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Archiv "Tredaptive: Voraussehbar" (15.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 7

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15. Februar 2013 A 275

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

TRED A PTIVE

Das Unternehmen Merck & Co (MSD) wird den Vertrieb seines Lipidsenkers Tredaptive weltweit einstellen (DÄ 3/

2013: „Verkauf des Lipidsenkers Tredaptive® wird einge- stellt“ von Vera Zylka-Menhorn).

Voraussehbar

Im Jahr 2011 wurde Tredaptive®, ei- ne Kombination aus Nikotinsäure und Laropiprant, in Deutschland für mehr als vier Millionen Euro verordnet.

Die negativen Ergebnisse der HPS2-THRIVE-Studie haben MSD nun veranlasst, das Präparat am 21. Januar 2013 vom Markt zu

nehmen . Nach der Studienlage zu Nikotinsäure war diese Konsequenz für jeden industrieunabhängigen Beobachter vorauszusehen.

Schon in dem 1975 publizierten Coronary Drug Project (CDP) war Niacin bei Männern mit koronarer Herzkrankheit im Vergleich zu Pla- cebo praktisch nutzlos. Der primäre Endpunkt „Tod“ wurde nach etwa sechs Jahren nur um 1,0 Prozent re- duziert. Das entspricht einem NNT- Wert = 100.

Die AIM-HIGH-Studie (85 Prozent Männer) wurde nach drei Jahren vorzeitig abgebrochen, weil unter ER Niacin mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle auftraten als unter Placebo.

Dass MSD das unternehmerische Risiko eingegangen ist, Tredapti-

ve® über Jahre mit hohem Gewinn zu vermarkten, kann man ja noch einigermaßen nachvollziehen, dass vor dem Beginn der HPS2- THRIVE-Studie keine Ethikkom- mission Bedenken angemeldet hat, ist allerdings problematisch (oder sind Vorbehalte vom Tisch ge- wischt worden?). Dass die zustän- dige deutsche Oberbehörde das Präparat ohne den Nachweis eines Nutzens zugelassen hat, ist aus meiner Sicht fahrlässig. Die US- amerikanische Behörde FDA hatte die Zulassung von Tredaptive® ab- gelehnt, weil erst die Ergebnisse von HPS2- THRIVE abzuwarten seien . . .

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, 39164 Wanzleben-Börde D

M w s T e 2 LipidsenkersTredapt

GES UNDHEIT SSY STEM

Patienten mit ihren Sorgen und Ängsten sind schlechter ge- stellt als Kunden im Baumarkt (DÄ 47/

2012: „Patient in Deutschland: Gehört die Zukunft Dr. Google?“ von Markus Müschenich).

Mehr Probleme als Lösungen

Unter dem Thema: „Patient in Deutschland“ vergleicht Dr. Mü - schenich einen Baumarkt mit dem Gesundheitswesen.

Sein Traum von einer allzeit ver- fügbaren Patientenakte geht weit an der Realität vorbei und ist auch nicht mit Online-Banking vergleichbar.

1. Die Umsetzbarkeit:

Wir haben unsere große hausärztli-

che Gemeinschaftspraxis 2008 auf die elektronische Karteikarte umge- stellt und standen vor dem Problem, 12 000 Papierakten mit Daten, die bereits mein Vorvorgänger vor mehr als 30 Jahren gesammelt hat, zu ar- chivieren. Ich erinnere, dass der deutsche Hausarzt sich mit einer Quartals pauschale von 40 Euro in- klusive Hausbesuchen zufriedenge- ben muss. Hätte man die Altkartei- en von einer externen Firma archi- vieren lassen, wäre das immerhin auch im laufenden Betrieb machbar, aber unbezahlbar. Aus eigener Per- sonalkraft wäre es unmöglich. Aber genau das erwartet Dr. Müschenich von den Niedergelassenen. Wie sol- len denn die verstaubten Röntgen- bilder digitalisiert werden, und wer soll das bezahlen?

2. Datenschutz:

PIN und TAN sind eben nicht aus- reichend. 20 bis 30 Prozent der Pa-

tienten in Hausarztpraxen kommen mit psychosomatischen Proble- men. Schwierigkeiten bei Einstel- lungsuntersuchungen, Abschlüssen von Lebens- und Berufsunfähig- keitsversicherungen sind vorpro- grammiert. Natürlich wird es illegal sein, bei Einstellungsuntersuchun- gen diese Krankenakte einzusehen.

Aber man bekommt die Stelle ein- fach nicht, wenn der Einblick nicht gewährt wird . . . Insgesamt ergibt sich ein eher Orwell’sches Szenario, als ein erstrebenswerter Zustand . . . 3. Die Zuverlässigkeit der Daten:

Abgesehen davon, dass beim ge- nannten Beispiel es wirklich wurst ist, ob der Blinddarm 1965 oder 1966 entfernt wurde, gibt es eine ganze Menge Daten, die auf Ver- wechslungen beruhen. („Ich hatte einen Schlaganfall“, in Wirklichkeit war es eine periphere Fazialispare- se). Diese falschen Daten bekom-

G S U

P S s s B 2 D die Zukunft DrGoog

B R I E F E

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A 276 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 7

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15. Februar 2013 men dann eine „Wahrheit“ und wer-

den immer weiter mitgeschleppt.

Man denke auch an die vielen Asyl- bewerber und Migranten! Allergie- pässe sind ja heute schon Standard und werden in der Regel vom Pa- tienten mitgeführt.

4. Die Zielgruppe:

Die Hauptkrankenlast trägt die al- ternde Bevölkerung. Diese wird mit Sicherheit von Online- und Google- Aktivitäten überfordert und nicht profitieren. Die Kranken, die jung, fit und internettauglich sind, sollten aber auch in der Lage sein, bei der Anamnese sowohl OP-Datum als auch Penicillinallergie zuverlässig anzugeben.

5. Faktor Zeit:

Statistisch hat der Hausarzt neun Minuten pro Patient (Bürokratie in- klusive). Aus welchem Zeitbudget soll er denn die Datenpflege heraus- kitzeln? Der Mensch, das Gespräch, die Zuwendung kommen dann mit Sicherheit zu kurz.

6. Konkurrenz:

Ärzte in den Praxen, lasst euch nicht Angst vor schwindenden Pa- tientenzahlen machen! Selbst im schönen Konstanz gibt es zahlreiche Facharztgruppen mit monatelanger Wartezeit. Der Ärztemangel ist das Thema, nicht Patientenmangel!

Ich will mich nicht der Zukunft ver- schließen. Die Vernetzung von Kli- niken, Praxen, Patienten und logi- scherweise auch Krankenkassen birgt aber derzeit mehr Probleme als Lösungen.

Dr. Cornel Certain, 78464 Konstanz

Technik ist nur Hilfsmittel

. . . Dr. Google wird uns das Denken nicht abnehmen können, so nützlich das Netz auch ist.

Patienten erwarten zu Recht, dass wir mit ihnen sprechen, dass wir Fragen stellen, und zwar möglichst solche, die Erkenntnisgewinn brin- gen. Wir brauchen den Kontakt zum Patienten. Das vermeintlich sinnlo- se Wieder-und-wieder Fragen ist ein wichtiges Medium, um mit Pa- tienten in Kontakt zu treten, eine ärztlich-therapeutische Beziehung aufzubauen und die Situation besser zu begreifen. Es ist für eine sach- dienliche medizinische Hilfestel-

lung erforderlich, dass wir gut zu- hören, damit wir das Wesentliche auffassen. Manchmal muss man auch mehrfach fragen, bis man ver- standen hat. Das ist weder Luxus noch vertane Zeit.

Diese Haltung mag altmodisch er- scheinen in Zeiten fantastischer technischer Möglichkeiten, gleich- wohl bin ich davon überzeugt, dass die Basis der hilfreichen Behand- lung die ernsthafte, gelebte thera- peutische Beziehung ist und dass alle Technik notwendigerweise nur Hilfsmittel sein kann.

Verfügbarkeit von Information ist absolut notwendig, und doch be- deutet Verfügbarkeit noch nicht Be- greifen. Wir müssen in Betracht zie- hen, dass wir falschliegen könnten, Information fehlt oder fehlerhaft ist.

Davor schützt kein Internet, keine Vernetzung. Einmal im Netz, immer im Netz, auch Falsches bleibt, und falsche Sicherheit wiegt schwer . . . Wenn wir zu technikverliebt sind und auf den Bildschirm blicken statt dem Patienten ins Gesicht, ver- lieren wir den Menschen im Patien- ten und damit das spezifisch Ärztli- che im ärztlichen Handeln. Dann al- lerdings haben wir Grund, Angst vor Dr. Google zu haben.

Dr. med. Sebastian Schöttes, 40625 Düsseldorf

Praxisfern

. . . Um Missverständnissen vorzu- beugen: Selbstverständlich sind die von Herrn Kollegen Müschenich geforderten Grundkonzeptionen wie einfach und breit verfügbare zentra- le Datenbanken mit patientenbezo- genen Befunden, Laborwerten etc.

in unser aller Interesse (schon seit Jahren!). Auch der mündige, gut in- formierte Patient findet unsere un- geteilte Zustimmung, sofern er kein Halbwissen aus zweifelhaften Fo- ren gewinnt und dieses dann in „so- zialen Netzwerken“ verbreitet. In der Regel stellen sich uns und unse- ren Patienten hier noch hohe Hür- den mit Schweigepflicht, Daten- schutz, Schnittstellenproblemen etc.

entgegen, die wir leider eben nicht selbst beeinflussen können.

In ungebremster EDV- und internet- basierter Informationstechnologie in naher Zukunft das Heil zu erwar-

ten, zeigt aber einmal mehr die Pra- xisferne des Schreibers. Wer das Betriebssystem eines Rechners („unauffällig, vernetzt und rei- bungslos“) als Vorbild für das Ge- sundheitssystem sieht, hat selbst noch nie etwas mit Datenmigration zwischen verschiedenen Datenban- ken, Betriebssystemumstellungen, Festplattenfehlern etc. zu tun ge- habt, sonst wüsste er, dass die aktu- elle „Performance“ unserer EDV- Systeme in Hinblick auf Zuverläs- sigkeit und Fehlerhäufigkeit besten- falls der Automobiltechnologie des Jahres 1910 entspricht, wo man im- mer eine Anlasserkurbel bei sich führen musste. Dies betrifft auch

„die Werkzeuge unserer Kommuni- kation“, die nur dann „so einfach gestaltet sind, dass Grundschüler die Funktionalitäten der Smart - phones spielerisch begreifen ler- nen“, wenn vorher der EDV-Freak aus der Nachbarschaft das High- tech-device eingerichtet hat. Dies sage ich aus eigener leidvoller Er- fahrung als Aufsichtsrat einer Ärz- tegenossenschaft, die einen praxis- verwaltungssystemübergreifenden Datenaustausch (wohlgemerkt: oh- ne höheren Zeitaufwand für den Anwender!) anstrebt, als Ärztlicher Leiter in einem papierlosen MVZ und als glücklicher Smartphone-Be- sitzer aus derselben Altersgruppe wie der Autor.

Verfallen wir Ärzte vor Ort also bit- te nicht wieder – wie so oft – in den Fehler, uns von außenstehenden, marktwirtschaftlich geprägten Ex- perten vorsagen zu lassen, wie Pa- tientenversorgung richtig geht, und wie einfach doch alles wäre, wenn wir nur wollten und uns nicht so dumm anstellen würden.

Dr. Rainer Kornalik, 91301 Forchheim

Aus dem Arbeitsalltag eines Assistenzarztes

Nein, die Zukunft gehört sicher nicht Dr. Google! Der Artikel von Dr. Müschenich mag für viele pro- vozierend wirken. Dies ist sicher- lich beabsichtigt, um endlich Visio- näre und Konservative gleicherma- ßen aus der Reserve zu locken und eine kontroverse, produktive Debat- te auszulösen. Ich bin immer wieder

B R I E F E

Referenzen

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