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AIB-201124-WIS-Antikoagulantien

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Academic year: 2022

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Vergleich der oralen Antikoagulation zwischen dem Vitamin K-Antagonisten Phenprocoumon und den direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) - eine Analyse aktueller Daten des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland

Vor zwei Jahren hatten wir ausführlich über drei Datenbankanalysen aus der deutschen Re- alversorgung zu oben genanntem Vergleich berichtet1. Die internationalen Zulassungsstu- dien zum Vergleich der antikoagulatorischen Wirksamkeit und Sicherheit der direkten oralen Antikoagulantien Apixaban, Edoxaban, Dabigatran und Rivaroxaban sind allesamt gegen den Vitamin K-Antagonisten Warfarin durchgeführt worden, der in Deutschland in der Praxis so gut wie keine Bedeutung hat.

Die drei retrospektiven Kohortenstudien von Mueller S. et al., 20182, Ujeyl M. et al., 20183 und Hohnloser S. H. et al., 20184, kamen zum Teil zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Dadurch besteht nach wie vor Klärungsbedarf, inwiefern Phenprocoumon, der in Deutsch- land üblicherweise eingesetzte Vitamin K Antagonist (VKA) mit einer deutlich längeren Halb- wertszeit als Warfarin, den direkten oralen Antikoagulantien in Wirksamkeit und Sicherheit über- oder unterlegen oder auch vergleichbar ist.

Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) hat sich dieser Frage angenommen, und die gewonnenen Ergebnisse vor kurzem veröffentlicht5. Vor dem Hintergrund der Brisanz des Themas einer wirtschaftlichen Verordnungsweise, gerade auch im Rahmen der neuen Struktur der bayerischen Wirkstoffvereinbarung 3.0, möchten wir die Ergebnisse in diesem „Arzneimittel im Blickpunkt“ aufbereiten.

Das ZI bezieht bundesweit die Apothekenabrechnungsdaten, bereitet diese auf und stellt sie den regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen zur Wahrnehmung ihres gesetzlichen Auf- trags der Information und Beratung der deutschen Kassenärzte zur Verfügung. Hierin enthal- ten sind die Arzneimittelverordnungsdaten aller gesetzlich Krankenversicherten. Zusätzlich stehen die Patientendiagnosen über die Abrechnungsdaten der Vertragsärzte zur Verknüp- fung mit den Verordnungsdaten pro Patienten-Pseudonym zur Verfügung. Für den Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung stellt das im untersuchten Kollektiv das Um- fassendste für die Bundesrepublik Deutschland dar.

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Methoden

Studiendesign retrospektive Kohortenstudie

Vergleichsgruppen 1. Phenprocoumon gegen alle DOAKs

2. Phenprocoumon gegen jeweils ein einzelnes DOAK tatsächlicher Beobachtungszeitraum Quartal 03/2011 bis Quartal 4/2016

Beobachtungsort Deutschland

Grundgesamtheit Verordnungsdaten von allen gesetzlich Krankenversicher- ten (z. B. im Jahre 2016: 71,4 Millionen)

tatsächlich ausgewertete Patienten- zahlen je Arzneistoff

353.020 Phenprocoumon 133.969 Apixaban 55.131 Dabigatran 14.666 Edoxaban 234.794 Rivaroxaban

Einschlusskriterien Patienten über 18 Jahre, eindeutige Geschlechtszuord- nung in allen Quartalen

neu diagnostiziertes nicht-valvuläres Vorhofflimmern (nvVHF): fünf Quartale zuvor haben Patienten diese Di- agnose nicht bekommen bei mindestens einem Arzt- Patienten Kontakt

Niereninsuffiziente nicht ausgeschlossen

pro Halbjahr mindestens eine Verordnung

Ausschlusskriterien 2 Quartale hintereinander: kein verordnetes Antikoa- gulans (entspricht Therapieabbruch)

VKA und DOAK in demselben Quartal verordnet wie Ereignis

Endpunkte Ischämischer Schlaganfall

Transitorische ischämische Attacke (TIA)

systemische Embolie (ohne Lungenembolie)

nicht-traumatische Blutung (intrazerebral, extrazerebral, größer und kleiner gastrointestinal)

Tod: wurde bei 4 Quartalen ohne Arztkontakt angenom- men, deshalb Daten diesbzgl. nur bedingte Validität

bei Therapiewechsel Ereignis dem zuletzt eingenom- menen Antikoagulans zugeordnet

Anforderungen an Vergleichsgruppen ähnliche Merkmale, z. B. bzgl. Alter, Geschlecht, Komorbi- ditäten (ICD-10-Codes, CHA2DS2-VASc-Score, Charlson- Comorbidity-Score)

Methode des Matchings der Patien- tengruppen

Propensity Score Matching

Einschlusskriterien Sensivitätsana- lyse

nur bei nvVHF zugelassene Dosierung

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Ergebnisse

Die Patienten mit VKA Therapie wurden durchschnittlich 5 Quartale nachbeobachtet, die mit DOAK Therapie 6,71 Quartale lang. Knapp 87.000 Patienten waren Therapiewechsler, von denen etwas über zwei Drittel von Phenprocoumon auf DOAK wechselten und knapp ein Drittel von einem DOAK auf VKA. Ein Therapieabbruch kam in 64,8 % der VKA und 21,5 % der DOAK Patienten vor. Unter DOAK Therapie traten signifikant mehr ischämische bzw. un- bekannte Schlaganfälle (adjustierte Hazard Ratio (HR) 1,32, 95% Konfidenzintervall (KI) 1,29-1,35) und TIA (HR = 1,10, 95% KI = 1,06-1,14) und signifikant weniger systemische Embolien (HR = 0,78, 95% KI = 0,73-0,83) und Blutungen (HR = 0,89, 95% KI = 0,88-0,90) auf als unter VKA.

Bei Betrachtung der Angaben zur Sterblichkeit ergibt sich eine numerische Übersterblichkeit in der DOAK-Beobachtungsgruppe: 73,5 DOAK-Patienten pro 1000 Personenjahre starben im Beobachtungszeitraum gegenüber 61,4 Phenprocoumon-Patienten pro 1000 Personen- jahre. Eine statistische Auswertung dieses Befundes erlaubte sich jedoch nicht, da keine konkreten Sterbedaten dem ZI zur Auswertung vorlagen und man von einem Sterbefall dann für die Analyse ausging, wenn der Patient über ein Jahr lang bei einem Kassenarzt nicht vor- stellig gewesen war.

Beim Vergleich von Phenprocoumon mit den Einzelsubstanzen war unter Dabigatran das Ri- siko für einen ischämischen Schlaganfall (HR 1,93; 95% KI 1,82-2,03) oder eine TIA (HR 1,33; 95% KI 1,22-1,45) am stärksten erhöht, gefolgt von Apixaban (ischämischer Schlagan- fall: HR 1,52; 95% KI 1,46-1,58; TIA: HR 1,15; 95% KI 1,08-1,22) und Rivaroxaban (ischämi- scher Schlaganfall: HR 1,13; 95% KI 1,10-1,17; TIA: HR 1,06; 95% KI 1,01-1,11). Für Edox- aban fand sich für ischämische Schlaganfälle gegenüber Phenprocoumon keine Risikoerhö- hung (HR 0,88; 95% KI 0,74-1,05) und sogar ein geringeres Risiko für TIA (HR 0,71; 95% KI 0,53-0,95). Systemische Embolien waren unter Dabigatran gleich häufig wie unter VKA (HR 0,93; 95% KI 0,79-1,10), unter Rivaroxaban (HR 0,83; 95% KI 0,77-0,90), Apixaban (HR 0,75; 95% KI 0,67-0,85) und Edoxaban (HR 0,29; 95 % KI 0,17-0,51) jedoch signifikant er- niedrigt. Das Blutungsrisiko war unter Dabigatran (HR 0,85; 95% KI 0,83-0,88), Apixaban (HR 0,71; 95% KI 0,70-0,73) und Edoxaban (HR 0,74; 95% KI 0,68-0,81) signifikant ernied- rigt, unter Rivaroxaban (HR 1,03; 95% KI 1,01-1,04) hingegen erhöht. Die Sensitivitätsana- lyse änderte an diesen Ergebnissen nichts.

Diskussion

Der Hauptbefund der vorliegenden Arbeit ist, dass in der deutschen Realversorgung mit ora- len Antikoagulantien zur Schlaganfallprophylaxe bei nicht Klappen-bedingtem Vorhofflim- mern ischämische Schlaganfälle durch den Vitamin K-Antagonisten Phenprocoumon effekti- ver verhindert wurden als durch eine Therapie mit einem der bisher verfügbaren direkten

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oralen Antikoagulantien. Demgegenüber verursachte Phenprocoumon jedoch mehr Blutun- gen, was bei der Therapieentscheidung abzuwägen ist.

Die großen Zulassungsstudien zu den DOAK haben in die Definition des Endpunktes

„Schlaganfall“ sowohl hämorrhagische als auch ischämische Insulte aufgenommen. Insofern reiht sich das Ergebnis der vorliegenden Studie durchaus in die Effektrichtung der pivotalen Ergebnisse ein, wenn auch dort Warfarin anstatt hier Phenprocoumon untersucht wurde.

In der RE-LY Studie zu Dabigatran gegen Warfarin war nur die hohe Dosierung mit zweimal 150 mg täglich bei der Verhinderung ischämischer Schlaganfälle dem Warfarin überlegen, die zweimal 110 mg täglich diesem gleichwertig.

In der ROCKET AF Studie findet sich keine zuvor angelegte Subgruppenuntergliederung nach der 20 mg und der 15 mg einmal täglich Dosierung mit Rivaroxaban. Für beide Dosie- rungen zusammengefasst in einem Patientenkollektiv ergab sich kein Unterschied bei der Verhinderung von ischämischen Schlaganfällen gegenüber Warfarin.

Auch in der ARISTOTLE Studie ereigneten sich unter Apixaban ischämische Insulte gleich häufig wie unter Vitamin K Antagonisten.

In der ENGAGE AF-TIMI 48 Studie war die einmal tägliche 60 mg Edoxaban Dosierung dem Warfarin bei der Verhinderung ischämischer Schlaganfälle gleichwertig, die 30 mg Dosierung hingegen unterlegen.

Die Stärke der DOAK scheint damit eher bei der Verhinderung von Blutungsereignissen zu liegen. Das gegenüber Phenprocoumon schlechte Abschneiden der DOAK im Hinblick auf die Verhinderung kardioembolischer Schlaganfälle in der hier betrachteten Realversorgung mag in einer inadäquaten Dosisreduktion begründet liegen, die wiederum den deutlichen Vorteil bei den Blutungsereignissen begründet. So hatten in der Studie von Mueller et al.2 die Hälfte der DOAK Patienten die geringere Dosierung eingenommen, von denen nur wiederum die Hälfte eine Niereninsuffizienz aufwiesen. Hohnloser et al.4 berichtete von ca. 30-50 % der Patienten unter der Niedrigdosis. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Pati- enten in der Realversorgung ihre Medikation nicht zuverlässig einnehmen. So wird aus Ka- nada berichtet, dass knapp jeder dritte Patient mit einer Apixaban oder Dabigatran Behand- lung diese nur einmal statt zweimal täglich einnahm6. Dies könnte sowohl weniger Blutungen als auch mehr ischämische Insulte begründen.

Edoxaban scheint der Gewinner dieser retrospektiven Datenanalyse zu sein. Es ist erfreu- lich, dass nun auch erste Daten zu diesem als letzten in den Markt gelangten DOAK vorlie- gen. Die erhobenen Befunde müssen jedoch vor dem Hintergrund der noch geringen Daten- menge mit Zurückhaltung bewertet werden. In den USA wird bei Patienten ohne einge-

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schränkte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance > 95 mg/min x 1,73 m2) Edoxaban nicht emp- fohlen, da bei diesen Patienten Warfarin in der Zulassungsstudie überlegen war7. Daneben ist der Anbieter mit einem Vermarktungskonzept aufgetreten, wonach Edoxaban die richtige Wahl bei Patienten mit zahlreichen Komorbiditäten und dem besten Sicherheitsprofil sei, so dass hiermit eventuell Patienten versorgt werden, die durch den Arzt engmaschiger geführt werden und deren Therapieadhärenz eher gegeben ist.

Fazit

Diese bisher größte deutsche Versorgungsstudie zum vergleichenden Einsatz oraler Antiko- agulantien bestätigt die bisherigen Befunde, dass der Vitamin K-Antagonist Phenprocoumon nach wie vor konkurrenzfähig gegenüber den direkten oralen Antikoagulantien Apixaban (Eli- quis®), Edoxaban (Lixiana®), Dabigatran (Pradaxa®) und Rivaroxaban (Xarelto®) ist. Vor die- sem Hintergrund sollten neben den entscheidenden medizinischen Aspekten Wirtschaftlich- keitserwägungen mit hinzu gezogen werden. Sie als behandelnder Arzt kennen Ihre Patien- ten mit ihrem individuellen Risikoprofil am besten und können ihre Ausgangsbedingungen optimal abschätzen. Eine generelle Therapieempfehlung für oder wider eine Arzneimittel- gruppe über ein gesamtes Patientenkollektiv sollte generell nicht gestellt werden. Die Arznei- mittelkommission der deutschen Ärzteschaft empfiehlt in ihrem Leitfaden eine individuell ab- gewogene Therapieentscheidung für oder wider VKA. Vor dem Hintergrund der hier be- schriebenen Daten lässt sich eine grundsätzliche Verweigerung von Vitamin K-Antagonisten, insbesondere Phenprocoumon, allerdings kaum rechtfertigen.

Unsere Pharmakotherapieberater stehen Ihnen - als Mitglied der KVB - als Ansprechpart- ner zur Verfügung. Sie finden unsere Berater unter http://www.kvb.de/service/kontakt-und- Beratung/praesenzberatung/verordnungen/. Oder Sie hinterlassen uns über das Kontaktfor- mular unter www.kvb.de/Beratung einen Rückrufwunsch.

1 https://www.kvb.de/verordnungen/arzneimittel/arzneimittel-im-blickpunkt/

2 Mueller S, Groth A, Spitzer SG, Schramm A, Pfaff A, Maywald U, Real-world effectiveness and safety of oral anticoagulation strategies in atrial fibrillation: a cohort study based on a German claims dataset, Pragmat Obs Res. 2018 May 1; 9:1-10. doi: 10.2147/POR.S156521. eCollection 2018;

3 Ujeyl M, Köster I, Wille H, Stammschulte T, Hein R, Harder S, Gundert-Remy U, Bleek J, Ihle P, Schröder H, Schillinger G, Zawinell A, Schubert I, Comparative risks of bleeding, ischemic stroke and mortality with direct oral anticoagulants versus phenprocoumon in patients with atrial fibrillation, Eur J Clin Pharmacol 2018 Jun 16. doi: 10.1007/s00228-018-2504-7

4 Hohnloser SH, Basic E, Hohmann C, Nabauer M, Effectiveness and Safety of Non-Vitamin K Oral Anticoagulants in Comparison to Phenprocoumon: Data from 61,000 Patients with Atrial Fibrillation, Thromb Haemost. 2018 Mar; 118 (3): 526-538. doi: 10.1160/TH17-10-0733.

5 Paschke et al., BMC Medicine, https://doi.org/10.1186/s12916-020-01695-7

6 Andrade J. G., Can J Cardiol 2016, 32: 747-753.

7 Giugliano R. P. et al., ENGAGE AF-TIMI 48, N Engl J Med 2013, 369:2093-2104.

https://www.accessdata.fda.gov/scripts/cder/daf/index.cfm?event=overview.process&varAp- plNo=206316

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