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Archiv "Private Medical Schools: Wie Pilze aus dem Boden" (17.10.2014)

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A 1778 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 42

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17. Oktober 2014

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ine neue private „Medical School“ ist am Start: 50 Abi- turienten studieren seit September Medizin am Nürnberger Standort der Paracelsus Medizinischen Pri- vatuniversität Salzburg (PMU), die mit dem kommunalen Klinikum Nürnberg kooperiert. Kostenpunkt:

67 500 Euro für fünf Jahre. Sofern erfolgreich, erhalten sie einen öster- reichischen Studienabschluss. Nach

dem EU-Niederlassungsrecht kön- nen sie damit in jedem Mitglieds- staat als Arzt arbeiten.

Der Andrang ist groß: Etwa 1 000 junge Menschen bewarben sich in diesem Sommer in Nürn- berg/Salzburg. Dabei ist die PMU Nürnberg keineswegs die einzige private Medizinische Hochschule, die sich in den letzten Jahren in Deutschland etabliert hat (Kasten).

Nahezu wie Pilze schießen sie aus dem Boden, denn die Nachfrage nach den Medizinstudienplätzen, für die ein Einser-Abitur nicht zwingend notwendig ist, ist sehr groß. Die Rolle der privaten Me - dical Schools in der deutschen Hochschulmedizinlandschaft ist in- des umstritten. Können die Mo - delle helfen, den Ärztemangel in

Lehre in den Grundlagenfächern und verleiht den akademischen Grad. Das kann mitunter bereits nach fünf Jahren der Fall sein, wäh- rend hierzulande das Studium nach dem sechsten Jahr, dem praktischen Jahr, abgeschlossen ist.

„Staatenübergreifende medizini- sche Ausbildungen lassen sich nicht pauschal beurteilen. Derzeit haben wir es jedoch mit einer nahezu un- kontrollierten Zunahme von neu ge- gründeten Medical Schools zu tun, die große Unterschiede aufweisen“, erklärte Prof. Dr. rer. nat. Peter Die- ter, amtierender Präsident der AMSE, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Nach Ansicht des deut- schen Hochschullehrers müsste ei- gentlich jede Medical School indi- viduell geprüft werden. „Dazu be- nötigen wir Standards für die Quali- tätssicherung der Ärzteausbildung an den Fakultäten und den ausbil- denden Krankenhäusern.“

Ein gemeinsames Qualitätssiche- rungsverfahren zu erarbeiten, sieht Dieter als eine seiner vordringlichs- ten Aufgaben als AMSE-Präsident.

„Werden diese noch zu definieren- den Standards nicht erfüllt, dürfte es nach meiner Ansicht keine auto- matische Anerkennung der Lizenz als Arzt und keine freie länderüber- greifende Berufsausübung geben“, betonte er. Bislang sei das jedoch der Fall. Auch der Dekan des Fach- bereichs Medizin an der Universität Frankfurt/Main, Prof. Dr. med.

Josef Pfeilschifter, hält das für ge- fährlich. „Das deutsche Recht wird durch die aus ländischen Program- me umgangen, wobei der Staat nur zuschaut. In meinen Augen ist das ein Versagen unseres politischen Systems“, sagte er auf dem AMSE- Treffen.

De facto erhalten deutsche Stu- dierende derzeit nach erfolgreichem Studium an einer privaten Medical School die Lizenz zur ärztlichen Berufsausübung des Landes, in dem sie immatrikuliert waren. Nach der Richtlinie 2005/36/EG ist die Ärztin beziehungsweise der Arzt dann berechtigt, in jedem EU-Land zu arbeiten, ohne dass nochmalige Prüfungen notwendig sind. „Im Nor- malfall wird die deutsche Approba- tion erteilt“, bestätigte Dieter.

Foto: dpa

PRIVATE MEDICAL SCHOOLS

Wie Pilze aus dem Boden

Ein neues Phänomen taucht in der deutschen Hochschulmedizin - landschaft auf: Medical Schools. Ihre Rolle ist noch unklar.

Deutschland zu mindern? Oder las- sen sie die Qualität der Ausbildung zum Arzt sinken? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Auch die Gemeinschaft der Me- dizinischen Fakultäten in Europa (AMSE, Association of Medical Schools in Europe) fragte bei ihrer diesjährigen Tagung im September in Berlin: „Evolution der Medical Schools – Sind wir in Gefahr?“ Da-

bei wurde deutlich: Es existieren zwar europarechtliche Rahmenbe- dingungen für eine Berufsanerken- nung als Arzt, jedoch keine konkre- ten Qualitätsvorgaben für die ärztli- che Ausbildung.

Die Schulen lassen sich nicht pauschal beurteilen

Problematisch ist, dass sich die hu- manmedizinischen Studiengänge an staatlichen und privaten Hoch- schulen teilweise deutlich vonei- nander unterscheiden können. Bei den hierzulande bereits etablierten privaten Medical Schools sorgen meist deutsche Krankenhäuser für den Praxisteil und einen Teil der Lehre. Eine ausländische Hoch- schule garantiert unter ihrem uni- versitären Siegel gewöhnlich die

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17. Oktober 2014 Davon gehen auch die 50 neuen

Medizinstudierenden in Nürnberg aus. Die Technische Hochschule Nürnberg übernimmt ihre Ausbil- dung in den naturwissenschaft - lichen Grundlagenfächern. Ein Wechsel nach Salzburg ist für sie nicht vorgesehen. Denn der neue Standort Nürnberg wurde Anfang dieses Jahres per Beschluss der ös- terreichischen Agentur für Quali- tätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria) und durch das öster- reichische Wissenschaftsministeri- um offiziell anerkannt. Somit gel- ten nun auch in Nürnberg die aka- demischen Vorgaben und Qualitäts- standards der PMU. „Für das Klini- kum Nürnberg ist die Kooperation mit Salzburg ein wichtiger Schritt“, sagte Dr. med. Günter Niklewski, Ärztlicher Direktor des Klinikums Nürnberg. Er hofft, auf diese Weise Ärzte ans Haus binden zu können.

Der Medizinische Fakultätentag (MFT) und der Verband der Univer- sitätsklinika (VUD) haben diesem Studiengang gegenüber starke Vor- behalte. Es mangele an einer fun- dierten Vorklinik an einer Universi- tät. Zudem würden die klinischen Fächer ohne die für Lehre und For- schung notwendigen Ressourcen gelehrt. „Im Interesse der Patienten und der Studierenden muss die Aus- bildung mit gleichwertigen Quali- tätsanforderungen an ein wissen- schaftliches Universitätsstudium stattfinden“, fordert MFT-Präsident

Prof. Dr. rer. nat. Heyo Kroemer.

„Dies für das Studium zu gewähr- leisten, ist Aufgabe der Wissen- schaftsministerien, für die Appro- bation ist es Aufgabe der Gesund- heitsministerien“, erklärt Prof. Dr.

med. Michael Albrecht, Vorsitzen- der des VUD.

Beide Organisationen weisen da- rauf hin, dass aus der Berufsaner- kennungsrichtlinie nicht die Pflicht folgt, die Approbation nach § 3 der Bundesärzteordnung unbesehen zu erteilen. Der Ausstellungsstaat sei an die Mindestvoraussetzungen ei- nes Medizinstudiums gebunden.

Das Studium an einer Universität bedeute wissenschaftliche Lehre durch qualifizierte Hochschulleh- rer, ein breites Fächerangebot und eine Forschungsinfrastruktur.

Es gelten die Qualitätskriterien der einzelnen Staaten

Der Vizerektor der PMU, Standort Nürnberg, Prof. Dr. med. Wolfgang Söllner, verweist gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt auf zusätzli- che Qualitätsstandards für die Wis- senschaftlichkeit der Lehre in Nürnberg: „Das Studium wurde in Anlehnung an das Curriculum der Mayo Medical School in Rochester/

USA entwickelt, das durch eine an den Kompetenzen orientierte, fä- cherübergreifende Lehre und eine Verzahnung von theoretischer und praktischer Lehre geprägt ist“, be- richtet er. Alle Studierenden müss-

ten den ersten Teil der Amerikani- schen Zulassungsprüfung für Ärzte sowie ein Forschungstrimester ab- solvieren und eine wissenschaftli- che Arbeit anfertigen.

„Was soll falsch daran sein, mehr Mediziner im Land selbst auszubil- den?“, fragt Söllner. „Wir stimmen mit unseren Kritikern darin überein, dass das Medizinstudium strengen Qualitätskriterien entsprechen muss.

Diese europaweit zu regeln, würden wir begrüßen. Solange es aber kei- ne europaweiten Regelungen gibt, gelten die Qualitätskriterien des je- weiligen Staates, in dem die Uni- versität akkreditiert ist.“

Dass es an der wissenschaftlichen Grundausbildung der Medizinstu- dierenden an den privaten Medical Schools mangeln könnte, befürchte- te auf der AMSE-Tagung auch Prof.

Dr. med. Frank Ulrich Montgomery:

„Wir brauchen eine starke, wissen- schaftsbasierte Ausbildung. Das heißt, die Universitäten dürfen nicht nur in der Lehre aktiv sein, sondern müssen auch in der Forschung Ex- pertise aufweisen können“, sagte der Präsident der Bundesärztekam- mer. „In Deutschland haben alle staatlichen Universitäten einen ho- hen Standard in Forschung und Leh- re – darauf können wir stolz sein.

Die privaten Medical Schools sind jedoch häufig weniger gut in der Forschung und der wissenschaftli- chen Ausbildung aufgestellt“, er- klärte er. In der Konsequenz könne das akademische und wissenschaft- liche Know-how der dort ausgebil- deten Studierenden reduziert sein.

Prinzipiell begrüßt auch die Bun- desärztekammer die gegenseitige Anerkennung der Berufsabschlüsse innerhalb der Europäischen Union.

Montgomery verweist jedoch auf die Mindeststandards, die ein Medi- zinstudium erfüllen muss, wie eine wissenschaftlich basierte Lehre an einer akademischen Institution mit fundierter Forschung, ein komplet- tes Fächerspektrum sowie eine Aus- bildung durch ordentlich berufene Professoren. „Es gibt derzeit keine formale Überprüfung der Gleich- wertigkeit dieser Studiengänge. Die privaten Medical Schools zwingen uns, genauer hinzuschauen.“

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Asklepios Medical School Hamburg

Bereits seit 2008 kooperieren die privaten Askle- pios-Kliniken in Hamburg mit der Semmelweis- Universität in Budapest. Die Studierenden absol- vieren dort die Vorklinik. Die klinische Ausbildung findet in Hamburg statt (7 500 Euro pro Semes- ter) und endet mit einem ungarischen Abschluss.

European Medical School Oldenburg-Groningen Mit Oldenburg und Groningen bieten seit zwei Jahren eine deutsche und eine niederländische staatliche Universität gemeinsam mit regionalen Kliniken ein grenzüberschreitendes Medizinstudi- um an. 40 Studierende pro Jahrgang schließen mit dem deutschen Staatsexamen ab. Es fallen keine Studiengebühren an.

Kassel School of Medicine

Das kommunale Klinikum Kassel kooperiert seit letztem Jahr mit der University of Southampton, wo die Studierenden die Vorklinik absolvieren.

Nach fünf Jahren und der Zahlung von 12 000 Euro jährlich erhalten sie den Bachelor of Medical Science.

Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Standort Nürnberg

Das Diplomstudium für Humanmedizin kann seit 2003 in Salzburg und ab sofort auch am Klinikum Nürnberg für etwa 67 500 Euro absolviert wer- den. Ein Wechsel des Studienortes ist nicht mög- lich. Die Nürnberger Absolventen erhalten nach fünf Jahren einen österreichischen Abschluss.

STUDIENMODELLE/KOOPERATIONEN

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Referenzen

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