Mit Hormonen wird von selbst- ernannten Anti-Aging-Exper- ten viel Schindluder getrie- ben. Der Markt blüht, der Bedarf ist groß – aber die le- bensverlängernde Wirkung von Hormonen wie Melatonin, DHEA-S oder Wachstums- hormon ist keineswegs belegt.
Voraussetzung jeder Art der Hormontherapie ist neben ent- sprechenden Symptomen ein laborchemisch nachgewiese- ner Mangel.
Nur unter diesen Voraus- setzungen sei eine Indikation für eine Hormontherapie ge- geben – und dann habe sie auch einen hohen Stellenwert, be- tonte Prof. Hendrik Lehnert (Magdeburg) als Präsident des 49. Symposiums der Deut- schen Gesellschaft für Endo- krinologie in Münster.
Hochkalorische Ernährung fördert Bildung freier Radikale Körperliche Aktivität und ge- sunde Ernährung stoßen be- kanntlich in weiten Kreisen der Bevölkerung auf wenig
„Gegenliebe“, sind aber die Säulen für ein langes, gesun- des Leben. Einen effektiven Ansatz zur Lebensverlänge- rung verspricht – zumindest bei Fadenwurm, Hefe und Drosophila – niedrigkalori- sche Ernährung.
Die weithin favorisierte hochkalorische Ernährung da- gegen – speziell in Form von Kohlehydraten – verkürzt wahrscheinlich die Lebens- spanne. Ein „Zuviel“ an Ka- lorien kurbelt beim Tier nach- weislich eine Signalkaskade an, durch die freie Radikale entstehen, die direkte Schä- den bei Reparaturenzymen auslösen und oxidative Ver- änderungen der mitochon- drialen DNA bewirken.
Weder beim „alternden Mann“ noch bei der Frau im Klimakterium sei eine undiffe-
renzierte Gabe von Sexual- hormonen indiziert – bei gege- bener Symptomatik, nachge- wiesenem Mangel und dem ex- pliziten Wunsch jedoch durch- aus sinnvoll, betonten die Ex- perten.
Bei der Frau haben die großen Studien einer Neu- bewertung der Hormonthera- pie „Platz gemacht“: Sie wird heute differenzierter einge- setzt, nachdem die ehemals postulierten protektiven Wir- kungen auf die verschieden- sten Körpersysteme nicht be- legt, dafür aber Risiken doku- mentiert wurden. Prof. Ludwig Kiesel (Direktor der Univer- sitäts-Frauenklinik Münster) betonte, die Estrogentherapie sei die einzige wirkungsvolle Behandlung klimakterischer Beschwerden.
Die Kombination mit Ge- stagenen erhöht das Brust- krebsrisiko nachweislich – aber deutlich schwächer als die be- kannten Risikofaktoren Adi- positas, Alkohol und Rau- chen: „Trotzdem ist die Angst der Frauen vor dem erhöhten Brustkrebsrisiko durch Hor- mone sehr viel höher“, sagte Kiesel. Die Indikation für ei- ne Hormontherapie sei aus heutiger Sicht gegeben, wenn die Frau eindeutige klimakte- rische Beschwerden zeigt und sich – nach einer detaillierten Aufklärung über Nutzen und Risiken – für die Hormone entscheidet.
In Frankreich gelten niedrigere Werte
Eine vergleichbare Vorgehens- weise ist nach Auffassung von Prof. Eberhard Nieschlag (Münster) bei einer Testo- sterontherapie des alternden Mannes zu fordern: Beim la- borchemischen Nachweis des
„late onset“-Hypogonadismus besteht international kein kla- rer Konsens über den Schwel-
lenwert, unter dem diese Mischform eines primären und sekundären Hypogona- dismus als „therapiebedürf- tig“ eingestuft wird – in Frankreich gelten niedrigere Werte als in Deutschland. Im ersten Behandlungsjahr sind alle drei Monate, danach jähr- liche Kontrollen (PSA, Ultra- schall, DRE) notwendig.
Testosteron-Gel liefert stabile Plasmaspiegel
Bei den Applikationsformen wertete er lang wirkende In- jektionen ohne „Spitzen und Täler“ als gute Lösung für junge Männer und den trans- dermalen Weg als eine ele- gante Lösung für den älte- ren Mann – wobei Gele eine genauere Einstellung erlau- ben als Pflaster. Ein noch nicht zugelassenes Gel, das auf die Skrotalhaut aufge- tragen wird, bewirkt im Ver- gleich mit einem Fünftel der Dosis stabile, physiologische Plasmaspiegel. In Großbri- tannien ist eine buccale An- wendungsform bereits auf dem Markt, bei der eine klei- ne Testosteron-Tablette, zwei- mal täglich auf das Zahn- fleisch appliziert, zwölf Stun- den lang ihren Wirkstoff abgibt.
Das polyzystische Ovar- Syndrom (PCO), das mit Zy- klusstörungen, Hyperandro- genämie und Fertilitätspro- blemen einhergeht, dürfte durch die Zunahme der Adi- positas im Kindes- und Ju- gendalter in absehbarer Zeit immer häufiger werden. Wie Prof. Franz Geisthövel (Frei- burg) darlegte, steigert die aus dem Übergewicht resultieren- de Hyperinsulinämie einer- seits die ovarielle Androgen- produktion, und sie verstärkt das bei PCO-Patientinnen er- höhte Risiko für die Ent- wicklung eines metabolischen
Syndroms. Wie der Endokri- nologe betonte, muss beim PCO-Syndrom eine Differen- zierung nach der Hauptursa- che für die erhöhte Andro- gen-Produktion erfolgen.
Denn je nachdem, ob die Hormonproduktion einzig in der Haut gestört ist oder die Störung von den Ovarien oder der Nebennierenrinde ausgeht, sind unterschiedli- che therapeutische Strategien angezeigt. Dies gilt auch für die Form, bei der das PCO- Syndrom mit Adipositas oder Hyperinsulinämie vergesell- schaftet ist. In diesen Fällen ist eine Normalisierung des Gewichtes und des Stoff- wechsels aus präventivmedi- zinischer Sicht angezeigt – diese Maßnahmen können bei Kinderwunsch-Patientin- nen bereits zur Konzeption führen.
Wie Geisthövel auf dem Endokrinologenkongress wei- ter ausführte, ist der Begriff PCO-Syndrom eigentlich ir- reführend, denn beim be- kannten „Perlenschnurbild“
in der Sonographie handelt es sich keineswegs um Zysten, sondern um ein polyfollikulä- res, vergrößertes Ovar. Das vergrößerte Volumen ist be- reits in der Pubertät nachzu- weisen, die „Monatszyklen“
sind verlängert und meist anovulatorisch. „Bemerkbar“
macht sich das Krankheits- bild spätestens, wenn Kinder- wunsch besteht und es nicht zur erwünschten Konzeption kommt.
Anders als früher, wo das
„polyzystische“ Ovar aus re- produktionsmedizinischer Sicht als „schlechte“ Ausgangssi- tuation eingestuft wurde, be- scheinigt Geisthövel den be- troffenen Frauen heute sogar das Gegenteil: „Das poly- follikuläre Ovar hat eine her- vorragende Reserve an Fol- likeln – diese Frauen kön- nen mit modernen Metho- den der ovariellen Stimu- lation auch relativ schnell konzipieren.“
Dr. rer. nat. Renate Leinmüller
Pressekonferenz zum 49. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinolo- gie in Münster
V A R I A
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A998 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 148. April 2005