Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 108|
Heft 8|
25. Februar 2011 133M E D I Z I N
DISKUSSION
Keine Notwendigkeit zur zusätzlichen Jodidmedikation
Ich habe bei zwei Punkten eine gering abweichende Meinung und praktiziere es deshalb in der Praxis etwas anders.
●
Zielwert für den TSH-Spiegel: Einen Bereich zwi- schen 1 und 2 mU/L wähle ich für den Ausgleich einer autoimmunbedingten Hypothyreose. Da es bei Zustand nach Operation auch um das Vermeiden eines Zweitein- griffes geht, sollte meiner Meinung nach das Thyreoi- dea-stimulierende Hormon (TSH) als auch Wachstums- reiz niedriger liegen. Ich wähle einen niedrignormalen Zielbereich von 0,5 bis 1 mU/L. (Bei schlechter Ein- stellbarkeit bei hoher erforderlicher Dosis und bei kardi- al vorbelasteten Patienten akzeptiere ich eher einen et- was höheren als einen unter dem genannten Bereich lie- genden normalen TSH-Wert, einen erniedrigten natür- lich nie.) Nach Dosiskorrektur bestimme ich erst sechs Wochen später den TSH-Wert.●
Kombination mit Jodid: Angesichts des zwar noch vorhandenen, aber geringeren Jodmangels sehe ich bei Schilddrüsenvolumina unter 6 ml und Substitution von sicherlich mehr als 50 % des Schilddrüsenhormonbe- darfes keine Notwendigkeit zur zusätzlichen Jodidme- dikation, zumal bei der Umwandlung von T4 zu T3 im Körper auch noch Jodid abgespalten und frei wird. Bei größeren Restvolumina, zum Beispiel bei Zustand nach Hemithyreoidektomie, kombiniere ich bei einem Rest- volumen von über 8 mL mit Jodid.DOI: 10.3238/arztebl.2011.0133a
LITERATUR
1. Schäffler A: Hormone replacement after thyroid and parathyroid sur- gery. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(47): 827–34.
Dr. med. Lothar Otto Beiersdorfer Straße 1 04668 Grimma E-Mail: lothar_otto@gmx.de
Bedeutung der postoperativen Hypokalzämie
Der Autor beschreibt in seiner Übersichtsarbeit neben der postoperativen Substitutionstherapie von Schild- drüsenhormonen auch die Therapieoptionen bei Hypokalzämie infolge Eingriffen an Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen. Wichtige Punkte in diesem Zu - sammenhang bleiben unerwähnt. So werden die ver - schiedenen medikamentösen Optionen zwar aus - führlich benannt, deren praktische Umsetzung und dieKonsequenzen für betroffene Patienten aber nicht aus- geführt. Während eine permanente Hypokalzämie sel- ten auftritt, ist auch eine nur transiente Unterfunktion der Nebenschilddrüsen mit 10–25 % eine gravierende Komplikation. Neben der im Artikel genannten und zu fordernden intraoperativen Darstellung aller vier Ne- benschilddrüsen ist deshalb auch deren sofortige Auto- transplantation in die gerade Halsmuskulatur bei sicht- barer beziehungsweise zu erwartender Schädigung der Durchblutung der Nebenschilddrüsen zur Prophylaxe eines permanenten Hypoparathyreoidismus zu erwäh- nen. Die klinisch-manifeste Hypokalzämie ist für die Patienten äußerst belastend und kann deren Lebensqua- lität zum Teil erheblich einschränken. Aus diesem Grund ist es von Bedeutung, Patienten im Falle einer postoperativen Hypokalzämie – auch wenn diese als vorübergehend zu betrachten ist – ausführlich über Symptomatik und Prognose aufzuklären und ihnen so- wie den weiterbehandelnden Hausärzten einen Hand- lungsleitfaden mitzugeben. In unserer Klinik werden sowohl prä- als auch postoperativ bei allen Neben- schilddrüsen- und Schilddrüsen-Patienten Serumkal - zium- und Parathormon-Werte bestimmt. Bei einem postoperativen Hypoparathyreoidismus (< 15 pg/mL) substituieren wir auch ohne Symptomatik 3 × 1000 mg Calcium/d plus 2 × 0,5 μg 1,25-Dihydroxy-Cholecalci- ferol/d für zunächst mindestens zwei bis drei Wochen, da die Patienten im Regelfall bereits nach zwei Tagen entlassen werden. Die zeitliche Begrenzung der Substi- tution erfolgt durch Kontrollen, die der weiterbehan- delnde Hausarzt oder Endokrinologe vornimmt. Bei Re-Eingriffen an den Nebenschilddrüsen- oder einer Mehrdrüsenerkrankung sollte zudem die Möglichkeit einer Kryokonservierung von Nebenschilddrüsengewe- be zur eventuellen späteren Reimplantation gegeben sein.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0133b
LITERATUR
1. Bergenfelz A, Jansson S, Kristoffersson A, et al.: Complications to thyroid surgery: results as reported in a database from a multicenter audit comprising 3660 patients. Langenbecks Arch Surg 2008; 393:
667–73.
2. Walker Harris V, Jan De Beur S: Postoperative hypoparathyroidism:
medical and surgical options. Thyroid 2009; 19: 967–73.
3. Schäffler A: Hormone replacement after thyroid and parathyroid sur- gery. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(47): 827–34.
Dr. med. Denis Wirowski
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Endokrine Chirurgie, Lukaskrankenhaus Neuss
Preußenstraße 84 41464 Neuss
E-Mail: dwirowski@lukasneuss.de
Katharina Schwarz Dr. med. Bernhard J. Lammers Prof. Dr. med. Peter E. Goretzki
zu dem Beitrag
Substitutionstherapie nach Operationen an Schilddrüse und Nebenschilddrüsen
von Prof. Dr. med. Andreas Schäffler in Heft 47/2010