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Archiv "Trauma 2000: Einblicke in die Traumatologie und Unfallforschung" (15.12.2000)

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nders als der Name suggeriert, werden Roboter nur für einzelne Schritte der Operation eingesetzt – etwa bei der Schraubenplatzierung oder in der Wirbelsäulenchirurgie, wo sie aufgrund der hohen Präzision der Bohr- und Fräsvorgänge der Hand des Chirurgen überlegen sind. Dies bedeu- tet jedoch nicht, dass die Roboter ein optimales Operationsergebnis garantie- ren. Nach den Erfahrungen von Dr. Ul- rich Stöckle von der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum Virchow (Berlin) häufen sich in letzter Zeit Berichte über Komplika- tionen und technische Probleme mit den Operationsrobotern, die mittlerweile an 45 Kliniken in Deutschland eingesetzt werden. Auf die anfängliche Euphorie sei Ernüchterung gefolgt. Stöckle for- derte daher, „dass der Einsatz des Ro- boters im OP streng auf kontrollierte klinischen Studien beschränkt bleiben sollte, damit positive und negative Aus- wirkungen erfasst werden können“.

Informationstechnologie

Anders als die Roboter führen Naviga- tionssysteme keine Operationsschritte durch. Sie sind primär Software, die aus vorgegebenen Daten, etwa CT- oder Röntgenaufnahmen, das Operationsge- biet aus verschiedenen Perspektiven er- rechnen. Auf einem Monitor darge- stellt, sind sie für den Chirurgen eine wertvolle Hilfe. Er kann dann besser festlegen, in welchem Winkel er Schrau- ben platzieren muss oder wie weit er mit der Fräse von verletzlichen Strukturen (etwa dem Rückenmark) entfernt ist.

Navigationssysteme werden in der Wir- belsäulenchirurgie bereits mit Erfolg

eingesetzt. Sie erleichtern auch das ex- akte Einsetzen von Knie-Endoprothe- sen oder die Implantation der Pfanne im Hüftgelenk. Laut Stöckle sind die Vorteile vielfach durch Studien belegt.

Die Informationstechnologie wird auch die Arbeit des Notfallarztes in der präklinischen Phase verbes-

sern. Die Universität Re- gensburg hat in einem Mo- dellversuch Ärzte mit spezi- ellen Westen ausgerüstet, zu denen unter anderem ein Notepad-Computer mit der Möglichkeit der Datenfern- übertragung gehört. Mit der

„Notfall-Organisations- und Arbeitshilfe“ (NOAH) kann der Arzt der Rettungsleit- stelle Daten vom Unfallort und -geschehen übermitteln, aber auch weitere Rettungs- kräfte nachfordern.

Er erstellt ein erstes Profil vom Patienten und ermög- licht so die Auswahl der ge- eigneten Klinik. Dort treffen per E-Mail die Patientenda- ten ein. Das Phänomen der

„stillen Post“ bei der mündli- chen Weitergabe über meh-

rere Personen wird so vermieden. Die Klinik kann sich gezielter auf den Pati- enten vorbereiten, während parallel da- zu die Erstversorgung am Unfallort stattfindet. Nach Angaben von Unfall- chirurg Prof. Michael Nerlich (Univer- sität Regensburg) treffen die Patienten im Mittel 20 Minuten früher in der Kli- nik ein als bisher.

Nicht alle sinnvollen Innovationen haben es leicht, sich durchzusetzen. Ein Beispiel sind Wachstumsfaktoren ge- gen Heilungsstörungen, wie sie in etwa

zehn Prozent aller Frakturen auftreten.

Der Grundstein für diese Heilungsbe- schleuniger wurde bereits 1965 mit der Entdeckung des „bone morphogenetic protein“ (BMP) gelegt. Inzwischen ist eine Vielzahl weiterer Faktoren be- kannt, welche das Knochenwachstum

positiv beeinflussen wie zum Beispiel das Wachstumshormon (GH) oder der Insulin-like-Growth-Factor (IGF-I).

Zur klinischen Anwendung hat es je- doch bisher kein Faktor geschafft, ob- wohl einige bereits rekombinant herge- stellt werden können und damit in aus- reichender Menge zur Verfügung ste- hen. Doch: Als Proteine werden die Wachstumsfaktoren schnell abgebaut, und eine lokale Applikation scheidet in der Regel aus, da das Freilegen oder auch nur die Punktion der Frakturzone P O L I T I K

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A3408 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000

Trauma 2000

Einblicke in die Traumatologie und Unfallforschung

Ist der erste Assistent am OP-Tisch bald ein Roboter? Führen Wachstumsfaktoren zur Turbo-Frakturheilung? Wohl kaum, doch Fortschritte auf beiden Gebieten sind unübersehbar, wie auf dem Kongress „Trauma 2000“ in Hannover festgestellt wurde.

Medizinreport

Snowboardfahren boomt. Bei Anfängern sind die Verletzungsrisiken allerdings groß.

Foto: Hemsedal Turistkontor

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mit erheblichen Risiken (Infektion, Wundheilungsstörung) behaftet ist.

Ein Lösungsansatz ist nach Auskunft von Privatdozent Michael Raschke (Klinik für Unfall- und Wiederherstel- lungschirurgie der Berliner Charité) die Beschichtung von Marknägeln oder an- deren Implantaten mit Wachstumsfak- toren. Im Tierversuch wurde mit einer GH-Legierung eine im Vergleich zur Kontrollgruppe um 120 Prozent gestei- gerte Frakturheilung erzielt. Dabei scheint die Wirkung von GH bereits in der Frühphase der Frakturheilung ein- zusetzen. Raschke sprach in Hannover von einem bevorstehenden Wende- punkt. Die Ergebnisse einer ersten mul- tizentrischen Studie an 450 Patienten liegen jedoch noch nicht vor.

Ein anderer Ansatz zur Heilungsför- derung hat dagegen in eine Sackgasse geführt. Als in den 70er- und 80er-Jah- ren die Fixateur-externe-Behandlung modern wurde, wurde bald bemerkt, dass viele Frakturen nicht schneller, sondern langsamer, manchmal sogar gar nicht heilten. Man hatte übersehen, dass eine gewisse interfragmentäre In- stabilität Voraussetzung für die natürli- che Kallusbildung ist. Daraufhin wur- den die Fixateure nicht aufgegeben, sondern es wurde mit Systemen experi- mentiert, welche Instabilität simulieren.

An der Oxford-Universität etwa wurde ein hydraulischer Antrieb ent- wickelt, der am Fixateur angebracht wurde. Die Ergebnisse waren zwar bes- ser als beim rigiden Fixateur-externe.

Der gleiche Effekt ließ sich jedoch mit geringerem Aufwand durch elastische unilaterale Fixateursysteme erzielen, wie sie heute angewendet werden.

Auch eine an der Universität Ulm ent- wickelte Vibrationsplattform, auf die sich der Patient täglich zwecks Förde- rung der Knochenbruchheilung stellen sollte, konnte sich nicht durchsetzen.

Interfragmentäre Bewegung

Einen Erkenntnisgewinn haben die Ver- suche für Prof. Lutz Claes (Universität Ulm) dennoch gehabt. Die Messungen haben nämlich unter anderem gezeigt, dass bereits Muskelkontraktionen, zum Beispiel der Unterschenkelmuskulatur, genügen, um bei Tibiafrakturen eine

ausreichende interfragmentäre Bewe- gung zu erzeugen. Eine externe mecha- nische Stimulation hält Claes nur noch bei Patienten für sinnvoll, die weder partiell belasten noch Muskelkontrak- tionen durchführen können.

Weitgehend unbeachtet von der Öf- fentlichkeit haben die Unfallchirurgen wesentliche Beiträge zum medizini- schen Fortschritt geleistet. An der Me- dizinischen Hochschule Hannover (MHH) wird – in ihrer Kontinuität ein- zigartig über Deutschland hinaus – seit 27 Jahren Verkehrsunfallforschung be- trieben. Der Erfolg zeigt sich an den Zahlen der Verkehrstoten: In den 70er- Jahren starben jedes Jahr noch circa 20 000 Menschen im Straßenverkehr.

Heute sind es weniger als die Hälfte.

Ohne die Unfallforschung gäbe es laut Prof. Harald Tscherne (Leiter der Un- fallklinik an der MHH) heute keinen Sicherheitsgurt und keinen Airbag.

Hannover verfügt über eine Daten- bank mit über 15 000 Verkehrsunfällen und mehr als 23 Millionen Einzelinfor- mationen. Seit Juli 1999 wird zusam- men mit der Universität Dresden eine neue Datenbank errichtet: An den Da- ten von GIDAS (German-in-depth-ac- cident-study) zeige nicht nur der Ge- setzgeber, sondern auch die Automo- bilindustrie hohes Interesse, erklärte Dipl.-Ing. Dietmar Otte (Hannover).

Dass BMW als weltweit erster Auto- mobilhersteller serienmäßig spezielle Seiten-Airbags einbaut, ist letztlich einer Zusammenarbeit mit der Unfallchirurgi- schen Universitätsklinik der LU Mün- chen-Großhadern zu verdanken. Wie der Leiter, Prof. Günter Lob, erklärte, hatten Studien ergeben, dass Seitenkol- lisionen häufiger (zu 23 Prozent) zu schweren Kopf- und Halsverletzungen führen als Frontkollisionen (elf Pro- zent), wo die Insassen ja bereits durch Si- cherheitsgurt und Airbag geschützt sind.

Da der herkömmliche Seiten-Air- bag, ein aus der Tür springender Thorax-Airbag, nicht vor Schädelhirn- Traumata schützt, wurde ein weiterer Airbag entwickelt: Die „Inflatable Tu- bular Structure“ (ITS) ist im seitlichen Dachrahmen untergebracht und entfal- tet sich in Höhe des Kopfes. Zurzeit läuft eine Fall-Kontroll-Studie. Parallel zur sinkenden Zahl von schweren Ver- kehrsverletzungen sind die Freizeit-

unfälle häufiger geworden. Praktisch in jedem Jahr entstehen neue Moden und damit neue Verletzungsrisiken. In die- sem Jahr sind es die Kickboardfahrer, die vermehrt die Unfallchirurgen be- schäftigen, in den vergangenen Jahren waren es die Inlineskater und – in den Wintersportgebieten – die Snowboard- fahrer. In den österreichischen Alpen sei der Anteil der Snowboarder bereits auf sieben bis neun Prozent, bei jünge- ren sogar auf bis zu 40 Prozent gestie- gen, berichtete Dr. Wolfgang Machold, Universitätsklinik für Unfallchirurgie Wien. Snowboarder fahren ohne Ski- stöcke, weshalb die Sturzgefahr vor al- lem bei Anfängern sehr hoch ist. In Österreich verletzen sich jedes Jahr 6 000 Snowboarder so schwer, dass sie einen Arzt aufsuchen.

Handgelenksprotektoren

Typischer Verletzungsmechanismus ist der Gleichgewichtsverlust mit Sturz auf den gestreckten Arm. Die Folge ist ei- ne Überstreckung und Verletzung des Handgelenks. Es werden deshalb in den Skiorten so genannte Handgelenkspro- tektoren verkauft, welche das Verlet- zungsrisiko in der Summe reduzieren. Bei kritischer Analyse träten jedoch zahlrei- che Mängel dieser Protektoren zutage.

Manche Modelle würden das Verlet- zungsrisiko sogar erhöhen, sagte Ma- chold. Ein an der Uni Wien entwickelter Protektor konnte in einer prospektiven randomisierten Studie an 721 Snow- boardern das Verletzungsrisiko dagegen deutlich senken. Während in der Nicht- Schienen-Gruppe neun schwere Verlet- zungen (Knochenbrüche und Wachs- tumsfugenlösungen) auftraten, waren die Protektorenträger zu 100 Prozent geschützt. Ein Problem kann der neue Protektor jedoch nicht lösen. Die Ak- zeptanz ist gering. Vor allem Anfänger glauben nicht an das Risiko, da sie im Schnee ja angeblich weich fallen.

Dagegen lassen sich Inlineskater eher von der Notwendigkeit eines Pro- tektors überzeugen. Sie erleiden auch bei leichten Stürzen häufig Schürfwun- den – eine Warnung, die sie beherzigen.

Snowboarder fallen dagegen entweder weich, oder sie erleiden eine schwere Handgelenksverletzung. Rüdiger Meyer P O L I T I K

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A3410 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 50½½½½15. Dezember 2000

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