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Archiv "Aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit" (20.10.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit

atherine Mans- field schreibt mit 19 Jahren in ihr Tagebuch: „Ich möchte im Mittelpunkt des Interesses sein!" Ihre Briefe und Tagebücher haben die Dichterin ebenso berühmt gemacht wie ihre Erzählun- gen. Es ist schwer zu sagen, was den Leser mehr in ihren Bann zieht. Ihre Briefe gehö- ren zu den schönsten der Weltliteratur.

Es gibt wenig Autoren, deren Werk ausschließlich aus Erzählungen und Kurzge- schichten besteht. Katherine Mansfield, der „englische Tschechow" , hat dieser Gat- tung zu neuem Ansehen ver- holfen. Als sie mit 34 Jahren starb, hinterließ sie ein Oeuv- re von rund neunzig größeren und kleineren Erzählungen.

Katherine entstammt ei- ner großbürgerlichen Familie und heißt eigentlich Kathleen Beauchamp. Sie wurde am 14. Oktober 1888 in Welling- ton in Neuseeland als Toch- ter des — später geadelten — Direktors der Bank von Neu- seeland, Harald Beauchamp, geboren. Die Atmosphäre in ihrem Elternhaus war eher englisch als kolonial. Die Kinder wuchsen wohlbehütet und wohlerzogen auf. Sie sagten „dear mother" und

„dear father" und „darling"

zueinander. Katherine galt als „schwierig" in der Fami- lie. Sie benahm sich wie ein

„eingesperrter Vogel" und fürchtete, in der viktoriani- schen Konventionalität der Kleinstadtgesellschaft im weltabgeschnittenen Welling- ton zu ersticken.

Im Jahre 1908 verläßt sie ihr Vaterhaus — für immer!

Nach heftigen inneren Kämp- fen entsagt sie der Musik, ih- rer zweiten starken Bega- bung, um sich der Literatur zu widmen. Sie schreibt un- ablässig und überall. Nie- mand unterweist sie. Sie ist von einem leidenschaftlichen Ehrgeiz getrieben. Nach er- sten Veröffentlichungen schreibt sie in ihr Tagebuch:

„Ehrgeiz ist ein Fluch, wenn man nicht gewillt ist, sich sei- nem Ehrgeiz zum Opfer zu

Katherine Mansfield, die Meisterin

der Kurzgeschichte

bringen." Ihr Privatleben ist zunächst wenig erfolgreich.

Unüberlegt stürzt sie sich in eine Hals-über-Kopf-Ehe, die schnell zerbricht. Ein Kind kommt tot zur Welt. In der Einsamkeit der bayri- schen Berge hofft sie, ihr see- lisches Gleichgewicht wieder- zufinden. Hier entsteht Ka- therine Mansfields erste Kurzgeschichtensammlung

„In a German Pension" , die 1911 erscheint und starke Be- achtung findet.

N

ach London zurückge- kehrt, führt Katherine ein unstetes, bohmehaftes Leben, bis sie John Middle- ton Murry begegnet. Jack, wie ihn seine Freunde nen- nen, zeichnet sich durch ei- nen scharfen Verstand und sprachliches Feingefühl aus.

Mit einem Studienfreund gibt er die Zeitschrift „Rhythm"

heraus. Eines Tages fällt ihm eine Kurzgeschichte Katheri- ne Mansfields in die Hand, die er sofort veröffentlicht.

Damit entsteht die Freund- schaft der jungen Leute, die beide ihr Leben der Literatur geweiht haben.

Sie beginnen in bescheide- nen, ja ärmlichen Verhältnis- sen ihren gemeinsamen Le- bensweg in gemieteten Zim- mern und Wohnungen, die sie wegen Kälte, Ungeziefer oder zu hohem Mietpreis häufig wechseln. Trotz Not, Krankheit und beruflichen Mißerfolgen sind sie glück- lich. Murry hat diese Zeit sei- ne goldenden Tage genannt.

Er schreibt Kritiken und ein Buch über Dostojewski. Ka- therine arbeitet an „Pre- lude".

Die am 14. Oktober 1888 gebo- rene Katherine Mansfield im Alter von 25, also 9 Jahre vor ih- rem Tode Foto: Keystone

Eine beginnende Lungen- tuberkulose zwingt sie, nach Südfrankreich zu gehen. Sie leidet an Angstträumen und Heimweh. „Ein großer schwarzer Vogel schwebt über mir, ich habe solche Angst, er könne sich auf mir niederlassen." Doch sie ar- beitet unablässig weiter. Es entsteht „Je ne parle fran- ois" . Katherine nennt ihre Krankheit „einen entsetz- lichen Unfall", gegen den sie heldenhaft ankämpft. „In ei- nem fremden Land weilen, mit einem hochroten Spitzen- taschentuch — das kommt der Hölle sehr nahe."

Am 10. April 1918 reist Katherine nach London zu- rück und heiratet Murry. Sie machen die Bekanntschaft mit den bedeutendsten Schriftstellern ihrer Zeit: D.

H. Lawrence, Aldous Hux- ley, Virginia Woolf. Mit Lawrences Lebensgefährtin Freiin Frieda v. Richthofen verbindet Katherine eine echte Freundschaft. Frieda schrieb später: „Ich möchte sie in Erinnerung rufen, wie sie war, Tag für Tag, fröh- lich, tapfer, wundervoll. Hät- te ich sie in einem einzigen Wort zu beschreiben, würde ich das Wort ‚exquisit' wäh- len." Immer wieder muß Ka-

therine sich der unerbitt- lichen Krankheit unterwer- fen. Sie muß wieder aufs Land ziehen, sich von Murry trennen. „Ich habe Sehn- sucht nach Dir, nach einem Heim, einem gemeinsamen Leben und nach einem Kind." Eines Tages erhält sie seltenen Besuch, den ihres Vaters. „Vater war wunder- bar lieb zu mir. Ich meine, umarmt und geküßt und ,mein liebes Kind' genannt zu werden, war fast zuviel. Er sagte: ,Werde gesund, du kleines Wunder' und über- reichte mir fünf Margariten und eine Orchidee. Hätte ich ihm viel zu vergeben, dieses kleinen Blumengrußes wegen würde ich ihm verzeihen."

D

ie Krankheit hemmt den Schreibprozeß. Trotz- dem arbeitet sie verbissen zwischen Fieber, Husten und Herzanfällen. „Ich habe viel gearbeitet, aber in meinem schrecklichen Bett. Ich hoffe, es gibt keine Betten im Para- dies!" Eine neue Sammlung kommt heraus, nach der Er- zählung „Bliss" genannt.

Eines Tages lernt sie Ge- org Ivanowitsch Gurdjieff kennen, der sich als „Pro- phet" fühlt und in Avon bei Fontainebleau das „Institut für die harmonische Entwick- lung des Menschen" einrich- tet. In dieser theosophischen Gemeinde hofft Katherine, ihre „Seele zu heilen" , denn sie glaubt, ihre körperliche Gesundheit hänge vom Zu- stand ihrer Seele ab. Sie lernt Russisch und unterwirft sich ganz den Richtlinien dieser neuen Lehre.

Als Murry sie am 9. Ja- nuar 1923 im Institut besucht, erleidet sie nach einem ge- meinsam verbrachten Abend einen Blutsturz. Sie stirbt nach wenigen Minuten im Al- ter von 34 Jahren und wird auf dem Friedhof von Avon begraben. Auf ihrem Grab- stein steht ein Leitspruch aus Shakespeares Heinrich IV., den sie besonders geliebt hat:

„Aber ich sage Euch, Mylord Narr, aus der Nessel Gefahr pflücken wir die Blume Si- cherheit." Ilse Dittmar Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988 (85) A-2935

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Puppenspieler Vincenzo Munna mit seinen christlichen Rittern

Foto: Pier Silvio Ongaro

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Die Christen kommen von rechts, die Sarazenen von links

Karl der Große, Ritter in wertvollen Rüstungen, Heili- ge direkt neben Othello, Ro- meo und Julia und gleich ne- benan der berühmte Bandit aus Montelepre, Salvatore Giugliano. Sie, die Helden des sizilianischen „Teatro dei Pupi" baumeln etwas verlas- sen hinter der Bühne des kleinen Marionettentheaters des Signor Vincenzo Munna in Monreale. Er ist der älte- ste Puppenspieler aus dem Raum Palermo. Das „tea- trino" hat er vom Vater übernommen, dieser hat es vom Onkel Giarratono, der es 1875 gründete.

Aber nicht nur das Thea- ter und die Marionetten wur- den von Generation zu Gene- ration vererbt, auch die Stük- ke werden an Kinder und Kindeskinder weitergegeben.

Das traditionelle Repertoire umfaßt in erster Linie Ritter- sagen, die in der Volkskunst Siziliens bis zum Zweiten Weltkrieg sehr lebendig wa- ren. Szenen aus Rittersagen waren auf den „Caretti"

den landesüblichen Pferde- wagen, abgebildet, und die Geschichten um das Leben der Ritter lockten die Zu- schauer oft über Monate in die kleinen Puppentheater.

„Achtzehn Monate lang ka- men sie, um den Abenteuern Karls des Großen begeistert zu folgen," erinnert sich Si- gnor Munna. „Sie kannten ihre Helden besser als die ei- gene Familie, selbst im dich- testen Kampfgewühle mach- ten sie sie aus. Die Christen kommen nämlich immer von rechts auf die Bühne, die Sa- razenen von links. Der Feind in Einheitstracht, mit breiten Hosen und dem Halbmond auf dem Schild, die Christen aber mit individuellen Kenn- zeichen: Karl der Große mit der Krone auf dem Schild, Roland mit einem Kreuz auf der Rüstung und Rinaldo mit dem Löwen."

Die Zuschauer identifi- zierten sich stark mit dem Geschehen auf der Bühne.

Durch laute Zurufe, dem Lob des Helden und kräfti- gen Beschimpfungen des Feiglings, nötigten sie die Puppenspieler nicht selten, die Dialoge aus dem Stegreif abzuwandeln. So erklärt sich, daß Romeo und Julia, von Munnas Vater für die Pup- penbühne bearbeitet, sich mit jeder Aufführung weiter von Shakespeare entfernte und den Vorstellungen der Zuschauer anpaßte.

Das Teatro dei Pupi be- deutete den Zuschauern mehr als nur eine einfache Abendunterhaltung. Es bot ihnen die Möglichkeit, eigene Hoffnungen und die Wider- sprüchlichkeit des Alltagsle- bens aufzuarbeiten. Wie

stark der Einfluß der Teatrini war, beweisen die Lebensge- schichten der Banditen. Sie waren Symbol des Mutes und des Widerstandes gegen die erdrückenden sozialen Ver- hältnisse, so daß die Polizei die Aufführungen vor dem Zweiten Weltkrieg verbot, weil sie zu Recht um die öf- fentliche Ordnung fürchtete.

Nach dem Krieg flachte das Interesse am Teatro dei Pupi ab. Keines der 1937 noch zwölf bestehenden Pup- pentheater konnte überle- ben. Auch Signor Munna mußte schließen. Erst 1972 öffnete er wieder mit Unter- stützung der Region Paler- mo, nicht jeden Abend, nur für angemeldete Gruppen von mindestens sechs Perso- nen. „Jetzt geraten die alten Sagen in Vergessenheit," re- sumiert er melancholisch.

Iris Wiegandt

Wanderausstellung der Sammlung Murken — Zeitge- nössische Malerei und Pla- stik, gesammelt vom Aache- ner Medizinhistoriker A. H.

Murken und der Kunsthisto- rikerin Christa Murken-Alt- rogge, stellen aus: Städt.

Kunstmuseum Bonn (bis 23.

10.), Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Oldenburg (6. 11. 88 bis 8. 1.

89), Museum Wiesbaden (25.

1. bis 5. 3. 89), Leopold- Hoesch-Museum Düren (12.

3. bis 23. 4. 89), Städt. Gale- rie Regensburg (12. 5. bis 25.

6. 89). EB A-2936 (86) Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988

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