Ein Beispiel für diese Behauptung bietet Antes vom Deutschen Cochrane Zentrum. Zwar plädiert er, wie erwar- tet, für das DZQM, doch gegen Leitli- nien, die am Schreibtisch fernab der Praxis erstellt werden. Echte Leitlinien funktionierten nur, wenn Ärzte und Patienten eingebunden würden.
Storm findet: „Für mich sind An- hörungen das Salz in der Suppe der par- lamentarischen Arbeit.“ Hier könne man fundiertes Wissen erwerben und Anregungen erhalten, zum Beispiel wenn man Experten frage, wo sie noch Handlungsbedarf sehen würden. Er ist sich auch sicher, dass die Erkenntnis- se aus der GMG-Anhörung in die Konsensgespräche einfließen werden.
Auch Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) hat einige Ideen aus der An- hörung mitgenommen, „besonders wenn es um mögliche Kompromissli- nien ging“. Die Arbeit im Ausschuss wird ihrer Meinung nach durch die be-
schlossenen Konsensgespräche keines- falls entwertet: „Solche Gespräche bie- ten mehr Raum zur Einigung als ein formelles Verfahren im Vermittlungs- ausschuss.“
Auch Dr. Dieter Thomae (FDP) ist der Ansicht, dass man immer neue Er- kenntnisse gewinnt. „Diese prüfen wir eingehend. Wenn Argumente plausibel sind, werden sie in Form von Ände- rungsanträgen aufgegriffen“, ergänzt er. Damit beschreibt der Liberale die Hauptbedeutung vieler Anhörungsver- fahren. Während die Marschrichtung eines Gesetzesvorhanbens ohnehin im verantwortlichen Ministerium bezie- hungsweise in „Hinterzimmergesprä- chen“ ausgearbeitet wird, obliegt es der Fachebene im Ausschuss, in einzel- nen Punkten nachzubessern. Schließ- lich steckt der Teufel oftmals im Detail.
Ausschussanhörungen sind deshalb in der Regel reine Arbeitssitzungen, de- nen jeglicher parlamentarischer Glanz
fehlt. Dafür liegt hin und wieder der Duft von Buletten und Kaffee in der Luft, denn bei Anhörungen darf geges- sen und getrunken werden. „Ich wün- sche der kassenartenübergreifenden Apfelrunde einen guten Appetit“, ruft Ausschuss-Vorsitzender Klaus Kirsch- ner zwischendurch einmal in den Saal, wo die Vertreter der Krankenkassen einträchtig kauen.
Ebenso einträchtig werden Redezei- tenblöcke getauscht, damit der Einzel- sachverständige Prof. Dr. Bernd Raffel- hüschen rechtzeitig zum Hauptstadt- kongress ans andere Ende der Stadt ei- len kann. Eines vereint am Ende eines Anhörungstags alle, ob Fragesteller oder Experten: die Mattigkeit nach stundenlanger Sitzung. Auch dafür hat Ausschussvorsitzender Kirschner noch einen Spruch parat: „So meine Damen und Herren, jetzt können Sie wieder munter werden: Jetzt hören wir nämlich auf.“ Samir Rabbata, Sabine Rieser P O L I T I K
A
A1840 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003
Stumme Experten
138 Verbände und Interessenorganisa- tionen, 15 Einzelsachverständige: Sie alle wurden eingeladen, um den GMG- Entwurf und konkurrierende Anträge der Opposition mehrere Tage lang zu beraten. Doch zu Wort kam in etwa nur jeder fünfte Experte – alle anderen mussten zuhören. Dies ist auch dann die Pflicht eines Experten, wenn er glaubt, eine Frage sachkundiger als ein anderer beantworten zu können oder gar eine falsche Antwort korrigieren zu können.
Dies findet Prof. Dr. med. Bruno Müller-Oerlinghausen problematisch.
Der Vorsitzende der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) war am vergangenen Montag als Einzelsachverständiger geladen, um zum Thema Qualität der Versorgung/
Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin Stellung zu nehmen. Er hatte jedoch seiner Auffassung nach nicht in ausreichendem Maß Gelegenheit, Be- hauptungen wie die zu widerlegen, dass es weder für die deutsche Ärzteschaft noch die Patientenschaft irgendeine in- dustrieunabhängige Information zu Nutzen und Risiken von Arzneimitteln
in Deutschland gebe. In seiner Stellung- nahme heißt es:
„Wie selbst der ,Spiegel‘ in seiner Ausgabe vom 31. 3. 2003 schrieb, be- sitzt die verfasste Ärzteschaft in Form der Arzneimittelkommission eine Insti- tution, die neutrale, kritische, indu- strieunabhängige Information liefert.
Diese Information steht allen deut- schen Ärzten und Ärztinnen in vielfa- cher Form, das heißt als Printmedium oder im Internet, zur Verfügung. Alle zwei Jahre erscheint das Buch ‚Arznei- verordnungen‘, das schon vor vielen Jahren eine quasi ärzteeigene Positivli- ste mit knapp 800 ausdrücklich emp- fohlenen Wirkstoffen darstellte. Vier- mal im Jahr wird zudem das Bulletin
‚Arzneiverordnung in der Praxis‘ ver- öffentlicht, das zur internationalen Ge- sellschaft der pharmaunabhängigen kri- tischen Drug Bulletins (ISDB) gehört.
Die hierin enthaltene Information wird zudem in Deutschland durch weitere unabhängige, pharmakritische Infor- mationsblätter wie ‚Arzneimittelbrief‘
oder ‚arznei-telegramm‘ optimal ergänzt.
Entsprechend Nr. 14 der Arzneimit- telrichtlinien erstellt die AkdÄ seit Jah- ren evidenzbasierte Leitlinien, die von der im europäischen Vergleich als aus- gesprochen hochkarätig anzusehenden
Clearingstelle, dem Ärztlichen Zen- trum Qualitätssicherung, sehr positiv zertifiziert wurden. Die Vertragsärzte- schaft ist verpflichtet, den Inhalt dieser Leitlinien zur Kenntnis zu nehmen.
Sie stellen auch die Grundlage für das nationale Leitlinienprogramm der Bundesärztekammer dar, das in den vergangenen Monaten gezeigt hat, dass die verfasste Ärzteschaft in der Lage ist, auch unter massivem Zeitdruck qualitativ hochwertige nationale Ver- sorgungsleitlinien zu erstellen. Die ,Therapieempfehlungen‘ sind weiter- hin Basis für leicht verständliche Pati- entenbroschüren, die von Krankenkas- sen gemeinsam mit der Arzneimittel- kommission erstellt und in Millionen Exemplaren verteilt worden sind. Im Deutschen Ärzteblatt berichtet die AkdÄ zudem regelmäßig unabhängig und kritisch über neue Arzneimittelrisiken.
Selbstverständlich ist das Problem des starken Einflusses der pharmazeu- tischen Industrie auf die ärztliche Fort- bildung ein gravierendes Problem, zu dem die Kommission unzählige Male kritisch Stellung genommen hat. Aber jedem deutschen Arzt und jeder deut- schen Ärztin steht der Weg zur unab- hängigen Information offen: Er oder sie muss sie nur nutzen!“ EB