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Das Ende des billigen Öls

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140 IP März/April 2011

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Buchkritik

Das Ende des billigen Öls

... und was wir tun können, damit es uns nicht teuer zu stehen kommt

David Bosold | Die Welt sei flach und werde noch flacher, verkündete Tho- mas Friedman vor rund fünf Jahren. Von der Globalisierung könnten alle profitieren: Unternehmer, Schwellenländer, Verbraucher. Mit diesem für die Aufbruchstimmung der frühen zweitausender Jahre typischen Wunsch- denken will der kanadische Ökonom Jeff Rubin jetzt aufräumen.

Immobilienblasen und Kreditausfall- versicherungen werden meist als Ur- sachen für die Wirtschaftskrise ausge- macht, von der sich vor allem die USA nur schwer erholen. Das aber seien nur Symptome, schreibt der kanadi- sche Wirtschaftswissenschaftler Jeff Rubin in seinem jüngsten Buch. Als wahren Grund für die Krise macht er den unstillbaren Energiebedarf der OECD-Welt und der Schwellenländer bei zu knappem Angebot aus.

Nun muss man Rubins Auffas- sung in dieser Frage nicht unbedingt teilen – vieles an seinen Ausführun- gen erscheint oberflächlich. Aber lange will er sich ohnehin nicht bei den Gründen der Krise aufhalten.

Vielmehr möchte er einen Blick in die nahe Zukunft werfen. Rubin geht davon aus, dass die Energiepreise nach einem kurzen Absinken wäh- rend der Krise wieder in so astrono- mische Höhen steigen werden wie vor dem Herbst 2008. Der Grund liegt nach seiner Ansicht nicht etwa

in Konjunkturschwankungen, son- dern in einem strukturellen Problem.

Peak Oil, der Zeitpunkt, an dem das globale Ölfördermaximum erreicht und die Hälfte der gesamten Reserven verbraucht sein werden, sei nämlich schon da. Dabei geht er nicht weiter auf Fachdebatten ein, ob denn ein genauer Zeitpunkt eines Peak Oil überhaupt zu bestimmen wäre, oder ob optimistische Szenarien berechtigt sind, die noch ausreichende Reserven für den globalen Energiebedarf in den Ölsand- bzw. Ölschiefervorkommen Kanadas und Venezuelas vermuten.

Hat ein Peak Oil schon stattgefun- den, dann ist ein Ölpreis von 200 Dollar pro Barrel (159 Liter) keine unrealistische Annahme. Wie nach- haltig wäre dann nicht nur der Ame- rican, sondern auch der Western Way of Life? Und würde sich die Welt dann nicht entglobalisieren?

Dass die über mehrere tausend Kilometer per Flugzeug importierte Schale Erdbeeren zu Weihnachten

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Buchkritik

unter diesen Umständen für den Ver- braucher nahezu unbezahlbar würde, ist wenig überraschend. Ein Ölpreis von 200 Dollar und mehr würde aber auch eine Reihe von einheimischen Wirtschaftssektoren wie die Stahlin- dustrie wieder wettbewerbsfähig ma- chen. Der Transportkostenanteil chi- nesischen Stahls würde dann nämlich effektiv jenen knapp 15 Prozent Ein- fuhrzoll entsprechen, der vor den Freihandelsrunden der achtziger und neunziger Jahre galt. Dass der Anteil eines solchen fiktiven Zolls auf 20 bis 30 Prozent stiege, wenn in den Ver- kaufspreis die Energieeffizienz bzw.

Treibhausgasbilanz einflösse, würde in Zukunft auch jene zum Umdenken bewegen, die bisher die Klimaschutz- bemühungen in Amerikas Industrie blockierten.

Rubin zieht daraus den Schluss:

Die OECD-Welt besitzt in den kom- menden Jahrzehnten einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, In- dien und China). Die Infrastruktur, Bildungseinrichtungen und Energie- effizienz der OECD-Länder erlaubten nämlich ein nachhaltiges Wirtschaf- ten, das in Zukunft unausweichlich werde. Die auf billigem Öl basierende Arbeitsteilung – Just-in-time-Produk- tion, Nahrungsmittelproduktion am anderen Ende der Welt, Verlagerung der Zulieferindustrie nach Asien – sei hingegen ein Auslaufmodell. Der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg liege in der Energieeffizienz und dem Ver- hindern des „Rebound-Effekts“. Denn für Produktion und Betrieb eines Ge- räts wird zwar inzwischen weniger Energie verbraucht; die Einsparungen aber werden schnell an anderer Stelle – durch die Klimaanlage, den Zweit-

und Drittfernseher oder den Swim- mingpool im Garten – wieder ver- braucht.

Der Weg, den eine Ware von der Produktion zum Verbraucher zurück- legt, werde also kürzer, womit zwei Entwicklungen der vergangenen Jahr- zehnte umgekehrt würden: Die Indus- trieproduktion verlagere sich nach Europa und Nordamerika zurück und der Anteil der in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen nehme in den Industrieländern zu. Das sind ge- wagte Prognosen. Doch solche Szena- rien einmal durchzuspielen ist ein Verdienst Rubins.

Unbefriedigend jedoch bleibt Ru- bins Analyse der Konsequenzen solch einschneidender Prozesse. In den Sze- narien werden die politischen und ge- sellschaftlichen Dimensionen des post- fossilen Zeitalters ausgeblendet. Rubin konzentriert sich lediglich auf die Wirtschaft. So bleiben zahlreiche Fra- gen unbeantwortet.

Wie würde sich eine „Entglobali- sierung“ auf eine politisch und wirt- schaftlich immer stärker vernetzte Welt auswirken? Kann und wird eine Gesellschaft, die nicht mehr auf fossile Energien zurückgreift, wirklich wie- der zu einer Industrie- oder gar einer Agrargesellschaft werden? Rubin pro- pagiert hier die wirtschaftlichen Er- folgsrezepte vergangener Jahrzehnte.

Gewünscht hätte man sich mehr inno- vatives Nach-vorne-Denken.

JEFF RUBIN:

Warum die Welt immer kleiner wird.

Öl und das Ende der Globalisierung.

München: Hanser 2010, 282 Seiten, 19,90 Ð

DAVID BOSOLD ist Programmleiter des International Forum on Strategic Thinking bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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