Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 47|
22. November 2013 A 2255 TRANSPLANTATIONOrganspenderate bleibt 2013 niedrig
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hofft auf eine Trendwende bei der Entwicklung der Organspendezahlen. Optimistisch stimmt ein Zuwachs der schriftlichen Willensbekundungen in Form von Spenderausweisen.
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ie Organspendezahlen in Deutschland bleiben vorerst auf einem Tiefstand: Nach ihrem massiven Einbruch im zweiten Halb- jahr 2012 sind sie in diesem Jahr er- neut gesunken. Das teilte die Deut- sche Stiftung Organtransplantation (DSO) am 12. November auf ihrem 9. Jahreskongress in Berlin mit.Von Januar bis Oktober 2013 konnten nach DSO-Angaben bun- desweit nur von 754 postmortalen Organspendern Organe entnommen werden; im Jahr 2012 gab es in die- sem Zeitraum noch 892 postmorta- le Spender. Dies entspricht einem nochmaligen Rückgang von 15,5 Prozent, nachdem im vergangenen Jahr die Spenderzahl bereits um 11,9 Prozent gegenüber 2011 ge- sunken war. Aufgrund eines sehr sorgfältigen Umgangs mit den ge- spendeten Organen und nur gering- fügig notwendigen Verwerfungen sank 2013 die absolute Anzahl der postmortal gespendeten Organe we- niger stark (–11,8 Prozent), und zwar von 3 001 in 2012 auf 2 647 in diesem Jahr.
„Die Talsohle ist hoffentlich durchschritten“
Trotz dieses momentan noch herr- schenden Rekordtiefs sieht Dr. jur.
Rainer Hess Anlass für Optimismus.
Seit Mitte des Jahres zeige sich wie- der eine stabilere Entwicklung bei den Spenderzahlen, erklärte der hauptamtliche Interimsvorstand der DSO. „Wir hoffen, dass die Talsohle jetzt durchschritten ist“, sagte Hess und betonte, dass es das derzeitige Hauptbestreben der DSO sei, Trans- parenz zu schaffen. „Die bereits um- gesetzten Maßnahmen und bevorste- henden Verän derungen führen Schritt für Schritt zu einem qualitätsorien- tierten, bewertbaren und damit mani- pulationssicheren Transplantations- wesen“, sagte er. „Noch befinden wir
uns in einem Veränderungsprozess, aber die Weichen für eine Trendwen- de sind bereits gestellt.“
Als ein positives Zeichen wertet die DSO, dass mittlerweile immer mehr Menschen Organspendeaus- weise besitzen, die als Entschei- dungsgrundlage für die Organspen- de dienen. Bei dem Anteil der Zu- stimmungen zur Organspende ha- be es ein deutliches Wachstum der schriftlichen Willensbekundung von 7,3 Prozent in 2010 auf 14,3 Pro- zent im Oktober 2013 gegeben, sag- te der Kaufmännische DSO-Vor- stand, Thomas Biet.
Als mögliche (Teil-)Ursachen für den derzeit jedoch zu verzeichnen-
den Rückgang der Organspendezah- len kommen aus Sicht der DSO zwei Faktoren in Betracht: So reduzierte sich die Zahl der hirntoten Personen, die von den Krankenhäusern als für eine Organspende infrage kommend gemeldet wurden, von 2 778 im Jahr 2011 auf 2 594 im Jahr 2012 und schließlich auf 2 219 hochgerechnet 2013 (Grafik). Somit wurden auch weniger Angehörigengespräche ge-
führt. Der Rückgang der Meldungen sei auf eine mögliche Verunsiche- rung innerhalb der Ärzteschaft zu- rückzuführen, räumte Biet ein. Ne- ben der Aufklärung der Bevölkerung sei es deshalb genauso wichtig, die Krankenhäuser und insbesondere die Transplantationsbeauftragten profes- sionell zu unterstützen.
Zustimmungsrate der Angehörigen sank
Auf eine Verunsicherung der Be- völkerung beim Thema Organspen- de durch die Skandale in der Trans- plantationsmedizin weist die Zu- stimmungsrate der Angehörigen zu einer Organspende hin: Während 2012 noch 61,2 Prozent der Ange- hörigen nach einem Gespräch im Krankenhaus der Organspende ih- res Verwandten zustimmten, geneh- migten dies in diesem Jahr nur 58 Prozent. Für Prognosen darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt sich eine Aufwärtsentwicklung der Organ- spendezahlen abzeichnen könnte, ist es nach Ansicht der die DSO noch zu früh. Sie ist jedoch zuver- sichtlich, dass die Ergebnisse der ersten drei Quartale 2013 nicht mehr unterschritten werden.
Ob für die Ärzteschaft oder die Bevölkerung insgesamt – absolute Transparenz in den Abläufen der Or- ganspende und Transplantation sei die grundlegende Voraussetzung da- für, dass die Menschen dem System wieder vertrauen, betonte Hess. Ein entscheidender Schritt hierzu sei der Aufbau des geplanten sektorenüber- greifenden Transplantationsregisters.
Nach einer Zusammenführung der pseudonymisierten Daten der DSO, von Eurotransplant und des Gemein- samen Bundesausschusses sowie ei- ner neuen Verschlüsselung könne ein solches Register jedoch frühestens 2015 starten, meinte der Jurist.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann GRAFIK
Der Rückgang der Meldungen könnte nach Ansicht der DSO auf eine Ver- unsicherung auch der Ärzte zurückzu- führen sein.
Postmortale Organspender und Meldungen in Deutschland
2010 2011 2012 2013*
3 500 3 000 2 500 2 000 1 500 1 000 500 0
2 760
1 296 1 200
1 046
905
*Hochrechnung 2013 2 219 2 594
2 778 Organspender
Meldungen von Hirntoten durch die Krankenhäuser
Quelle: DSO, Stand 7. November 2013