europaweit auszuschreiben sind.

Um sich den Aufwand einer Ausschreibung zu ersparen und ggf. im Verhandlungsweg individuellere und ggf. auch operativ, strategisch und/oder wirtschaftlich vorteilhaftere Lösungen zu finden, suchen die öffentlichen Auftraggeber mit Bedarf an Klärschlamm- verbrennungsleistungen zum Teil Wege, um sich die benötigten Leistungen ohne Ausschreibung zu beschaffen. Zwei Varianten bieten sich insoweit vor allem an: eine Inhouse-Beauftragung und eine interöffentliche Kooperation. Die vergaberechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für beide Varianten finden sich in § 108 GWB.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ggf. nicht nur ein einzelner Kläranlagenbe- treiber als öffentlicher Auftraggeber einen Auftragnehmer sucht, sondern auch eine Mehrheit von Kläranlagenbetreibern einen Auftrag über die Klärschlammverbrennung an den Betreiber einer Klärschlammverbrennungsanlage erteilen möchte. Umgekehrt sind auch Betreiber von Klärschlammverbrennungsanlagen ggf. auf der Suche nach einer Mehrzahl an Kläranlagenbetreibern, die die Verbrennungskapazitäten mit ihren einzelnen Klärschlammmengen gemeinsam auslasten. Daher ist insbesondere auf Seite der öffentlichen Auftraggeber daran zu denken, dass ggf. auch mehrere Klär- anlagenbetreiber gemeinsam und koordiniert öffentliche Aufträge an den Betreiber einer Klärschlammverbrennungsanlage als Auftragnehmer erteilen.

7 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151) geändert worden ist

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Rechtlicher Rahmen

3. Mögliche ausschreibungsfreie Beschaffung: Inhouse-Beauftragung

Zunächst wird eine Inhouse-Vergabe näher betrachtet. Gemäß § 108 Abs. 1 GWB ist eine Vergabe von öffentlichen Aufträgen an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts (Auftragnehmer) zulässig, wenn

1. der öffentliche Auftraggeber über den Auftragnehmer eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt (sog. Kontrollkriterium),

2. mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten des Auftragnehmers der Ausführung von Auf- gaben dienen, mit denen er vom öffentlichen Auftraggeber betraut wurde (sog.

Tätigkeitskriterium), und

3. am Auftragnehmer (grundsätzlich) keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht (sog. Beteiligungskriterium).

Die in § 108 Abs. 1 GWB beschriebene Konstellation wird als Inhouse-Vergabe be- zeichnet, weil bei ihr der Auftrag innerhalb des eigenen Einfluss- und Kontrollbereichs des öffentlichen Auftraggebers selbst (inhouse) an einen kontrollierten Auftragnehmer vergeben wird. Häufig ist ein solches Inhouse-Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Verhältnis zwischen einer Kommune als Gesellschafterin und einer zivilrechtlich organisierten Gesellschaft (v.a. GmbH) anzutreffen (und häufig auch ganz gezielt hergestellt worden). Soweit die kontrollierte Gesellschaft als Auftragnehmer die vom Gesellschafter als Auftraggeber benötigten Leistungen selbst erbringen kann, kann die Kommune auf die in ihrem eigenen Einfluss- und Kontrollbereich befind- liche Eigengesellschaft zugreifen. Anders sieht es hingegen aus, wenn die Kommune oder auch die Eigengesellschaft als Auftraggeber auf Auftragnehmer im Einfluss- und Kontrollbereich Dritter (etwa anderer Kommunen oder anderer Wasserverbände) zugreifen möchte. Denn dann ist insbesondere das Kontrollkriterium aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers zunächst offensichtlich nicht erfüllt, weil er über den – im fremden Einfluss- und Kontrollbereich stehenden – Auftragnehmer nicht die nach

§ 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB erforderliche Kontrolle besitzt.

Eine Lösung kann darin bestehen, dass sich der öffentliche Auftraggeber, der sich die Leistungen der Klärschlamm(mit)verbrennung beschaffen will, an dem Auftragneh- mer beteiligt, insbesondere Gesellschafter wird. Dies kann geschehen, indem sich der Auftraggeber an einer bereits bestehenden Gesellschaft beteiligt oder eigens für den Zweck der Inhouse-Beauftragung eine neue Gesellschaft gegründet wird und diese Gesellschaft dann vom öffentlichen Auftraggeber mit den Leistungen der Klärschlamm- verbrennung beauftragt wird. Im Verhältnis zwischen öffentlichem Auftraggeber und beauftragter Gesellschaft ist dann die Erfüllung der in § 108 Abs. 1 GWB genannten Inhouse-Voraussetzungen zu prüfen.

§ 108 Abs. 1 GWB betrifft dabei das 1:1-Verhältnis: ein Auftragnehmer wird von einem öffentlichen Auftraggeber kontrolliert und beauftragt. Das wird durch § 108 Abs. 4 GWB erweitert auf die Konstellation, dass mehrere öffentliche Auftraggeber (z.B.

mehrere Kläranlagenbetreiber) einen Auftragnehmer (z.B. einen Klärschlamm- verbrennungsanlagen-Betreiber) kontrollieren. Nach dieser Vorschrift liegt auch ein

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Rechtlicher Rahmen

vergaberechtsfreier Inhouse-Auftrag vor, wenn der öffentliche Auftraggeber (alleine) über den Auftragnehmer zwar keine Kontrolle im Sinne des § 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB ausübt, aber

1. der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über den Auftragnehmer eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen (Kontrollkriterium),

2. mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten des Auftragnehmers der Ausführung von Auf- gaben dienen, mit denen er von den öffentlichen Auftraggebern betraut wurde (Tätigkeitskriterium), und

3. am Auftragnehmer keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht (Beteiligungs- kriterium).

3.1. Kontrollkriterium

Die Ausübung einer Kontrolle im Sinne von § 108 Abs. 1 Nr. 1 GWB (1:1-Konstellation) wird gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 GWB vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Ent- scheidungen des Auftragnehmers (beauftragte Gesellschaft) ausübt. Eine gemeinsame Kontrolle im Sinne von § 108 Abs. 4 Nr. 1 GWB (Mehrheit von beteiligten öffentlichen Auftraggebern) besteht, wenn

1. sich die beschlussfassenden Organe des Auftragnehmers aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen (wobei ein einzelner Ver- treter mehrere oder alle teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber vertreten kann), 2. die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf

die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen des Auftragnehmers ausüben können und

3.  der Auftragnehmer keine Interessen verfolgt, die den Interessen der öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen.

Das Kontrollkriterium setzt zunächst voraus, dass die öffentlichen Auftraggeber (hier:

Kläranlagenbetreiber) am Gesellschaftskapital des Auftragnehmers beteiligt sind. Diese Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle ist zwar nicht ausdrücklich in § 108 Abs. 1 GWB normiert – und auch nicht in der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 3 Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU –, sie steht aber nach der EuGH-Rechtsprechung, auf die diese Regelungen zurückgehen, fest 8. Der Gesellschaftsanteil des sich beteiligenden Auftraggebers muss bei einer Mehrheit von Gesellschaftern keine bestimmte Mindesthöhe haben, ggf. können auch sehr ge- ringe Anteile (z.B. 0,94 %) genügen 9. Es darf bei einer Mehrzahl von Gesellschaftern

8 EuGH, Urt. v. 29.11.2012 – C-182 u. 183/11 - Econord, NZBau 2013, 55 Rn. 33; ebenso: Ganske, in: Reidt/

Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 59, 67; Portz, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, § 108 GWB Rn. 182; Wiedemann, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 86.

9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.01.2013 – VII-Verg 56/12, NZBau 2013, 327 f., m. w. Nachw.

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Rechtlicher Rahmen

allerdings keinen Mehrheitsgesellschafter geben, dessen Gesellschaftsanteil so hoch ist, dass der/die anderen Gesellschafter keinen Einfluss auf die zu beauftragende Gesellschaft ausüben können 10. Andernfalls müssen entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag einen ausreichenden Einfluss des/der Minderheitsgesellschafter sicherstellen.

Gemäß § 108 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 GWB müssen alle öffentlichen Auftraggeber in den beschlussfassenden Organen des Auftragnehmers vertreten sein.

Darüber hinaus müssen gemäß § 108 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 GWB alle be- teiligten öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen des Auftragnehmers ausüben können. Zumindest bei der häufig anzutreffenden Rechtsform der GmbH, in der der Geschäftsführer weisungsgebunden ist, reicht dafür im Normalfall das Mi- tentscheidungsrecht der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung aus. Denn wie gesagt: die Gemeinsamkeit der zu ermöglichenden Einflussnahme bedeutet nicht, dass jeder beteiligte öffentliche Auftraggeber allein ein individuelles Kontrollrecht hat bzw. haben muss, sondern es wird nur gefordert, dass jener ausschlaggebende Einfluss kraft gemeinsamer Willensbildung ausgeübt werden kann 11.

Die dritte normierte Voraussetzung nach § 108 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 3 GWB (keine zuwiderlaufende Interessenverfolgung) hat für eine wirksame gemeinsame Kontrolle kaum praktische Bedeutung.

Ob ein oder mehrere der als Gesellschafter am Auftragnehmer beteiligten öffentlichen Auftraggeber ihren Sitz in Deutschland oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben, ist übrigens für die Vergaberechtsfreiheit der Auftragserteilungen der Auftraggeber an den kontrollierten Auftragnehmer unschädlich. Denn das Privileg der Vergaberechts- freiheit gemäß § 108 Abs. 4 GWB gilt für alle, die öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 108 Abs. 4 Nr. 1 GWB und damit im Sinne der dazugehörigen unionsrechtlichen Vorschrift des Art. 12 Abs. 3 Buchst. a) VRL sind. Es gilt insoweit der EU-rechtliche Begriff des öffentlichen Auftraggebers gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 VRL, der durch § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Da die vorgenannten Richtlinien-Vorschriften nicht nach einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterscheiden – zumal das Vergaberecht ja gerade der Förderung des Binnenmarkts dienen soll –, fallen unter § 108 Abs. 4 GWB alle Auftraggeber, die in der EU ihren Sitz haben und die Merkmale des Begriffs des öffentlichen Auftraggebers nach den vorgenannten Vorschriften erfüllen.

10 EuGH, Urt. v. 29.11.2012 – C-182 u. 183/11 - Econord, NZBau 2013, 55, Rn. 30 f.; OLG Düsseldorf NZBau 2013, 327, 328; von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 GWB Rn. 62; Wiedemann, in:

Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 90.

11 EuGH Urt. v. 29.11.2012 – C-182 u. 183/11 - Econord, NZBau 2013, 55, Rn. 28, 30 und 32; OLG Düsseldorf NZBau 2013, 327 und 328; Wiedemann, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 90.

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Rechtlicher Rahmen

3.2. Tätigkeitskriterium

Mit den Tätigkeiten, von denen gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GWB der Wert von mehr als 80 % erreicht werden muss, ist sämtliches geschäftliches Handeln des Auftragnehmers gemeint, es ist nicht nach Branchen o.ä. zu differenzieren 12. Für die Ermittlung der Tätigkeiten des Auftragnehmers, die der Ausführung von Auf- gaben dienen, mit denen er von den beteiligten öffentlichen Auftraggebern als Gesell- schaftern betraut wurde, kommt es lediglich auf den Kausalzusammenhang zwischen der betreffenden geschäftlichen Tätigkeit des Auftragnehmers und einer zugrunde liegenden Veranlassung durch einen Gesellschafter als Auftraggeber an, ohne dass die Rechtsform der Betrauung relevant ist 13. Dagegen zählen Tätigkeiten, die der Auftrag- nehmer für andere öffentliche Auftraggeber oder sonstige Dritte erbringt, die nicht zu den Gesellschaftern des Auftragnehmers gehören (und auch nicht als juristische Person von diesen wiederum kontrolliert werden), zu den sog. Drittgeschäften, die von den gesamten Tätigkeiten des Auftragnehmers nur weniger als 20 % ausmachen dürfen.

Die Bestimmung des prozentualen Anteils (> 80 % bzw. < 20 %) wird nach quantitativen Kriterien vorgenommen. In der Regel kommt es gemäß § 108 Abs. 7 Satz 1 GWB auf den durchschnittlichen Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor der konkreten Auftragserteilung und auf den davon auf die Drittgeschäfte entfallenden Anteil an.

Geeignete tätigkeitsgestützte Werte sind dabei gemäß § 108 Abs. 7 Satz 2 GWB zum Beispiel die Kosten, die dem Auftragnehmer oder den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen entstan- den sind. Falls der (Inhouse-) Auftragnehmer erst noch neu als Gesellschaft gegründet werden soll/muss, hilft hinsichtlich der Bestimmung der Tätigkeitsanteile § 108 Abs. 7 Satz 3 GWB über den Mangel an historischen Umsatzdaten hinweg. Nach dieser Vor- schrift genügt es, wenn der tätigkeitsgestützte Wert insbesondere durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft gemacht wird, wenn für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie zum Beispiel Kosten vorliegen oder sie nicht aussagekräftig sind.

Wenn ein Auftragnehmer ausschließlich Aufträge seiner Gesellschafter annimmt, ist die Erfüllung des Tätigkeitskriteriums gemäß § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB natürlich unproblematisch.

3.3. Beteiligungskriterium

Zu beachten ist schließlich, dass gemäß dem in § 108 Abs. 4 Nr. 3 GWB normierten Beteiligungskriterium eine direkte private Kapitalbeteiligung an dem Auftragnehmer unterbleiben muss.

12 von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 GWB Rn. 33; Wiedemann, in: Byok/

Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 49 und 51.

13 von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 GWB Rn. 34, 36 und 37; Säcker/Wolf, in: Münchener Kommentar, § 108 GWB Rn. 34 f.; Wiedemann, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018,

§ 108 GWB Rn. 58.

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Rechtlicher Rahmen

4. Mögliche ausschreibungsfreie Beschaffung:

Interöffentliche Kooperation

Eine andere Variante der vergaberechtsfreien Auftragserteilung ist in § 108 Abs. 6 GWB normiert. Nach dieser Vorschrift ist das GWB-Vergaberecht nicht anzuwenden auf Verträge, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern (vgl. § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB) geschlossen werden, wenn

1. der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftrag- gebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbrin- genden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden,

2. die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nr. 1 ausschließlich durch Überle- gungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und 3. die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten

erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nr. 1 erfasst sind.

Bei diesem vergaberechtlichen Instrument der sog. interkommunalen oder auch inter- öffentlichen Zusammenarbeit müssen die zwingenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Insgesamt können 6 Voraussetzungen aus § 108 Abs. 6 GWB abgeleitet und wie folgt kurz beschrieben werden:

• Voraussetzung 1: Die Rechtspersonen, die an dem jeweiligen Vertrag über die Zusammenarbeit beteiligt sind, müssen sämtlich öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 bis Nr. 3 GWB sein (vgl. § 108 Abs. 6 GWB).

• Voraussetzung 2: Alle beteiligten öffentlichen Auftraggeber haben im Ausgangs- punkt, also bereits vor der Begründung ihrer Zusammenarbeit durch Abschluss des Zusammenarbeitsvertrages, jeweils öffentliche Dienstleistungen zu erfüllen (vgl.

§ 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB).

• Voraussetzung 3: Der Vertrag begründet oder erfüllt eine Zusammenarbeit zwi- schen allen beteiligten öffentlichen Auftraggebern (vgl. § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB).

Der Begriff Zusammenarbeit bedeutet, dass alle Beteiligten je selbst gerade auch Dienstleistungen erbringen. Denn die Zusammenarbeit muss auf einem koopera- tiven Konzept beruhen.

• Voraussetzung 4: Die Zusammenarbeit muss den Zweck haben, sicherzustellen, dass die von allen Beteiligten zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen über- haupt ausgeführt werden und außerdem so erbracht werden, dass sie auf die Errei- chung gemeinsamer Ziele ausgerichtet sind (vgl. § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB).

• Voraussetzung 5: Die Durchführung der Zusammenarbeit muss ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt werden (§ 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB).

• Voraussetzung 6: Mit denjenigen Tätigkeiten, die durch die Zusammenarbeit er- fasst sind, dürfen die jeweiligen öffentlichen Auftraggeber im Übrigen auf dem Markt nur weniger als 20 % der Tätigkeiten erbringen (§ 108 Abs. 6 Nr. 3 GWB).

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Rechtlicher Rahmen

Bei § 108 Abs. 6 GWB, der grundsätzlich eng auszulegen ist 14, kommt es auch auf das Verständnis der Erwägungsgründe der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU als Auslegungs- hilfen an. Nach Erwägungsgrund 31 Abs. 2 Satz 1 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU stützt sich die in Art. 12 Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU normierte Präzisierung der Ausnahmen vom Vergaberecht auf die Grundsätze […], die in der einschlägigen Recht- sprechung des EuGH dargelegt wurden. Daraus kann gefolgert werden, dass Art. 12 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU – und damit in richtlinienkonformer Anwendung auch

§ 108 GWB – im Einklang mit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zu den in diesen Vorschriften geregelten Themen auszulegen ist 15.

4.1. Öffentliche Auftraggeber

Alle an der Zusammenarbeit Beteiligten müssen öffentliche Auftraggeber sein (Voraus- setzung 1). Die Erfüllung dieser ersten Voraussetzung genügt jedoch nicht, um bereits eine Ausnahme vom Geltungsbereich des Vergaberechts eröffnen zu können. Das hat der europäische Richtliniengeber im Erwägungsgrund 31 Abs. 2 Satz 2 der Vergabe- Richtlinie 2014/24/EU mit folgender Formulierung ausdrücklich klargestellt 16: Der Umstand, dass beide Parteien einer Vereinbarung selbst öffentliche Stellen seien,

reicht allein nicht aus, um die Anwendung der Vergabevorschriften auszuschließen.

4.2. Erbringung öffentlicher Dienstleistungen

Jeder an der geplanten Zusammenarbeit beteiligte öffentliche Auftraggeber muss selbst öffentliche Dienstleistungen zu erbringen haben – und zwar schon vor Eintritt in die Zusammenarbeit (Voraussetzung 2).

Das genaue Verständnis dieser Voraussetzung ist umstritten und nicht ganz geklärt.

Umstritten ist insbesondere, ob schon eine bloße vertragliche Beauftragung eines an der Zusammenarbeit beteiligten öffentlichen Auftraggebers durch einen anderen nicht beteiligten hoheitlichen Aufgabenträger, dem die Wahrnehmung und Erledigung einer öffentlichen Aufgabe gesetzlich zugewiesen worden ist, genügt, oder ob nur ein hoheitlicher Aufgabenträger sich beteiligen kann, der die von der angestrebten Zu- sammenarbeit betroffenen Dienstleistungen kraft Gesetzes oder kraft eines innerstaat- lichen öffentlich-rechtlichen Organisationsaktes als eigene Aufgabe zu erbringen hat.

Nur im letzteren Fall kann zweifelsfrei von einer eigenen öffentlichen Dienstleistung

14 EuGH, Urt. v. 08.12.2016 – C-553/15, NZBau 2017, 109 Rn. 29, wonach jede Ausnahme von der Geltung der Vergaberechtsvorschriften eng auszulegen sei; zu § 108 Abs. 6 GWB unmittelbar: von Engelhardt/Kaelble, in:

Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 Rn. 4 m. w. Nachw.

15 von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 GWB Rn. 4.

16 ebenso in ständiger Rechtsprechung: EuGH, Urt. v. 09.06.2009 – C-480/06 – Stadtreinigung Hamburg, EuZW 2009, 529 Rn. 33 m. w. Nachw. (Anmerkung: das ist das erste, grundlegende Urteil des EuGH zur interkom- munalen Zusammenarbeit); EuGH, Urt. v. 13.06.2013 – C-386/11 – Piepenbrock, EuZW 2013, 591 Rn. 29 m.

w. Nachw.

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Rechtlicher Rahmen

eines beteiligten Auftraggebers gesprochen werden. Jedenfalls diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Sinne des § 56 Satz 1 WHG 17, die nach Landes- recht hierzu verpflichtet sind, also die originär Abwasserbeseitigungspflichtigen, können sich an einer interkommunalen/interöffentlichen Zusammenarbeit beteili- gen. Soweit es speziell um die Klärschlammentsorgung außerhalb einer Kläranlage geht, ist der Klärschlamm als Abfall zu bewirtschaften. Für die Abfallentsorgung sind entweder die Abfallerzeuger oder die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuständig. Auch insoweit können sich die gesetzlich originär Verpflichteten als öf- fentliche Auftraggeber, die eindeutig öffentliche Dienstleistungen i.S.d. § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB erbringen, unzweifelhaft an einer interkommunalen/interöffentlichen Zusammenarbeit beteiligen.

Die nach § 56 Satz 1 WHG i.V.m. den landesgesetzlichen Bestimmungen gesetzlich festgelegten Abwasserbeseitigungspflichtigen können sich gemäß § 56 Satz 3 WHG zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen. Dieser Rückgriff auf einen Dritten erfolgt in aller Regel durch Abschluss eines entsprechenden Vertrages. Die Frage ist, ob sich auch ein solcher Dritter als öffentlicher Auftraggeber an einer interkommu- nalen/interöffentlichen Zusammenarbeit beteiligen kann. Ob eine bloß vertragliche Rechtsgrundlage (Auftrag) für die Annahme genügt, ein öffentlicher Auftraggeber erbringe öffentliche Dienstleistungen, ist nicht ganz sicher. Tendenziell für eine wirklich öffentlich-rechtliche Aufgabenträgerschaft der an der Zusammenarbeit beteiligten öffentlichen Auftraggeber sprechen die Erwägungsgründe zur Vergabe- Richtlinie 2014/24/EU. So heißt es in Erwägungsgrund 33 Abs. 1 Satz 1:

Die öffentlichen Auftraggeber sollten auch beschließen können, ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen.

Weiter heißt es in Erwägungsgrund 31 Abs. 2 Satz 3:

Die Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge sollte öffent- liche Stellen jedoch nicht in ihrer Freiheit beschränken, die ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben auszuüben, indem sie ihre eigenen Mittel verwenden, wozu die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen gehört.

Diese Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung jedoch noch nicht geklärt 18 und wird in der vergaberechtlichen Literatur unterschiedlich beantwortet. Ein Teil des Schrift- tums lehnt es ab, dass eine bloße vertragliche Beauftragung mit der Erbringung von Dienstleistungen zur Anwendung des § 108 Abs. 6 GWB als Ausnahme vom

17 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2254) geändert worden ist.

In seinem zweiten Urteil zur Rechtsfigur der interkommunalen Zusammenarbeit hat der EuGH die hier rele- vante (und dem § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB im Wesentlichen entsprechende) Voraussetzung für die Freistellung kooperierender öffentlicher Auftraggeber von der Durchführung eines Vergabeverfahrens so definiert: Es handelt sich um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird.

18 EuGH, Urt. v. 19.12.2012 – C-159/11 - Lecce, EuZW 2013, 189 Rn. 34.

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Rechtlicher Rahmen

grundsätzlichen Gebot eines Vergabeverfahrens berechtigt 19. Ein anderer Teil des Schrifttums hingegen versteht den Begriff der öffentlichen Dienstleistung im Sinne eines weiten Aufgabenbegriffs und fasst darunter mehr oder weniger jede Dienstleistung, die im öffentlichen Interesse liegt 20.

4.3. Zusammenarbeit – Anteile

Der Kooperationsvertrag muss gemäß § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB eine Zusammen- arbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründen oder erfüllen (Voraussetzung 3). Um diese Voraussetzung unzweifelhaft zu erfüllen, besteht diese Zusammenarbeit idealerweise aus echten operativen Dienstleistungsbeiträgen jedes einzelnen Beteiligten zu den Gesamtdienstleistungen, die im Einzelfall nach dem konkreten kooperativen Konzept erforderlich sind. Denn es ist insbesondere zweifel- haft, ob bspw. die bloße Lieferung von Klärschlamm durch die Kläranlagenbetreiber zur Klärschlammverbrennungsanlage und die Zahlung des vereinbarten Entgelts – während der Anlagenbetreiber die Klärschlämme annimmt und verbrennt, die Verbrennungsrückstände entsorgt und das Entgelt vereinnahmt – ausreichen, um für die Kläranlagenbetreiber einen hinreichenden Zusammenarbeitsanteil zu begründen.

Der Wortlaut des § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB und des zugrunde liegenden wortgleichen Art. 12 Abs. 4 Buchst. a) VRL sind insoweit nicht eindeutig.

19 Wiedemann, in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 110, legt § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB dahin aus, dass jeder Vertragspartner hinsichtlich des Gegenstands des Zusammenarbeitsvertrags selbst Aufga- benträger sein muss. Auf dieser Linie liegt auch die von Ganske, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl.

2018, § 108 GWB Rn. 96, vertretene Auslegung des § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB: Dass die öffentlichen Aufgaben von den beteiligten Kooperationspartnern zu erbringen seien, setze voraus, dass sie ihnen kraft Gesetzes oder kraft eines sonstigen Aktes der innerstaatlichen Organisation obliege. von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 Rn. 81, meint, dass die Zusammenarbeit voraussetze, dass den beteiligten öffentlichen Auftraggebern die von der Zusammenarbeit erfassten öffentlichen Aufgaben kraft Gesetzes obliegen. Nach Soudry, in: Hettich/Soudry, Das neue Vergaberecht, 1. Aufl. 2015, A.III.2., können zu den zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen gesetzliche oder freiwillige Aufgaben von Gebietskörperschaften ebenso wie sonstige Dienste zählen, die bestimmten Einrichtungen durch das öffentliche Recht übertragen sind. Auch weitere Autoren sprechen davon, dass sich die Zusammenarbeit auf die Wahrnehmung einer allen öffentlichen Auftraggebern gleichermaßen obliegenden öffentlichen Aufgabe beziehen müsse: Webeler, in: Heiermann/Zeiss/

Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Auflage 2016, § 108 GWB Rn. 68; Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 76); Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 6. Aufl. 2016, Rn. 105 f.

20 Nach Auffassung von Burgi, Vergaberecht, 2. Aufl. 2018, § 11 Rn. 40, kommt es auf den Charakter der jeweiligen Aufgabe als Hoheitsaufgabe oder als Aufgabe mit erwerbswirtschaftlich-fiskalischem Charakter nicht an, weil in Erwägungsgrund 33 VRL festgestellt werde, dass diese – im deutschen Staatsrecht sowieso seit Jahrzehnten überwundene Unterscheidung – endgültig auch im Vergaberecht keine Relevanz mehr habe. Auch eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, die nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar den Bürgern zugu- tekomme, sei gleichermaßen unentbehrlich und mittelbar aus dem Gemeinwohl legitimiert. Gurlit, in: Burgi/

Dreher, Vergaberecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, § 108 Rn. 37, meint, dass sich der europäische und der deutsche Gesetzgeber mit dem Begriff der öffentlichen Dienstleistungen von der EuGH-Judikatur, die als Gegenstand der Zusammenarbeit noch öffentliche Aufgaben bzw. Gemeinwohlsaufgaben benannt habe, abgesetzt hätten. Der begrifflichen Änderung (öffentliche Dienstleistungen statt öffentliche Aufgaben) komme sachliche Bedeutung zu, weil der Richtliniengeber betone, dass gesetzliche und freiwillige Aufgaben und zudem alle Arten von Tätigkeiten i.V.m. der Ausführung der Dienstleistungen erfasst würden. Folglich sei davon auszugehen, dass nicht nur ein weites Spektrum von Dienstleistungen erfasst sei, sondern dass auch der Unterscheidung von hoheitlichen und erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Tätigkeiten keine Bedeutung mehr zukomme. Darin liege eine normative Korrektur der Anforderungen des EuGH.

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Rechtlicher Rahmen

Deutlicher wird hingegen Erwägungsgrund Nr. 33 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU:

Die öffentlichen Auftraggeber sollten auch beschließen können, ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, ohne zur Einhaltung einer bestimmten Rechtsform verpflichtet zu sein. […] Die von den ver- schiedenen teilnehmenden Stellen erbrachten Dienstleistungen müssen nicht notwen- digerweise identisch sein; sie können sich auch ergänzen.

[…]

Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, sollte die Zusammenarbeit auf einem ko- operativen Konzept beruhen. Die Zusammenarbeit setzt nicht voraus, dass alle teil- nehmenden Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen, solange sie sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienstleistung zu leisten. Für die Durchführung der Zu- sammenarbeit einschließlich etwaiger Finanztransfers zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern sollten im Übrigen ausschließlich Erwägungen des öffent- lichen Interesses maßgeblich sein.

Diese Erläuterungen im Erwägungsgrund Nr. 33 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU können so verstanden werden, dass es für eine von Vergabeverfahren freigestellte Kooperation von öffentlichen Auftraggebern gemäß Art. 12 Abs. 4 Buchst. a) VRL nicht ausreicht, dass sich die Pflicht eines oder mehrerer Kooperationspartner darauf beschränkt, dem oder den anderen Kooperationspartnern für deren Dienstleistungen ein Entgelt zu zahlen. Das würde dann wegen des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung auch für § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB gelten 21.

Es gibt allerdings auch Gegenstimmen im Schrifttum, die ausschließlich finanzielle Beiträge von einem oder mehreren Kooperationspartnern zur Vergütung der von anderen Kooperationspartnern erbrachten Dienstleistungen für die Anwendung des

§ 108 Abs. 6 GWB als ausreichend ansehen 22.

21 In diesem Sinne die bisher einzige Gerichtsentscheidung zu diesem Problem zu Art. 12 Abs. 4 der Vergabe- Richtlinie 2014/24/EU, die noch vor Inkrafttreten des § 108 GWB erging und sich mit den möglichen Vor- wirkung der Richtlinie befasste: OLG Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014 – Verg 8/14, VergabeR 2015, 192, 195.

So auch das überwiegende Schrifttum: von Engelhardt/Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB, 1. Aufl. 2016, § 108 Rn. 84; Ganske, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 101; Wiedemann, in:

Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 108 GWB Rn. 122 und 125 (m. w. Nachw. zum Streitstand). Vgl.

auch die Ausführungen des EuGH in seinem grundlegenden Urteil Stadtreinigung Hamburg, EuZW 2009, 529, s. insbes. Rn. 37, 41 und 42, und im Anschluss daran Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 6. Aufl. 2016, Rn. 105, der darauf hinweist, dass in der vom EuGH in seinem Stadtreinigung Hamburg-Urteil entschiedenen Fallkonstellation die vier beteiligten Landkreise sich verpflichteten, zum einen ihre nicht selbst- genutzten Entsorgungskapazitäten der Stadtreinigung Hamburg zur Verfügung zu stellen, um Abhilfe für den Mangel an Entsorgungskapazitäten der Stadt Hamburg zu schaffen, und zum anderen denjenigen Anteil nicht verwertbarer Müllverbrennungsschlacke zur Entsorgung in ihren Deponiebereichen aufzunehmen, der der von ihnen angelieferten Abfallmenge entsprach.

22 Portz, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 108 Rn. 243 f.; Säcker/

Wolf, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, Vergaberecht I, § 108 GWB Rn. 71; Webeler, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Auflage 2016, § 108 GWB Rn. 69;

Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 108 Rn. 78; Gurlit, in: Burgi/Dreher, Vergaberecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2017, § 108 Rn. 37.

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Rechtlicher Rahmen

Aktuell hatte der Vergabesenat des OLG Koblenz im Bereich der Abfallentsorgung über einen ohne Vergabeverfahren abgeschlossenen Zusammenarbeitsvertrag zu entscheiden 23. Nach diesem Vertrag hatte ein Abfallzweckverband eine Teilmenge der seiner öffentlich-rechtlichen Entsorgungsaufgabe unterliegenden Abfälle gegen Entgelt an den Betreiber einer mechanisch-biologischen Behandlungsanlage (MBA) zu liefern, der die Abfälle in der MBA behandeln und eine entsprechende Menge der Behandlungsrückstände an den Zweckverband zurückliefern sollte, damit dieser die Behandlungsrückstände deponieren sollte. Zwar waren in dem Zusammenarbeits- vertrag auch Regelungen zur Zwischenlagerung des Abfalls durch den Zweckverband im Falle von Ausfällen der MBA sowie Regelungen zu Anlieferungen anderer Abfälle durch den MBA-Betreiber an den Zweckverband enthalten, doch war wohl allen Be- teiligten von vornherein klar, dass von diesen Regelungen niemals Gebrauch gemacht werden sollte (das OLG Koblenz bewertete diesen Vertragsteil dahingehend, dass er von Anfang an nur auf dem Papier stand und ein Feigenblatt war, das die Blöße des Fehlens eines kooperativen Konzepts verbergen sollte). Damit beschränkte sich der wesentliche Inhalt der Vereinbarung auf die Verpflichtung des MBA-Betreibers, gegen Entgelt die vom Zweckverband als Auftraggeber angelieferten Restabfälle vorzubehandeln, um damit die Voraussetzungen für die vom Zweckverband angestrebte Deponierung zu schaffen. Dabei lassen § 108 Abs. 6 GWB und Art. 12 Abs. 4 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU nach Einschätzung des OLG Koblenz die beiden Fragen offen, ob

• zwei öffentliche Auftraggeber, die beide Entsorgungsträger sind, schon allein des- halb im Sinne des Ausnahmetatbestands zusammenarbeiten, weil sie sich die Er- ledigung einer nur einem von ihnen obliegenden konkreten Entsorgungsaufgabe teilen, und ob

• ein beteiligter öffentlicher Auftraggeber bereits dann einen Beitrag zur gemeinsa- men Ausführung der öffentlichen Aufgabe Abfallentsorgung leistet, wenn er einen anderen öffentlichen Auftraggeber dafür bezahlt, dass dieser einen Teil der dem erstgenannten öffentlichen Auftraggeber obliegenden Aufgabe erledigt.

Nach Auffassung des OLG Koblenz erfordert der Begriff Zusammenarbeit, dass für ein kooperatives Konzept mehr erforderlich ist, insbesondere ein Beitrag eines jeden Beteiligten, der mehr beinhaltet als die Erfüllung einer ihm ohnehin obliegenden Pflicht und auch über einen rein finanziellen Beitrag hinausgeht. Anders ausgedrückt: eine Zusammenarbeit setzt voraus, dass jeder Beteiligte einen Beitrag leistet, der ohne die Kooperationsabrede nicht von ihm, sondern von einem anderen Beteiligten geleistet werden müsste. Da die Auslegung des deutschen § 108 Abs. 6 GWB aber rechtlinienkon- form zur Auslegung von Art. 12 Abs. 4 Buchst. a) der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU erfolgen muss, legte das OLG Koblenz folgende Frage dem EuGH zu dessen Voraben- tscheidung vor:

Ist Art. 12 Abs. 4 lit. a) der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhe- bung der Richtlinie 2004/18/EG dahingehend auszulegen, dass eine Zusammenarbeit

23 OLG Koblenz, Beschl. v. 14.05.2019 – Verg 1/19.

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Rechtlicher Rahmen

schon dann vorliegt, wenn ein auf seinem Gebiet für die Abfallentsorgung zuständiger öffentlicher Auftraggeber eine ihm nach nationalem Recht allein obliegende Entsor- gungsaufgabe, für deren Erledigung mehrere Arbeitsgänge notwendig sind, nicht voll- ständig selbst erledigt, sondern einen anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Auftraggeber, der auf seinem Gebiet ebenfalls für die Abfallentsorgung zuständig ist, damit beauftragt, einen der notwendigen Arbeitsgänge gegen Entgelt auszuführen?

Es ist also jedenfalls mit vergaberechtlichen Risiken verbunden, eine interöffentliche Zusammenarbeit bei der Klärschlammentsorgung zwischen Kläranlagenbetreibern und einem oder mehreren Betreibern von Klärschlammverbrennungsanlagen zu be- gründen, wenn der Beitrag der Kläranlagenbetreiber zur Zusammenarbeit nur in der Lieferung von Klärschlämmen und in Entgeltzahlungen besteht 24. Empfehlenswert ist es daher, dass für alle an der Zusammenarbeit beteiligten öffentlichen Auftraggeber (insbesondere die Kläranlagenbetreiber) ein eigener operativer Dienstleistungsanteil zur eigenen Erfüllung festgelegt wird. In Betracht kommen Leistungen der Transport- logistik (über die Beförderung der eigenen Klärschlämme hinaus), der Zwischen- lagerung von Klärschlamm zur regelmäßigen Pufferung der Klärschlammmengen oder auch im Falle von geplanten Stillständen der Verbrennungsanlage (Revisionen) und ungeplanten Ausfällen der Verbrennungskapazitäten, der Rücknahme der Verbren- nungsrückstände aus der Klärschlammverbrennung durch die Kläranlagenbetreiber, kaufmännisch-buchhalterische Leistungen und ähnliches.

4.4. Weitere Voraussetzungen

Die beiden weiteren Voraussetzungen 4 und 5 (Sicherstellung, dass die öffentlichen Dienstleistungen zur Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden; Bestimmung der Zusammenarbeit ausschließlich durch Überlegungen im öffentlichen Interesse) sind zum einen inhaltlich eng miteinander verknüpft, zum anderen sind sie regelmäßig erfüllt, wenn die beteiligten Vertragspartner sich ausschließlich auf Vertragsinhalte beschränken, die unmittelbar die Klärschlammentsorgung in der Verbrennungsanlage und die dafür geltenden Rahmenbedingungen betreffen. Weitere, inhaltlich anders- artige bzw. weitergehende Regelungen sollten in einem Zusammenarbeitsvertrag nicht geregelt werden.

Mit Blick auf die Voraussetzung 6 (Tätigkeiten, die durch die Zusammenarbeit erfasst sind, dürfen die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt nur weniger als 20 % der Tätigkeiten erbringen) bestimmt § 108 Abs. 7 GWB, dass zur Ermittlung des prozen- tualen Anteils der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Auf- tragsvergabe (Abschluss des Zusammenarbeitsvertrages) oder ein anderer geeigneter tätigkeitsgestützter Wert heranzuziehen ist. Ein geeigneter tätigkeitsgestützter Wert sind zum Beispiel die Kosten, die den an der Zusammenarbeit beteiligten öffent- lichen Auftraggebern in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen

24 Vgl. auch Webeler, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Auflage 2016, § 108 GWB Rn. 70, der die Empfehlung gibt, dass die gegenseitigen Leistungspflichten ein kooperatives Miteinander – also re- gelmäßig mehr als Ware oder Dienstleistung gegen Geld – zeigen sollten, weil ansonsten Rechtsunsicherheiten vorprogrammiert seien.

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Rechtlicher Rahmen

entstanden sind. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie zum Beispiel Kosten vor oder sind sie nicht aussagekräftig, genügt es, wenn der tätigkeitsgestützte Wert insbesondere durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft gemacht wird.

Ansprechpartner

Rechtsanwalt Gregor Franßen

Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB Partner

Bleichstraße 14

40211 Düsseldorf, Deutschland +49 211 54013777-20

franssen@kn-law.de

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar

Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, Peter Quicker, Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.):

Verwertung von Klärschlamm 2

ISBN 978-3-944310-49-7 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH

Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Olaf Holm Alle Rechte vorbehalten

Verlag: Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH • Neuruppin 2019 Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Olaf Holm

Erfassung und Layout: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Janin Burbott-Seidel, Roland Richter

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

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