• Keine Ergebnisse gefunden

Neuronale Botenstoffe in einfachen Nervensystemen und ihr Einfluss auf funktionelle und strukturelle Plastizität

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Neuronale Botenstoffe in einfachen Nervensystemen und ihr Einfluss auf funktionelle und strukturelle Plastizität"

Copied!
72
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aus dem Institut für Tierökologie und Zellbiologie

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Neuronale Botenstoffe in einfachen Nervensystemen und ihr Einfluss auf funktionelle und strukturelle Plastizität

Habilitationsschrift

zur Erlangung der Venia legendi

an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

vorgelegt von Dr. rer. nat. Michael Stern

Hannover 2009

(2)

Tag der nicht öffentlichen wissenschaftlichen Aussprache: 07.06.2010

(3)

Für Svenja, Lisa und Britta

(4)

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 1

1. Verzeichnis der Veröffentlichungen, die Bestandteil der Habilitationsschrift sind 2

2 Einleitung 4

2.1 Einfache Nervensysteme 4

2.1.1 Das Nervensystem von Insekten 4

2.1.2 Zellkultursysteme 6

2.2 Neuronale Botenstoffe 8

2.2.1 Neurotransmission 8

2.2.2 Synaptische Plastizität 10

2.2.3 Neuronale Botenstoffe in der Entwicklung 11

3 Fragestellungen 15

4 Ergebnisse 16 4.1 Zentrifugale Neuronen in der Sehbahn der Heuschrecke und ihre Modulation

durch Octopamin 16

4.2 Serotonin bei der Entwicklung des enterischen Nervensystems der Heuschrecke 19 4.3 Stickstoffmonoxid im Zentralnervensystem der Heuschrecke und sein Einfluss

auf axonale Regeneration 23

4.4 Neurotransmitter und synaptische Modulation durch Stickstoffmonoxid in

menschlichen Modellneuronen 30

4.5 Neurotransmitter an der neuromuskulären Synapse von Onychophoren 36

5 Studienübergreifende Diskussion 39 5.1 Neurotransmitter bei neuronaler Plastizität und Entwicklung 39

5.1.1 Octopamin 39

5.1.2 Serotonin im enterischen Nervensystem 40

5.1.3 Stickstoffmonoxid im Heuschrecken-ZNS 42

5.1.4 Stickstoffmonoxid im Vertebraten-ZNS 45

5.2 Ausblick 47

(5)

6 Literatur 48

7 Zusammenfassung 58

8 Summary 59

9 Danksagung 60

10 Darstellung des eigenen Anteils an den wissenschaftlichen Veröffentlichungen 62

(6)
(7)

1

Abkürzungsverzeichnis

cGMP Zyklisches Guanosinmonophosphat GABA Gamma-Amino-Buttersäure

GAD Glutamatdecarboxylase ENS Enterisches Nervensystem NO Stickstoffmonoxid

NOS Stickstoffmonoxid-Synthase

SERT Serotonin-(Wiederaufnahme-)Transporter sGC NO-Rezptor (lösliche Guanylylzyklase) PM1 Protocerebrum-Medulla-Neuron 1 PM4 Protocerebrum-Medulla-Neuron 4 PNS Peripheres Nervensystem

ZNS Zentralnervensystem

(8)

1 Verzeichnis von Veröffentlichungen die Bestandteil der Habilitationsschrift sind 2

1 Verzeichnis der Veröffentlichungen, die Bestandteil der Habilitationsschrift sind (chronologisch)

Veröffentlichung 1:

Pätschke A, Bicker G, Stern M (2004) Regeneration of proctolinergic neurons in the ventral nerve cord of the locust. Dev. Brain Res. 150:73-76.

Veröffentlichung 2:

Stern M, Knipp S, Bicker G (2007) Embryonic differentiation of serotonin-containing neurons in the enteric nervous system of the locust (Locusta migratoria). J. Comp. Neurol.

501:38-51.

Veröffentlichung 3:

Stern M, Bicker G (2008a) Nitric oxide regulates axonal regeneration in an insect embryonic CNS. Dev. Neurobiol. 68:295-308.

Veröffentlichung 4:

Stern M, Bicker G (2008b) Mixed cholinergic/glutamatergic neuromuscular innervation of Onychophora: A combined histochemical/electrophysiological study. Cell Tissue Res.

333:333-338.

Veröffentlichung 5:

Stern M (2009) The PM1 neurons, movement sensitive centrifugal visual brain neurons in the locust: anatomy, physiology, and modulation by identified octopaminergic neurons. J. Comp.

Physiol. A 195:123-137.

Veröffentlichung 6:

Bicker G, Stern M (2009) NO als Regulator neuronaler Motilität und Regeneration in einfachen Nervensystemen. Neuroforum 1/09:4-12.

(9)

1 Verzeichnis von Veröffentlichungen die Bestandteil der Habilitationsschrift sind 3

Veröffentlichung 7:

Podrygajlo G, Tegenge MA, Gierse A, Paquet-Durand F, Tan S, Bicker G, Stern M (2009) Cellular phenotypes of human model neurons (NT2) after differentiation in aggregate culture.

Cell Tissue Res. 336:439-452.

Veröffentlichung 8:

Tegenge MA, Stern M, Bicker G (2009) Nitric oxide and cyclic nucleotide signal transduction modulates synaptic vesicle turnover in human model neurons. J. Neurochem.

111:1434-1446.

Veröffentlichung 9:

Stern M, Böger N, Eickhoff R, Kerßen U, Lorbeer C, Ziegler M, Martinelli GP, Holstein GR, Bicker G (2010) Development of nitrergic neurons in the nervous system of the locust embryo. J. Comp. Neurol. 518:1157–1175.

Veröffentlichung 10:

Stern M (submitted) Serotonin controls development of serotonergic neurons in the enteric nervous system of the locust (Locusta migratoria). Neurosci. Lett., under review.

(10)

2 Einleitung 4

2 Einleitung

2.1. Einfache Nervensysteme 2.1.1. Das Nervensystem von Insekten

Das menschliche Gehirn ist eine der komplexesten Strukturen im Universum. Will man sich der zellulären Basis seiner Entwicklung und Funktion nähern, ist es oft einfacher, grundsätzliche Vorgänge an weniger komplexen Nervensystemen oder gar an Zellkultursystemen zu untersuchen. Dabei muss natürlich die Komplexität des ausgewählten Modellsystems der Komplexität der Fragestellung entsprechen. Das Insektennervensystem ist bei aller Einfachheit hinreichend weit entwickelt, um vielfältige Sinnesleistungen, räumliche und zeitliche Orientierung und ein reichhaltiges Verhaltensrepertoire zu ermöglichen, das Lernen, Gedächtnis und Kommunikation einschließt (v. Frisch, 1965).

Das Nervensystem von Insekten und vielen anderen Wirbellosen besteht aus dem Zentralnervensystem (ZNS) mit dem Gehirn und einer durch paarige Nervenstränge (Konnektive) verbundenen Kette von Ganglien (Abb. 1), dem enterischen Nervensystem (ENS) mit enterischen Ganglien und Nervenplexus (Abb. 2), und dem peripheren Nervensystem (PNS). Alle Ganglien und auch das Gehirn sind aus einer Rinde aus an der Informationsverarbeitung nicht beteiligten Zellkörpern und einer zentralen Neuropil-Region aufgebaut, in welcher sich Axone, Dendriten und synaptische Kontakte befinden. Über periphere Nerven steht das ZNS mit dem PNS in Verbindung.

Im Gehirn befinden sich neben zentralen Steuereinheiten für das Verhalten auch die Verarbeitungssysteme für Informationen aus den wichtigsten Sinnesorganen, nämlich den Antennen und den Komplexaugen. Die Verarbeitung olfaktorischer Information von den Antennen erfolgt zunächst in den Antennalloben, und weiter in den Pilzkörpern. Visuelle Information von den Photorezeptoren wird in den optischen Loben des Gehirns in mehreren Verarbeitungsstufen zunehmender Komplexität parallel für jeden einzelnen Bildpunkt verarbeitet. Auf unterschiedlichen Ebenen wird Information von sogenannten Tangentialneuronen abgegriffen und zur Weiterverarbeitung ins zentrale Gehirn geleitet. In geringerem Maße erfolgt auch ein Informationsfluß in umgekehrter Richtung, vom zentralen Gehirn in die primären Verarbeitungszentren wie z.B. die optischen Loben, um dort die Informationsverarbeitung dem Verhaltenskontext entsprechend zu modulieren. Um diese Signalwege zu verstehen, ist es notwendig, die beteiligten Zellen (zentrifugale Neuronen)

(11)

2 Einleitung 5

anatomisch, physiologisch und auf die von ihnen verwendeten Neurotransmitter zu charakterisieren.

Abb. 1: Die Heuschrecke hat ein einfaches

Strickleiter-Nervensystem.

Rechts ein Ausschnitt aus dem Gehirn mit einem intrazellulär markierten PM4- Interneuron. (aus: Bicker und Stern, 2002)

Als ENS bezeichnet man sowohl bei Wirbeltieren als auch bei Wirbellosen das System von Nervenfasern und Ganglien, die den Verdauungskanal innervieren. Beim Insekt ist es mit dem Gehirn und dem endokrinen System verbunden und reguliert die Nahrungsaufnahme, – verdauung und –weiterleitung im Darmtrakt, sowie andere Verhaltensmuster, an denen der Darm beteiligt ist, z.B. die Häutung, bei der das Insekt Luft schluckt, um durch die dadurch bedingte Volumenzunahme die alte Haut zu sprengen. Die vom ENS generierten, oft rhythmischen, neuronalen Entladungsmuster und ihre verhaltensabhängige Modulation werden seit Jahrzehnten an Crustaceen (review: Harris-Warrick und Marder, 1991) und in der Gegenwart auch bei Insekten (review: Ayali, 2004) untersucht. Außerdem hat sich das ENS in den letzten Jahren als ein interessantes Modellsystem für entwicklungsneurobiologische Fragestellungen herausgestellt. Im Insektennervensystem stellt das ENS eine Besonderheit dar. Im Gegensatz zu der relativ stereotyp ablaufenden Entstehung des ZNS, bei dem sich fest lokalisierte Neuroblasten im Stammzellmodus teilen, und festgelegte neuronale Nachkommenschaft produzieren (review: Goodman und Bate, 1981), sind bei der Bildung des ENS äquale Teilungen und umfangreiche Migrationsvorgänge beteiligt (review: Hartenstein, 1997). Damit ähnelt die ENS-Entwicklung beim Insekt eher der Gehirnentwicklung beim Wirbeltier, wo in der ventrikularen Zone geborene Neuronen an ihren Bestimmungsort im Cortex migrieren (review: Hatten, 1999). Das Insekten-ENS besteht aus Nervengeflechten, die Vorder- und Mitteldarm umspannen, sowie einigen damit assoziierten Ganglien und Nerven (Abb. 2). Es entwickelt sich aus einer kleinen Gruppe ektodermaler neurogener Placoden

(12)

2 Einleitung 6

Abb.2: Links: Übersicht über den Heuschreckendarm (aus Ganfornina et al., 1996) Rechts: Schematische Darstellung des ENS bei 40% (A) und 50% (B) der Embryonalentwicklung (aus Stern et al., 2007). c: caecum, ca:

corpus allatum, en: Oesophagealnerv, f:

Vorderdarm, fc, fgc: Frontalkonnective, fg: Frontalganglion, fp: Vorderdarm- plexus h: Enddarm, hg: Hypocerebral- ganglion, hn: Enddarmnerven, ig:

Ingluvialganglion, m, mg: Mitteldarm, mp: Mitteldarmplexus, mt: Migrations- zunge, rn; recurrenter Nerv, nz1, nz2, nz3: neurogene Placoden.

auf dem Vorderdarm, von denen aus Neuronen anterior und lateral migrieren, um die Ganglien des Vorderdarms zu bilden (Abb. 2). Später erfolgt eine zweite Migrationswelle, ausgehend von zungenförmigen Gruppen von Neuronen, die sich an der Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm sammeln, um nach Schließen des Mitteldarms in 4 Zugstraßen posterior zu migrieren und den Mitteldarmplexus zu bilden (Ganfornina et al., 1996; Haase und Bicker, 2003).

2.1.2 Zellkultursysteme

Eine sinnvolle Alternative zur Untersuchung von mehr oder weniger intakten Nervensystemen kann die Arbeit mit geeigneten Zellkultursystemen sein. Insbesondere ist es aus verschiedenen Gründen erstrebenswert, ein Zellkultur-basiertes Modellsystem für die menschliche Gehirnentwicklung zur Verfügung zu haben (review: Paquet-Durand und Bicker, 2007). Dazu gehört die Erforschung der physiologischen Grundlagen und möglicher Therapieperspektiven bei einer Reihe von Erkrankungen des Zentralnervensystems, wie z.B.

Schlaganfall (Casper et al., 2003), Parkinson (Biskup und Moore, 2006), Alzheimer (Roberson und Mucke, 2006), amyotrophe Lateralsklerose (Boilee et al., 2006), etc. Weiterhin besteht großer Bedarf an Testsystemen für neutoxikologische und aktuell entwicklungsneurotoxikologische Fragestellungen (Radio und Mundy, 2008; Hill et al., 2008;

Stern et al., 2009b). Allerdings ist selbst für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung humanes embryonales Hirngewebe nur schwer und unter starken ethischen Bedenken zu erhalten. Für pharmakologische oder toxikologische Screening-Verfahren in Großmaßstab ist

(13)

2 Einleitung 7

dieser Weg erst recht nicht gangbar. Aufgrund von Spezies-Unterschieden können menschliche Neuronen nicht in jedem Fall durch leichter zugängliches Hirngewebe etwa von Nagetieren ersetzt werden. Im schlimmsten Fall können sich Pharmaka die in einer Spezies neuroprotektiv wirken, schädliche Effekte bei einer anderen Art bewirken (Munir et al., 1995;

Hoyte et al., 2004). Als Alternative bieten sich menschliche Zelllinien an, wenn sich zeigen lässt, dass sich diese im Hinblick auf die zu bearbeitenden Fragestellungen natürlichem menschlichen Hirngewebe entsprechen.

Ein Beispiel ist die Zelllinie Ntera-2 (NT2), eine aus einem menschlichen Hodentumor hervorgegangene neuronale Vorläufer-Zelllinie. Unter nicht-differenzierenden Bedingungen teilen die Zellen sich ca. alle 24 Stunden und exprimieren für neuronale Progenitorzellen typische Proteine wie z. B. die Intermediärfilamente Nestin und Vimentin, zeigen aber keine Marker für reife neuronale Zellen (Podrygajlo et al., 2009). Durch Behandlung mit dem Morphogen Retinsäure können NT2-Zellen zu postmitotischen Nervenzellen differenziert werden (Andrews, 1984; Pleasure et al., 1992). Ein Nachteil bei der Generierung reiner postmitotischer Neurone aus NT2-Zellen war bisher die lange dafür benötigte Zeit (ca. 2 Monate). Unter Verwendung einer Kulturmethode als sphärische Zellaggregate unter nichtadhärenten Bedingungen konnte die benötigte Zeit zur Gewinnung reiner Neurone in unserem Labor auf unter einen Monat verringert werden (Paquet-Durand et al., 2003, Abb. 3).

Dazu werden NT2-Zellen in Gegenwart von 10 µM Retinsäure zunächst für eine Woche in nichtadhärenten Petrischalen kultiviert, so dass sich sphärische Aggregate bilden, in denen sich Neuronen entwickeln (Abb. 3b). Diese Zellaggregate werden weiterhin unter Retinsäure in adhärenter Kultur inkubiert, wobei die Zellen aus den Aggregaten auswandern (Abb. 3c).

Danach folgt eine Behandlung mit Mitoseinhibitoren, so dass die nicht differenzierten Zellen absterben (Abb. 3d). Die übrig bleibenden postmitotischen Neuronen können dann gewonnen und auf geeignetem Untergrund in Kultur genommen werden (Abb. 3e) und bieten so eine regelmäßig verfügbare Quelle menschlicher Neuronen.

(14)

2 Einleitung 8

Abb. 3: Differenzierung von NT2-Zellen zu Neuronen (aus Podrygajlo et al., 2009)

2.2 Neuronale Botenstoffe 2.2.1 Neurotransmission

In mehrzelligen Organismen kommunizieren Zellen miteinander hauptsächlich auf chemischem Wege. Im Nervensystem gibt es sowohl Kommunikation von Nervenzellen untereinander als auch mit Sinneszellen und effektorischen Zellen, beispielsweise in Muskeln und Drüsen. Diese Kommunikation erfolgt normalerweise an spezialisierten Strukturen, den Synapsen. An diesen Kontaktstellen bilden prä- und postsynaptische Zellen Spezialisationen ihrer Zytoplasmamembranen aus, die der Signalübertragung dienen. Auf der präsynaptischen Seite sind dies sogenannte aktive Zonen, in denen sich mit Neurotransmittern gefüllte Vesikel und die für die Fusion dieser Vesikel mit der präsynaptischen Membran verantwortliche Proteine befinden. Auf der postsynaptischen Seite sind dies vor allem Ansammlungen von Neurotransmitter-Rezeptoren. Ein durch eine Depolarisation der präsynaptischen Zelle ausgelöster Kalzium-Einstrom löst die Fusion der synaptischen Vesikel mit der Zytoplasmamembran aus, was zur Ausschüttung des Neurotransmitters führt. Dieser diffundiert über den synaptischen Spalt und bindet an der postsynaptischen Membran an für ihn spezifische Rezeptoren, die dann eine Reaktion der postsynaptischen Zelle bewirken. Die zwei wichtigsten Klassen von Neurotransmitter-Rezeptoren sind Rezeptor-Ionenkanäle und G-Protein gekoppelte Rezeptoren (Zimmermann, 1993). Rezeptor-Ionenkanäle sind meist aus 4 oder 5 Untereinheiten aufgebaut, die zusammen einen die Zytoplasmamembran durchquerenden Kanal bilden. Dieser öffnet sich bei Bindung des spezifischen Liganden und ermöglicht einen Ionenfluss über die Membran und bewirkt damit eine Membranpotential-

(15)

2 Einleitung 9

Name Wirkmechanismus in Vertebraten in Evertebraten

Acetylcholin Ionenkanal (nicotinisch) G-Protein gekoppelt (muscarinisch)

nicotinisch v.a.

motorisch,

muscarinisch im ZNS

vor allem sensorisch, häufiger Transmitter im ZNS, bei einigen Gruppen motorisch

Aminosäuren

Glutamat Ionenkanal

G-Protein gekoppelt

häufigster excitatoricher Transmitter im ZNS

motorisch (bei einigen Gruppen)

Glycin Ionenkanal, auch als Kofaktor bei

Glutamat-Rezeptoren

inhibitorischer Transmitter im ZNS

nicht nachgewiesen

GABA Ionenkanal

G-Protein gekoppelt

häufigster inhibitorischer Transmitter

inhibitorischer Transmitter, auch motorisch

Biogene Amine

Serotonin G-Protein gekoppelt selten Ionenkanal

modulatorisch, dämpfend, im Gehirn, excitatorisch im ENS

modulatorisch, dämpfend, im ZNS, excitatorisch im ENS

Dopamin G-Protein gekoppelt modulatorisch modulatorisch, Lernen

Noradrenalin G-Protein gekoppelt modulatorisch, aktivierend

nicht nachgewiesen

Octopamin G-Protein gekoppelt nicht nachgewiesen modulatorisch, aktivierend, Lernen

Tyramin G-Protein gekoppelt nicht nachgewiesen modulatorisch

Histamin Ionenkanal

G-Protein gekoppelt

modulatorisch, Gewebshormon

modulatorisch, in einigen Gruppen sensorisch (Auge)

Neuropeptide, z.B.

Proctolin FMRFamide

G-Protein gekoppelt modulatorisch modulatorisch, motorisch im ENS

Gasförmige Transmitter Stickstoffmonoxid

NO

intrazelluläre Rezeptoren

modulatorisch, retrograder messenger, Lernen

modulatorisch, retrograder messenger

Kohlenstoffmonoxid

CO

intrazelluläre Rezeptoren

modulatorisch, Lernen ENS-Entwicklung, sonst unklar

Tab.1: einige häufige Neurotransmitter

(16)

2 Einleitung 10

änderung. Dabei bestimmt die Auskleidung des Kanals mit unterschiedlich geladenen Aminosäureresten die eventuelle Spezifität des Rezeptors für bestimmte Ionen. G-Protein gekoppelte Rezeptoren bestehen aus einer einzigen, mehrmals die Membran durchspannenden Polypeptidkette, die bei Bindung des spezifischen Liganden intrazellulär mit einem trimeren G-Protein interagiert. Durch das so aktivierte G-Protein kann eine biochemische Signalkaskade angestoßen werden, vermittelt durch intrazelluläre second messenger wie z.B.

die zyklischen Nucleotide cAMP und cGMP oder durch Kalzium. Als Neurotransmitter kommen sowohl niedermolekulare Substanzen als auch Peptide vor (Tab.1). Zu den niedermolekularen Substanzen gehören die klassischen Neurotransmitter wie Acetylcholin, die Aminosäuren Glutamat, Glycin und Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), sowie die biogenen Amine Serotonin, Dopamin und Noradrenalin (bei Wirbellosen ersetzt durch Octopamin). Außer diesen vesikulär ausgeschütteten Neurotransmittern und Peptiden gibt es noch atypische neuronale Botenstoffe wie die Gase Stickstoffmonoxid (NO) und Kohlenstoffmonoxid (CO), welche nicht-vesikulär ausgeschüttet werden. Stattdessen, diffundieren diese kleinen apolaren Moleküle sofort nach ihrer Synthese in der

"präsynaptischen" Zelle durch die Zellmembranen und binden im Inneren der Empfänger- Zelle an zytoplasmatische Rezeptoren wie z.B. die lösliche Guanylyl-Cyclase (sGC), die daraufhin den second messenger cGMP produziert.

2.2.2 Synaptische Plastizität

Unter synaptischer Plastizität versteht man die Veränderbarkeit der Stärke der synaptischen Übertragung. Die chemische Signalübertragung bietet vielfältige Möglichkeiten, die Informationsverarbeitung an der Synapse zu modulieren (review: Hawkins et al., 2006).

Neuromodulation kann sowohl auf der präsynaptischen als auch auf der postsynaptischen Seite erfolgen. Bei präsynaptischer Modulation wird die bei einer Erregung ausgeschüttete Neurotransmittermenge verändert, bei postsynaptischer Modulation ändert sich die Antwortstärke auf eine gegebene Menge Neurotransmitter. Synaptische Plastizität spielt sich auf unterschiedlichen Zeitskalen ab. Sehr kurzfristige Effekte können durch temporär veränderte Ionenkonzentrationen (vor allem Kalzium) ausgelöst werden. Mittelfristige Veränderungen beruhen meist auf durch biochemische Signalkaskaden angestoßene kovalente Modifikationen (z.B. Phosphorylierung/Dephosphorylierung) von Proteinen. Dies können z.B. Rezeptoren oder Ionenkanäle sein, die die Erregbarkeit der Zelle verändern, oder auch Proteine, die die vesikuläre Transmitterfreisetzung beeinflussen. Langfristige Veränderungen an Synapsen beruhen meist auf differentieller Genaktivität, und beinhalten geänderte

(17)

2 Einleitung 11

Expressionsmuster von prä- oder postsynaptischen Proteinen, wie z.B. Rezeptoren und Transportern, aber auch strukturelle Veränderungen, d.h. Wachstum von Neuriten und Neubildung von synaptischen Strukturen. Insgesamt deckt der Begriff "Neuronale Plastizität"

sowohl erfahrungsabhängige Prozesse (Habituation, assoziatives Lernen) als auch erfahrungsunabhängige Entwicklungsprozesse ab.

2.2.3 Neuronale Botenstoffe in der Entwicklung

In den letzten Jahrzehnten hat sich mehr und mehr herausgestellt, dass der Einfluss von Neurotransmittern auf strukturelle synaptische Plastizität eigentlich nur ein Spezialfall ist.

Tatsächlich haben Neurotransmitter einen erheblichen Einfluss auf alle Aspekte der Entwicklung im Nervensystem, und vielerorts auch in nicht-neuronalen Geweben. Dies betrifft so unterschiedliche Vorgänge wie die Proliferation von neuronalen Vorläuferzellen, neuronale Differenzierung, Migration und Auswachsen von Neuronen, Synaptogenese und synaptische Reifung (reviews: Lauder, 1988; Nguyen et al., 2001).

Acetylcholin zum Beispiel, bei Wirbeltieren ein klassischer Neurotransmitter sowohl in der Peripherie wie im zentralen Nervensystem, hat in der Hirnentwicklung Auswirkungen auf Zellproliferation, Migration, Überleben von Nervenzellen und Auswachsen von Neuriten bei diversen Wirbeltieren und Wirbellosen (Lauder und Schambra, 1999). Störungen des cholinergen Systems während der Entwicklung, z.B. durch Pestizide, können deshalb zu Hirnschäden führen. Auch GABA, der wichtigste inhibitorische Transmitter im ZNS, hat während der Hirnentwicklung einen wichtigen Einfluss auf Proliferation, Migration und Synaptogenese (review: Wang und Kriegstein, 2009).

Serotonin hat außer seiner seit langem gut bekannten Rolle als Neurotransmitter und Neuromodulator auch morphogene Eigenschaften in der Entwicklung des Nervensystems und anderer Organe sowohl bei Wirbeltieren als auch bei Evertebraten. Im Wirbeltier ist es zum Beispiel an der Regulierung der Synaptogenese beteiligt (Mazer et al., 1997) oder bei der Neuralleistenzellwanderung in der Maus (Moiseiwitsch und Lauder, 1995). Bei Evertebraten ist die entwicklungsbiologische Rolle von Serotonin vor allem bei Mollusken untersucht worden. In der Schnecke Tritonia reguliert 5-HT Zellteilungen schon vor der Ausbildung eines Nervensystems (Buznikov et al., 2003). Später ist Serotonin im Schneckennervensystem an der Steuerung von Neuritenwachstum und –verzweigung beteiligt (Goldberg und Kater, 1989; Diefenbach et al., 1995). Auch bei Krebsen hat Serotonin Einfluss auf Auswachsen und Verzeigen von Neuronen (Sullivan at al., 2000). Im Insektenembryo ist vor allem die Entwicklung einer kleinen Gruppe von serotonergen Neuronen in ZNS sowohl in

(18)

2 Einleitung 12

Heuschrecken (Taghert und Goodman, 1984; Condron, 1999; Stern und Bicker, 2008; siehe Kapitel 4.3) als auch bei Drosophila sehr gut untersucht (Valles und White, 1988; Lundell und Hirsh, 1998; Sykes und Condron, 2005). Weniger gut untersucht ist die Entwicklung des serotonergen Systems im enterischen Nervensystem (ENS), mit der sich die vorliegende Arbeit beschäftigt (Stern et al., 2007).

Dass Stickstoffmonoxid (NO) mit seinem second messenger cGMP eine neuromodulatorische Wirkung im Wirbeltiergehirn haben kann, ist seit mehreren Jahren bekannt (zusammengefasst in Garthwaite, 2008). Auch im Nervensystem von Insekten kommt das NO/cGMP-System vor. Sowohl die Freisetzung von NO durch eine Ca2+/Calmodulin stimulierte NOS aus kultivierten Neuronen als auch die NO-abhängige Synthese von cGMP in den Zielzellen konnten im Insektengehirn dargestellt werden (Müller und Bicker, 1994; Bicker et al., 1997).

Einige funktionelle Erkenntnisse über die Modulation neuronaler Plastizität in Insektennervensystemen sind in den letzten Jahren gewonnen worden. So wirkt NO zum Beispiel als retrograder Botenstoff bei der Lichtadaptation im visuellen System der Heuschrecke (Schmachtenberg und Bicker, 1999) oder es stimuliert die Freisetzung von Neurotransmittervesikeln an der neuromuskulären Synapse von Drosophila-Larven (Wildemann und Bicker, 1999). Ausschüttung von NO kann im Suboesophagealganglion der Heuschrecke motorische Muster auslösen (Rast, 2001) und im Zentralkomplex des Hirns das Stridulationsverhalten von Grashüpfern unterdrücken (Wenzel et al., 2005; Weinrich et al., 2008). Insgesamt sind die Erkenntnisse über NO-vermittelte Neuromodulation allerdings noch sehr lückenhaft, und es sind in den nächsten Jahren sicher noch weitere Ergebnisse zu erwarten.

Es mehren sich auch die Hinweise of eine wichtige Bedeutung des NO/cGMP-Signalweges für die Entwicklung von Nervensystemen, im Wirbeltier z.B. bei der Neurogenese, bei der Migration und beim Neuritenwachstum (Hess et al., 1993; Packer et al., 2003; Moreno-Lopez et al., 2004). Auch im Insektennervensystem gibt es seit einigen Jahren Hinweise auf eine Wirkung von NO auf Entwicklungsprozesse (reviews: Bicker, 2007; Bicker und Stern, 2009). Null-Mutationen im NOS-Gen führen bei Drosophila zu embryonaler oder früh- larvaler Letalität (Regulski et al., 2004), woraus abzuleiten ist, dass NO als essentieller Entwicklungsregulator fungiert. Schon recht gut untersucht ist die Wirkung von NO auf die Migration enterischer Neurone auf dem Mitteldarm der Heuschrecke (Haase und Bicker, 2003; Knipp und Bicker, 2009a). Die in einer neurogenen Zone des ektodermalen Vorderdarms geborenen Neurone des Mitteldarmplexus durchlaufen eine Phase schneller

(19)

2 Einleitung 13

Zellwanderung, während der sie sich als „Kettenmigration“ auf vier geradlinig verlaufenden Zugstraßen über die Oberfläche des Mitteldarms bewegen, um sich danach auf dem Darm zu verteilen. Während der Migrationsphase bilden die enterischen Neuronen NO-abhängig cGMP. Es gibt verschiedenen Möglichkeiten, pharmakologisch in die NO/cGMP- Signalkaskade einzugreifen (Abb. 4)

Durch pharmakologische Manipulationen im Embryo-Kultursystem konnte gezeigt werden, dass das NO/cGMP-System die Geschwindigkeit dieser Migration reguliert (Haase und Bicker, 2003; Knipp und Bicker, 2009a). Blockierung des Signalweges führt zu einer Verlangsamung der Migration.

Abb. 4: NO-cGMP-Signalweg und pharmakologische Eingriffsmöglichkeiten. Aktivierende Pharmaka sind grün unterlegt, blockierende rot. Außerdem kann man NO in Form von spontan zerfallenden und dabei NO freisetzenden Substanzen applizieren (blau). (aus Bicker und Stern, 2009)

Auch an anderen Stellen des peripheren Nervensystems ist eine Beteiligung des NO/cGMP- Signalweges an Entwicklungsvorgängen bekannt. In den Extremitätenanlagen von Insektenembryonen legen sogenannte Pionierneurone die erste Bahn von der Peripherie ins

(20)

2 Einleitung 14

ZNS, der später sensorischen und motorischen Axone folgen. Diese Pionierneurone sind cGMP-positiv und ihr Auswachsen ist z.B. in der Heuschreckenantenne abhängig von NO (Seidel und Bicker, 2000). Auch in den Beinanlagen lässt sich dies zeigen (Pätschke und Bicker, 2007). Dies passt zu Zellkultur-Untersuchungen an Wachstumskegeln von Neuronen der Schnecke Helisoma, deren Wachstumsverhalten konzentrationsabhängig von NO reguliert wird (Trimm und Rehder, 2004). Ob und wo NO auch bei der Entwicklung des Zentralnervensystems von Insekten eine Rolle spielt, ist bisher erst ansatzweise untersucht. In der Puppe von Drosophila ist das NO-cGMP-system bei der Umgestaltung des visuellen Systems, insbesondere beim Aufbau der retinalen Projektionen in den optischen Lobus des Gehirns beteiligt (Gibbs und Truman, 1998; Gibbs et al., 2001). In der Puppe des Tabakschwärmers (Manduca sexta) beeinflusst NO im optischen Lobus die Steroidhormon- kontrollierte Zell-Proliferation (Champlin und Truman, 2000). Ebenfalls in Tabakschwärmer- Puppen konnte gezeigt werden, dass bestimmte Neuronen im Gehirn NO-abhängig cGMP synthetisieren (Schachtner et al., 1998). Mit Ausnahme einer Studie von Ball und Truman (1998), die eine NO-abhängige Guanylyl-Cyclaseaktivität in bestimmten Neuronen zeigte, die zeitlich mit der Phase der Synaptogenese korrelierte gab es aus dem Zentralnervensystem des Heuschreckenembryos bisher keine Informationen über das Vorhandensein oder gar eine mögliche entwicklungsbiologische Beteiligung des NO-cGMP-Systems während der Embryonalentwicklung. Gerade über diese Spezies existieren aber besonders viele entwicklungsbiologische Arbeiten über die Entstehung des Zentralnervensystems. Vor allem die Pionierarbeiten am Bauchmark aus der Gruppe um C. S. Goodman aus den 1980er Jahren (review: Goodman und Bate, 1981; Thomas et al., 1984; Sanchez et al., 1995) und die Arbeiten über die Hirnentwicklung von G. S. Boyan, J. L. Williams und Mitarbeitern aus den letzten 15 Jahren (z.B. Boyan und Williams, 2000; Boyan et al., 2008) sind hier zu nennen.

Darum besteht hier dringender Forschungsbedarf.

(21)

3 Fragestellungen 15

3 Fragestellungen

Aus dem Themenkomplex der Bedeutung neuroaktiver Botenstoffe für die neuronale Plastizität wurden folgende Fragestellungen bearbeitet und werden im Folgenden vorgestellt:

1. Wie ist octopaminerge Modulation synaptischer Übertragung im visuellen System im Heuschreckenhirn organisiert, und welche Rolle spielen dabei zentrifugale Neuronen ?

2. Wie entwickeln sich serotonerge Neuronen im Heuschrecken-ENS und gibt es Evidenz für eine funktionelle Bedeutung von Serotonin bei dessen Entwicklung?

3. Ist Stickstoffmonoxid an Entwicklungsvorgängen im Zentralnervensystem der Heuschrecke beteiligt?

4. Können Entwicklungsvorgänge unter dem Einfluß neuronaler Botenstoffe in einem menschlichen neuronalen Zellkultursystem untersucht werden?

5. Sind Neurotransmitter auch geeignet, neuronale Plastizität unter einem phylogenetischen Aspekt zu betrachten?

(22)

4 Ergebnisse 16

4 Ergebnisse

4.1 Zentrifugale Neuronen in der Sehbahn der Heuschrecke und ihre Modulation durch Octopamin

(Veröffentlichung 5)

Im visuellen System der Heuschrecke tritt Neuromodulation zum Beispiel bei Habituations- und Dishabituationsvorgängen im Bewegungsdetektor-System auf. Eine Anzahl von bewegungssensitiven visuellen Neuronen hat Aufgaben bei der Kollisionsvermeidung im Flug sowie bei der Detektion von Feinden und der Einleitung von entsprechenden Ausweich- oder Fluchtmanövern. Dieses Bewegungsmelder-System zeigt Habituation bei ständiger Wiederholung desselben Bewegungs-Reizes, der daraufhin fast überhaupt nicht mehr beantwortet wird. Dies ist biologisch sinnvoll, da es inadäquat wäre wenn die Heuschrecke z.B. auf ein regelmäßig im Wind flatterndes Blatt mit Fluchtsprüngen reagieren würde. Wenn jedoch in der Umgebung des Tieres Veränderungen auftreten, die auf eine mögliche Feind- Annäherung hinweisen könnten, muss das System wieder “aufmerksam” werden und dishabituieren. Dies ist für das bewegungssensitive DCMD-Neuron schon seit langem bekannt (Rowell, 1971). Eine ganze Reihe von Reizen (Licht, Geräusche, Wind, Berührung) lösen dort Dishabituation aus. Neuronen, die diese Dishabituation vermitteln können, müssen drei Kriterien erfüllen: 1. sie müssen aus dem zentralen Gehirn in den optischen Lobus projizieren, 2. sie müssen auf die Dishabituation auslösenden Reize antworten, und 3. sie müssen einen Neuromodulator ausschütten, der Dishabituation bewirken kann.

Es gibt im Heuschreckenhirn einige für diese Aufgabe in Frage kommende Neuronen, die experimentell gut zugänglich sind, da ihre bis zu 60 µm großen Zellkörper unter dem Präparationsmikroskop freigelegt und identifiziert werden können (Stern et al., 1995). Eines von diesen, das Neuron PM1, wurde im Laufe der vorliegenden Arbeit charakterisiert (Stern, 2009).

Es existieren auf jeder Seite des Gehirns zwei Exemplare dieses Typs, die anatomisch und physiologisch nicht zu unterscheiden sind. Sie verzweigen sich im Proto- und Deutocerebrum, wo auch der Zellkörper lokalisiert ist, und senden ihr Axon in den optischen Lobus, wo sie sich in eine ausgedehnte Arborisation in der Medulla verästeln (Abb. 5A). PM1 ist multimodal und antwortet auf visuelle Reize (Licht, Objektbewegung), sowie auf

(23)

4 Ergebnisse 17

Abb. 5: Das Neuron PM1 und seine Modulation durch Octopamin. A:

Morphologie gezeichnet nach intra- zellulärer Kobaltfärbung. B-C: Doppel- färbung GAD (rot) und PM1 intrazellulär (grün) im optischen Lobus (B) und im zentralen Gehirn (C). D: Zeitverlauf der Antworten von PM1 auf wiederholte Bewegungsreize vor und nach Bad- Applikation von 5x10-4 M Octopamin. E Schematische Darstellung eines Ver- suchs zum Einfluss des octopaminergen PM4 auf PM1. F: Simultanableitungen von PM4 und PM1, PM4-Aktivität verstärkt die Antworten von PM1. al:

Antennallobus, lob: Lobula, med:

Medulla, pc: Protocerebrum, vlp:

ventrolaterales Protocerebrum.

(verändert aus: Stern, 2009)

mechanische Stimulation der Antennen und Haarsensillen am Kopf. Das Antwortverhalten auf visuelle Bewegungsreize entspricht dem einer ganzen Reihe von visuellen Interneuronen der Heuschrecke (Rind, 1987; Gewecke und Hou, 1993; Stern und Gewecke, 1993), deren Aufgabe wahrscheinlich im Kontext von Fluchtauslösung, Kollisionsvermeidung und ganz allgemein für Objektdetektion liegt. Es antwortet auf Bewegungen vor allem kleiner Objekte, hat keine Präferenz für eine bestimmte Bewegungsrichtung, und zeigt schnelle Habituation bei Wiederholung des selben Reizes (Stern, 2009). Der Neurotransmitter dieses Neurons ist GABA, was mit Hilfe von Doppelmarkierungen mit einem in den Zellkörper injizierten Farbstoff und Antikörpern gegen GABA oder das GABA synthetisierende Enzym Glutamat- Decarboxylase (GAD) nachgewiesen werden konnte (Abb. 4B, C). Die funktionelle Polarität (Eingangsregion im zentralen Hirn, Ausgang im optischen Lobus) wird durch das Vorhandensein von GAD in den Verzweigungen im optischen Lobus, aber dessen Fehlen in den Verzweigungen im zentralen Gehirn angezeigt. Damit konnte GAD hier zum ersten Mal im Insektenhirn als funktioneller Polaritätsmarker verwendet werden. Bestätigt wird dieser Befund durch doppelte intrazelluläre Ableitungen vom Zellkörper und aus dem Axon im optischen Lobus, die eine Leitungsrichtung vom Zentralhirn in die Peripherie anzeigen. Die funktionelle Bedeutung des PM1-Neurons ist noch nicht abschließend geklärt, kann aber im

(24)

4 Ergebnisse 18

Zusammenhang damit stehen, dass die Antworten des bewegungssensitiven visuellen Systems auf Antennenbewegungen durch Ausschüttung von GABA unterdrückt oder abgemindert werden. So kann verhindert werden, dass das Tier von Bewegungen der eigenen Fühler erschreckt und inadäquat zur Flucht veranlasst wird.

In der vorliegenden Arbeit wurden die Eigenschaften von PM1 als bewegungssensitives visuelles Interneuron genutzt, um die neuromodulatorische Beeinflussung von Habituationsvorgängen zu untersuchen. Es ist bereits in vorangegangen Arbeiten gezeigt worden, dass Bad-appliziertes Octopamin (das Wirbellosen-Analogon zu unserem Noradrenalin) Dishabituation in einem visuellen Neuron bewirken kann, genauso wie durch elektrische Stimulation bewirkte Octopaminausschüttung aus einem weiteren zentrifugalen Neuron, dem in Abb. 1 abgebildeten PM4 (Stern et al., 1995; Bacon et al., 1995; Stern, 1999).

Bei den Untersuchungen am DCMD wurde mit Hilfe extrazellulärer Ableitungen vom Halskonnektiv gearbeitet. Das in dieser Studie untersuchte PM1-Neuron bietet den Vorteil der leichten Zugänglichkeit für intrazelluläre Untersuchungen, die es ermöglichen, einen direkten Effekt des Neuromodulators auf das untersuchte Neuron auszuschließen. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Neuromodulation an den Eingangssynapsen der der bewegungssensitiven Neuronen im optischen Lobus erfolgt.

In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, daß die Habituation der Antwort von PM1 auf wiederholte visuelle Bewegungsreize durch Bad-Applikation von Octopamin aufgehoben werden kann (Abb. 5D) und dass die Habituation statt dessen auch durch gleichzeitige intrazelluläre Stimulation des octopaminergen Neurons PM4 aufgehoben wird (Abb. 5E, F).

Diese Modulation des PM1-Antwortverhaltens kann pharmakologisch durch Antagonisten des Octopamin-Rezeptors inhibiert werden.

Somit wissen wir jetzt, dass die Modulation der Habituation durch PM4 nachgewiesenermaßen octopaminerg ist, und dass octopaminerge Modulation visueller Habituation nicht auf das DCMD-Neuron beschränkt ist, sondern wahrscheinlich weit im visuellen System verbreitet ist. Mit dem hier charakterisierten PM1-Neuron gibt es jetzt ein für intrazelluläre Untersuchungen leicht zugängliches Testsystem für die Funktionsanalyse des visuellen Systems und seiner Beeinflussung durch neuronale Botenstoffe, wie hier am Beispiel des biogenen Amins Octopamin gezeigt wurde.

(25)

4 Ergebnisse 19

4.2 Serotonin bei der Entwicklung des enterischen Nervensystems der Heuschrecke

(Veröffentlichungen 5 und 10)

Abb. 6 Serotonin im enterischen Nervensystem der Heuschrecke. (verändert aus: Stern et al., 2007) Oben:

Halbschematische Zeichnung des Darms einer L1-Heuschreckennymphe, Serotonin-Immunreaktivität ist schwarz eingezeichnet. Unten: Detailfotos des Präparates, das der Zeichnung zugrunde lag (von links:

Frontalganglion, Vorderdarmplexus, Ingluvialganglion, Mitteldarmplexus), Abkürzungen: ca: Caecum, en:

Oesophageal-Nerv, fc: Frontal-Konnective, fg: Frontalganglion, fp: Vorderdarmplexus, hg:

Hypocerebralganglion, hig: Enddarm, ig: Ingluvialganglion, mp: Mitteldarmplexus, rn: recurrenter Nerv

Serotonin findet sich im gesamten enterischen Nervensystem in den Plexus des Vorder- und Mitteldarms, sowie in den Neuropilregionen der enterischen Ganglien (Abb. 6). Bis auf wenige Ausnahmen sind diese auf Fortsätze von etwa 40 serotonin-immunreaktiven Zellkörpern im Frontalganglion zurückzuführen. Im Verlaufe der vorliegenden Arbeit wurde die embryonale Entwicklung dieser Zellen analysiert. Die ersten Serotonin-immunreaktiven Zellen traten auf kurz bevor der Embryo 50% seiner Entwicklung abgeschlossen hatte. Um die dann sehr schwache Färbung zu verstärken und auch Details sichtbar zu machen, wurden die Präparate vor der Fixierung mit 5 µM Serotonin präinkubiert. Es ist bekannt, dass serotonerge Neuronen unter diesen Bedingungen Serotonin aus dem Kulturmedium aufnehmen. Der dieser Serotonin-Aufnahme zugrundeliegende spezifische Serotonin-

(26)

4 Ergebnisse 20

Transporter (SERT) ist sowohl in Wirbeltieren als auch bei Drosophila gut charakterisiert (Barker et al., 1998) und kommt auch in der Heuschrecke vor (Condron, 1999).

Schon bei erst zu 40% entwickelten Embryonen ließ sich SERT-Aktivität in einigen Neuronen des sich gerade bildenden Frontalganglions zeigen. Ohne Präinkubation mit Serotonin zeigen die Zellen zu diesem Zeitpunkt noch keine Serotonin-Immunreaktivität. Die SERT-Aktivität ist spezifisch, denn sie lässt sich mit einem spezifischem Serotoninaufnahme- Blocker, dem Antidepressivum Fluoxetine (Prozac) vollständig hemmen. Erst später beginnen die Zellen mit der Serotonin-Synthese, so dass sich im Frontalganglion während der Entwicklung immer mehr Zellen finden die zur Serotonin-Aufnahme befähigt sind, als schon selbst Serotonin synthetisieren. Erst mit dem Abschluss der Entwicklung, bei ca. 80% der Embryonalentwicklung gleichen sich die Zahlen an, und alle SERT-aktiven Neuronen produzieren auch selbst Serotonin (Abb. 7). Die Aufnahme der SERT-Aktivität

Abb. 7 Serotonin (schwarz) und SERT (weiß) im Frontalganglion während der Entwicklung des Heuschreckenembryos (aus Stern et al., 2007). Links: Jeder Punkt ist der Mittelwert ± S.E.M. der Anzahl immunreaktiver Zellkörper aus mindestens fünf Präparaten. (105% = frisch geschlüpfte Larven des ersten Stadiums (L1). Rechts: Beispiel, SERT bei 53%, Pfeil zeigt auf migrierendes Neuron, das schon SERT-Aktivität zeigt. Maßstab: 100 µm.

beginnt schon sehr früh, oft noch während der Migration der Neuronen von der neurogenen Zone zu ihrem Zielort im Frontalganglion (Abb. 7). Nach Erreichen ihres Bestimmungsortes bilden die serotonergen Zellen einen posterior wachsenden Neuriten, der sich im Hypocerebralganglion gabelt und über die paarigen Ingluvialganglien den Mitteldarmplexus innerviert. Dabei scheinen die auswachsenden serotonergen Fortsätze den über den Mitteldarm migrierenden Neuronen der zweiten Migrationsphase dicht zu folgen. Ob dieses Phänomen eine rein zeitliche Koinzidenz darstellt, oder ob die migrierenden Neuronen den für die nachfolgenden Fasern bestimmten Weg im Sinne eines Pionierneurons (Goodman und Bate, 1981) vorgeben, wurde mit einem pharmakologischen Manipulationsexperiment

(27)

4 Ergebnisse 21

untersucht (Stern et al., 2007). Dazu wurden Heuschreckenembryonen dorsal geöffnet, um Zugang zum Darm zu gewährleisten, und für 24 h in Kultur genommen, wobei bei einer experimentellen Gruppe das NO-cGMP-Signalsystem mit dem NO-Synthase-Inhibitor 7-NI ausgeschaltet wurde (siehe Kap. 4.3). Diese Manipulation verlangsamt die Migration der NO- responsiblen Neuronen, sollte aber keinen Effekt auf die nicht NO-responsiblen auswachsenden serotonergen Neuriten haben. Trotzdem verlangsamte sich nicht nur die neuronale Migration sondern in gleichem Maße auch das Auswachsen der serotonergen Neuriten, die stets hinter dem am weitesten migrierten Mitteldarmneuron blieben. Damit kann der Pioniercharakter der migrierenden Neuronen als erwiesen gelten.

Es stellte sich nun die Frage nach der möglichen Funktion der frühen Synthese von Serotonin, und der noch früheren Serotonin-Aufnahmekapazität der Neuronen des Frontalganglions. Da zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht einmal der Mitteldarm ausgebildet ist, und auch die an der Rhythmus-Genese für die Darmperistaltik maßgeblichen Ingluvialganglien nicht ausgebildet sind, ist eine andere Rolle als die Steuerung der Darmmotorik wahrscheinlich. Da Serotonin neben seinen Funktionen als Neurotransmitter auch für seine entwicklungssteuernden Eigenschaften bekannt ist, sollte in Gewebekulturversuchen das serotonerge System manipuliert werden, um eventuelle Auswirkungen auf das sich entwickelnde ENS festzustellen (Stern, z. Publ. eingereicht).

Abb. 8 SERT-Expression in enterischen Neuronen wird durch Serotonin reguliert. A-C: ENS gefärbt gegen Horseradish-Peroxidase als generellem neuronalen Marker (grün) und Serotonin (rot), wobei die Ganglien vor der Fixierung für 20 min in 5 µM Serotonin präinkubiert worden, so dass Zellen die den Serotonin-Transporter SERT exprimieren, Serotonin aus dem Medium aufnehmen konnten. A: Start bei 47%, B: nach 48 h in Kultur in normalem Zellkulturmedium (L15), C: ohne Kultur, 53%, das Stadium das nach 48 h in Kultur erreicht wird. D:

Gemittelte Anzahl (±S.E.M.) SERT-positiver Zellen pro Frontalganglion aus 10 Präparaten wie in A-C. E:

Gemittelte Anzahl (±S.E.M.) SERT-positiver Zellen pro Frontalganglion aus 10 Präparaten von 40% ENS vor bzw. nach 48 h in Kultur in ovo oder in L15, L15 mit 1 µM Serotonin (5-H-T) und/oder 2,5 µM des Serotonin- Antagonisten Mianserin. Statistische Signifikanzen (ANOVA mit Tukey's post hoc test): ** p<0,01, n.s. nicht signifikant (verändert aus Stern, z. Publ. eingereicht).

(28)

4 Ergebnisse 22

Es zeigte sich, dass in enterischen Nervensystemen in Gewebe-Kultur mehr serotonerge Neuronen gebildet werden als normal. Bei der Entwicklung von 47% nach 53% steigert sich normalerweise die Anzahl der SERT-exprimierenden Neuronen von 22 auf 30 (Abb. 8A, C, D). Nimmt man 47% ENS für 48 h in Kultur, was ungefähr einem Stadium von 53%

entspricht, steigert sich die Zahl jedoch auf ca. 45 (Abb. 8B, D), das sind mehr Zellen als selbst im adulten Stadium Serotonin synthetisieren. Während die Hämolymphe von Insektenembryonen Serotonin in hohen nanomolaren Konzentrationen enthält (Colas et al., 1995), befindet sich in normalem L15 Zellkulturmedium kein Serotonin. Darum wurde als nächstes dem Medium, in dem ENS kultiviert wurden, Serotonin beigegeben. Tatsächlich konnte die Zugabe von 1µM Serotonin verhindern, dass die Anzahl SERT-positiver Zellen in Zellkultur unnormal anstieg (Abb. 8E). Es gab keinen Unterschied mehr zu zeitgleich in ovo (bei natürlicher Serotonin-Konzentration) kultivierten Embryonen. Da die absolute Zellzahl pro Ganglion sich zwischen den Versuchen nicht signifikant unterschied, kann ein indirekter Effekt, z.B. über Beeinflussung von Proliferation oder Migration, ausgeschlossen werden. Es ist vielmehr so, dass der Anteil der serotonergen Zellen an der Gesamtzellzahl im Frontalganglion steigt. Der inhibierende Effekt des Serotonins auf die Ausprägung des serotonergen Phänotyps war spezifisch, denn er ließ sich durch gleichzeitige Zugabe des Serotoninrezeptor-Antagonisten Mianserin aufheben (Abb. 8E). Damit ist hier zum ersten Mal gezeigt worden, dass Serotonin einen direkten Einfluß auf die Expression eines Transmitter- Phänotyps haben kann.

(29)

4 Ergebnisse 23

4.3 Stickstoffmonoxid im Zentralnervensystem der Heuschrecke und sein Einfluß auf axonale Regeneration

(Veröffentlichungen 1, 2, 3, 6 und 9)

In diesen Arbeiten wurde untersucht, ob ähnlich wie im peripheren Nervensystem, NO auch Wachstumsvorgänge im Zentralnervensystem reguliert. Dazu musste zunächst untersucht werden, ob die NO-Synthase während der Entwicklung des ZNS dort sowohl vorhanden als auch aktiv ist. Hierzu wurden Komponenten des NO-cGMP-Signalweges im embryonalen und postembryonalen Nervensystem mit vier verschiedenen Nachweismethoden dargestellt (Stern et al., 2010). Dies sind die NADPH-Diaphorase-Technik, immunzytochemische Markierung der NOS, immunzytochemische Markierung von Citrullin und immunzytochemische Markierung von cGMP.

Die NADPH-Diaphorase-Technik macht es sich zu Nutze, dass 1. die NO-Synthase NADPH umsetzt und 2. dass sie im Gegensatz zu anderen NADPH umsetzenden Enzymen beständig gegenüber (milder) Fixation ist. Diese Färbereaktion wird allgemein als Nachweis für das Vorhandensein von NOS akzeptiert, und zwar sowohl bei Vertebraten (Dawson et al., 1991;

Hope et al., 1991) als auch bei Evertebraten (Müller and Bicker, 1994). Allerdings gibt es auch einige Beispiele, bei denen die NADPH-Diaphorase-Reaktion sowohl falsch positive als auch falsch negative Ergebnisse erzielte (z.B. Gibson and Nighorn, 2000).

Darum wurde als Ergänzung ein universelles Antiserum gegen NOS (uNOS) eingesetzt, das gegen eine konservierte Region sämtlicher im Wirbeltier vorkommender NOS-Proteine gerichtet ist, und das auch in Wirbellosen zur Markierung der NOS bereits erfolgreich verwendet worden ist (Kurylas et al., 2005). Dieses Antiserum wurde sowohl an Gewebeschnitten als auch im Western Blot eingesetzt. Als weitere Ergänzung diente der Nachweis von Citrullin. Diese Aminosäure entsteht als Nebenprodukt bei der Synthese von NO und wird im Nervensystem nicht schnell enzymatisch abgebaut (Martinelli et al., 2002).

Somit wird Citrullin in NO-produzierenden Zellen akkumuliert und kann dort nach entsprechender Fixierung mit einem monoklonalen Antikörper nachgewiesen werden.

Während mit diesen drei Methoden die Sender-Seite des NO-cGMP-Signalweges lokalisiert werden kann, dient die immunzytochemische Färbung von cGMP der Lokalisation der Empfänger-Seite. Dazu wird ein Präparat vor der Fixierung mit einem NO-Donor und einem Phosphodiesterase-Inhibitor inkubiert, so dass NO-abhängig cGMP gebildet wird, und nicht von Phosphodiesterasen wieder abgebaut werden kann.

(30)

4 Ergebnisse 24

Es ergab sich an Paraffinschnitten des adulten Nervensystems eine gute Übereinstimmung zwischen NADPH-Diaphorase-Färbung, uNOS und Citrullin, mit einer Ausnahme. Citrullin ließ sich im Pilzkörper nicht nachweisen, obwohl dort mit den anderen Färbemethoden eine deutliche und strukturierte Färbung vorhanden war. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, findet seine Erklärung jedoch darin, dass die Neuronen der Pilzkörper nur bei koinzidentem Input von bestimmten Eingängen verschiedener Sinnesmodalitäten aktiv sind (sogenanntes 'sparse coding', Perez-Orive et al., 2002), und deshalb wahrscheinlich die meiste Zeit kein NO freisetzen. Dieses Ausbleiben der Citrullin-Färbung im Pilzkörper ist daher auch ein guter Nachweis der Aktivitätsabhängigkeit dieser Färbung.

Abb 9: Schematische Darstellung der Entwickung des NO-cGMP-Signalweges im Heuschreckengehirn (aus Stern et al., 2010). Zeitpunkte (in Prozent der Embryonalentwicklung) der ersten Nachweisbarkeit von Komponenten des NO/cGMP-Signalweges im Heuschreckengehirn. al: Antennallobus, cbl: Zentralkomplex, untere Einheit, cbu: Zentralkomplex, obere Einheit, lam: Lamina, lob: Lobula, med: Medulla, ol dist: distaler optischer Lobus, ol prox: proximaler optischer Lobus, pc: Protocerebrum (Einzelzellen).

(31)

4 Ergebnisse 25

Im Folgenden wurde das Vorhandensein und die Aktivität der NOS im Verlauf der Embryonalentwicklung des Heuschrecken-ZNS untersucht. Im Western Blot von ganzen Embryonen ließ sich NOS ab 30% der Embryonalentwicklung nachweisen.

Im Gehirn wurden die ersten Zellen bei 43% mit der NADPH-Diaphorase-Technik angefärbt, im Bauchmark bei 47%. Im Vergleich zeigte sich, dass die Citrullin-Färbung wesentlich später einsetzte als die NADPH-Diaphorase-Färbung. Dies lässt darauf schließen, dass das Enzym zwar schon früher vorhanden aber noch nicht konstitutiv aktiv ist. In den meisten Regionen war die von NO induzierbare cGMP-Färbung noch früher nachzuweisen als NADPH-Diaphorase und Citrullin. Dementsprechend existiert der Rezeptor schon lange vor dem Liganden. Auffallend ist auch, dass die NOS in den wichtigsten Neuropil-Regionen des Gehirns wie den Pilzkörpern, dem Zentralkomplex, den Antennalloben und den optischen Loben erst nachgewiesen werden kann, wenn diese zumindest in ihrem grundlegenden Aufbau schon etabliert sind (Abb. 9). Dementsprechend ist es unwahrscheinlich, dass der NO-cGMP-Signalweg zu ihrer Entstehung beiträgt. Möglich ist allerdings ein Einfluß von NO auf nachfolgende Prozesse wie z.B. Synaptogenese und synaptische Reifung.

Abb. 10: NO-Synthase in der embryo- nalen Bauchganglienkette. A: NADPH- Diaphorase-Färbung bei 90%. B: Citrullin- Immunfluoreszenzfärbung bei 75%. C:

Schematische Verteilung der Citrullin- immunreaktiven Zellkörper bei 75% (aus 43 analysierten Präparaten), schwarz: in mehr als 66% aller Präparate, grau: in 33%-66%

aller Präparate, weiß: in weniger als 33%

aller Präparate. (verändert aus Stern et al., 010)

2

Auch in der ventralen Ganglienkette erscheint die NO-induzierte cGMP-Immunreaktivität früher (bei 45%, Ball und Truman, 1998) als die NADPH-Diaphorase-Färbung. Citrullin- Immunreaktivität setzt erst bei ca. 75% ein, und ist auch dann sehr variabel (Abb. 10). Wird

(32)

4 Ergebnisse 26

allerdings ein Nerv bei der Präparation verletzt, sieht man auch schon früher (bei 60%), und dann auch viel regelmäßiger eine Citrullin-Färbung (Stern et al., 2010). Dies lässt sich dadurch erklären, dass bei einer Axotomie an der verletzten Stelle Kalzium einströmt und die NOS zur NO-Synthese stimuliert. Es ist also zu erwarten, dass bei Schädigungen NO freigesetzt wird, welches dann auf benachbarte Neurone wirken kann. Aus diesem Grunde wurde die weitere Untersuchung eines möglichen Einflusses von NO auf axonales Wachstum im ZNS mit Hilfe eines Regenerationsparadigmas untersucht (Stern und Bicker, 2008a).

Zunächst musste gezeigt werden, dass das Zentralnervensystem der Heuschrecke prinzipiell zur Regeneration befähigt ist. Bis vor kurzem hielt sich die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei, basierend auf einem Artikel von Edwards (1969), die von späteren Autoren so übernommen wurde. Um dies zu klären, wurde bei Heuschreckennymphen eines der paarigen Halskonnektive gequetscht, was zur Axotomie der darin befindlichen Nervenbahnen führt (Pätschke et al., 2004). Das andere Halskonnektiv wurde unbeeinträchtigt gelassen und diente als interne Kontrolle. Zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Operation wurden die Nervensysteme der Versuchstiere präpariert und mit einem Antiserum gegen das Neuropeptid Proctolin gefärbt. Dieses kommt in den Halskonnektiven nur in zwei einzelnen Axonen vor die aus den Thorakalganglien Richtung Unterschlundganglien und Gehirn ziehen (Keshishian und O'Shea, 1985). Diese proctolinergen Axone sind hervorragend geeignet, um die Reaktion auf Axotomie am Beispiel identifizierter Zellen zu untersuchen, die von Tier zu Tier wiedergefunden werden können. Es zeigte sich, dass innerhalb von sechs Tagen das distale, vom Zellkörper abgetrennte Segment der axotomierten Neuronen im Unterschlundganglion vollständig degeneriert war (Abb. 11). Nach neun Tagen waren im Unterschlundganglion erste von posterior wieder eingewachsene Proctolin-immunreaktive Fortsätze zu sehen und nach 21 Tagen war die typische Verzweigungsform mit vier dichten Büscheln Proctolin- immunreaktiver Fortsätze wiederhergestellt. Damit ist gezeigt, dass Neuronen des Heuschrecken-ZNS sehr wohl zur Regeneration fähig sind.

(33)

4 Ergebnisse 27

Abb. 11: Regeneration proctolinerger Neurone in Heuschreckennymphen nach Quetschen des Halskonnektivs (verändert aus Pätschke et al., 2004). Oben: Schematische Darstellung des Heuschrecken- ZNS, Pfeilspitze zeigt auf die Quetschstelle. A-D: Fotografien, E- H: Zeichnungen immunzyto- chemisch gefärbter proctolinerger Fasern des Unterschlundganglions zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Quetschung.

Um jetzt an diesem Tier die Mechanismen der Regeneration untersuchen zu können, und insbesondere zu testen ob das NO/cGMP-system die Regeneration beeinflussen kann, stößt man bei den adulten oder juvenilen postembryonalen Insekten schnell an Grenzen. Es ist für solche Untersuchungen zwingend notwendig, über die Dauer des Experiments Pharmaka zu applizieren. Dies wird vor allem in Hinblick auf die lange Dauer des Regenerationsprozesses schwierig.

Alternativ lässt sich die Regeneration an einem Embryo-Kultursystem untersuchen (Stern und Bicker, 2008a). Der späte Embryo (ab 65% Entwicklung) hat schon ein weitgehend vollständiges Nervensystem und enthält funktionelle Synapsen. Sein Nervensystem bietet aber, da es sich noch im Aufbau befindet, ein wachstumsfreundlicheres Milieu als das postembryonale. Außerdem sind die von regenerierenden Axonen zu bewältigenden Strecken im kleinen Embryo viel kürzer als in der erwachsenen Heuschrecke, so dass auch aus diesem Grund kürzere Regenerationszeiten zu erwarten sind. Für eine begrenzte Zeit ist es möglich, Embryonen in Kultur zu halten und mit geeigneten Maßnahmen sicherzustellen, dass Pharmaka, die ins Kulturmedium gegeben werden, an den zu untersuchenden Wirkort

(34)

4 Ergebnisse 28

gelangen. Dieser Kulturansatz sollte auch für die axonale Regeneration im Heuschreckenembryo angewandt werden.

Abb. 12: Stickstoffmonoxid fördert die Regeneration serotonerger Axone im Heuschreckenembryo. A:

Filet-Präparat eines zu 65% ent- wickelten Heuschreckenembryos in Kultur. Das Zentralnervensystem ist freigelegt. B: Eines der beiden Kon- nektive zwischen zwei Abdominal- ganglien wird an zwei Stellen gequetscht (Pfeilspitzen). Danach wird das Präparat für 48 h bei 30°C kultiviert. C: Fluoreszenzfärbung der vier in jedem Ganglion vorhandenen intersegmentalen serotonergen Inter- neuronen, 48 h nach dem Quetschen.

D: Unter Kontrollbedingungen rege- nerieren nach 48 h ca. 40% der gequetschten Axone, in Gegenwart des NO-Donors NOC-18 (500 µM) mehr als 60%. E: Abfangen von intern produziertem NO mit dem Scavenger cPTIO reduziert die Regeneration, dies lässt sich im Rescue-Versuch mit membranpermeablem cGMP (8Br-cGMP) teilweise aufheben. F:

Inhibition der NO-abhängigen sGC mit ODQ (200µM) reduziert Regeneration, dies wird im Rescue mit 8Br- cGMP wieder aufgehoben. Daten in D-F sind Mittelwerte aus mindestens 10 Embryonen. G: NADPH- Diaphorase-Färbung zeigt, dass zu diesem Zeitpunkt NO produzierende Neurone vorhanden sind. H: Konfokale Aufnahme einer Doppel-Färbung gegen Serotonin und cGMP nach Stimulation mit einem NO-Donor. Viele Neurone antworten auf NO mit cGMP-Produktion, die serotonergen sind auch darunter. (aus. Bicker und Stern, 2009)

Zu diesem Zweck musste zunächst ein Embryo-Kultursystem entwickelt werden, das einen freien Zugang für Pharmaka gewährleistet, ohne Wachstums- und Regenerationsvorgänge zu sehr zu beeinträchtigen. Dazu wird der Embryo dorsal geöffnet, der Darm entnommen und das Nervensystem freigelegt, indem mit zwei feinen Pinzetten das ventrale Velum entfernt wird, welches das Nervensystem von der Körperhöhle trennt. Danach wird der Embryo auf einen Tropfen unpolymerisiertem Sylgard gegeben und mit Zellkulturmedium überschichtet.

Aufgrund der in diesem Stadium schon vorhandenen hydrophoben Cuticula breitet sich der

(35)

4 Ergebnisse 29

Embryo zwischen dem hydrophoben Sylgard und dem Zellkulturmedium aus (Abb. 12A).

Dieses Präparat kann über mehrere Tage in Kultur gehalten werden.

Quetscht man nun in solchen Präparaten einen der paarigen Nerven, die die Ganglien des Bauchmarks verbinden, werden die darin verlaufenden Axone zerstört (Abb. 12B). Mit immunzytochemischen Methoden kann man die dadurch bedingte Degeneration und spätere Regeneration einzelner Axone verfolgen und quantifizieren. Dazu wurden exemplarisch die serotonergen Axone herausgegriffen, die aus den bei Heuschrecken (Taghert und Goodman, 1984; Condron, 1999) und Drosophila (Lundell und Hirsh, 1998) eingehend untersuchten Interneuronen S1 und S2 entspringen. Durch jedes abdominale Konnektiv laufen in diesem Entwicklungsstadium genau vier serotonerge Axone, die sich einfach mit einem Antikörper gegen Serotonin anfärben lassen (Abb. 12C).

Innerhalb von zwei Tagen regenerieren ca. 40% der Axone über die Quetschstelle hinaus, und nach 4 Tagen in Kultur haben einzelne Axone das Neuropil des nächsten Ganglions erreicht.

Appliziert man nun während der Kultur Substanzen, die NO freisetzen, erhöht sich dieser Prozentsatz signifikant (Abb. 12D). Nicht nur extern zugefügtes Stickstoffmonoxid, sondern auch intern produziertes kann Regeneration fördern: Fängt man nämlich intern produziertes NO mit einem NO-Scavenger ab, ist die Regeneration reduziert (Abb. 12E). Wie oben erwähnt, kommen als interne NO-Quelle neben Hämozyten vor allem NOS exprimierende Neurone in Frage, deren Axone durch den Quetschvorgang geschädigt werden, was zum Kalziumeinstrom und zur Kalziumabhängigen NO-Produktion führt. Die NO-Produktion in gequetschten Axonen konnte in der vorliegenden Arbeit mit Hilfe der Citrullin- Immunomarkierung nachgewiesen werden (Stern et al., 2010).

Wie im peripheren Nervensystem erfolgt auch im ZNS die Wirkung von NO zumindest teilweise über cGMP als second messenger. Wird die als NO-Rezeptor fungierende sGC inhibiert, ist die Regeneration reduziert, lässt sich aber im Rescue-Versuch durch Zugabe von 8Br-cGMP teilweise wiederherstellen (Abb. 12F). Die serotonergen Interneurone selbst, die hier als Beispiel betrachtet wurden, wie auch eine Vielzahl anderer Zellen vermag auf NO- Stimulation mit erhöhter cGMP-Produktion zu antworten, wie sich immunzytochemisch nachweisen lässt (Abb. 12H), so dass man von einem allgemeinen Effekt ausgehen kann.

(36)

4 Ergebnisse 30

4.4 Neurotransmitter und synaptische Modulation durch Stickstoffmonoxid in menschlichen Modellneuronen

(Veröffentlichungen 7 und 8)

In diesem Teil der Arbeit soll ein einfaches Modellsystem mit menschlichen Neuronen in Kultur vorgestellt werden, an dem die im Vorausgehenden an Evertebraten-Nervensystemen verwendeten Methoden und Fragestellungen auf den Menschen übertragen werden sollen.

Bevor die mit der in unserem Labor entwickelten Methode (Abb. 3) quasi im Schnellverfahren generierten Zellen nun als in vitro-Modell für das menschliche Gehirn eingesetzt werden können, muss gezeigt werden, dass sie normalen menschlichen Neuronen entsprechen und sich auch nicht wesentlich von den im früher üblichen langsamen Verfahren generierten NT2-Neuronen unterscheiden. Darum wurden die nach der neuen Methode gewonnen NT2-Neuronen im Verlaufe der vorliegenden Arbeit umfassend charakterisiert (Podrygajlo et al., 2009a). Insbesondere wurde untersucht, ob alle entstehenden Zellen neuronale Charakteristika aufweisen, ob Anzeichen für synaptische Kontakte feststellbar sind und welche neuronalen Botenstoffe die Neuronen verwenden. Als neuronale Marker dienten die für Neuronen typische Mikrotubuli-Untereinheit ß-Tubulin III (ßTubIII), das vor allem in Dendriten vorkommende Mikrotubuli-assoziierte Protein 2 (Map2), das in phosphorylierter Form vor allem in Axonen vorkommende Phospho-Tau-1 (Tau) und das in präsynaptischen Endigungen lokalisierte Synapsin. Als Marker für undifferenzierte Zellen diente das Intermediärfilament Nestin (Tab. 2).

Tage nach Neuronen- gewinnung

-14 (RA) -10 (Inhib.) 0 7 14 28

Nestin ++ ++ 0 0 0 0 ßTubIII 0 + ++ ++ ++ ++

Map2 0 + ++ ++ ++ ++

Tau - - - 0 ++ ++

Synapsin - - - 0 ++ ++

Tab. 2: Zeitliche Entwicklung einiger typischer Marker-Proteine während der NT2-Differenzierung und Neuronenkultur. (++: in mehr als 90% der Zellen, +: in 10-20% der Zellen, 0: in weniger als 10% der Zellen, -:

in keiner Zelle, RA: während der adhärenten Kultur in Gegenwart von Retinsäure, Inhib.: Zu Beginn der Behandlung mit Mitoseinhibitoren)

(37)

4 Ergebnisse 31

Es ergab sich, dass die ersten ßTubIII- und Map2-positiven Neuronen während der Differenzierungsphase in Retinsäure-Medium auftraten. Am Ende der Differenzierungsphase enthalten die Kulturen 10-20% ßTubIII- und Map2-positive Zellen. Die gewonnenen Neuronen enthalten nach dem erneuten Aussäen weniger als 5% Nestin-positive, undifferenzierte Zellen, die sich aber nicht mehr teilen. Nach dem Aussäen beginnen die Neuronen, Fortsätze auszubilden, in denen sich nach ca. 2 Wochen axonale und synaptische Marker nachweisen lassen (Tab. 2). Glia-Typische Marker, wie z.B. glial fibrillary acidic protein (GFAP) wurden zu keinem Zeitpunkt gefunden, so dass davon auszugehen ist, dass hier eine reine Neuronen-Kultur vorliegt.

Im Folgenden wurden Neurotransmitter bzw. Neurotransmitter-spezifische Marker bei ausgewachsenen Kulturen (28 Tage in Kultur) untersucht (Abb. 13, Tab. 3). Die Neurotransmitter Serotonin, Glutamat, GABA und Dopamin lassen sich direkt mit gegen sie gerichteten Antikörpern markieren. Das ist beim Acetylcholin nicht möglich, da die Verbindung instabil ist und sich nicht fixieren lässt. Statt dessen kamen Antiseren gegen das Acetylcholin synthetisierende Enzym Cholin-Acetyl-Transferase (ChAT) und gegen den vesikulären Acetylcholin-Transporter (VAChT) zum Einsatz. Auch die Befunde bei Glutamat, GABA und Dopamin wurden abgesichert durch Immunfärbungen gegen einen vesikulären Glutamat-Transporter (VGluT1), das GABA synthetisierende Enzym Glutamat- Decarboxylase (GAD) und das Dopamin synthetisierende Enzym Tyrosin-Hydroxylase (TH).

In jedem Fall ergab sich eine Bestätigung des Befundes.

Abb. 13: Neurotransmitter in NT2-Neuronen.

Immunfluoreszenzfärbungen gegen Neurotransmitter bzw. Neurotransmitter-spezifische Markerproteine an 2 Wochen alten NT2-Neuronenkulturen. ChAT: Cholin- Acetyl-Transferase, GAD: Glutamat-Decarboxylase, 5- HT: Serotonin, vGluT1: vesikulärer Glutamat-Transporter 1, Maßstab 50 µm (100 µm für Glutamat und GABA).

(verändert aus Podrygajlo et al., 2009a)

(38)

4 Ergebnisse 32

Der hohe Anteil von cholinergen NT2-Neuronen spricht dafür, dass diese Kultur eher Ähnlichkeiten mit spinalen als mit Hirn-Neuronen hat. Im Rückenmark kommt eine größere Anzahl cholinerger (Moto-)Neurone vor. In einem Versuch, den ohnehin schon hohen Prozentsatz cholinerger Neuronen noch weiter zu steigern, wurde pharmakologisch in das BMP/sonic hedgehoc-System eingegriffen, das maßgeblich an der Motoneuron- Differenzierung im Rückenmark beteiligt ist. Allerdings veränderten weder die Zugabe von sonic hedgehoc-Protein oder dem sonic hedgehoc-Rezeptor aktivierenden Faktor Purmorphamin, noch die Inhibition des BMP-Signalweges mit dem Faktor noggin den Prozentsatz cholinerger Neuronen. Möglicherweise reicht allein die hohe Retinsäure- Konzentration, die zur Differenzierung der NT2-Neuronen eingesetzt wurde aus, um einen größtmöglichen Anteil cholinerger Neuronen zu erzeugen. Retinsäure ist dafür bekannt, als caudalisierendes Signal zu wirken (Maden, 2002), so dass es nicht verwunderlich ist, einen für Rückenmarks-Neuronenpopulationen typischen cholinergen Anteil zu erhalten.

Transmitter Prozentsatz Neuronen Acetylcholin 37%

Glutamat 40%

GABA 15%

Serotonin 2%

Dopamin 0%

Tab. 3: Neurotransmittersyteme in NT2-Neuronen, 28 Tage in Kultur. Dargestellt ist der Prozentsatz der Neuronen (bezogen auf DAPI-gefärbte Zellkerne) die mindestens einen der getesteten Marker für das entsprechende Transmittersystem aufweisen.

Für eine caudale Identität der NT2-Neurone spricht auch der sehr geringe Anteil serotonerger, und die völlige Abwesenheit dopaminerger Neuronen, die beim Menschen nur im Gehirn vorkommen. In konventionell erzeugten NT2-Neuronen konnte ein dopaminerger Phänotyp durch Zugabe von Lithium (Zigova et al., 1999, 2000) oder die Applikation einer Mixtur von FGF1 und verschiedenen Co-Aktivatoren (Iacovitti et al., 2001) erreicht werden. Diese Versuche führten bei unseren NT2-Neuronen in keinem Fall zu dopaminergen Neuronen (Podrygajlo et al., 2009a). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die mit dem optimierten Verfahren generierten NT2-Neuronen bezüglich ihrer Neurotransmitter eine inhomogene Population darstellen, wie es ja auch bei den Neuronen des menschlichen ZNS der Fall ist.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Durch die erniedrigten Calciumkonzentrationen werden auch Calcium-abhängige Enzyme blockiert, zum Beispiel Calcium-abhängige PKC-Isoformen oder die kleine GTPase

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich in Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen in unserer Studie ein Einfluss des Val66Met-Polymorphismus auf die

Unsere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass diese Regulation auch für COS-7 Zellen zutrifft und bei einer Koexpression von IRAG∆Int (Interaktionstelle mit cGKIβ deletiert) mit

Diese direkte Nef-Aktin Interaktion wurde im Hefe-II-Hybrid-System bestätigt (Fackler et al., 1997a und 1997b) und es konnte gezeigt werden, daß Nef für eine stabile Aktin-

Anmerkungen und Empfehlungen sowie Darstellung der verbindlichen Absprachen der Fachkonferenz Das Auge - Wie werden optische. Reize in elektrische Potentiale

Auch der Einfluss diverser Substitutionsmittel zur Behandlung von Opioid- Abhängigkeit wurde bereits von einigen Studien aufgegriffen, wobei hier unterschiedliche

Hat die Kavallerie für die schweizerische Armee noch eine Existenzberechtigung oder soll sie zu Gunsten der anderen Waffen aufgehoben oder reduziert

Dennoch hatte die deutliche Reduktion von zirkulierenden hepatischen APP bei den gp130– Tieren die Entstehung und Progression von Schaumzell-Läsionen bis hin zu